TE Vwgh Beschluss 2020/12/21 Ra 2020/09/0064

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 21.12.2020
beobachten
merken

Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren
60/04 Arbeitsrecht allgemein
62 Arbeitsmarktverwaltung

Norm

AuslBG §28
AVG §56
B-VG Art133 Abs4
VStG §24
VStG §27 Abs1
VStG §28
VwGG §34 Abs1
VwGVG 2014 §38

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel sowie die Hofräte Dr. Hofbauer und Mag. Feiel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Dr. Hotz, über die außerordentliche Revision des A B in C, vertreten durch Dr. Thomas Krapf, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Andreas-Hofer-Straße 13, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 17. August 2020, VGW-041/046/3832/2020, betreffend Bestrafung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 6. und 7. Bezirk), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit Straferkenntnis der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde vom 18. Februar 2020 wurde der Revisionswerber als handelsrechtlicher Geschäftsführer einer näher bezeichneten Gesellschaft mit beschränkter Haftung wegen der Beschäftigung einer namentlich genannten ukrainischen Staatsangehörigen durch diese einer Übertretung nach § 28 Abs. 1 Z 1 lit. a in Verbindung mit § 3 Abs. 1 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) für schuldig erkannt und nach § 28 Abs. 1 Z 1 erster Strafsatz AuslBG bestraft.

2        Der dagegen vom Revisionswerber erhobenen Beschwerde gab das Verwaltungsgericht Wien mit dem nach mündlicher Verhandlung ergangenen, angefochtenen Erkenntnis insoweit Folge, als es die von der Behörde verhängte Geldstrafe auf 1.000 Euro und die Ersatzfreiheitsstrafe auf einen Tag herabsetzte. Die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG erklärte das Verwaltungsgericht für nicht zulässig.

3        Gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichts ist die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

4        Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist der Verwaltungsgerichtshof an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts nach § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

5        Der Revisionswerber bringt zur Zulässigkeit seiner Revision vor, dass gemäß § 27 VStG jene Behörde örtlich zuständig sei, in deren Sprengel die Verwaltungsübertretung begangen worden sei. Nach § 28 VStG sei jene Behörde, die zuerst von einer Verwaltungsübertretung Kenntnis erlangt habe, zur Verfolgung zuständig, solange nicht ein Umstand hervorgekommen sei, der nach § 27 Abs. 1 VStG die Zuständigkeit einer anderen Behörde begründe.

6        Er habe nun bereits im Ermittlungsverfahren der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde mit E-Mail vom 18. Oktober 2018 die Unzuständigkeit der belangten Behörde eingewendet, sodass spätestens ab diesem Zeitpunkt deren Zuständigkeit nicht mehr gegeben gewesen sei.

7        Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes müsse der Sitz des Betriebes im Sinn des § 111 Abs. 5 ASVG nämlich nicht zwingend mit dem gesellschaftsrechtlichen Sitz des Dienstgebers bzw. mit dem im Firmenbuch eingetragenen Sitz der Gesellschaft zusammenfallen, zumal ein Dienstgeber mehrere Betriebe an unterschiedlichen Standorten führen könne (Hinweis auf VwGH 26.1.2005, 2002/08/0165; 14.11.2012, 2012/08/0182). Werde die tatsächliche Leitung eines Unternehmens an einem anderen Ort als an dem im Firmenbuch eingetragenen Sitz des Unternehmens ausgeübt, habe dies zur Folge, dass dieser Ort als Tatort anzusehen sei (Hinweis auf VwGH 22.1.2002, 2000/09/0147).

8        Mit diesem Vorbringen werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme, geht das Zulässigkeitsvorbringen doch nicht vom festgestellten Sachverhalt aus und ist insofern nicht gesetzmäßig ausgeführt (VwGH 15.11.2019, Ra 2019/14/0374).

9        Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (siehe etwa das in der Revision zitierte Erkenntnis VwGH 22.1.2002, 2000/09/0147, VwSlg. 15748 A) ist auch im Fall von Übertretungen nach § 28 AuslBG im Zweifel der Sitz des Unternehmens des Arbeitgebers Tatort, denn dort wird in der Regel die gegebenenfalls nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz verpönte Beschäftigung eingegangen; von dort aus wären die allenfalls erforderlichen Beschäftigungsbewilligungen zu beantragen. Wird die tatsächliche Leitung eines Unternehmens jedoch an einem anderen Ort als an dem im Firmenbuch eingetragenen Sitz des Unternehmens ausgeübt, ist als Ort der Beschäftigung dieser tatsächliche Sitz der Unternehmensleitung und auch dieser Ort als jener Ort, von welchem aus die allenfalls erforderlichen Beschäftigungsbewilligungen hätten beantragt werden müssen, anzunehmen.

10       Die zunächst einschreitende Behörde bleibt jedoch nach § 28 VStG zur Verfolgung zuständig, solange nicht ein Umstand hervorkommt, der nach § 27 Abs. 1 VStG die Zuständigkeit einer anderen Behörde begründet. Diese Behörde ist nicht verhalten von Amts wegen Ermittlungen darüber anzustellen, ob nicht etwa die tatsächliche Unternehmensleitung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung von einem anderen Ort aus erfolgt wäre. Ein Umstand, der gemäß § 27 Abs. 1 VStG die Zuständigkeit einer anderen Behörde begründet, kann nämlich erst dann als hervorgekommen angesehen werden, wenn er der Behörde zur Kenntnis gelangt ist, allenfalls in dem Zeitpunkt, in dem ihn die Behörde bei Anwendung der pflichtgemäßen Sorgfalt hätte kennen müssen. Kommt ein solcher Umstand nicht bis zur Fällung des Straferkenntnisses hervor, dann ist die nach § 28 VStG vorläufig zuständige Behörde auch zur bescheidmäßigen Bestrafung zuständig. Erst im Berufungsverfahren hervorgekommene Umstände, welche die Zuständigkeit einer anderen erstinstanzlichen Behörde begründet hätten, vermögen daher nachträglich die auf § 28 VStG gegründete Zuständigkeit der eingeschrittenen erstinstanzlichen Behörde nicht in Frage zu stellen (vgl. zum Ganzen auch VwGH 15.09.2004, 2004/09/0036; 14.11.2002, 2001/09/0099).

11       Im gegenständlichen Fall ging das Verwaltungsgericht nun davon aus, dass das Schreiben des Revisionswerbers vom 18. Oktober 2018, worin er ausgeführt habe, dass entgegen dem Firmenbuchstand die tatsächliche Leitung des Unternehmens von Innsbruck aus erfolgt sei, bei der Behörde nicht einlangte. Diesem Umstand wird im Zulässigkeitsvorbringen der Revision nicht weiter argumentativ entgegengetreten. Der im behördlichen Verfahren erstatteten schriftlichen Rechtfertigung des Revisionswerbers vom 24. Oktober 2018 war ein auf die Unzuständigkeit der Behörde hinweisendes Vorbringen jedenfalls nicht zu entnehmen.

12       Ausgehend von dem im angefochtenen Erkenntnis festgestellten Sachverhalt ist das Verwaltungsgericht von der angeführten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht abgewichen.

13       Die Revision war daher wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nach § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 21. Dezember 2020

Schlagworte

Berufungsverfahren Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020090064.L00

Im RIS seit

08.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

08.02.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten