Entscheidungsdatum
04.11.2020Norm
BFA-VG §9Spruch
I413 2232081-1/14E
SCHRIFTLICHE AUSFERTIGUNG DES AM 29.09.2020 MÜNDLICH VERKÜNDETEN ERKENNTNISSES
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Martin ATTLMAYR, LL.M. als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , StA. NIGERIA, vertreten durch: VEREIN MENSCHENRECHTE ÖSTERREICH gegen den Bescheid des BFA, Regionaldirektion Wien (BAW) vom 22.04.2020, Zl. XXXX -190560954, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 29.09.2020 zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs 5 VwGVG ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer reiste zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt in das österreichische Bundesgebiet ein und meldete sich ab dem 05.11.2013 zu einem Wohnsitz in Österreich an.
Der Beschwerdeführer verfügte zwischen 01.10.2013 bis zum 30.09.2016 über eine Aufenthaltsbewilligung „Student“ und vom 01.10.2016 bis zum 02.10.2018 über eine Aufenthaltsbewilligung „Schüler“.
Am 24.09.2018 brachte der Beschwerdeführer einen Verlängerungsantrag seiner Aufenthaltsbewilligung „Schüler“ ein.
Am 30.01.2019 ehelichte er die ungarische Staatsbürgerin XXXX , geboren am XXXX .
Am 04.02.2019 modifizierte der Beschwerdeführer den Verlängerungsantrag der Aufenthaltsbewilligung „Schüler“ auf einen Antrag auf Ausstellung einer Aufenthaltskarte und berief sich hierbei auf die Ehe.
Mit Bescheid vom 06.11.2019, MA 35-9/3140377-03, wies der Landeshauptmann und Bürgermeister von Wien den Antrag vom 24.09.2018 auf Ausstellung einer Dokumentation des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechtes zurück und stellte fest, dass der Beschwerdeführer nicht in den Anwendungsbereich des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts falle.
Mit Bescheid vom 22.04.2020, Zl XXXX -190560954, erließ die belangte Behörde gemäß § 67 Abs 1 und 2 FPG gegen den Beschwerdeführer ein für die Dauer von fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot (Spruchpunkt I.) und gewährte gemäß § 70 Abs 3 FPG dem Beschwerdeführer einen Durchsetzungsaufschub von einem Monat ab Durchsetzbarkeit dieser Entscheidung (Spruchpunkt II.).
Gegen diesen dem Beschwerdeführer am 27.04.2020 zugestellten Bescheid richtet sich die fristgerecht eingebrachte Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und den Anträgen, dass gegen ihn ausgesprochene Aufenthaltsverbot von fünf Jahren aufzuheben, in eventu die Dauer des gegen ihn ausgesprochenen Aufenthaltsverbotes zu reduzieren, in eventu den Bescheid zur Gänze zu beheben und zur neuerlichen Verhandlung an das Bundesamt zurückzuverweisen und eine öffentlich-mündliche Verhandlung anzuberaumen.
Mit Schriftsatz vom 08.06.2020 legte die belangte Behörde die Beschwerde samt Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht vor.
Am 29.09.2020 führte das Bundesverwaltungsgericht die mündliche Verhandlung durch, an der die belangte Behörde nicht durch einen Vertreter teilnahm. Das Bundesverwaltungsgericht verkündete das Erkenntnis sofort mündlich.
Mit einem am 12.10.2020 datierten und einem undatierten Telefax, die beide am 13.10.2020 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangten, beantragte die belangte Behörde die schriftliche Ausfertigung des Erkenntnisses.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der in Punkt I. dargestellte Verfahrensgang wird als Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden nachstehende Feststellungen getroffen:
Der Beschwerdeführer nennt sich XXXX , geboren am XXXX Staatsangehörigkeit Nigeria. Er ist kinderlos und bekennt sich zu keinem Glauben. Er gehört der Volksgruppe der Edo an.
Der Beschwerdeführer ist gesund und arbeitsfähig.
Der Beschwerdeführer ist aufgrund der am 30.01.2019 am Standesamt Wien-Hiezing geschlossenen Ehe mit der ungarischen Staatsangehörigen XXXX verheiratet. Eine umfassende eheliche Lebensgemeinschaft wurde hierdurch nicht begründet. Der Beschwerdeführer und seine Ehefrau sind eine Aufenthaltsehe eingegangen und wurde dahingehend eine Feststellung gemäß § 54 Abs 7 NAG getroffen.
Der Beschwerdeführer stammt aus Benin City, Nigeria, wo er aufgewachsen ist. Er ist zwölf Jahre in Nigeria in die Schule gegangen und hat keinen Beruf erlernt. Seinen Lebensunterhalt verdiente er mit Gelegenheitsarbeiten.
Der Beschwerdeführer hat in Österreich in Gestalt seiner Mutter Verwandte. Er lebt bei seiner Mutter in Wien. Da die Mutter gesundheitliche Probleme – Augenprobleme, Diabetes und hoher Blutdruck – hat, ist diese auf die Hilfe durch den Beschwerdeführer angewiesen. Der Beschwerdeführer unterstützt seine Mutter in allen Belangen des täglichen Lebens.
Der Beschwerdeführer bezieht keine Sozialhilfe oder eine sonstige Unterstützung. Er geht, abgesehen von Gelegenheitsarbeiten, keiner regelmäßigen Arbeit nach und wird von seiner Mutter finanziell unterstützt.
Der Beschwerdeführer spricht Deutsch. Eine Sprachprüfung in Deutsch absolvierte er nicht. Er besucht auch keinen Deutschkurs. Er verfügt über keine wesentlichen sozialen Kontakte in Österreich, ist nicht Mitglied in einem Verein und besucht auch keine Kurse.
Der Beschwerdeführer ist in Österreich vorbestraft. Er wurde mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 12.11.2019, 146 Hv 14/19b, wegen Begehung des Vergehens des betrügerischen Datenverarbeitungsmissbrauchtes nach § 148a Abs 1 und 2 erster und zweiter Fall, § 15 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten, wobei 12 Monate unter Setzung einer Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehen wurden, verurteilt, weil er gemeinsam mit einem weiteren Täter über den Online-Shop verschiedener Unternehmen Waren unter Nutzung von verschiedenen Namen Waren bestellten und nicht den Kaufpreis bezahlten, indem sie das Ergebnis einer automationsunterstützten Datenverarbeitung mit dem Vorsatz sich oder andere unrechtmäßig zu bereichern gewerbsmäßig diese Unternehmen am Vermögen geschädigt bzw zu schädigen versucht hatten, indem sie sich ein über EUR 400,00 durchschnittlich pro Monat betragendes Einkommen verschafften. Als strafmildernd wertete das Gericht das Geständnis, den ordentlichen Lebenswandel, den Umstand, dass es teilweise beim Versuch geblieben ist, die teilweise Sicherstellung der Waren sowie die Schadensgutmachung, als erschwerend die Vielzahl der Angriffe auch im Rahmen der Gewerbsmäßigkeit, die mehrfache Deliktsqualifikation, das mehrfache Übersteigen der Wertqualifikation und den langen Deliktszeitraum. Seine Freiheitsstrafe verbüßte der Beschwerdeführer in der Justizanstalt Josefstadt zwischen 18.05.2018 bis 15.11.2019.
Zum Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich:
Der Beschwerdeführer verfügte vom 01.10.2013 bis zum 30.09.2016 über eine Aufenthaltsbewilligung „Student“. Einen Studienerfolg konnte der Beschwerdeführer nicht nachweisen.
Vom 01.10.2016 bis zum 02.10.2018 verfügte der Beschwerdeführer über eine Aufenthaltsbewilligung „Schüler“. Diese Aufenthaltsbewilligung beantragte der Beschwerdeführer am 24.09.2018 zu verlängern, ohne jedoch die hierfür erforderlichen Nachweise beizubringen.
Am 30.01.2019 schloss der Beschwerdeführer die Ehe mit der ungarischen Staatsangehörigen XXXX Zu diesem Zeitpunkt wohnte er im gemeinsamen Haushalt mit XXXX . In weiterer Folge modifizierte er den Verlängerungsantrag betreffend die Aufenthaltsbewilligung „Schüler“ am 04.02.2019 auf eine Aufenthaltskarte „Angehöriger eines EWR-Bürgers“ und berief sich dabei auf die geschlossene Ehe. Ab dem 08.03.2019 meldete sich der Beschwerdeführer an einem gemeinsamen Wohnsitz mit seiner Ehefrau, wobei sie dort nicht zusammengewohnt haben.
Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.04.2020, XXXX 191246697, wurde gemäß § 67 Abs 1 und 2 FPG gegen die Ehefrau des Beschwerdeführers ein für die Dauer von drei Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen und ihr gemäß § 70 Abs 3 FPG ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat ab Durchsetzbarkeit der Entscheidung erteilt. Diese Entscheidung wurde zusammengefasst damit begründet, dass die Ehefrau des Beschwerdeführers mit einem nigerianischen Staatsangehörigen eine Aufenthaltsehe eingegangen sei, um ihm in Österreich eine Aufenthaltsberechtigung zu verschaffen. Hinsichtlich ihres Aufenthalts in Österreich und ihrem Privat- und Familienleben, wurde berücksichtigt, dass sie Mutter einer am 13.02.2018 geborenen Tochter, welche ebenfalls die Staatsangehörigkeit von Ungarn besitzt, ist, sowie, dass sie ihre Selbstständigkeit mit 01.10.2019 beendet hat und seit 30.9.2019 im Bundesgebiet keiner erlaubten Erwerbstätigkeit mehr nachgeht und auch über keine Krankenversicherung verfügt. Mit Erkenntnis BVwG 06.07.2020, I416 2232093-1/2E, wurde das Aufenthaltsverbot gegen Zsofia XXXX auf 18 Monate (1,5 Jahre) herabgesetzt.
XXXX wurde am 18.2.2019 vom Amt der Wiener Landesregierung eine Gewerbeberechtigung für das Gastgewerbe, sowie eine Anmeldebescheinigung „Selbstständige/r“ ausgestellt. Sie war vom 30.06.2018 bis 30.09.2019 bei der Sozialversicherungsanstalt der Selbstständigen als gewerblich selbstständige Erwerbstätige versichert. Sie geht seit 01.10.2019 keiner Erwerbstätigkeit nach und verfügt über keine Krankenversicherung. Die Voraussetzungen für einen unionsrechtlichen Aufenthalt liegen bei XXXX nicht vor.
Der Antrag auf Ausstellung einer Dokumentation des unionsrechtlichen Aufenthalts wurde mit Bescheid des Landeshauptmanns von Wien vom 06.11.2019 zurückgewiesen, da er nicht in den Anwendungsbereich des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts fällt. Diese Entscheidung begründete der Landeshauptmann damit, dass es sich bei seiner Ehe um eine Aufenthaltsehe handelt.
2. Beweiswürdigung:
Beweis wurde aufgenommen durch Einsicht in den vorgelegten Verwaltungsakt, in den angefochtenen Bescheid und in die dagegen erhobene Beschwerde, ferner durch Einsicht in den Akt des BFA XXXX /191246697 und I416 2232093-1 des Bundesverwaltungsgerichts betreffend XXXX sowie durch Befragung des Beschwerdeführers, sowie der Zeugin XXXX im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 29.09.2020. Insbesondere wurden auch Auszüge aus dem Informationsverbund Zentrales Fremdenregister (IZR), dem Zentralen Melderegister und dem Strafregister sowie der Gerichtsakt 146 Hv 14/19b des Landesgerichts für Strafsachen Wien eingeholt.
Zur Person des Beschwerdeführers und seinen persönlichen Lebensumständen:
Die Feststellungen betreffend die Person des Beschwerdeführers ergeben sich aus dem Verwaltungsakt sowie aus seinen diesbezüglich glaubhaften Angaben im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 29.09.2020 (Verhandlungsprotokoll S. 4 ff).
Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer gesund und arbeitsfähig ist, ergibt sich aus den diesbezüglichen Angaben des Beschwerdeführers im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 29.09.2020 (Verhandlungsprotokoll S. 3 f) sowie aus dem vom Beschwerdeführer im Rahmen dieser Verhandlung erhaltenen persönlichen Eindruck.
Die Feststellung zur Eheschließung mit XXXX und zur Nichtexistenz einer ehelichen Gemeinschaft und einer dadurch bedingten umfassenden Lebensgemeinschaft ergeben sich aus den Feststellungen des Bescheides des Landeshauptmanns von Wien vom 06.11.2019 (Zl MA35-9/3140377-03; AS 75 ff). Diese werden auch – was die Eheschließung betrifft – vom Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung am 29.09.2020 bestätigt.
Die Feststellungen zu den persönlichen Lebensumständen und zur Schulbildung beruhen auf den Aussagen des Beschwerdeführers im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 29.09.2020 sowie aus der vorgelegten Kopie der Geburtsurkunde (Beilage ./A), woraus zu entnehmen ist, dass der Beschwerdeführer aus Benin City stammt.
Dass die Mutter des Beschwerdeführers in Österreich lebt, ergibt sich aus dem Auszug aus dem ZMR. Der Beschwerdeführer war auch unter derselben Adresse zwischen 04.09.2015 bis 23.09.2016 zunächst als Nebenwohnsitz und von 23.09.2016 bis 08.09.2019 als Hauptwohnsitz gemeldet. Nach glaubhafter Aussage seiner Mutter in der mündlichen Verhandlung am 29.09.2020 lebt der Beschwerdeführerzwischenzeitig mit ihr im gemeinsamen Haushalt (Verhandlungsprotokoll S 11). Sie bestätigte auch glaubhaft, dass der Beschwerdeführer sie in allen Belangen des täglichen Lebens sowie während der Zeit im Spital unterstützte bzw ihr half. Sie bestätigte auch, dass sie in ihrem Sohn die einzige Hilfe in Österreich hat und dass sie ein Augenleiden, Diabetes und hohen Blutdruck hat (Verhandlungsprotokoll S 12).
Dass der Beschwerdeführer keine finanzielle Unterstützung aus Mitteln der Sozialhilfe bzw anderen Mitteln erhält, ergibt sich aus er glaubhaften Angabe des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung am 29.09.2020 (Verhandlungsprotokoll S 7). Aus der Aussage seiner Mutter im Rahmen dieser Verhandlung ergibt sich, dass diese ihn finanziell unterstützt (Verhandlungsprotokoll S 9), welche die diesbezügliche Aussage ihres Sohnes (Verhandlungsprotokoll S. 7) bestätigt. Im Rahmen seiner Aussage gab der Beschwerdeführer auch glaubhaft an, gelegentlich bei Umzügen zu helfen, jedoch keiner geregelten Arbeit nachzugehen (Verhandlungsprotokoll S. 7).
Dass der Beschwerdeführer Deutsch versteht und auch sprechen kann, konnte sich der erkennende Richter in der mündlichen Verhandlung persönlich überzeugen. Eine Sprachprüfung absolvierte er nach eigenen Angaben nicht, wie er auch keine Kurse, somit auch keine Sprachkurse, besucht (Verhandlungsprotokoll vom 29.09.2020, S 7). Der Beschwerdeführer gibt auch in seiner Aussage im Rahmen der mündlichen Verhandlung an, keine nennenswerten sozialen Kontakte in Österreich zu haben (Verhandlungsprotokoll S. 7). Der erkennende Richter gewann vom Beschwerdeführer den persönlichen Eindruck, dass seine Mutter seine wesentliche Beziehungsperson in Österreich ist. Dass der Beschwerdeführer kein Mitglied in einem Verein ist und auch keine Kurse besucht, geht aus seiner glaubhaften Aussage im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 29.09.2020 hervor (Verhandlungsprotokoll S. 7).
Die Feststellungen zur erfolgten Verurteilung des Beschwerdeführers ergibt sich aus dem Strafregisterauszug sowie aus dem eingeholten Akt 146 Hv 14/2019b des Landesgerichts für Strafrechtssachen Wien, welchen das Bundesverwaltungsgericht eingeholt hat, und dem im Verwaltungsakt und im Strafakt einliegenden Urteil vom 12.11.2019.
Zum Aufenthalt des Beschwerdeführers:
Die Feststellungen zu den Aufenthaltsbewilligungen „Student“ bzw „Schüler“, dass dieser keinen Studienerfolg nachweisen bzw keine zur Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung „Schüler“ erforderlichen Nachweise beibringen konnte, ergeben sich aus dem Akt der MA 35 sowie aus dem Bescheid des Landeshauptmanns von Wien vom 06.11.2019 (MA35-9/3140377-03; AS 75 ff).
Dass der Beschwerdeführer die Ehe mit der ungarischen Staatsangehörigen XXXX geschlossen hatte und zum Zeitpunkt der Eheschließung im gemeinsamen Haushalt mit XXXX lebte, ergibt sich aus seinen Angaben vor dem Bundesverwaltungsgericht am 29.09.2020 (Verhandlungsprotokoll S. 5 f) sowie aus dem eingeholten Auszug aus dem ZMR betreffend seine Person und seine Mutter. Dass er in weiterer Folge den Verlängerungsantrag betreffend die Aufenthaltsbewilligung „Schüler“ am 04.02.2019 auf eine Aufenthaltskarte „Angehöriger eines EWR-Bürgers“ unter Berufung auf die geschlossene Ehe modifizierte, ergibt sich aus dem Bescheid des Landeshauptmanns von Wien vom 06.11.2019 (MA35-9/3140377-03; AS 75 ff). Die Feststellung zum gemeinsamen Wohnsitz mit seiner Ehefrau ergibt sich aus dem ZMR Auszug. Dass der Beschwerdeführer dort nicht mit seiner Ehefrau zusammengelebt hatte, ergibt sich aus den Feststellungen des Bescheides des Landeshauptmanns von Wien vom 06.11.2019 (MA35-9/3140377-03; AS 75 ff).
Dass die belangte Behörde mit Bescheid vom 22.04.2020, Zl XXXX /191246697, gegen die Ehefrau des Beschwerdeführers ein für die Dauer von drei Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen und ihr gemäß § 70 Abs 3 FPG ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat ab Durchsetzbarkeit der Entscheidung erteilt hatte, der Inhalt dieser Entscheidung sowie der Inhalt des Erkenntnisses BVwG 06.07.2020, I416 2232093-1/2E, ergibt sich aus dem Gerichtsakt I416 2232983-1 sowie aus den Feststellungen des Bescheides des Landeshauptmanns von Wien vom 06.11.2019 (MA35-9/3140377-03; AS 75 ff). Dass eine Aufenthaltsehe eingegangen wurde, gründet sich auf den vorliegenden Akteninhalt, insbesondere auf die durchgeführten Erhebungen der MA 35 im Rahmen der Zurückweisung des Antrages des Beschwerdeführers auf Ausstellung einer Dokumentation des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts sowie aus dem Akteninhalt Akt des BFA Zl. XXXX 191246697 und dem Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichts I416 2232093-1 sowie den Angaben des Beschwerdeführers im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 29.09.2020 (Verhandlungsprotokoll S 5 f).
Die Feststellungen hinsichtlich der gemeinsamen Meldeadresse ergeben sich einerseits aus dem ZMR und aus den Angaben von XXXX im Rahmen der Beschwerde im Verfahren des Bundesverwaltungsgerichts I416 2232093-1.
Die Feststellung, dass die Voraussetzung für die Erteilung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts für XXXX nicht mehr vorliegen, ergibt sich einerseits aus dem Akteninhalt des BFA 1215815608/191246697 und andererseits aus ihren Angaben im Rahmen der Beschwerde vor dem Bundesverwaltungsgericht zu I416 2232093-1.
Die Feststellungen zur Beendigung des Aufenthalts von XXXX im Bundesgebiet und zur Erlassung eines Aufenthaltsverbots ergeben sich aus dem Akt des BFA Zl. XXXX /191246697 sowie aus dem Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichts I416 2232093-1. Die Feststellungen zum bisherigen Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich beruhen auf dem Bescheid des Landeshauptmanns von Wien vom 06.11.2019 (MA35-9/3140377-03; AS 75 ff) sowie auf dem vorliegenden Verwaltungsakt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
3.1. Gemäß § 67 Abs 1 FPG, BGBl I Nr 100/2005 idF BGBl I Nr 27/2020, ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde.
Gemäß § 67 Abs 2 FPG kann ein Aufenthaltsverbot, vorbehaltlich des Abs 3, für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden. Gemäß § 67 Abs 4 FPG ist bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes auf die für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen. Die Frist beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise.
Die Voraussetzungen für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nach § 67 Abs 1 erster und zweiter Satz FPG liegen vor, wenn ein Fremder - im Sinn des Tatbestands des § 53 Abs 2 Z 8 FPG - eine Aufenthaltsehe geschlossen, also mit dem Ehegatten ein gemeinsames Familienleben iSd Art 8 EMRK nicht geführt und sich trotzdem (ua) für den Erwerb eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts oder zur Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen auf diese Ehe berufen hat. In diesem Fall beträgt die Höchstdauer eines Aufenthaltsverbotes - abweichend von § 67 Abs 2 FPG - allerdings nicht zehn, sondern nur fünf Jahre (VwGH 23.03.2017, Ra 2016/21/0349). Ehegatten, die kein gemeinsames Familienleben im Sinne des Art 8 EMRK führen, dürfen sich gemäß § 30 NAG für die Erteilung und Beibehaltung von Aufenthaltstiteln bzw für den Erwerb und die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts nicht auf die Ehe berufen.
Nach der Judikatur des VwGH liegt eine Aufenthaltsehe im Sinne des § 30 NAG in Verbindung mit § 54 Abs 7 NAG dann vor, wenn sich ein Fremder für die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels auf eine von ihm geschlossene Ehe beruft, er in diesem Zeitpunkt jedoch kein gemeinsames Familienleben mit seinem Ehegatten im Sinne des Art 8 EMRK führt (vgl VwGH 19.09.2012, 2008/22/0243). Ein formelles Band der Ehe reicht nicht aus, um aufenthaltsrechtliche Wirkungen zugunsten des Drittstaatsangehörigen abzuleiten (vgl VwGH 27.04.2017, Ro 2016/22/0014). In zeitlicher Hinsicht muss das Berufen auf ein Familienleben im Sinne des Art 8 EMRK zu einem Zeitpunkt erfolgen, zu dem ein Familienleben nicht (mehr) geführt wird (vgl VwGH 27.01.2011, 2008/21/0633).
"Ehegatten von EWR-Bürgern, die ihr unionsrechtliches Aufenthaltsrecht in Anspruch genommen haben, kommt die Stellung als "begünstigter Drittstaatsangehöriger" iSd § 2 Abs. 4 Z 11 FrPolG 2005 zu; das gilt auch dann, wenn die Ehe als Aufenthaltsehe zu qualifizieren ist (vgl. E 7. April 2011, 2011/22/0005; B 14. April 2016, Ro 2016/21/0005), und zwar jedenfalls solange keine rechtskräftige Feststellung iSd § 54 Abs. 7 NAG 2005 vorliegt." (VwGH 25.09.2017, Ra 2017/20/0293)
Eine für den Erwerb bzw. die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechtes erforderliche tatsächliche und eheliche Lebensgemeinschaft ist dann anzunehmen, wenn die Ehepartner erkennbar in einer dauerhaften, durch enge Verbundenheit und gegenseiteigen Beistand geprägten Beziehung zusammenleben oder zusammenleben wollen. Vorausgesetzt ist somit eine Verbindung zwischen den Eheleuten, deren Intensität über die einer Beziehung zwischen Freunden in einer reinen Begegnungs- oder Gesinnungsgemeinschaft hinausgeht (vgl Abermann/Czech/Kind/Peyrl, NAG-Kommentar, § 30, Rz 7). Nach der Judikatur des VwGH, setzt die fremdenpolizeiliche Feststellung, eine Ehe sei nur zum Schein geschlossen worden, nicht voraus, dass die Ehe für nichtig erklärt wurde (vgl VwGH vom 23. März 2010, 2010/18/0034). Damit ist die Frage bejaht, ob durch die Verwaltungsbehörde - wie hier im Zuge der Prüfung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme - eine eigene Beurteilung des Vorliegens einer Scheinehe erfolgen darf (VwGH 25.09.2017, Ra 2017/20/0293).
Mit der Erlassung dieser aufenthaltsbeendenden Maßnahmen wird daher noch keine Aussage darüber getroffen, ob auch der Straftatbestand des § 117 FPG verwirklicht wurde. Der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes wegen Eingehens einer "Scheinehe" steht nicht entgegen, dass ein gegenüber dem Fremden wegen § 117 (Abs 4) FPG idF des FrÄG 2009 geführtes Strafverfahren als Beteiligte eingestellt worden ist (vgl VwGH 22.02.2011, 2010/18/0446). Umso weniger setzt die fremdenpolizeiliche Feststellung, eine Ehe ist nur zum Schein geschlossen worden, voraus, dass der Scheinehepartner (vom Gericht) gemäß § 117 (Abs 1 oder 2) FPG bestraft (vgl VwGH 23.03.2010, 2010/18/0034) oder eine Anzeige gemäß § 117 FPG erstattet worden ist (VwGH 21.06.2012, 2012/23/0022, 23.03.2017, Ra 2016/21/0349).
Die Nichtigerklärung einer Ehe gemäß § 23 Ehegesetz stellt keine Voraussetzung für die Feststellung des Bestehens einer Scheinehe dar und spricht das Unterbleiben einer solchen Nichtigerklärung nicht gegen die Beurteilung einer solchen Ehe (VwGH 21.02.2013, 2012/23/0049).
Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist gemäß § 9 Abs 1 BFA-VG die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 Abs. 2 EMRK sind insbesondere die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration, die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren und die Frage ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist, zu berücksichtigen.
Gemäß Art 8 Abs 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Art 8 Abs 2 EMRK legt fest, dass der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft ist, soweit er gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.
Bei Erlassung eines Aufenthaltsverbots ist eine einzelfallbezogene Gefährdungsprognose zu erstellen, bei der das Gesamtverhalten des Betroffenen in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen ist, ob und im Hinblick auf welche Umstände die maßgebliche Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache einer Verurteilung oder Bestrafung, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen. Bei der nach § 67 Abs 1 FPG zu erstellenden Gefährdungsprognose geht schon aus dem Gesetzeswortlaut klar hervor, dass auf das "persönliche Verhalten" abzustellen ist und strafgerichtliche Verurteilungen allein nicht ohne weiteres ein Aufenthaltsverbot begründen können (VwGH 19.02.2014, 2013/22/0309).
Zudem gilt es festzuhalten, dass die fremdenpolizeilichen Beurteilungen eigenständig und unabhängig von den die des Strafgerichts für die Strafbemessung, die bedingte Strafnachsicht und den Aufschub des Strafvollzugs betreffenden Erwägungen zu treffen sind (vgl VwGH 06.07.2010, 2010/22/0096) und es bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes/Einreiseverbotes in keiner Weise um eine Beurteilung der Schuld des Fremden an seinen Straftaten und auch nicht um eine Bestrafung geht. (vgl VwGH 08.07.2004, 2001/21/0119).
Bei der Festsetzung der Dauer des Aufenthaltsverbotes ist gemäß § 67 Abs 4 FPG auf die für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen, insbesondere auf die privaten und familiären Verhältnisse (VwGH 24.05.2016, Ra 2016/21/0075).
3.2. Die Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Sachverhalt ergibt Folgendes:
Da sich der Beschwerdeführer seit zumindest 2013 in Österreich aufhält, ist der Gefährdungsmaßstab des § 67 Abs 1 zweiter Satz FPG ("tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt") anzuwenden.
Der Beschwerdeführer schloss mit XXXX eine Aufenthaltsehe ohne die Absicht, ein gemeinsames Familienleben iSd Art 8 EMRK zu führen, mit der nur der Zweck verfolgt wurde, ihm ein Aufenthaltsrecht zu verschaffen, auf das er als Nicht-EU-Bürger sonst keinen Anspruch gehabt hätte. In Bezug auf diese Ehe wurde seitens der NAG Behörde eine Feststellung gemäß § 54 Abs 7 NAG getroffen. Da sich der Beschwerdeführer mit Wissen seiner Ehefrau auf diese Ehe für den Erwerb eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts berufen hatte, liegen insoweit die Voraussetzungen für die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gegen ihn vor, zumal insoweit ein Missbrauch des unionsrechtlichen Rechts auf Freizügigkeit zur Umgehung fremdenrechtlicher Vorschriften vorliegt.
Die belangte Behörde geht aufgrund dieser Aufenthaltsehe davon aus, der Beschwerdeführer verfüge über kein Familienleben in Österreich und negiert, dass der Beschwerdeführer mit der in Österreich lebenden Mutter XXXX , welche über einen Aufenthaltstitel verfügt und als Küchenhilfe einer geregelten (legalen) Arbeit nachgeht, verfügt. Bei seiner Mutter lebt der Beschwerdeführer zudem und unterstützt diese im Alltag im Zusammenhang mit ihren gesundheitlichen Gebrechen. Diesem Familienleben kommt im Rahmen der Interessensabwägung, ob der von der belangten Behörde zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe und Ordnung verfügte Eingriff in das Recht des Beschwerdeführers auf Achtung des Privat- und Familienlebens schwerer wiegt, als die privaten Interessen des Beschwerdeführers, sein Privat- und Familienleben in Österreich fortzusetzen, Bedeutung zu.
Im angefochtenen Bescheid wird nicht nur jedes Bestehen eines Privat- und Familienlebens negiert, es fehlt auch an jeder erkennbaren Auseinandersetzung mit der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung. Die belangte Behörde stellt nur auf den Umstand der Verurteilung ab. Sie verweist auf die „für eine Erstverurteilung relativ hohe Freiheitsstrafe“. Eine Auseinandersetzung mit dem Gesamtverhalten des Fremden und der Beurteilung dahingehend, ob und im Hinblick auf welche Umstände die jeweils anzuwendende Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw Bestrafung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen. Bei der nach § 67 Abs 1 FPG zu erstellenden Gefährdungsprognose geht schon aus dessen Gesetzeswortlaut klar hervor, dass auf das "persönliche Verhalten" des Beschwerdeführers abzustellen ist und die strafrechtliche Verurteilung allein nicht ohne Weiteres die erforderliche Gefährdungsprognose begründen kann (vgl VwGH 12.11.2019, Ra 2019/21/0305; 27.04.2020, Ra 2019/21/0367). Dass der Beschwerdeführer zahlreiche Angriffe gegen das Schutzgut des Eigentums unternommen hat, steht aufgrund der Verurteilung fest. Jedoch kann hieraus nicht abgeleitet werden, dass die Annahme der Gefährdung, wie sie von der belangten Behörde unreflektiert aufgrund der festgestellten Verurteilung angenommen hat, tatsächlich gegeben ist. Hierbei kommt den Erwägungen des Strafgerichts über die Strafzumessung Bedeutung zu. Als erschwerend nahm es die Vielzahl der Angriffe auch im Rahmen der Gewerbsmäßigkeit, die mehrfache Deliktsqualifikation, das mehrfache Übersteigen der Wertqualifikation und den landen Deliktszeitraum an. Als strafmildernd wurden das Geständnis, der ordentliche Lebenswandel, der Umstand, dass es teilweise beim Versuch blieb, die teilweise Sicherstellung der Waren und die Schadensgutmachung an. Hieraus ergibt sich, dass der Beschwerdeführer durch sein persönliches Verhalten – insbesondere durch die Schadensgutmachung – ein persönliches Verhalten an den Tag legte, das gerade nicht seine Gefährlichkeit aufzeigt. Zudem ist zu bedenken, dass § 67 FPG als Umsetzung des Art 28 RL 2004/38/EG nur Fälle schwerer Kriminalität anspricht. Ein solcher Fall liegt beim Beschwerdeführer, der erstmalig verurteilt wurde, nicht vor, wenn auch die Vergehen gewerbsmäßig und über lange Zeit begangen wurden. Damit kommt der belangten Behörde ein entsprechender Begründungsaufwand zu, die auf Basis einer Gefährdungsprognose zu treffende Beurteilung des Gesamtverhaltens des Beschwerdeführers zu begründen. Hiervon kann im gegenständlichen Fall nicht die Rede sein. Weder aus den Strafzumessungsgründen, noch aus der Strafe selbst, welche überwiegend als bedingte Freiheitsstrafe ausgesprochen wurde, ist eine besondere Gefährlichkeit für die öffentliche Ordnung und Sicherheit seitens des Beschwerdeführers zu erkennen. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer besonders gefährlich wäre, wie dies etwa bei einer unbehandelten Sucherkrankung in Bezug auf die Gefahr der Beschaffungskriminalität gegeben wäre. Die belangte Behörde stützt sich nur auf den Umstand der strafgerichtlichen Verurteilung, was nicht für eine Aufenthaltsbeendigung nach § 67 FPG ausreichend ist.
Aufgrund des bestehenden schützenswerten Familienlebens des Beschwerdeführers würde die Erlassung eines Aufenthaltsverbots sich als unverhältnismäßig erweisen, weshalb auch der Umstand der Aufenthaltsehe neben dem Umstand der strafgerichtlichen Verurteilung nicht ausreichend ist. Der Beschwerdeführer hat eine aufgrund ihrer gesundheitlichen Einschränkungen hilfsbedürftige Mutter, die der Beschwerdeführer im Alltag tatkräftig unterstützt. Zudem ist der Beschwerdeführer nunmehr zumindest sieben Jahre in Österreich aufhältig, sodass dieser langen Aufenthaltsdauer auch Bedeutung zukommt.
Der Beschwerdeführer hat zwar in Nigeria Verwandte, jedoch unterhält er keinen Kontakt zu ihnen. Es kann davon ausgegangen werden, dass er über keine familiäre Anknüpfung an seinen Herkunftsstaat verfügt.
Die öffentlichen Interessen an der Einhaltung fremdenrechtlicher Vorschriften, insbesondere an der Verhinderung strafrechtlich verpönter Scheinehen oder der Verhinderung von Kriminalität, überwiegen das persönliche Interesse des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich aufgrund des bestehenden Privat- und Familienlebens des Beschwerdeführers in Österreich im konkreten Fall nicht. Die Voraussetzungen für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes liegen somit nicht vor.
Aus diesen Gründen war der Beschwerde stattzugeben und der angefochtene Bescheid hinsichtlich beider Spruchpunkte (Spruchpunkt II. ist nur relevant, wenn ein Aufenthaltsverbot besteht) gemäß § 28 Abs 5 VwGVG aufzuheben. Im fortgesetzten Verfahren wird die belangte Behörde zu prüfen haben, ob aufgrund des Verneinens des Vorliegens der Voraussetzungen für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes allenfalls die Voraussetzungen für eine Ausweisung nach § 66 FPG vorliegen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art.133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Eine Rechtsfrage von Bedeutung kam im gegenständlichen Einzelfall nicht hervor.
Schlagworte
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ECLI:AT:BVWG:2020:I413.2232081.1.00Im RIS seit
25.01.2021Zuletzt aktualisiert am
25.01.2021