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L22003 Landesbedienstete NiederösterreichNorm
B-VG Art133 Abs4Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, den Hofrat Dr. Doblinger und die Hofrätin Mag. Schindler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Dr. Hotz, über die außerordentliche Revision des A B in C, vertreten durch Dr. Peter Resch, Rechtsanwalt in 3100 St. Pölten, Franziskanergasse 12, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 2. Dezember 2019, LVwG-AV-876/002-2019, betreffend Disziplinarstrafe einer Geldstrafe nach dem NÖ Landes-Bedienstetengesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Disziplinarkommission beim Amt der Niederösterreichischen Landesregierung), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber steht als Beamter in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Land Niederösterreich.
2 Die Disziplinarkommission beim Amt der Niederösterreichischen Landesregierung sprach mit Disziplinarerkenntnis vom 4. Juli 2019 den Revisionswerber schuldig, er habe
(a.) im Zeitraum zwischen 20. Februar 2017 und Anfang Mai 2017 in mehrfachen Angriffen und ohne dienstliche Rechtfertigung und Notwendigkeit Abfragen betreffend zwei namentlich genannte Personen im elektronischen Behördenakt (LAKIS) vorgenommen und daraus gezielt die der Amtsverschwiegenheit unterliegenden und behördenanhängigen Verwaltungsstrafverfahren gegen diese in Erfahrung gebracht, womit er in seinem Verhalten nicht darauf Bedacht genommen habe, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibe;
(b.) durch die unter (a.) geschilderte Handlungsweise Abfragen für andere als zur übertragenen Aufgabenbesorgung gehörigen Zwecke verwendet;
(c.) im Zeitraum von 27. Mai 2017 bis 25. Juni 2017 unter Verwendung elektronischer Kommunikationssysteme in das Recht auf Wahrung der Privatsphäre Dritter eingegriffen, indem er im Wege von näher dargestellten SMS-Nachrichten in einer unangebrachten und verpönten Wortwahl Inhalte, die geeignet seien, Besorgnis einzuflößen beziehungsweise berechtigten Anstoß zu erregen, zwei namentlich genannten Personen übermittelt habe.
Er habe dadurch gegen §§ 27 Abs. 1 zweiter Satz und 28 erster Satz NÖ Landes-Bedienstetengesetz (NÖ LBG) in Verbindung mit Punkt 2 der an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Abteilung LAD1-IT ergangenen Dienstanweisung des Amtes der NÖ Landesregierung „Datenschutz, Datensicherheit LAD1-IT“ vom 28. April 2015, LAD1-IT-27/041-2015, verstoßen.
3 Wegen dieser Dienstpflichtverletzungen wurde über den Revisionswerber gemäß § 174 Abs. 1 Z 3 NÖ LBG die Disziplinarstrafe der Geldstrafe in Höhe von € 10.000,-- verhängt, wobei ihm gemäß § 208 Abs. 1 und 2 NÖ LBG die Abstattung der Geldstrafe in 36 Monatsraten bewilligt wurde.
4 Die dagegen erhobene Beschwerde zog der Revisionswerber in der am 14. November 2019 durchgeführten Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich in Bezug auf die Spruchpunkte (a.) und (b.) wieder zurück. Hinsichtlich des übrigen, aufrecht erhaltenen Teils der Beschwerde wies das Landesverwaltungsgericht sodann mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis die erhobene Beschwerde als unbegründet ab und sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
5 Aufgrund der Abfragen im LAKIS wurde der Revisionswerber mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichts St. Pölten vom 24. September 2018, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 7. November 2018, wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs. 1 StGB schuldig gesprochen und zu einer Geldstrafe von 300 Tagessätzen zu je 4,-- Euro (im Nichteinbringlichkeitsfall 150 Tage Ersatzfreiheitsstrafe) verurteilt. Hingegen erfolgte mit Beschluss der Staatsanwaltschaft St. Pölten vom 19. Dezember 2017 hinsichtlich des ursprünglich gegen den Revisionswerber auch wegen des Vorwurfs der Nötigung (§ 105 Abs. 1 StGB), der gefährlichen Drohung (§ 107 Abs. 1 StGB), der beharrlichen Verfolgung (§ 107a Abs. 1und 2 StGB), der geschlechtlichen Nötigung (§ 202 Abs. 1 StGB) und der Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung (§ 205a Abs. 1 StGB) geführten Ermittlungsverfahrens eine Einstellung gemäß § 190 Z 1 StPO bzw. § 190 Z 2 StPO. Der Fortsetzungsantrag der Anzeiger wurde vom Landesgericht St. Pölten mit Beschluss vom 14. Februar 2018 zurückgewiesen.
6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
8 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit zunächst vor, das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich habe seinen Ausspruch, wonach eine Revision gegen das Erkenntnis nicht zulässig sei, ausschließlich mit der sinngemäßen Wiedergabe des Wortlautes des Art. 133 Abs. 4 B-VG begründet, ohne nähere Ausführungen zu den diesem Ausspruch zu Grunde liegenden sachlichen und rechtlichen Erwägungen zu tätigen.
9 Damit wird schon deshalb keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt, weil selbst das Fehlen einer näheren Begründung des Ausspruches nach § 25a Abs. 1 VwGG für sich betrachtet nicht dazu führt, dass die Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG gegeben wären. Der Verwaltungsgerichtshof ist gemäß § 34 Abs. 1a VwGG an den nach § 25a Abs. 1 VwGG getätigten Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nicht gebunden, sondern überprüft die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision anhand der gemäß § 28 Abs. 3 VwGG dazu gesondert vorgebrachten Gründe. An der gesonderten Darlegung dieser Gründe, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird, war der Revisionswerber nicht gehindert (vgl. VwGH 24.6.2020, Ra 2020/19/0144, mwN).
10 Zur Begründung der Zulässigkeit wird weiters geltend gemacht, dass der inkriminierte SMS-Nachrichtenverkehr vom Revisionswerber ausschließlich zu Verteidigungszwecken im strafgerichtlichen Verfahren vorgelegt worden sei, weshalb die diesbezügliche Aktenübersendung an die Disziplinarkommission rechtswidrig gewesen sei. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse seien im gegenständlichen Disziplinarverfahren rechtswidrig verwertet worden. Das Verwaltungsgericht habe die geltende Rechtslage verkannt, wenn es in diesem Zusammenhang auf die Unbeschränktheit der Beweismittel verweise. Darüber hinaus seien durch die Verwertung auch die Persönlichkeitsrechte des Revisionswerbers verletzt worden, die bei Abwägung aller Umstände einen höheren Stellenwert als allfällige disziplinäre Verfolgungsrechte der Dienstbehörde darstellen würden.
11 Der vom Revisionswerber nicht näher begründeten Rechtsauffassung, dass die zur Verteidigung im Strafverfahren von ihm selbst vorgelegten Urkunden von einer „Aktenübersendung“ ausgenommen seien und nicht hätten verwertet werden dürfen, kann nicht gefolgt werden. Es ist nicht zu erkennen, dass die belangte Behörde im vorliegenden Fall Beweisergebnisse auf gesetzwidrige Weise gewonnen habe (vgl. in diesem Zusammenhang auch die in § 76 StPO geregelte Amts- und Rechtshilfe für den Bereich des Strafverfahrens, insbesondere die in Abs. 5 ausdrücklich normierten Verständigungspflichten von Kriminalpolizei, Staatsanwaltschaft oder Gericht von Beginn und Beendigung eines Strafverfahrens gegen Beamte an die Dienstbehörde). Darüber hinaus ist selbst die Berücksichtigung von Beweisergebnissen, die auf gesetzwidrige Weise gewonnen wurden, zur Ermittlung der materiellen Wahrheit nur dann unzulässig, wenn das Gesetz dies anordnet oder wenn die Verwertung des betreffenden Beweisergebnisses dem Zweck des durch seine Gewinnung verletzten Verbotes widerspräche (vgl. VwGH 20.12.2012, 2011/08/0070; 23.5.2013, 2012/09/0082, mwN; zur Anwendbarkeit des § 46 AVG siehe § 187 NÖ LBG). Eine gesetzliche Grundlage für ein Beweiswertungsverbot - selbst unter der Annahme, dass die Urkunden nicht hätten übermittelt werden dürfen - ist nicht ersichtlich und wird auch in der Revision nicht dargelegt.
12 Soweit der Revisionswerber - wiederum ohne nähere Konkretisierung - eine Verletzung seiner Persönlichkeitsrechte ins Treffen führt, lässt er unberücksichtigt, dass dem Beamten gemäß § 27 Abs. 1 NÖ LBG auch ein außerdienstliches Verhalten untersagt ist, das vermuten lässt, er werde bei der Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben andere als dienstliche Interessen einfließen lassen (vgl. zum entsprechenden § 43 Abs. 2 BDG 1979 VwGH 13.12.2007, 2005/09/0044, mwN). Dass die inkriminierten SMS-Nachrichten des Revisionswerbers geeignet sind, das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung der dienstlichen Aufgaben durch den Revisionswerber massiv zu beeinträchtigen, wird vom Revisionswerber nicht bestritten.
13 Die Zulässigkeitsbegründung in der Revision richtet sich zudem gegen die Strafbemessung. Das Verwaltungsgericht habe die persönlichen, wirtschaftlichen, finanziellen und familiären Verhältnisse des Revisionswerbers bei der Strafzumessung nicht berücksichtigt.
14 Die Strafbemessung unterliegt nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes als Ermessensentscheidung nur insofern der Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof im Rahmen von dessen Befugnissen nach Art. 133 Abs. 4 B-VG, als dieser gegebenenfalls zu prüfen hat, ob von dem im Gesetz eingeräumten Ermessen im Sinn des Gesetzes Gebrauch gemacht wurde. Soweit daher weder Ermessensmissbrauch noch Ermessensüberschreitung vorliegt, geht die Ausübung des Ermessens über die Bedeutung des Einzelfalls nicht hinaus und stellt keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG dar (vgl. etwa VwGH 6.10.2020, Ra 2020/09/0051, mwN).
15 Das Verwaltungsgericht hat im Sinn des § 175 NÖ LBG die spezial- und generalpräventiven Aspekte der Tat dargelegt, die Erschwerungs- und Milderungsgründe beurteilt, einander gegenübergestellt und ausgeführt, warum es im vorliegenden Fall eine Geldbuße auch unter Berücksichtigung der konkreten Lebensverhältnisse in der Höhe von EUR 10.000,-- unter gleichzeitiger Bewilligung einer Ratenzahlung festgelegt hat. Der Vorwurf, das Verwaltungsgericht habe die Verhältnisse des Revisionswerbers, insbesondere seine angespannte finanzielle Situation, außer Acht gelassen, trifft daher nicht zu. Mit ihren bloß pauschalen Ausführungen vermag die Revision keine Unvertretbarkeit im dargelegten Sinn aufzuzeigen.
16 Soweit der Revisionswerber einen Verstoß gegen das Verbot der reformatio in peius behauptet, ist darauf hinzuweisen, dass sich dieses in § 210 NÖ LBG verankerte Verbot auf die verhängte Strafe und nicht auf die Strafzumessungsgründe bezieht. Das Verwaltungsgericht hat eine eigene Bewertung von Milderungs- und Erschwernisgründen vorzunehmen (vgl. VwGH 13.12.2016, Ra 2016/09/0038, mwN).
17 Wenn der Revisionswerber schließlich - ebenfalls nur unsubstantiiert - eine „Mehrfachbestrafung“ im Hinblick auf eine erfolgte Versetzung und daraus resultierender Nachteile vorbringt, geht dieses Vorbringen schon deshalb ins Leere, weil es sich bei einer Versetzung bzw. Verwendungsänderung um keine (Disziplinar-)Strafe handelt (vgl. § 174 Abs. 1 NÖ LBG).
18 Die Revision war daher schon wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG als nicht zur Behandlung geeignet nach § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen. Ob der Revisionswerber mit dem von ihm ausgeführten Revisionspunkt eine Verletzung in einem subjektiv-öffentlichen Recht im Sinn des § 28 Abs. 1 Z 4 VwGG geltend macht, kann daher dahingestellt bleiben.
Wien, am 21. Dezember 2020
Schlagworte
Erschwerende und mildernde UmständeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020090006.L00Im RIS seit
08.02.2021Zuletzt aktualisiert am
08.02.2021