Entscheidungsdatum
28.10.2020Norm
BFA-VG §18 Abs3Spruch
I414 2236197-1/5E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Christian EGGER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Rumänien, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung (Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH und Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung GmbH), gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.09.2020, Zl. XXXX , zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Dem Beschwerdeführer wird gemäß § 8a VwGVG die Verfahrenshilfe im Umfang der Befreiung von der Eingabegebühr bewilligt.
C)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer, ein rumänischer Staatsangehöriger, reiste im Mai 2020 nach Österreich ein und wurde am 11.05.2020 in Untersuchungshaft genommen.
Die belangte Behörde teilte dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom 12.06.2020 mit, dass im Falle einer Verurteilung die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen ihn beabsichtigt sei und gab ihm die Möglichkeit, sich dazu binnen zehntägiger Frist zu äußern. Der Beschwerdeführer erstattete keine Stellungnahme.
Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 14.07.2020, XXXX wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens des Diebstahls durch Einbruch zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Monaten verurteilt.
Mit dem im Spruch genannten Bescheid vom 21.09.2020 erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von acht Jahren befristetes Einreiseverbot (Spruchpunkt I.), erteilte ihm keinen Durchsetzungsaufschub (Spruchpunkt II.) und erkannte einer Beschwerde gegen dieses Aufenthaltsverbot die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt III.). Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass ob der strafgerichtlichen Verurteilung und den einschlägigen Vorstrafen des Beschwerdeführers ein Aufenthaltsverbot zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit geboten sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit sowie der Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde mit den Anträgen, eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen, den bekämpften Bescheid ersatzlos zu beheben, in eventu, das Aufenthaltsverbot wesentlich zu verkürzen. Zudem wurde beantragt, Verfahrenshilfe im Umfang der Gebührenbefreiung für die Eingabegebühr zu gewähren. Der Beschwerdeführer begründete die Beschwerde zusammengefasst damit, dass sich die belangte Behörde bei der Verhängung des Aufenthaltsverbotes unzulässigerweise nur auf die strafrechtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers gestützt und keine nachvollziehbare Gefährdungsprognose angestellt habe.
Die belangte Behörde legte die Beschwerde und den Akt des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht vor, wo sie am 20.10.2020 einlangten.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der volljährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Rumänien. Er ist ledig und kinderlos.
Er besuchte vier Jahre die Volksschule und war zuletzt ohne Beschäftigung. Er hat weder Vermögen noch Schulden. Es bestehen keine privaten oder familiären Bindungen des Beschwerdeführers im Bundesgebiet.
Der Beschwerdeführer verfügte außer Aufenthalten in zwei Justizanstalten zu keinem Zeitpunkt über eine aufrechte Wohnsitzmeldung im Bundesgebiet und ging keiner gemeldeten Erwerbstätigkeit nach.
Im Zeitraum 2005 bis 2016 wurde der Beschwerdeführer insgesamt fünf Mal strafgerichtlich verurteilt. Zunächst wurde er in Rumänien 2005, 2008 und 2010 jeweils wegen Diebstahls und weiteren Vergehen zu Gesamtfreiheitsstrafen von sechseinhalb Jahren rechtskräftig verurteilt, von denen insgesamt viereinhalb Jahre vollzogen wurden. Anschließend wurde der Beschwerdeführer 2013 wegen des Verbrechens des Raubes von Schmuckstücken in Italien zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt, von denen er zwei Jahre und vier Monate verbüßte. In der Folge wurde er mit Urteil eines belgischen Strafgerichtes vom 17.03.2016 wegen Tathandlungen, die vor der Verurteilung in Italien lagen, des Verbrechens des Raubes und weiteren strafbaren Handlungen schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt, die er bis 01.05.2020 verbüßte.
Nach seiner Entlassung reiste der Beschwerdeführer nach Österreich, wo er nur acht Tage später, am 09.05.2020, erneut festgenommen wurde.
Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 14.07.2020, XXXX wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Abs. 1 Z 3 StGB StGB zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Monaten rechtskräftig verurteilt. Der Verurteilung lag zugrunde, dass der Beschwerdeführer gemeinsam mit einem Mittäter am 08.05.2020 zwei Fahrräder Verfügungsberechtigten mit dem Vorsatz, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, weggenommen hat, indem er in gesonderten Angriffen die Sperrketten mit einem Bolzenschneider aufbrach und mit den Fahrrädern wegfuhr. Dabei wurde er von zivilen Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes beobachtet und unmittelbar im Anschluss an die Taten in den frühen Morgenstunden des 09.05.2020 festgenommen.
Ausgehend von einem Strafrahmen bis zu drei Jahren berücksichtigte das Strafgericht das reumütige Geständnis als mildernd, erschwerend hingegen die vier einschlägigen Vorstrafen, den raschen Rückfall nach der Haftentlassung in Belgien sowie die mehrfachen Tathandlungen.
Es wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer die besagten Straftaten begangen und die beschriebenen Verhaltensweisen gesetzt hat.
Seine Haftstrafe verbüßt der Beschwerdeführer derzeit in der Justizanstalt XXXX , errechnetes Strafende ist der 09.05.2021. Der frühestmögliche Zeitpunkt einer bedingten Entlassung ist der 09.11.2020.
2. Beweiswürdigung:
Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde, insbesondere in den bekämpften Bescheid und in den Beschwerdeschriftsatz. Ergänzend zum vorliegenden Akt wurden Auskünfte aus dem Strafregister, dem Zentralen Melderegister, der Grundversorgung und der Sozialversicherung eingeholt.
Die umseits getroffenen Feststellungen beruhen auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht aufgrund der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahrens und werden in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung als maßgeblicher Sachverhalt zugrunde gelegt.
Die Feststellung zur Identität des Beschwerdeführers ergibt sich aus dem unbedenklichen Akteninhalt, insbesondere aus der Verifizierung durch die österreichische Justiz.
Die Feststellungen zum Familienstand und zur Kinderlosigkeit, zur Schulbildung, zur Beschäftigungslosigkeit und zum Fehlen von Vermögen oder Schulden beruhen auf den im Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 14.07.2020, XXXX getroffenen Feststellungen sowie dem eingeholten Sozialversicherungsauszug. Die Mittellosigkeit des Beschwerdeführers ergibt sich zudem auch aus dem gestellten Antrag auf Verfahrenshilfe im Umfang der Befreiung von der Eingabengebühr und ist durch das der Beschwerde angeschlossene Vermögensverzeichnis belegt.
Dass der Beschwerdeführer über keinerlei familiäre oder private Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet verfügt, ergibt sich mangels gegenteiligem Vorbringen im gesamten Verfahren sowie aus dem Umstand, dass der Beschwerdeführer nur rund eine Woche vor seiner Inhaftierung nach Österreich eingereist ist.
Die Feststellung, wonach der Beschwerdeführer nur in zwei Justizanstalten gemeldet war und ansonsten über keine Wohnsitzmeldungen in Österreich verfügt, ergibt sich aus dem eingeholten Auszug des Zentralen Melderegisters.
Mangels konkreter Beweisergebnisse für den Einreisezeitpunkt oder die Aufenthaltsdauer des Beschwerdeführers im Bundesgebiet kann dazu keine datumsmäßige Feststellung getroffen werden. Da sich der Beschwerdeführer laut Strafurteil jedoch bis zum 01.05.2020 in Belgien in Haft befand und die Straftaten in Österreich am 08.05.2020 erfolgten, steht fest, dass der Beschwerdeführer innerhalb der ersten Maiwoche dieses Jahrs nach Österreich einreiste.
Die Feststellungen zu den Vorstrafen des Beschwerdeführers in Rumänien, Italien und Belgien und zu den früheren strafgerichtlichen Sanktionen beruhen auf dem Strafurteil und auf der Anklageschrift. Damit im Einklang steht, dass die vier Vorstrafen (da sämtliche Tathandlungen in Belgien vor der Verurteilung in Italien begangen wurden und somit alle Taten in dem Verfahren in Italien abgeurteilt werden hätten können, liegt trotz zweier Strafurteile nur eine Vorstrafe vor) als Erschwerungsgrund berücksichtigt wurden.
Die Feststellungen zu den vom Beschwerdeführer begangenen Straftaten, zu seiner Verurteilung und zu den Erschwerungs- und Milderungsgründen basieren ebenfalls auf der im Akt einliegenden Ausfertigung des Strafurteils des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 14.07.2020, XXXX . Die Rechtskraft der Verurteilung wird durch den entsprechenden Eintrag im österreichischen Strafregister belegt, in dem keine weiteren Verurteilungen aufscheinen.
Die Feststellungen zum Vollzug der über den Beschwerdeführer verhängten Haftstrafe und zu möglichen Entlassungsterminen basieren auf der Vollzugsinformation, die insoweit mit den Wohnsitzmeldungen in Justizanstalten laut ZMR und der Haftdauer unter Berücksichtigung der Vorhaftanrechnung laut Strafurteil korrespondiert.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Abweisung der Beschwerde:
Vorab ist zur in der Beschwerde monierten Verletzung von Ermittlungspflichten (bzw. des Parteiengehörs) auszuführen, dass der Beschwerdeführer durch die belangte Behörde von der beabsichtigten Erlassung eines Aufenthaltsverbots mit Schreiben vom 12.06.2020 verständigt wurde. Darin wurde er - nach Darlegung der Ermittlungsergebnisse des BFA - mit konkreten Fragen zu seiner privaten und familiären Situation und zu den Voraussetzungen für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes zur Stellungnahme aufgefordert. Der Beschwerdeführer hatte somit Gelegenheit, sich entsprechend zu äußern und konkrete Angaben, z.B. zu seinen privaten und familiären Anknüpfungspunkten im Bundesgebiet, zu machen. Der Beschwerdeführer erstattete keine Stellungnahme. Aufgrund der ihm im Rahmen des Beschwerdeverfahrens gebotenen Möglichkeit, sich zum Inhalt des angefochtenen Bescheids zu äußern, ist jedenfalls von der Sanierung einer allfälligen Verletzung des Parteiengehörs auszugehen (vgl. VwGH 28.10.2009, 2008/15/0302). Der Beschwerdeführer erstattete in der Beschwerde kein konkretes sachverhaltsbezogenes Vorbringen, etwa zu den Hintergründen und Motiven seines strafbaren Verhaltens, zu seinen Zukunftsplänen nach der Haftentlassung oder zu familiären oder privaten Anbindungen in Österreich oder Rumänien, sondern beschränkte sich auf rechtliche Ausführungen.
3.1. Zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):
3.1.1. Rechtslage:
Gemäß § 67 Abs. 1 FPG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.
Gemäß § 67 Abs. 2 FPG kann ein Aufenthaltsverbot, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden.
Gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG, wenn dadurch in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind insbesondere die in § 9 Abs. 2 Z 1 bis 9 BFA-VG aufgezählten Gesichtspunkte zu berücksichtigen (die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration, die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist).
3.1.2. Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall:
Der Beschwerdeführer ist als Staatsangehöriger von Rumänien EWR-Bürger iSd § 2 Abs. 4 Z 8 FPG. Mit dem verfahrensgegenständlichen Bescheid wurde gegen ihn ein auf die Dauer von acht Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.
Der Beschwerdeführer weist im Bundesgebiet eine strafgerichtliche Verurteilung wegen des Vergehens des Diebstahls durch Einbruch zu einer zwölfmonatigen Freiheitsstrafe auf. Zudem liegen ihm fünf einschlägige Vorverurteilungen in drei verschiedenen Ländern zu teils mehrjährigen Haftstrafen zur Last.
Das strafrechtlich relevante Verhalten des Beschwerdeführers stellt jedenfalls ein die öffentliche Sicherheit auf dem Gebiet des Fremdenwesens gefährdendes und beeinträchtigendes Fehlverhalten dar, zumal der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrfach ausgesprochen hat, dass ein großes öffentliches Interesse an der Verhinderung von strafbaren Handlungen, insbesondere der Gewalt- und Eigentumskriminalität besteht (vgl. VwGH 22.02.2017, Ra 2017/19/0043; 22.11.2017, Ra 2017/19/0474 ua.).
Nachdem im gegenständlichen Fall eine Aufenthaltsdauer von zehn Jahren nicht vorliegt, kommt nicht der erhöhte, sondern der einfache Prüfungsmaßstab nach § 67 Abs. 1 S 2 FPG, wonach für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes eine aktuelle, erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefordert wird, zur Anwendung.
Bei der Erstellung der für jedes Aufenthaltsverbot zu treffenden Gefährdungsprognose ist das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die jeweils maßgebliche Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen. Bei der nach § 67 Abs. 1 FPG zu erstellenden Gefährdungsprognose geht schon aus dem Gesetzeswortlaut klar hervor, dass auf das „persönliche Verhalten“ des Fremden abzustellen ist und strafgerichtliche Verurteilungen allein nicht ohne weiteres ein Aufenthaltsverbot begründen können (vgl. VwGH 22.08.2019, Ra 2019/21/0091).
Bereits die belangte Behörde hat das ausgesprochene Aufenthaltsverbot nicht (bloß) auf die Tatsache seiner Verurteilungen und der daraus resultierenden Strafhöhe, sohin gerade nicht auf eine reine Rechtsfrage abgestellt. Vielmehr hat sie unter Berücksichtigung des Systems der abgestuften Gefährdungsprognosen, das dem FPG inhärent ist (vgl. VwGH 20.12.2016, Ra 2016/21/0109) sowie unter Würdigung des individuellen, vom Beschwerdeführer durch sein persönliches Verhalten im Bundesgebiet gezeichneten Charakterbildes eine Gefährdungsprognose getroffen und diese Voraussage ihrer administrativrechtlichen Entscheidung zugrunde gelegt. Dabei hob sie besonders hervor, dass aufgrund der tristen finanziellen Situation des Beschwerdeführers mit einer Fortsetzung seines delinquenten Verhaltens zu rechnen sei.
Zunächst schließt sich das erkennende Gericht den Ausführungen der belangten Behörde vollinhaltlich an und kommt es aufgrund der Verurteilungen des Beschwerdeführers und des sich hieraus ergebenden Persönlichkeitsbildes und der Gefährdungsprognose ebenso zur Überzeugung, dass vom Beschwerdeführer permanent eine derart schwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit ausgeht, welche ein Aufenthaltsverbot zu rechtfertigen vermag.
Wie bereits die belangte Behörde vollkommen zutreffend ausführte, ist - insbesondere aufgrund seines schwer belasteten Vorlebens, der Wirkungslosigkeit des bereits mehrfach verspürten Haftübels und des raschen Rückfalls nach seiner Haftentlassung am 01.05.2020 binnen weniger Tage - auf eine hohe kriminelle Energie zu schließen. Sein Verhalten weist eindeutig auf seine mangelnde Rechtstreue gegenüber der österreichischen Rechtsordnung hin und bringt er dadurch seine Gleichgültigkeit gegenüber den in Österreich rechtlich geschützten Werten deutlich zum Ausdruck.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der Gesinnungswandel eines Straftäters grundsätzlich daran zu messen, ob und wie lange er sich - nach dem Vollzug einer Haftstrafe - in Freiheit wohlverhalten hat; für die Annahme eines Wegfalls der aus dem bisherigen Fehlverhalten ableitbaren Gefährlichkeit eines Fremden ist somit in erster Linie das Verhalten in Freiheit maßgeblich. Dabei ist der Beobachtungszeitraum umso länger anzusetzen, je nachdrücklicher sich die Gefährlichkeit des Fremden in der Vergangenheit manifestiert hat (VwGH 04.04.2019, Ra 2019/21/0060). Durch den derzeitigen Haftaufenthalt ist die Zeit jedenfalls noch zu wenig weit fortgeschritten, um dem Beschwerdeführer einen allenfalls gegebenen - im Verfahren aber nicht einmal ansatzweise dokumentierten - positiven Gesinnungswandel zu attestieren (vgl. VwGH 19.12.2019, Ra 2019/21/0276).
Die Erheblichkeit der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefahr ergibt sich aus seinen insgesamt vier einschlägigen Vorstrafen in drei anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union, dem Umstand, dass er bereits mehrmals für längere Zeit in Strafhaft war und auch zuletzt wieder eine mehrjährige Haftstrafe über ihn verhängt werden musste, sowie daraus, dass er mangels anderweitigem Einkommens offenbar gezielt Vermögensdelikte zur Finanzierung seines Lebensunterhaltes beging. Die Verhinderung von strafbaren Handlungen zum Schutz von fremdem Eigentum ist ein Grundinteresse der Gesellschaft.
Aufgrund der massiven strafrechtlichen Delinquenz des Beschwerdeführers über Jahrzehnte hinweg, seiner tristen finanziellen Situation und der Wirkungslosigkeit bisheriger Sanktionen ist unter Bedachtnahme auf Art und Schwere der Straftaten, auf das Persönlichkeitsbild, das sich daraus ergibt und auf das Gesamtverhalten des Beschwerdeführers die für die Erlassung des Aufenthaltsverbots erforderliche aktuelle Gefährdung von öffentlichen Interessen in maßgeblicher Intensität zu bejahen.
Die beharrliche Vermögensdelinquenz des Beschwerdeführers indiziert in Zusammenschau mit seiner Mittellosigkeit, dass von ihm auch zukünftig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung iSd § 67 Abs. 1 FPG ausgehen wird, zumal er unmittelbar nach seiner Einreise in das Bundesgebiet Straftaten beging und hier weder über einen Arbeitsplatz noch über eine gesicherte Unterkunft verfügte. Da auch kein gesicherter sozialer Empfangsraum für die Zeit nach der Haftentlassung erkennbar ist, kann ihm aktuell keine positive Zukunftsprognose attestiert werden.
Der mit dem Aufenthaltsverbot verbundene Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers muss verhältnismäßig sein. Ein Familienleben des Beschwerdeführers im Bundesgebiet liegt im gegenständlichen Fall nicht vor und ist auch nicht von einem nennenswerten Eingriff in sein Privatleben auszugehen, zumal sein Aufenthalt bis zu seiner Inhaftierung am 09.05.2020 nur für rund eine Woche andauerte.
Angesichts des zuvor aufgezeigten und in seiner Gesamtheit derart gravierenden Fehlverhaltens des Beschwerdeführers ist davon auszugehen, dass das gegen ihn erlassene Aufenthaltsverbot gemäß § 9 BFA-VG zulässig und zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, Verhinderung von weiteren strafbaren Handlungen durch den Beschwerdeführer) auch dringend geboten ist.
Die öffentlichen Interessen an der Erlassung des Aufenthaltsverbotes sind demnach höher zu gewichten als die schwach ausgeprägten gegenläufigen privaten Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich. Unter diesen Umständen ist die Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung nach § 9 BFA-VG als zulässig zu werten (vgl. VwGH 06.12.2019, Ra 2019/18/0437).
Was die Bemessung der Dauer des Aufenthaltsverbotes betrifft, erscheint diese angesichts des Verhaltens des Beschwerdeführers keineswegs als zu lang. Insbesondere wird berücksichtigt, dass der Beschwerdeführer bereits vor dem nunmehrigen Anlassfall bereits fünf Vorverurteilungen zu teils mehrjährigen Freiheitsstrafen aufwies. Dies zeigt offensichtlich, dass der Beschwerdeführer aus seinem Fehlverhalten nicht gelernt hat, ihm die österreichische Rechtsordnung offenbar gleichgültig ist und ihn die Verurteilungen offenbar nicht von der Weiterreise in einen anderen europäischen Mitgliedstaat und der dortigen Begehung weiterer Straftaten abgehalten haben. Die von der belangten Behörde gewählte Dauer des Aufenthaltsverbotes von acht Jahren erweist sich daher als nicht ungerechtfertigt, insbesondere da im Falle des Beschwerdeführers aufgrund des bisher gezeigten Verhaltens und seiner Mittellosigkeit eine neuerliche Begehung gleichgelagerter Straftaten zur Finanzierung seines Lebensunterhaltes durchaus als nicht unwahrscheinlich anzusehen ist. Es bedarf daher eines entsprechend langen Zeitraums der Beobachtung seines Wohlverhaltens, um sicherzustellen, dass er im Inland keine Straftaten mehr begehen wird. Aufgrund dieser Überlegungen war die Dauer des Aufenthaltsverbotes von acht Jahren nicht zu beanstanden.
Die Beschwerde war daher hinsichtlich des Spruchpunktes I. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abzuweisen.
3.2. Zur Nichtgewährung eines Durchsetzungsaufschubes und zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung (Spruchpunkt II. und III. des angefochtenen Bescheides):
Gemäß § 70 Abs. 3 FPG ist EWR-Bürgern bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbots von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich.
Gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG kann die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen ein Aufenthaltsverbot aberkannt werden, wenn die sofortige Ausreise oder die sofortige Durchsetzbarkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist.
Wie die umseitigen Ausführungen zeigen, geht vom Beschwerdeführer eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit aus und hat er anhand seines Gesamtfehlverhaltens unzweifelhaft gezeigt, dass er wiederholt nicht gewillt war, sich an die österreichische, rumänische, italienische und belgische Rechtsordnung zu halten. Da keinerlei Anknüpfungspunkte im Inland bestehen, ist der belangten Behörde daher beizupflichten, dass seine sofortige Ausreise nach der Haftentlassung im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich ist.
Weder die Nichterteilung eines Durchsetzungsaufschubes gemäß § 70 Abs. 3 FPG noch die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG sind somit zu beanstanden, sodass die Beschwerde auch in Bezug auf die Spruchpunkte II. und III. des angefochtenen Bescheids als unbegründet abzuweisen war.
4. Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.
Der Beschwerdeführer hat zwar die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt, doch wurden bereits alle für ihn sprechenden Tatsachen der Entscheidung zugrunde gelegt und musste sich der erkennende Richter kein eigenes Bild mehr vom Beschwerdeführer machen. Zwar kommt der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks im Rahmen der mündlichen Verhandlung besondere Bedeutung zu (vgl. VwGH 25.01.2018, Ra 2017/21/0200), daraus ist aber keine „absolute“ (generelle) Pflicht zur Durchführung einer Verhandlung im Verfahren über aufenthaltsbeendende Maßnahmen abzuleiten. In eindeutigen Fällen, bei denen bei Berücksichtigung aller zugunsten des Fremden sprechenden Fakten auch dann für ihn kein günstigeres Ergebnis zu erwarten ist, wenn sich das Verwaltungsgericht von ihm einen positiven persönlichen Eindruck verschafft, kann auch eine beantragte mündliche Verhandlung unterbleiben (VwGH 18.10.2017, Ra 2017/19/0422).
Das Gericht musste sich keinen persönlichen Eindruck vom Beschwerdeführer verschaffen, da es sich um einen solchen eindeutigen Fall in dem Sinne handelt, dass auch bei Berücksichtigung aller zugunsten des Beschwerdeführers sprechenden Fakten für ihn kein günstigeres Ergebnis zu erwarten ist, wenn der persönliche Eindruck ein positiver ist. Zudem wurde das Vorbringen des Beschwerdeführers in der Beschwerde der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegt und wäre auch bei einem positiven Eindruck keine Reduzierung oder gar ein Entfall des verhängten Aufenthaltsverbotes möglich.
Die Abhaltung einer Verhandlung konnte demnach unterbleiben.
Zu B) Gewährung der Verfahrenshilfe:
Gemäß § 8a Abs. 1 VwGVG ist einer Partei Verfahrenshilfe zu bewilligen, soweit dies auf Grund des Art 6 Abs. 1 EMRK oder des Art 47 GRC geboten ist, die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint. Voraussetzungen und Wirkungen der Bewilligung der Verfahrenshilfe sind gemäß § 8a Abs. 2 VwGVG nach den Vorschriften der ZPO zu beurteilen.
Da sich aus dem vorgelegten Vermögensbekenntnis im Einklang mit dem übrigen Akteninhalt ergibt, dass der Beschwerdeführer über keinerlei finanzielle Mittel verfügt, beeinträchtigt sogar die geringe Eingabegebühr seinen notwendigen Unterhalt, sodass ihm die Verfahrenshilfe antragsgemäß zu bewilligen ist.
Zu C) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die einzelfallbezogene Erstellung einer Gefährdungsprognose und die Bemessung der Dauer eines Einreise- oder Aufenthaltsverbots sind im Allgemeinen nicht revisibel (VwGH 20.10.2016, Ra 2016/21/0284). Die Revision war nicht zuzulassen, weil sich das BVwG an bestehender höchstgerichtlicher Rechtsprechung orientieren konnte und keine darüber hinausgehende grundsätzliche Rechtsfrage iSd Art 133 Abs. 4 B-VG zu lösen war.
Schlagworte
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ECLI:AT:BVWG:2020:I414.2236197.1.00Im RIS seit
25.01.2021Zuletzt aktualisiert am
25.01.2021