TE Vwgh Beschluss 2020/12/18 Ra 2019/08/0181

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Veröffentlicht am 18.12.2020
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz

Norm

ASVG §308 Abs1
VwRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Strohmayer sowie die Hofrätin Dr. Julcher und den Hofrat Mag. Stickler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Klima, LL.M., über die Revision der Mag. I K in L, vertreten durch Univ.-Doz. Dr. Thomas Walzel von Wiesentreu, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Museumstraße 28/ 4. Stock, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. Mai 2019, W126 2193897-1/7E, betreffend Überweisungsbetrag gemäß § 308 ASVG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Pensionsversicherungsanstalt), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit Bescheid vom 1. März 2018 sprach die Pensionsversicherungsanstalt aus, der Antrag der Revisionswerberin vom 24. November 2016 auf Leistung eines Überweisungsbetrages gemäß § 308 Abs. 4 ASVG werde abgewiesen.

2        Mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht den in der Beschwerde gestellten Antrag, die Versicherungsbeiträge der Revisionswerberin ab dem 1. Jänner 2002 festzustellen, zurück. Im Übrigen wies es die Beschwerde als unbegründet ab. Die Revision erklärte das Bundesverwaltungsgericht gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.

3        Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht aus, die Revisionswerberin stehe seit dem 1. Jänner 2002 in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Land Tirol. In der Zeit von 22. August 2002 bis 11. Mai 2004 sei sie in Mutterschaftskarenz gewesen. Während der Karenz sei sie von 1. April 2003 bis 31. März 2004 in einem vollversicherten Beschäftigungsverhältnis als Angestellte gestanden. Eine Anrechnung der Versicherungszeit der Revisionswerberin als Angestellte von 1. April 2003 bis 31. März 2004 für die Begründung eines Anspruches auf Ruhegenuss sei jedoch durch das Land Tirol als Dienstgeber nicht erfolgt. Die Zeit der Mutterschaftskarenz sei vielmehr bereits ex lege eine ruhegenussfähige Dienstzeit. Damit seien die Voraussetzungen der Leistung eines Überweisungsbetrages nach § 308 Abs. 1 iVm. Abs. 4 ASVG nicht gegeben.

4        Die Revisionswerberin habe hinsichtlich ihres Beschäftigungsverhältnisses vom 22. August 2002 bis 11. Mai 2004 die Leistung eines Überweisungsbetrages nach § 308 Abs. 4 ASVG beantragt. Darüber habe die Pensionsversicherungsanstalt abgesprochen. Nur dieser Ausspruch sei Sache des Beschwerdeverfahrens. Soweit in der Beschwerde auch ein Antrag gestellt worden sei, die Versicherungsbeiträge der Revisionswerberin ab dem 1. Jänner 2002 festzustellen, sei der Antrag daher zurückzuweisen gewesen.

5        Gegen dieses Erkenntnis wurde - nachdem der Verfassungsgerichtshof die Behandlung einer dagegen erhobenen Beschwerde abgelehnt und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten hatte - die vorliegende außerordentliche Revision erhoben.

6        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

8        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

9        Zur Zulässigkeit der Revision wird vorgebracht, von der Pensionsversicherungsanstalt und dem Bundesverwaltungsgericht sei der Inhalt des von der Revisionswerberin gestellten Antrages verkannt worden. Die Revisionswerberin habe beantragt, die „ab ihrer Pragmatisierung erworbenen Versicherungsbeiträge“ festzustellen und den sich daraus ergebenden Betrag an sie zu überweisen. Ein Antrag nach § 308 Abs. 4 ASVG sei daher gar nicht gestellt worden. Die Pensionsversicherungsanstalt bzw. das Bundesverwaltungsgericht hätten somit über die von der Revisionswerberin gestellten Anträge absprechen müssen.

10       Nach § 308 Abs. 1 ASVG hat eine Entscheidung über die Leistung eines Überweisungsbetrages auf Antrag zu ergehen. Zur Stellung des Antrages sind sowohl der Dienstgeber als auch der Dienstnehmer berechtigt (vgl. Frank in SV-Komm [175. Lfg.] § 308 ASVG Rz 18).

11       Prozesserklärungen einer Partei sind ausschließlich nach ihrem objektiven Erklärungswert auszulegen. Es kommt darauf an, wie die Erklärung unter Berücksichtigung der konkreten gesetzlichen Regelung, des Verfahrenszweckes und der der Behörde vorliegenden Aktenlage objektiv verstanden werden muss (vgl. zum Ganzen VwGH 11.9.2020, Ra 2020/11/0122, mwN). Weist ein Anbringen einen undeutlichen Inhalt auf, so hat die Behörde durch Herbeiführung einer entsprechenden Erklärung den wahren Willen des Einschreiters festzustellen, diesen also zu einer Präzisierung aufzufordern bzw. zum Inhalt einzuvernehmen (vgl. etwa VwGH 24.7.2014, Ro 2014/07/0031, mwN). Eine in vertretbarer Weise vorgenommene einzelfallbezogene Auslegung von Parteierklärungen wirft in der Regel keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung auf (vgl. VwGH 16.3.2016, Ra 2016/04/0024, mwN).

12       Im vorliegenden Fall war der verfahrenseinleitende Antrag der Revisionswerberin vom 11. September 2017 mehrdeutig. Die Revisionswerberin stützte sich darin ausdrücklich auf § 308 Abs. 4 ASVG und brachte im Sinn dieser Bestimmung vor, es seien vom Land Tirol die von ihr während einer Karenz erworbenen Versicherungszeiten als ruhegenussfähige Dienstzeiten angerechnet worden. Andererseits beantragte sie, ihre Beiträge festzustellen und den sich daraus ergebenden Betrag an sie auszuzahlen.

13       Die Pensionsversicherungsanstalt erkannte diese Mehrdeutigkeit und richtete ein Schreiben an die Revisionswerberin, in dem sie mitteilte, nach § 308 Abs. 4 ASVG komme bei Vorliegen der Voraussetzungen eine Leistung eines Überweisungsbetrages an den Dienstgeber auf dessen Antrag in Betracht. Sollte die Revisionswerberin dagegen eine Erstattung ihrer Beiträge nach § 70 Abs. 5 ASVG begehren, werde ersucht, das in einem übermittelte Formblatt auszufüllen. Die Revisionswerberin entgegnete, sie halte „ihren Antrag auf Beitragserstattung nach § 308 Abs. 4 ASVG vollinhaltlich aufrecht“ und ersuche um rasche bescheidmäßige Erledigung. Einen Antrag nach § 70 Abs. 5 ASVG wolle sie nicht stellen. Mit weiterem Schreiben teilte sie mit, es sei ihr bekannt, dass das Amt der Tiroler Landesregierung keinen Antrag nach § 308 Abs. 4 ASVG gestellt habe. Ihr Antrag nach dieser Bestimmung bleibe jedoch aufrecht, zumal sie als Dienstnehmerin selbst berechtigt sei, einen solchen Antrag zu stellen. Vor diesem Hintergrund ist die Beurteilung des Bundesverwaltungsgerichtes, die Revisionswerberin habe einen Antrag auf Leistung eines Überweisungsbetrages nach § 308 Abs. 4 ASVG gestellt, über den von der Pensionsversicherungsanstalt abzusprechen gewesen sei, jedenfalls nicht unvertretbar.

14       Soweit die Revision vermeint, das Bundesverwaltungsgericht hätte über andere Anträge der Revisionswerberin zu entscheiden gehabt, ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, dass Sache des Verfahrens des Verwaltungsgerichtes und äußerster Rahmen seiner Prüfbefugnis jedenfalls nur jene Angelegenheit ist, die den Inhalt des Spruchs des bei ihm angefochtenen Bescheides gebildet hat (vgl. etwa VwGH 30.4.2020, Ra 2019/21/0134, mwN). Eine Entscheidung über eine Angelegenheit, die überhaupt noch nicht Gegenstand der erstinstanzlichen Entscheidung gewesen ist, fällt somit nicht in die funktionelle Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtes (vgl. VwGH 29.1.2020, Ra 2018/08/0234, mwN).

15       Gegenstand des Beschwerdeverfahrens des Bundesverwaltungsgerichtes war die Leistung eines Überweisungsbetrages nach § 308 Abs. 4 ASVG. Andere Angelegenheiten fielen somit nicht in seine funktionelle Zuständigkeit.

16       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 18. Dezember 2020

Schlagworte

Individuelle Normen und Parteienrechte Auslegung von Bescheiden und von Parteierklärungen VwRallg9/1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019080181.L00

Im RIS seit

15.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

15.02.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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