TE Vwgh Beschluss 2020/12/21 Ra 2020/19/0222

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Veröffentlicht am 21.12.2020
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof

Norm

B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1
VwGG §41

Beachte


Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):
Ra 2020/19/0223
Ra 2020/19/0224

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth sowie den Hofrat Dr. Pürgy und die Hofrätin Dr.in Sembacher als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Schara, in den Revisionssachen 1. des S T, 2. des K T, und 3. der D T, alle in S, alle vertreten durch Mag. Arthur Berger, Rechtsanwalt in 9300 St. Veit an der Glan, Bahnhofstraße 27, gegen die Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. April 2020, 1. G305 2191732-1/11E, 2. G305 2191730-1/11E und 3. G305 2191728-1/11E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revisionen werden zurückgewiesen.

Begründung

1        Die Revisionswerber sind irakische Staatsangehörige und stellten am 28. Dezember 2015 Anträge auf internationalen Schutz. Der Erstrevisionswerber gab zu seinen Fluchtgründen an, er sei von Milizen entführt und mit dem Tod bedroht worden. Die Zweit- und Drittrevisionswerber sind die minderjährigen Kinder des Erstrevisionswerbers.

2        Mit Bescheiden jeweils vom 2. März 2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Anträge der Revisionswerber zur Gänze ab, erteilte ihnen keine Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen sie Rückkehrentscheidungen, stellte fest, dass ihre Abschiebung in den Irak zulässig sei, und legte jeweils eine Frist von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidungen für die freiwillige Ausreise fest.

3        Mit den angefochtenen Erkenntnissen wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die dagegen erhobenen Beschwerden der Revisionswerber nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revisionen gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig seien.

4        Das BVwG führte begründend - soweit hier wesentlich - aus, dass der Erstrevisionswerber nicht habe glaubhaft machen können, dass er im Herkunftsstaat an regierungsfeindlichen Demonstrationen teilgenommen habe bzw. deshalb verhaftet worden sei bzw. dass er solche organisiert habe. Er habe auch nicht glaubhaft machen können, dass er aus politischen Gründen oder aus Gründen seiner Zugehörigkeit zur Ethnie der Araber bzw. aus religiösen Motiven von Milizen des Herkunftsstaates oder dem IS oder sonstigen im Herkunftsstaat aktiven Gruppierungen verfolgt oder bedroht worden sei. Die Rückkehr nach Bagdad sei möglich, der Erstrevisionswerber sei arbeitsfähig und verfüge über familiäre Kontakte in Bagdad. Die Krankheit des Erstrevisionswerbers stehe einer Erwerbstätigkeit nicht entgegen. Mit Hilfe seiner Familie vor Ort sei eine Wiederansiedlung für den Erstrevisionswerber und seine Kinder in Bagdad möglich.

5        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Nach § 34 Abs. 3 VwGG ist ein solcher Beschluss in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.

7        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8        Da der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG nur im Rahmen der dafür in der Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG gesondert vorgebrachten Gründe zu überprüfen hat, ist er weder verpflichtet, solche anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit der Revision hätten führen können, aufzugreifen. Dementsprechend erfolgt nach der Rechtsprechung die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision durch den Verwaltungsgerichtshof ausschließlich anhand des Vorbringens in der Zulassungsbegründung. In der gesonderten Zulassungsbegründung ist konkret darzulegen, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht bzw. konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch gar nicht beantwortet hat. Lediglich pauschale Behauptungen erfüllen diese Voraussetzungen nicht (vgl. etwa VwGH 9.1.2020, Ra 2019/19/0394, mwN).

9        Zur Zulässigkeit der Revisionen, die sich gegen die Abweisung der Anträge auf internationalen Schutz hinsichtlich des Status von subsidiär Schutzberechtigten (und die darauf aufbauenden Spruchpunkte) richten, wird vorgebracht, es sei von einer in unvertretbarer Weise vorgenommenen Beweiswürdigung auszugehen. Der Erstrevisionswerber habe von Anfang an auf die evidente Bedrohungs- und Verfolgungsgefahr hingewiesen und dies durch konkrete Hinweise auf die Bedrohung durch schiitische Milizen, seine 25-tägige Inhaftierung, eine Teilnahme an regierungskritischen Demonstrationen sowie sein Bekenntnis, Atheist zu sein, untermauert. Das BVwG habe den nachvollziehbaren Angaben der Revisionswerber keinen Glauben geschenkt und dies damit begründet, dass die Ehegattin des Erstrevisionswerbers bzw. Mutter der Zweit- und Drittrevisionswerber bereits am 23. Juli 2016 in den Irak zurückgekehrt sei und seither dort unbehelligt lebe. Wie das BVwG zu dieser Ansicht gelange, sei unerfindlich, wenn man berücksichtige, dass der Erstrevisionswerber nicht in der Lage gewesen sei, die vom BVwG eingeforderten Scheidungspapiere vorzulegen.

10       Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dieser - als Rechtsinstanz - zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. etwa VwGH 22.5.2020, Ra 2020/19/0073, mwN).

11       Das BVwG hat sich nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, in der es sich einen persönlichen Eindruck von den Revisionswerbern verschaffen konnte, in einer auf den Einzelfall Bedacht nehmenden Beweiswürdigung mit dem Vorbringen des Erstrevisionswerbers zu den Gründen der Flucht auseinandergesetzt. Dem Fluchtvorbringen der Bedrohung und Verfolgung seiner Person aus politischen oder religiösen Gründen durch die Milizen bzw. sonstige Dritte, der Teilnahme an bzw. der Organisation von regierungskritischen Demonstrationen und der Probleme mit der Familie seiner Ehefrau sprach das BVwG insbesondere aufgrund des vom Erstrevisionswerbers durch inkonsistente und widersprüchliche Angaben vermittelten Eindrucks die Glaubwürdigkeit ab. Den Revisionswerbern gelingt es mit ihrem Vorbringen nicht darzulegen, dass die Beweiswürdigung in unvertretbarer Weise vorgenommen worden wäre und sich die Erwägungen des BVwG in seiner Gesamtheit als unschlüssig darstellten.

12       Wenn die Revisionswerber erstmals in der Revision ins Treffen führen, dass die Ehefrau des Erstrevisionswerbers bzw. Mutter der Zweit- und Drittrevisionswerber bereits drei Monate nach ihrer Rückkehr in den Irak getötet worden sei und es in Hinblick auf diesen gewaltsamen Tod mehr als unstrittig sei, dass auch die Revisionswerber einer konkreten Bedrohung ihres Lebens für den Fall einer Rückkehrverpflichtung in den Irak ausgesetzt seien, ist dem entgegenzuhalten, dass der Berücksichtigung dieses Vorbringens das im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof geltende Neuerungsverbot (§ 41 VwGG) entgegensteht und dieses Vorbringen schon deswegen im Revisionsverfahren keine Beachtung finden kann (vgl. VwGH 6.5.2020, Ra 2020/20/0093, mwN).

13       In den Revisionen werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revisionen waren daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 21. Dezember 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020190222.L00

Im RIS seit

02.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

02.02.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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