TE Vwgh Beschluss 2020/12/21 Ra 2020/14/0530

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Veröffentlicht am 21.12.2020
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof

Norm

B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, die Hofrätin Mag. Rossmeisel und den Hofrat Dr. Himberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Gnilsen, in der Revisionssache des M H, vertreten durch Dr. Manfred Schiffner, Rechtsanwalt in 8054 Seiersberg-Pirka, Haushamer Straße 2, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. Juni 2020, W195 2224260-1/9E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Der Revisionswerber, ein bengalischer Staatsangehöriger, stellte am 31. Mai 2019 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005, den er im Wesentlichen damit begründete, aus politischen Motiven bedroht worden zu sein und verfolgt zu werden. Gegen ihn sei aus diesen Motiven eine falsche Anzeige erstattet worden.

2        Mit Bescheid vom 29. August 2019 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl diesen Antrag zur Gänze ab, erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass die Abschiebung des Revisionswerbers nach Bangladesch zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise legte die belangte Behörde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.

3        Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer Verhandlung mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab und sprach aus, dass die Erhebung einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

4        Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 22. September 2020, E 2662/2020-7, ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat. In der Folge wurde die gegenständliche Revision eingebracht.

5        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

7        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8        In der vorliegenden Revision wird zu ihrer Zulässigkeit zusammengefasst vorgebracht, das Bundesverwaltungsgericht habe eine unvertretbare Beweiswürdigung vorgenommen, weil im Verfahren ohne Verifizierung der vom Revisionswerber vorgelegten Unterlagen pauschal von seiner Unglaubwürdigkeit ausgegangen worden sei. Mit der vorgenommenen Beweiswürdigung ohne entsprechende Ermittlungen habe das Bundesverwaltungsgericht dem Revisionswerber die Möglichkeit genommen, den politischen Zusammenhang der von ihm angeblich begangenen strafbaren Handlung darzulegen. Eine konkrete Auseinandersetzung mit den vorgelegten Dokumenten durch Recherche vor Ort sei nicht erfolgt. Vielmehr habe das Gericht allgemein darauf verwiesen, dass Dokumente mit unwahrem Inhalt ausgehend von den Länderberichten problemlos gegen Zahlung erhältlich seien. Die Aufgabe der Staatendokumentation sei es aber, den realen Hintergrund der Situation im Herkunftsstaat, anhand dessen nach der Rechtsprechung die Glaubwürdigkeit der Behauptungen des Asylwerbers zu messen sei, einzelfallunabhängig bereitzustellen. Es liege in diesem Sinne eine Verletzung von Verfahrensvorschriften insoweit vor, als eine antizipierende Beweiswürdigung hinsichtlich der Echtheit der vorgelegten Dokumente (Anzeige) vorgenommen worden sei.

9        Mit diesem Vorbringen moniert die Revision Begründungsmängel hinsichtlich des erstatteten Fluchtvorbringens und wendet sich gegen die Beweiswürdigung. Ihr ist zunächst entgegenzuhalten, dass sich das Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, in der es sich einen persönlichen Eindruck verschaffen konnte, in einer auf den Einzelfall Bedacht nehmenden Beweiswürdigung mit dem Vorbringen des Revisionswerbers zu den Gründen seiner Flucht auseinandergesetzt hat. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dieser als Rechtsinstanz tätig und im Allgemeinen nicht zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Einzelfall berufen. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. VwGH 13.10.2020, Ra 2020/14/0411, mwN).

10       Dem Fluchtvorbringen des Revisionswerbers sprach das Bundesverwaltungsgericht unter mehreren Gesichtspunkten die Glaubwürdigkeit ab und zeigte im Einzelnen auf, welche Aspekte nach Ansicht des Gerichtes gegen eine tatsächliche Verfolgung sprechen würden. Mit den vom Revisionswerber vorgelegten Schriftstücken befasste sich das Bundesverwaltungsgericht entgegen dem Revisionsvorbringen auch inhaltlich, insofern liegt auch keine antizipierende Beweiswürdigung vor. Das Bundesverwaltungsgericht legte auch dar, dass eine Anzeige keine asylrelevante Verfolgung darstelle, sondern die Schutzfähigkeit und Schutzwilligkeit der Behörden im Fall von Übergriffen und kriminellen Handlungen beweise. Es sei auf Basis der Länderberichte auch nicht von einer generellen Schutzunfähigkeit des Staates oder einer flächendeckenden Inhaftierung oder Benachteiligung von Sympathisanten der Opposition lediglich aufgrund ihrer politischen Gesinnung auszugehen.

11       Überdies führte das Bundesverwaltungsgericht ins Treffen, dass dem Revisionswerber eine innerstaatliche Fluchtalternative offenstehe, wogegen sich die Revision nicht wendet.

12       Wenn in der Revision das Unterbleiben weiterer Ermittlungen und einer Recherche vor Ort gerügt wird, ist darauf hinzuweisen, dass die Frage, ob amtswegige Erhebungen erforderlich sind, regelmäßig keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung darstellt, weil es sich dabei um eine einzelfallbezogene Beurteilung handelt. Solchen Fragen kann nur dann grundsätzliche Bedeutung zukommen, wenn tragende Grundsätze des Verfahrensrechtes auf dem Spiel stehen (vgl. dazu VwGH 3.9.2020, Ra 2020/14/0385, mwN). Derartiges legt der Revisionswerber mit seinem bloß unsubstanziierten - auch die Relevanz der behaupteten Verfahrensfehler nicht dartuenden - Vorbringen nicht dar. Überdies besteht ein allgemeines Recht auf eine fallbezogene Überprüfung des Vorbringens des Asylwerbers durch Recherche im Herkunftsstaat nicht (vgl. wiederum VwGH Ra 2020/14/0385, mwN).

13       Es gelingt dem Revisionswerber mit seinem Vorbringen nicht, darzulegen, dass die Beweiswürdigung in unvertretbarer Weise vorgenommen worden wäre und sich die Erwägungen des Bundesverwaltungsgerichts zur Frage, ob dem Revisionswerber in seinem Heimatstaat Verfolgung droht, in ihrer Gesamtheit als unschlüssig darstellen würden. Auch eine tragende Grundsätze des Verfahrensrechts berührende Verkennung der Begründungspflicht (vgl. dazu VwGH 3.9.2020, Ra 2020/14/0386, mwN) ist nicht ersichtlich.

14       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 21. Dezember 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020140530.L00

Im RIS seit

02.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

02.02.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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