Entscheidungsdatum
02.11.2020Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
I411 2141815-1/13E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Robert POLLANZ als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , StA. Nigeria, vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, p.A. ARGE Rechtsberatung, Wattgasse 48, 1170 Wien und RA Dr. Martina Schweiger-Apfelthaler, Graf-Starhemberg-Gasse 39/12 1040 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in weiterer Folge: BFA) vom 19.08.2016, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 20.10.2020 zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Nigerias, reiste spätestens am 11.06.2015 unter Umgehung der Grenzkontrollen in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte einen Antrag auf internationalen Schutz.
2. Bei seiner Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 12.06.2015 gab er zu seinen Fluchtgründen zusammengefasst an, in Nigeria aufgrund seiner Arbeit als Polizist von Boko Haram verfolgt worden zu sein. Er sei in eine andere Stadt zugeteilt worden und habe dort mit seiner Familie gelebt. Seine Frau und seine beiden Kinder seien beim Besuch einer Kirche von Boko Haram attackiert worden und gestorben. Aus Angst um sein Leben sei er aus Nigeria geflüchtet.
3. Am 19.07.2016 wurde der Beschwerdeführer niederschriftlich durch das BFA einvernommen. Zu seinen Fluchtgründen erklärte er zusammengefasst, dass er Polizist gewesen sei und seine Frau und seine beiden Kinder am 23.12.2012 im Zuge eines Anschlags von Boko Haram auf eine Kirche umgebracht worden seien. Zu Hause habe er einen Brief von Boko Haram gefunden, mit der Aufforderung, sich ihnen anzuschließen. Den Brief habe er zu seiner Polizeistation gebracht. Man habe ihm versprochen, die Täter ausfindig zu machen, doch es sei nichts geschehen. Er habe gewusst, dass er in Gefahr sei. Aus diesem Grund habe er den Polizeidienst und das Land verlassen. Im Falle einer Rückkehr befürchte er, von Boko Haram umgebracht zu werden. Zudem gelte er als Polizeideserteur, weil er den Polizeidienst ohne Begründung verlassen habe. Dafür drohe ihm eine 21-jährige Gefängnisstrafe.
4. Mit angefochtenem Bescheid vom 19.08.2016, Zl. XXXX , wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Nigeria (Spruchpunkt II.) als unbegründet ab. Zugleich erteilte sie dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III., erster Satz), erließ gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt III., zweiter Satz) und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt III., dritter Satz.). Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).
5. Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde vom 05.09.2016.
6. Mit Schriftsatz vom 06.12.2016, beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt am 12.12.2016, legte die belangte Behörde dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde samt Verwaltungsakt vor.
7. Mit Schreiben vom 06.11.2018 legte der Beschwerdeführer Unterlagen zu seiner Integration vor und am 17.12.2019 eine Heiratsurkunde über eine am XXXX .2019 geschlossene Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin. Mit Schreiben vom 16.10.2020 übermittele der Beschwerdeführer dem Bundesverwaltungsgericht weitere Unterlagen zu seiner Integration.
8. Am 20.10.2020 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht, Außenstelle Innsbruck, eine mündliche Beschwerdeverhandlung in Anwesenheit des Beschwerdeführers, einer Rechtsvertreterin der Diakonie Flüchtlingsdienst, einer Dolmetscherin für die Sprache Englisch, seiner als Zeugin befragten Ehefrau und in Abwesenheit seiner Rechtsvertreterin Dr. Schweiger-Apfelthaler sowie der belangten Behörde statt.
9. Mit Schriftsatz seiner Rechtsvertretung vom 21.10.2020 legte der Beschwerdeführer eine Geburtsurkunde, eine eidesstattliche Alterserklärung, eine Ledigkeitsbescheinigung und eine eidesstattliche Ledigkeitserklärung, jeweils beglaubigt und samt Übersetzung, vor.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Der volljährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Nigeria und bekennt sich zum christlichen Glauben. Seine Identität steht fest.
Er hält sich seit (mindestens) 11.06.2015 in Österreich auf.
Der Beschwerdeführer ist jung, gesund und arbeitsfähig. Er hat in Nigeria eine zwölfjährige Schulbildung absolviert; im Anschluss als Polizist gearbeitet und dadurch eine Chance, hinkünftig am nigerianischen Arbeitsmarkt unterzukommen. In Nigeria verfügt er über enge familiäre Anknüpfungspunkte und steht mit seiner Familie in Kontakt.
Der kinderlose Beschwerdeführer verfügt in Österreich über familiäre Anknüpfungspunkte in Form seiner österreichischen Ehegattin XXXX , die er im Juni 2017 kennengelernt hat und mit der er seit XXXX 2019 verheiratet ist. Seit 18.12.2019 leben sie in einem gemeinsamen Haushalt. Der Beschwerdeführer bezieht seit 09.01.2020 keine Mittel aus der Grundversorgung mehr, seine Ehegattin kommt für seinen Lebensunterhalt auf. Er arbeitet seit Juli 2015 als Verkäufer einer Straßenzeitung und ist nicht selbsterhaltungsfähig.
Der Beschwerdeführer absolvierte Deutschkurse bis zum Niveau B1 und hat am 13.12.2017 eine ÖSD Zertifikat A2 positiv absolviert. Er ist Mitglied einer Kirchengemeinde, eng in die Pfarrgemeinschaft eingebunden und engagiert sich freiwillig im Garten des zugehörigen Klosters und bei Pfarrfesten. Außerdem ist er in das soziale Umfeld seiner Ehefrau eingebunden. Sonstige tiefergehende soziale Bindungen konnten nicht festgestellt werden. In Ermangelung sonstiger Anknüpfungspunkte wird festgestellt, dass kein schützenswertes Privatleben vorliegt.
Der Beschwerdeführer ist in Österreich nicht vorbestraft.
1.2. Zu den Fluchtmotiven des Beschwerdeführers:
Es ist dem Beschwerdeführer nicht gelungen, asylrelevante Fluchtgründe geltend zu machen. Insbesondere kann nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer in Nigeria eine Verfolgung durch Boko Haram droht oder eine Verfolgung von staatlicher Seite, weil er als Polizeideserteur gelte.
Es kann darüber hinaus auch nicht festgestellt werden, dass er in Nigeria aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung verfolgt werden würde.
Der Beschwerdeführer wird im Fall seiner Rückkehr nach Nigeria mit hoher Wahrscheinlichkeit keiner realen Gefahr der Folter, einer unmenschlichen Bestrafung oder Behandlung, der Todesstrafe ausgesetzt sein und ihm droht in seinen Herkunftsstaat auch keine reale Gefahr, in seiner Existenz bedroht zu werden.
1.3 Zur Situation in Nigeria:
Das politische System Nigerias orientiert sich stark am System der Vereinigten Staaten; in der Verfassungswirklichkeit dominieren der Präsident und die ebenfalls direkt gewählten Gouverneure. Die lange regierende People´s Democratic Party (PDP) musste nach den Wahlen 2015 erstmals seit 1999 in die Opposition; seither ist die All Progressives´ Congress (APC) unter Präsident Muhammadu Buhari an der Macht.
In Nigeria herrscht keine Bürgerkriegssituation, allerdings sind der Nordosten, der Middle Belt und das Nigerdelta von Unruhen und Spannungen geprägt. Für einzelne Teile Nigerias besteht eine Reisewarnung, insbesondere aufgrund des hohen Entführungsrisikos.
Im Norden und Nordosten Nigerias hat sich die Sicherheitslage verbessert; in den ländlichen Teilen der Bundesstaaten Borno, Yobe und Adamawa kommt es aber weiterhin zu Anschlägen der Boko Haram. Es gelang den Sicherheitskräften zwar, Boko Haram aus den meisten ihrer Stellungen zu vertreiben, doch war es kaum möglich, die Gebiete vor weiteren Angriffen durch die Islamisten zu schützen. Der nigerianischen Armee wird vorgeworfen, im Kampf gegen Boko Haram zahlreiche Menschenrechtsverletzungen begangen zu haben; die von Präsident Buhari versprochene Untersuchung blieb bisher aber folgenlos.
Das Nigerdelta (Bundesstaaten Ondo, Edo, Delta, Bayelsa, Rivers, Imo, Abia, Akwa Ibom und Cross River) ist seit Jahren von gewalttätigen Auseinandersetzungen und Spannungen rund um die Verteilung der Einnahmen aus den Öl- und Gasreserven geprägt. Von 2000 bis 2010 agierten in der Region militante Gruppen, die durch ein im Jahr 2009 ins Leben gerufene Amnestieprogramm zunächst beruhigt wurden. Nach dem Auslaufen des Programmes Ende 2015 brachen wieder Unruhen aus, so dass eine weitere Verlängerung beschlossen wurde. Die Lage hat sich seit November 2016 wieder beruhigt, doch bleibt sie volatil. Insbesondere haben Angriffe auf die Ölinfrastrukturen in den letzten zwei Jahren wieder zugenommen. Abgelegene Gebiete im Nigerdelta sind teils auch heute noch unter der Kontrolle separatistischer und krimineller Gruppen.
In Zentralnigeria (Middle Belt bzw. Jos Plateau) kommt es immer wieder zu lokalen Konflikten zwischen ethnischen, sozialen und religiösen Gruppen. Der Middle Belt bildet eine Brücke zwischen dem vorwiegend muslimischen Nordnigeria und dem hauptsächlich christlichen Süden. Der Ursprung dieser Auseinandersetzungen, etwa zwischen (überwiegend muslimischen nomadischen) Hirten und (überwiegend christlichen) Bauern, liegt oft nicht in religiösen Konflikten, entwickelt sich aber häufig dazu.
Die Justiz Nigerias hat ein gewisses Maß an Unabhängigkeit und Professionalität erreicht, doch bleibt sie politischem Einfluss, Korruption und einem Mangel an Ressourcen ausgesetzt. Eine systematisch diskriminierende Strafverfolgung ist nicht erkennbar, doch werden aufgrund der herrschenden Korruption tendenziell Ungebildete und Arme benachteiligt. Das Institut der Pflichtverteidigung gibt es erst in einigen Bundesstaaten. In insgesamt zwölf nördlichen Bundesstaaten wird die Scharia angewendet, Christen steht es aber frei, sich einem staatlichen Gerichtsverfahren zu unterwerfen. Der Polizei, die durch geringe Besoldung und schlechte Ausrüstung eingeschränkt ist, wird oftmals die Armee zur Seite gestellt. Insgesamt ist trotz der zweifelsohne vorhandenen Probleme im Allgemeinen davon auszugehen, dass die nigerianischen Behörden gewillt und fähig sind, Schutz vor nichtstaatlichen Akteuren zu bieten. Problematisch ist aber insbesondere, dass Gefangene häufig Folterung und Misshandlung ausgesetzt sind. Disziplinarrechtliche oder strafrechtliche Folgen hat dies kaum. Die Bedingungen in den Haftanstalten sind hart und lebensbedrohlich. Nigeria hält an der Todesstrafe fest, diese ist seit 2006 de facto ausgesetzt, wobei es in den Jahren 2013 und 2016 in Edo State aber zu einzelnen Hinrichtungen gekommen war. Die Regierung Buharis hat der Korruption den Kampf erklärt, doch mangelt es ihr an effektiven Mechanismen.
Die Menschenrechtssituation in Nigeria hat sich in den letzten 20 Jahren verbessert, schwierig bleiben aber die allgemeinen Lebensbedingungen. Die Versammlungsfreiheit ist verfassungsrechtlich garantiert, wird aber gelegentlich durch das Eingreifen von Sicherheitsorganen bei politisch unliebsamen Versammlungen eingeschränkt. Die politische Opposition kann sich aber grundsätzlich frei betätigen; es gibt auch keine Erkenntnisse über die Verfolgung von Exilpolitikern durch die nigerianische Regierung. Gelegentlich gibt es aber, vor allem bei Gruppen mit sezessionistischen Zielen, Eingriffe seitens der Staatsgewalt. Dabei ist insbesondere die Bewegung im Süden und Südosten Nigerias zu nennen, die einen unabhängigen Staat Biafra fordert. Dafür treten sowohl das Movement for the Actualization of the Sovereign State of Biafra (MASSOB) und die Indigenous People of Biafra (IPOB) ein. Seit der Verhaftung des Leiters des inzwischen verbotenen Radiosenders „Radio Biafra“ im Oktober 2015 kommt es vermehrt zu Demonstrationen von Biafra-Anhänger, gegen die laut verschiedenen Berichten, unter anderem von Amnesty International, von den nigerianischen Sicherheitskräften mit Gewalt vorgegangen worden sein soll.
Im Vielvölkerstaat Nigeria ist Religionsfreiheit einer der Grundpfeiler des Staatswesens. Etwa 50% der Bevölkerung sind Muslime, 40 bis 45% Christen und der Rest Anhänger von Naturreligionen. Im Norden dominieren Muslime, im Süden Christen. Religiöse Diskriminierung ist verboten. In der Praxis bevorzugen die Bundesstaaten aber in der Regel die jeweils durch die lokale Mehrheitsbevölkerung ausgeübte Religion. Insbesondere in den Scharia-Staaten ist die Situation für Christen sehr schwierig. Die Toleranz zwischen den Glaubensgemeinschaften ist nur unzureichend ausgeprägt, mit Ausnahme der Yoruba im Südwesten Nigerias, unter denen auch Ehen zwischen Christen und Muslimen verbreitet sind. Speziell in Zentralnigeria kommt es zu lokalen religiösen Auseinandersetzungen, die auch zahlreiche Todesopfer gefordert haben. In Nigeria gibt es auch noch Anhänger von Naturreligionen („Juju“); eine Verweigerung der Übernahme einer Rolle als Priester kann schwierig sein, doch wird dies nicht als Affront gegen den Schrein empfunden und sind auch keine Fälle bekannt, in denen dies zu einer Bedrohung geführt hätte. Im Süden Nigerias sind auch Kulte und Geheimgesellschaften vorhanden; insbesondere im Bundesstaat Rivers überschneiden sich Kulte häufig mit Straßenbanden, kriminellen Syndikaten etc. Mafiöse Kulte prägen trotz ihres Verbotes das Leben auf den Universitäten; es wird auch über Menschenopfer berichtet.
Die islamistisch-terroristischen Organisationen Boko Haram und Islamischer Staat in Westafrika sind weiterhin aktiv und führen zahlreiche Angriffe auf Bevölkerungszentren oder religiöse Ziele durch (USDOS 21.6.2019). Generell können jene Personen, die sich vor Problemen hinsichtlich der Religionsfreiheit oder vor Boko Haram fürchten, entweder staatlichen Schutz oder aber eine innere Relokationsmöglichkeit in Anspruch nehmen (UKHO 8.2016b).
Insgesamt gibt es (je nach Zählweise) mehr als 250 oder 500 Ethnien in Nigeria. Die wichtigsten sind die Hausa/Fulani im Norden, die Yoruba im Südwesten und die Igbo im Südosten. Generell herrscht in Nigeria Bewegungsfreiheit und ist Diskriminierung aufgrund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Ethnie verboten. Allerdings diskriminieren Gesetze jene ethnischen Gruppen, die am jeweiligen Wohnort nicht eigentlich indigen sind. So werden etwa Angehörige der Volksgruppe Hausa/Fulani im Bundesstaat Plateau diskriminiert.
Die Verfassung sowie weitere gesetzliche Bestimmungen gewährleisten Bewegungsfreiheit im gesamten Land sowie Auslandsreisen, Emigration und Wiedereinbürgerung. Bürger dürfen sich in jedem Teil des Landes niederlassen. Grundsätzlich besteht in den meisten Fällen die Möglichkeit, staatlicher Verfolgung, Repressionen Dritter sowie Fällen massiver regionaler Instabilität durch Umzug in einen anderen Teil des Landes. Prinzipiell sollte es einer Person, die von nicht-staatlichen Akteuren verfolgt wird oder die sich vor diesen fürchtet, in einem großen Land wie Nigeria möglich sein, eine interne Relokation in Anspruch zu nehmen. Natürlich müssen die jeweiligen persönlichen Umstände beachtet werden.
Ein Meldewesen ist nicht vorhanden und auch ein funktionierendes nationales polizeiliches Fahndungssystem existiert nicht. Daraus resultiert, dass eine Ausforschung einmal untergetauchter Personen kaum mehr möglich ist. Das Fehlen von Meldeämtern und bundesweiten polizeilichen Fahndungsbehörden ermöglicht es in den allermeisten Fällen, bereits in der näheren Umgebung unterzutauchen.
Nigeria verfügt über sehr große Öl- und Gasvorkommen, der Großteil der Bevölkerung ist aber in der Landwirtschaft beschäftigt. Abgesehen vom Norden gibt es keine Lebensmittelknappheit. Mehr als zwei Drittel der Bevölkerung leben in absoluter Armut. Offizielle Arbeitslosenstatistiken gibt es nicht, allerdings gehen verschiedene Studien von einer Arbeitslosigkeit von 80% aus. Die Großfamilie unterstützt beschäftigungslose Angehörige.
Die medizinische Versorgung ist mit jener in Europa nicht vergleichbar, sie ist vor allem im ländlichen Bereich problematisch. Leistungen der Krankenversicherung kommen nur etwa 10 % der Bevölkerung zugute. In den Großstädten ist eine medizinische Grundversorgung zu finden, doch sind die Behandlungskosten selbst zu tragen. Medikamente sind verfügbar, können aber teuer sein.
Besondere Probleme für abgeschobene Asylwerber nach ihrer Rückkehr nach Nigeria sind nicht bekannt. Das „Decree 33“, das eine Doppelbestrafung wegen im Ausland begangener Drogendelikte theoretisch ermöglichen würde, wird nach aktueller Berichtslage nicht angewandt.
Eine nach Nigeria zurückkehrende Person, bei welcher keine berücksichtigungswürdigen Gründe vorliegen, wird durch eine Rückkehr nicht automatisch in eine unmenschliche Lage versetzt.
2. Beweiswürdigung:
Der erkennende Einzelrichter des Bundesverwaltungsgerichtes hat nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung über die Beschwerde folgende Erwägungen getroffen:
2.1. Zum Verfahrensgang und zum Sachverhalt:
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.
Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers vor dieser und den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, in den bekämpften Bescheid und in den Beschwerdeschriftsatz sowie in das aktuelle „Länderinformationsblatt der Staatendokumentation“ zu Nigeria mit Stand 20.05.2020.
Auskünfte aus dem Strafregister, den Zentralen Fremdenregister (izr) und dem Zentralen Melderegister (zmr) wurden ergänzend zum vorliegenden Akt eingeholt.
Außerdem konnte im vorliegenden Beschwerdefall auf die Ermittlungsergebnisse im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 20.10.2020 vor dem Bundesverwaltungsgericht zurückgegriffen werden.
2.2. Zur Person des Beschwerdeführers:
Die Identität des Beschwerdeführers steht aufgrund der Vorlage der von der Österreichischen Botschaft Abuja beglaubigten Geburtsurkunde samt Übersetzung, ausgestellt am 12.03.2019 von der Nationalen Bevölkerungskommission Delta State, fest.
Die Feststellung zu seinem Aufenthalt im Bundesgebiet seit Juni 2015 ergibt sich aus dem Verwaltungsakt in Zusammenschau mit den Angaben des Beschwerdeführers, einer am 19.08.2020 eingeholten ZMR-Auskunft und einem Auszug aus dem zentralen Fremdenregister.
Die Feststellungen zu seinen Lebensumständen, seiner Staatsangehörigkeit, seiner Herkunft, seiner Glaubenszugehörigkeit, seinem Gesundheitszustand, seiner Arbeitsfähigkeit, sowie seiner Schulbildung gründen sich auf die diesbezüglichen glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers. Aus dem Beschwerdevorbringen und in der Beschwerdeverhandlung sind keine Zweifel an der Richtigkeit dieser Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers aufgekommen.
In seiner niederschriftlichen Einvernahme durch das BFA am 19.07.2016 hatte der Beschwerdeführer erklärt, seine Eltern seien bereits verstorben und er habe keine näheren Verwandten in Nigeria. In der Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 20.10.2020 antwortete er auf die Frage nach Bindungen an seinen Herkunftsstaat und Kontakten zu dort lebenden Verwandten lediglich ausweichend und sagte, er habe vor seiner Heirat einen Cousin väterlicherseits kontaktiert, um die erforderlichen Dokumente zu beschaffen. Allerdings ist die Mutter des Beschwerdeführers Verfasserin der vorgelegten eidesstattlichen Alterserklärung vom 09.01.2019 sowie der eidesstattlichen Ledigkeitserklärung vom 09.01.2019, sodass die Feststellung zu treffen war, dass der Beschwerdeführer nach wie vor über enge familiäre Anknüpfungspunkte in Nigeria verfügt und mit diesen in Kontakt steht.
Die Feststellung zu der am XXXX .2019 geschlossenen Ehe des Beschwerdeführers mit der österreichischen Staatsangehörigen XXXX ergibt sich aus der vorgelegten Heiratsurkunde des Standesamtes XXXX vom 14.12.2019, Zl. XXXX . Aus einem Abgleich der zmr-Auskünfte geht hervor, dass kurz darauf ein gemeinsamer Wohnsitz begründet wurde.
Dass seine Ehefrau finanziell für ihn sorgt und der Beschwerdeführer seit Bestehen des gemeinsamen Wohnsitzes keine Mittel der Grundversorgung mehr bezieht, ergibt sich aus den Angaben des Beschwerdeführers und seiner als Zeugin befragten Ehefrau in der mündlichen Beschwerdeverhandlung vom 20.10.2020 und dem damit übereinstimmenden Auszug aus der GVS. Dass der Beschwerdeführer als Straßenzeitungsverkäufer tätig ist, ergibt sich aus seinen diesbezüglich gleichbleibenden, glaubhaften Aussagen, der vorgelegten Bestätigung der Straßenzeitung XXXX vom 12.07.2016 und der vorgelegten Kopie seines Verkäuferausweises der Straßenzeitung XXXX
Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer keine tiefgreifende soziale und integrative Verfestigung aufweist, ergibt sich aus seinen eigenen Angaben. Betreffend seine Integration brachte der Beschwerdeführer Bestätigungen über die Teilnahme an Deutschkursen bis zum Niveau B1 und ein bestandenes ÖSD Zertifikat A2 vom 13.12.2017 vor. Außerdem brachte ein nicht bestandenes ÖSD Zertifikat Deutsch B1 in Vorlage, woraus hervorgeht, dass er zwar im mündlichen Teil der Prüfung ausreichend Punkte erlangt hat, nicht jedoch im schriftlichen Teil. Aus einem Schreiben des Pfarrers und Priors der Stiftspfarre XXXX vom 09.07.2016 und einer vorgelegten Unterschriftenliste mit den Unterschriften zahlreicher Unterstützer geht sein Engagement in einer Kirchengemeinde hervor. Ansonsten legte er keinerlei Nachweise vor, um eine besondere Integrationsverfestigung seiner Person in Österreich zu belegen. Besondere Integrationsbemühungen des seit 2015 in Österreich lebenden Beschwerdeführers sind daher nicht ersichtlich.
Die Feststellung über die strafgerichtliche Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus einer Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich vom 19.08.2020.
Die Feststellung zu seinem Bezug der Grundversorgung ergibt sich aus einem dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden, am 19.08.2020 abgefragten Speicherauszug aus dem Betreuungsinformationssystem des Bundes.
2.3. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:
Bei seiner polizeilichen Erstbefragung erklärte der Beschwerdeführer, er habe Nigeria verlassen, weil er aufgrund seiner Arbeit als Polizist von Boko Haram verfolgt worden sei. Nachdem seine Frau und seine beiden Kinder nach einem Angriff von Boko Haram auf eine Kirche attackiert worden und ums Leben gekommen seien, habe er aus Angst um sein Leben das Land verlassen.
Dieses Vorbringen ergänzte er im Zuge seiner niederschriftlichen Einvernahme durch das BFA dahingehend, dass er außerdem als Polizeideserteur gelte, weil er den Polizeidienst ohne Begründung verlassen habe. Dafür drohe ihm im Falle einer Rückkehr eine 21-jährige Gefängnisstrafe.
Vor dem erkennenden Gericht hielt der Beschwerdeführer die Angaben zu seinen Fluchtgründen aufrecht. Er habe bei der nigerianischen Polizei gearbeitet, als am 23.12.2012 ein Anschlag von Boko Haram auf eine christliche Kirche in Maiduguri, Borno State, verübt worden sei. Er sei acht Monate zuvor von Lagos dorthin versetzt worden. Seine beiden Kinder und seine Frau seien ebenfalls in der Kirche gewesen und getötet worden. Der Beschwerdeführer habe an diesem Tag gearbeitet. Er sei sofort zur Kirche gegangen und habe dort vom Tod seiner Familie erfahren. Dann sei er zurück auf die Polizeistation gegangen. Am Abend nach der Arbeit habe der Beschwerdeführer einen Drohbrief vor seiner Tür gefunden, in dem gestanden sei: „Join us or you will join your children“. Der Beschwerdeführer sei zwischen dem 23.12.2012 und dem 27.03.2013 auf der Polizeistation geblieben, habe sich dort aber auch nicht mehr sicher gefühlt und deshalb die Flucht ergriffen. Im Falle einer Rückkehr befürchte er, von der Polizei verhaftet, vor Gericht gestellt und ins Gefängnis gesteckt zu werden, weil er zum Deserteur erklärt worden sei.
Das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers erweist sich in Zusammenschau als unglaubhaft. Für die Glaubhaftigkeit eines Vorbringens spricht, wenn das Vorbringen genügend substantiiert ist. Das Erfordernis der Substantiierung ist insbesondere dann nicht erfüllt, wenn der Asylwerber den Sachverhalt sehr vage schildert oder sich auf Gemeinplätze beschränkt, nicht aber in der Lage ist, konkrete und detaillierte Angaben über seine Erlebnisse zu machen. Zudem muss das Vorbringen, um als glaubhaft zu gelten, in sich schlüssig sein. Der Asylwerber darf sich nicht in wesentlichen Aussagen widersprechen. Ferner muss das Vorbringen plausibel sein, dh mit den Tatsachen oder der allgemeinen Erfahrung übereinstimmen. Diese Voraussetzung ist ua dann nicht erfüllt, wenn die Darlegungen mit den allgemeinen Verhältnissen im Heimatland nicht zu vereinbaren sind oder sonst unmöglich erscheinen. Außerdem muss der Asylwerber persönlich glaubwürdig sein. Das wird dann nicht der Fall sein, wenn sein Vorbringen auf gefälschte oder verfälschte Beweismittel abgestützt ist, aber auch dann, wenn er wichtige Tatsachen verheimlicht oder bewusst falsch darstellt, im Laufe des Verfahrens das Vorbringen auswechselt oder unbegründet einsilbig und verspätet erstattet oder mangelndes Interesse am Verfahrensablauf zeigt und die nötige Mitwirkung verweigert.
Das Bundesverwaltungsgericht kommt nach Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung - wie auch die belangte Behörde - zu dem Schluss, dass es dem Beschwerdeführer nicht gelungen ist, eine konkrete, gegen seine Person gerichtete Verfolgung bzw. Verfolgungsgefahr glaubhaft zu machen, der auch Asylrelevanz zukommt. Vielmehr deutet seine Darstellung der Ereignisse daraufhin, dass sich der Beschwerdeführer hierbei eines Konstruktes bedient und dies selbst so nicht erlebt hat.
Die Ausführungen des Beschwerdeführers erschöpften sich in oberflächlichen, undetaillierten und darüber hinaus in höchstem Maße widersprüchlichen Angaben.
So ist beispielsweise die Erzählung des Beschwerdeführers, wonach die Opfer des Anschlages nicht identifiziert worden seien und lediglich eine Massenbeisetzung stattgefunden habe, nicht nachvollziehbar. Auf Rückfrage, weshalb die Leichen nicht in ein Leichenschauhaus gebracht worden seien um untersucht und identifiziert zu werden, wie dies nach einem Bombenattentat eigentlich zu erwarten wäre, erklärte der Beschwerdeführer, die Leichen hätten nicht identifiziert werden können, weil sie verbrannt gewesen seien. Sie seien noch am selben Tag nach muslimischer Art beerdigt worden. Nachdem der Anschlag nach der Erzählung des Beschwerdeführers jedoch auf eine christliche Kirche verübt wurde, ist völlig unplausibel, weshalb die christlichen Opfer nach islamischem Ritus hätten beigesetzt werden sollen. Der Beschwerdeführer fand auf Vorhalt keine Erklärung, die geeignet wäre, diesen Widerspruch aufzuklären und sagte lediglich, in Europa sei das vielleicht so, aber in Afrika sei das anders. Im Norden Nigerias sei es egal, ob man Christ sei oder nicht, man werde in jedem Fall am selben Tag beerdigt. Christentum sei in Europa etwas völlig anderes als in Nigeria, dort bedeute es Sklaverei.
Außerdem verstrickte er sich in Hinblick auf die Frage, ob er sich um eine Versetzung bemüht habe, in Widersprüche. Bei seiner niederschriftlichen Einvernahme durch das BFA am 19.07.2016 erklärte er, eine Versetzung nicht beantragt zu haben und gab zu Protokoll: „Wenn ich einen Antrag gestellt hätte, wäre er abgelehnt worden, weil ich noch keine zwei Jahre dort den Dienst versehen hätte. Danach hätte es mir auch passieren können, dass ich im selben Gebiet versetzt worden wäre.“ (AS 305) Demgegenüber behauptete er in der Beschwerdeverhandlung, er habe um Versetzung in einem anderen Landesteil gebeten, doch seinem Ansuchen sei nicht entsprochen worden. Seinen muslimischen Vorgesetzten im Norden sei egal gewesen, dass er seine Familie verloren habe. Dass einem Ansuchen des Beschwerdeführers auf Versetzung in einer derartigen Extremsituation nicht stattgegeben werden sollte, widerspricht jedoch jeglicher Logik. Ebenso wenig ist nachvollziehbar, weshalb der Beschwerdeführer die Ablehnung seines Versetzungsantrages einfach so akzeptieren hätte sollen und sich nicht an andere Vorgesetzte, zum Beispiel in der Hauptstadt gewandt hat, um so eine Versetzung zu erwirken. Auch ist davon auszugehen, dass selbst der vorzeitigen Quittierung des Dienstes durch den Beschwerdeführer mit Verständnis begegnet worden wäre, hätte sich die Fluchtgeschichte tatsächlich so zugetragen, wie vom Beschwerdeführer behauptet.
Auch ist nicht nachvollziehbar, weshalb der Beschwerdeführer bei seiner polizeilichen Erstbefragung lediglich geltend machte, aus Angst vor Boko Haram aus Nigeria geflohen zu sein und erst vor der belangten Behörde erstmals vorbrachte, dass ihm in Nigeria eine langjährige Haftstrafe drohe, weil er als Polizeideserteur gelte. Ein spätes, gesteigertes Vorbringen kann aus Sicht des VwGH als unglaubwürdig qualifiziert werden, denn kein Asylwerber würde wohl eine sich bietende Gelegenheit, zentral entscheidungsrelevantes Vorbringen zu erstatten, ungenützt vorübergehen lassen (VwGH 07.06.2000, 2000/01/0250).
Zudem konnte der Beschwerdeführer keinerlei Unterlagen vorlegen, die geeignet wären, die Wahrheit seiner Fluchtgeschichte zu beweisen.
Die vorgelegte Kopie seines Polizeiausweises ist – vorbehaltlich der Echtheit – lediglich geeignet, seine Tätigkeit für die Polizei zu beweisen.
In Hinblick auf die vorgelegten Schreiben des Polizeikommandos Abteilung Finanzen und Administration datiert mit Juni 2015 sowie des Hauptquartiers der Polizeidivision Seme vom 30.06.2015 schließt sich das Bundesverwaltungsgericht den Ausführungen des BFA auf Seiten 44 und 45 des angefochtenen Bescheides vollinhaltlich an. Einerseits ergeben sich in Hinblick auf die zeitlichen Angaben erhebliche Widersprüche. So wäre der Beschwerdeführer – der laut seinen eigenen Angaben die Polizeistation am 27.03.2013 verlassen habe – zum Zeitpunkt der Ausstellung des Schreibens vom 30.06.2015 bereits weit über 309 aufeinanderfolgende Tage vom Dienst abwesend gewesen. Der im Schreiben herangezogene Zeitraum ist daher nicht nachvollziehbar. Andererseits ist nicht plausibel, dass er erst nach einer derart langen Abwesenheit von der Gehaltsliste genommen werden sollte. Zudem richten sich die Schreiben an die „ XXXX “ im Bundesstaat Lagos, obwohl der Beschwerdeführer laut seiner Erzählung zuletzt der Bama Division im Bundesstaat Borno zugeteilt war. Den vorgelegten Schreiben ist nicht zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer als Ermittlungsbeamter in Bama gearbeitet hätte. Das Bundesverwaltungsgericht geht daher zusammengefasst davon aus, dass es sich bei diesen Schreiben um Fälschungen handelt.
Gegenüber dem BFA erklärte der Beschwerdeführer, seine anderen Dokumente, darunter etwa auch die Heiratsurkunde zu seiner ersten Ehe, in Nigeria zurückgelassen zu haben. Er habe keine Möglichkeit, sich diese Dokumente nach Österreich schicken zu lassen, da er in Nigeria niemanden kenne und nicht wisse, was sein Vermieter mit seinem Haus gemacht habe. Dies ist jedoch als reine Schutzbehauptung zu werten. Schließlich ist es dem Beschwerdeführer auch gelungen, die für die im Dezember 2019 in Österreich erfolgte Eheschließung erforderlichen Dokumente – darunter auch zwei eidesstattliche Erklärungen seiner Mutter vom 09.01.2019 – zu organisieren und sich in Nigeria eine neue Geburtsurkunde ausstellen zu lassen. Es ist somit davon auszugehen, dass er eine Heiratsurkunde zu seiner angeblichen ersten Ehe oder die Sterbeurkunden seiner Kinder und seiner Ehefrau aus Nigeria hätte beschaffen können, würde sein Fluchtvorbringen der Wahrheit entsprechen.
Unbeschadet der aufgezeigten Ungereimtheiten ist zu konstatieren, dass selbst bei einer Wahrunterstellung dem Beschwerdeführer vor dem Hintergrund des in Nigeria nicht vorhandenen Meldewesens oder eines funktionierenden nationalen polizeilichen Fahndungssystems eine innerstaatliche Fluchtalternative in multiethnische Städte wie Lagos, Abuja oder Benin-City offen stünde und ihm sohin allein schon deshalb internationaler Schutz verwehrt bliebe.
Des Weiteren kann nicht davon ausgegangen werden, dass der gesunde und arbeitsfähige Beschwerdeführer, der über eine mehrjährige Schulbildung verfügt und vor seiner Ausreise in der Lage war seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, bei einer Rückkehr ins Herkunftsland in Bezug auf existentielle Grundbedürfnisse in eine ausweglose Situation geraten würde, selbst wenn es an staatlichen Sozialleistungen und familiärer Unterstützung mangeln würde.
2.4. Zum Herkunftsstaat:
Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat beruhen auf dem aktuellen Länderinformationsbericht der Staatendokumentation für Nigeria vom 20.05.2020 samt den dort publizierten Quellen und Nachweisen Dieser Länderinformationsbericht stützt sich auf Berichte verschiedener ausländischer Behörden, etwa die allgemein anerkannten Berichte des Deutschen Auswärtigen Amtes, als auch jene von Nichtregierungsorganisationen, wie bspw. Open Doors, sowie Berichte von allgemein anerkannten unabhängigen Nachrichtenorganisationen.
Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat in Nigeria ergeben sich insbesondere aus den folgenden Meldungen und Berichten:
- AA - Auswärtiges Amt (16.1.2020): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand September 2019)
- AA - Auswärtiges Amt (16.4.2020): Nigeria: Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung), https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/nigeria-node/ nigeriasicherheit/205788#content_5, 16.4.2020
- AA - Auswärtiges Amt (2.4.2020): Nigeria - Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/nigeria-node/nigeriasicherheit/ 205788#content_5, Zugriff 16.4.2020
- AA - Auswärtiges Amt (24.5.2019): Nigeria - Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/ aussenpolitik/laender/nigeria-node/-/205844 , Zugriff 31.1.2020
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Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wissentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.
Der Beschwerdeführer trat diesen Quellen und deren Kernaussagen zur Situation im Herkunftsland nicht substantiiert entgegen.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Abweisung der Beschwerde
3.1. Zur Nichtgewährung von Asyl (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):
3.1.1. Rechtslage
Gemäß § 3 Abs 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 leg. cit. zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art 1 Absch A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht.
Im Sinne des Art 1 Absch A Z 2 GFK ist als Flüchtling anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furch nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Zentraler Aspekt der in Art 1 Absch A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 06.10.1999, 99/01/0279).
Selbst in einem Staat herrschende allgemein schlechte Verhältnisse oder bürgerkriegsähnliche Zustände begründen für sich alleine noch keine Verfolgungsgefahr im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention. Um eine Verfolgung im Sinne des AsylG erfolgreich geltend zu machen, bedarf es einer zusätzlichen, auf asylrelevante Gründe gestützten Gefährdung des Asylwerbers, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Herkunftsstaates treffenden Unbilligkeiten hinaus geht (VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).
3.1.2. Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall
Wie in der Beweiswürdigung unter Punkt II.2.3. bereits ausführlich dargestellt, konnte der Beschwerdeführer keine unter die GFK zu subsumierenden Gründe für seine Antragstellung glaubhaft machen.
Die Voraussetzungen für die Erteilung von Asyl sind daher nicht gegeben. Aus diesem Grund war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs 2 VwGVG iVm § 3 Abs 1 AsylG als unbegründet abzuweisen.
3.2. Zur Nichtgewährung von subsidiärem Schutz (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides):
3.2.1. Rechtslage
Gemäß § 8 Abs 1 Z 1 AsylG ist einem Fremden der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur EMRK (ZPERMRK) bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Im Rahmen der Prüfung des Einzelfalls ist die Frage zu beantworten, ob einem Fremden im Falle der Abschiebung in seinen Herkunftsstaat ein – über eine bloße Möglichkeit hinausgehendes – "real risk" einer gegen Art 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht (vgl VwGH 28.06.2011, 2008/01/0102). Die dabei aufgrund konkreter vom Fremden aufgezeigter oder von Amts wegen bekannter Anhaltspunkte anzustellende Gefahrenprognose erfordert eine ganzheitliche Bewertung der Gefahren und hat sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen (VwGH 15.12.2010, 2006/19/1354; 31.05.2005, 2005/20/0095, 31.03.2005, 2002/20/0582).
Die Abschiebung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann eine Verletzung von Art 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also bezogen auf den Einzelfall die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art 3 EMRK ist nicht ausreichend (VwGH 06.11.2009, 2008/19/0174). Zu berücksichtigen ist auch, dass nur bei Vorliegen exzeptioneller Umstände, die dazu führen, dass der Betroffene im Zielstaat keine Lebensgrundlage vorfindet, die Gefahr einer Verletzung von Art 3 EMRK angenommen werden kann (VwGH 06.11.2009, 2008/19/0174; 19.11.2015, Ra 2015/20/0174 ua). Das Vorliegen solcher exzeptioneller Umstände erfordert detaillierte und konkrete Darlegungen (vgl VwGH 21.08.2001, 2000/01/0443; 07.09.2016, Ra 2015/19/0303 ua).
3.2.2. Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall
Dem Beschwerdeführer droht in Nigeria - wie oben bereits dargelegt wurde - keine asylrelevante Verfolgung.
Auch dafür, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Nigeria die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Art 3 EMRK überschritten wäre, gibt es im vorliegenden Beschwerdefall keinen Anhaltspunkt. Der Beschwerdeführer ist volljährig, gesund und somit arbeitsfähig. Er weist eine zwölfjährige Schulbildung und Arbeitserfahrung als Polizist auf und wird in der Lage sein, seinen Lebensunterhalt durch Aufnahme einer Erwerbstätigkeit aus eigener Kraft zu bestreiten.
Somit ist der Beschwerdeführer durch die Abschiebung nach Nigeria nicht in seinem Recht gemäß Art 3 EMRK verletzt, weil die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz im konkreten Fall gedeckt werden können. Dass der Beschwerdeführer allenfalls in Österreich wirtschaftlich gegenüber seiner Situation in Nigeria besser gestellt ist, genügt nicht für die Annahme, er würde in Nigeria keine Lebensgrundlage vorfinden und somit seine Existenz nicht decken können. Hierfür fehlen im vorliegenden Fall alle Hinweise auf derart exzeptionelle Umstände.
Ganz allgemein besteht in Nigeria derzeit keine solche Gefährdungslage, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung im Sinne des Art 2 und 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK (ZPEMRK) ausgesetzt wäre. Im Verfahren sind auch keine Umstände bekannt geworden und ergeben sich auch nicht aus dem amtliches Wissen darstellenden Länderinformationsblatt für Nigeria, die nahelegen würden, dass bezogen auf den Beschwerdeführer ein reales Risiko einer gegen Art 2 oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung bzw der Todesstrafe besteht.
Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, sodass sie auch hinsichtlich des Spruchpunktes II. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs 2 VwGVG iVm § 8 Abs 1 Z 1 AsylG abzuweisen war.
3.3. Zur Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III., erster Satz des angefochtenen Bescheides)
3.3.1. Rechtslage
Gemäß § 58 Abs 1 AsylG hat das Bundesamt die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG (Aufenthaltstitel besonderer Schutz) von Amts wegen zu prüfen, wenn der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird (Z 2) oder wenn ein Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt (Z 5). Gemäß § 58 Abs 2 AsylG hat das Bundesamt einen Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG (Aufenthaltstitel aus Gründen des Art 8 EMRK) von Amts wegen zu erteilen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs 1 bis 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wird. Das Bundesamt hat über das Ergebnis der von Amts wegen erfolgten Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen (§ 58 Abs 3 AsylG). Auch wenn der Gesetzgeber das Bundesamt im Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung zur Prüfung und spruchmäßigen Erledigung der Voraussetzungen der §§ 55 und 57 AsylG von Amts wegen, dh auch ohne dahingehenden Antrag des Beschwerdeführers, verpflichtet, ist die Frage der Erteilung eines solchen Titels auch ohne vorhergehenden Antrag im Beschwerdeverfahren gegen den negativen Bescheid durchsetzbar und daher Gegenstand der Sachentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl VwGH 28.01.2015, Ra 2014/20/0121).
3.3.2. Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall
Indizien dafür, dass der Beschwerdeführer einen Sachverhalt verwirklicht, bei dem ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG (Aufenthaltstitel besonderer Schutz) zu erteilen wäre, sind weder vorgebracht worden, noch hervorgekommen: Weder war der Aufenthalt des Beschwerdeführers seit mindestens einem Jahr im Sinne des § 46 Abs 1 Z 1 oder Z 1a FPG geduldet, noch ist dieser zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig, noch ist der Beschwerdeführer Opfer von Gewalt im Sinne des § 57 Abs 1 Z 3 AsylG. Ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG war daher nicht zu erteilen.
Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, dass sie hinsichtlich des Spruchpunktes III., erster Satz des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs 2 VwGVG iVm § 57 AsylG, abzuweisen war.
3.4. Zur Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt III, zweiter Satz des angefochtenen Bescheides):
3.4.1. Rechtslage
Gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz (dem AsylG) mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird.
Gemäß § 52 Abs 1 Z 1 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt.
Gemäß § 9 Abs 1 BFA-VG ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, wenn dadurch in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind insbesondere die in § 9 Abs 2 Z 1 bis 9 BFA-VG aufgezählten Gesichtspunkte zu berücksichtigen (die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration, die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist).
3.4.2. Anwendung der Rechtslage auf den Beschwerdefall
Zu prüfen ist, ob eine Rückkehrentscheidung mit Art 8 EMRK vereinbar ist, weil sie nur dann zulässig wäre und nur im verneinenden Fall ein Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG überhaupt in Betracht käme. Die Vereinbarkeit mit Art 8 EMRK ist aus folgenden Gründen gegeben:
Der Beschwerdeführer verfügt über ein Familienleben in Österreich. Er ist seit Dezember 2019 mit einer 55-jährigen österreichischen Staatsbürgerin verheiratet und lebt mit dieser in einem gemeinsamen Haushalt. Dazu ist Folgendes ins Kalkül zu ziehen:
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in seiner Judikatur zu Art. 8 EMRK wiederholt ausgeführt, dass der Staat unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK im Zusammenhang mit positiven wie auch negativen Verpflichtungen einen fairen Ausgleich zwischen den konkurrierenden Interessen des Einzelnen und jenen der Gemeinschaft als Ganzes schaffen muss und hiebei den Vertragsstaaten jedoch ein gewisser Ermessensspielraum zukommt. Art. 8 EMRK enthält keine generelle Pflicht für die Vertragsstaaten, die Wohnortwahl von Immigranten zu respektieren und auf ihrem Staatsgebiet Familienzusammenführungen zuzulassen. In Fällen, die sowohl das Familienleben als auch die Thematik der Zuwanderung betreffen, wird das Maß an Verpflichtung, Verwandte von rechtmäßig aufhältigen Personen auf seinem Staatsgebiet zuzulassen, je nach den Umständen des Einzelfalls der betroffenen Personen und des Allgemeininteresses variieren. Dabei ist zu berücksichtigen, in welchem Ausmaß das Familienleben tatsächlich gestört wird, wie stark die Bande mit dem Vertragsstaat sind, ob es für die Familie unüberwindbare Hindernisse gibt, im Herkunftsland eines oder mehrerer Familienmitglieder zu leben, ob konkrete Umstände im Hinblick auf die Einreisekontrolle (z.B. Verstöße gegen die Einreisebestimmungen) oder Überlegungen im Hinblick auf die öffentliche Sicherheit eher für eine Ausweisung sprechen und auch ob das Familienleben zu einem Zeitpunkt entstanden ist, als sich die betroffenen Personen bewusst gewesen sind, dass der Aufenthaltsstatus eines Familienmitgliedes derart gewesen ist, dass der Fortbestand des Familienlebens im Gastland von vornherein unsicher gewesen ist. Dazu hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte auch wiederholt festgehalten, dass die Ausweisung eines ausländischen Familienmitglieds in solchen Fällen nur unter ganz speziellen Umständen eine Verletzung von Art. 8 MRK bewirkt. Weiters ist in diesem Zusammenhang auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 11. April 2006, Nr. 61292/00, Useinov gegen die Niederlande, hinzuweisen, der ein Beschwerdefall zu Grunde lag, in dem ein Fremder, der mit einer Inländerin zwei gemeinsame minderjährige Kinder hatte und bereits mehrere Jahre in den Niederlanden lebte, aber nicht damit rechnen durfte, sich auf Dauer in diesem Staat niederlassen zu dürfen, ausgewiesen wurde. In dieser Entscheidung erachtete der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die Bestimmung des Art. 8 EMRK als durch die Ausweisung des Fremden nicht verletzt. Hiebei stellte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (u.a.) darauf ab, ob das Familienleben zu einem Zeitpunkt begründet wurde, in dem auf ein dauerhaftes Familienleben im Gastland vertraut werden durfte. Weiters erachtete der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in dieser Entscheidung eine Übersiedlung in den Heimatstaat des Fremden nicht als übermäßige Härte für die Familienangehörigen, zumal der Kontakt des Fremden zu seinen Familienangehörigen auch von seinem Heimatland aufrechterhalten werden könne (vgl. das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 20. März 2017, I410 2127933-1, mwN).
Der EGMR hatte in seinem Urteil vom 03.10.2014, J. gegen die Niederlande, Nr. 12.738/10 erklärt: "Gestattet ein Mitgliedstaat einer fremden Person, den Ausgang eines auswanderungsrechtlichen Verfahrens im Inland abzuwarten und ermöglicht er ihr so, ein Familienleben zu begründen, führt dies nicht automatisch zu einer aus Artikel 8 EMRK resultierenden Verpflichtung, die die Niederlassung zu erlauben. Wurde das Familienleben zu einer Zeit begründet, während der sich die betroffene Person über die Unsicherheit ihres Aufenthaltsstatus im Klaren war, kann ihre Ausweisung nur unter außergewöhnlichen Umständen gegen Artikel 8 EMRK verstoßen. Solche außergewöhnlichen Umstände können sich insbesondere aus einer sehr langen Aufenthaltsdauer und den Auswirkungen der Ausweisung auf die dadurch betroffenen Kinder ergeben. […]"
Der gegenständliche Fall unterscheidet sich zum obigen Fall in grundlegenden Voraussetzungen, da sich der Beschwerdeführer vergleichsweise kurz im Bundesgebiet aufhält und aus der Beziehung keine Kinder entstammen.
Dazu hat der VwGH in seinem Erkenntnis vom 15.12.2009, 2008/18/0037, in einem vergleichbaren Fall die Ausweisung einer seit 1999 in Österreich aufhältigen chinesischen Staatsbürgerin für zulässig