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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
B-VG Art133 Abs4Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth sowie die Hofräte Dr. Bachler und Mag. Haunold als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Sinai, über die Revision der Mag. B J in T, vertreten durch Dr. Gerhard Schartner, Rechtsanwalt in 6410 Telfs, Untermarktstraße 4a, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 8. September 2020, Zl. LVwG-2020/33/1224-4, betreffend die Übertragung von Anteilsrechten nach dem Tiroler Flurverfassungslandesgesetz 1996 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde; mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde T in T), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Bescheid vom 9. April 2020 übertrug die belangte Behörde aufgrund eines Antrags der mitbeteiligten Gemeinde vom 2. April 2020 gemäß § 38 Abs. 9 Tiroler Flurverfassungslandesgesetz 1996 (TFLG 1996) das mit der Liegenschaft EZ 19, GB T., (der Gertrud M.) verbundene Mitgliedschaftsrecht im Ausmaß von drei Anteilsrechten an der Agrargemeinschaft W. auf die Stammsitzliegenschaft EZ 534, GB T., (der Revisionswerberin), sodass mit dieser Stammsitzliegenschaft nunmehr Mitgliedschaftsrechte im Ausmaß von 13 Anteilsrechten an der Agrargemeinschaft W. realrechtlich verbunden seien (in der Folge: Übertragungsbescheid).
2 Mit weiterem Bescheid vom 9. April 2020 erklärte die belangte Behörde aufgrund desselben Antrags der mitbeteiligten Gemeinde vom 2. April 2020 gemäß § 38 Abs. 9 TFLG 1996 auch das mit der Liegenschaft EZ 19, GB T., (der Gertrud M.) verbundene Mitgliedschaftsrecht an der Agrargemeinschaft P. für erloschen (in der Folge: Erlöschensbescheid).
3 Der Revisionswerberin wurde nur der Übertragungsbescheid zugestellt.
4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht die gegen den Übertragungsbescheiderhobene Beschwerde der Revisionswerberin als unbegründet ab. Die Revision erklärte es für nicht zulässig.
5 Begründend führte es aus, sowohl bei der Agrargemeinschaft P. als auch der Agrargemeinschaft W. handle es sich zweifelsfrei um solche Agrargemeinschaften, die zumindest teilweise auf Grundstücken des Gemeindesguts im Sinn des § 33 Abs. 2 lit. c Z 2 TFLG 1996 bestünden. Es handle sich dabei also um „atypische Gemeindegutsagrargemeinschaften“.
6 Aufgrund der besonderen Bedeutung, die den Anteilsrechten auf Gemeindegut für eine aktive und nachhaltige Landwirtschaft zukomme, sei mit der Novelle LGBl. Nr. 70/2014 in der Bestimmung des § 38 Abs. 8 und 9 TFLG 1996 ein besonderes Regelungsregime für die Übertragung derartiger Anteilsrechte geschaffen worden. Der Gemeinde komme dabei aufgrund ihres Substanzrechts die zentrale Rolle zu. Zeige ein Anteilsberechtigter der Gemeinde an, dass er keinen weiteren Bedarf an der Ausübung seines Anteilsrechts mehr habe (wie im gegenständlichen Fall Gertrud M. mit Schreiben vom 29. April 2019), so habe die Gemeinde die Wahlmöglichkeit, einen Antrag auf Erklärung des Erlöschens oder auf Übertragung des Anteilsrechts zu stellen. Da das Erlöschen den systemkonformen Regelfall darstelle, habe die Agrarbehörde einem diesbezüglichen Antrag ohne weiteres Folge zu leisten und die Löschung zu verfügen. In diesem Fall gehe das Anteilsrecht unter und wachse der Gemeinde daher insofern lastenfreies Gemeindevermögen zu.
7 Der Revisionswerberin sei in diesem Verfahren keine Parteistellung zugekommen, weshalb ihr auch der Erlöschensbescheid nicht zuzustellen gewesen sei. Auch ein Beschwerderecht wäre ihr diesfalls nicht zugekommen.
8 Gemäß § 38 Abs. 8 TFLG 1996 habe die Gemeinde der Agrarbehörde mitzuteilen, wenn an einem Anteilsrecht an einem Grundstück im Sinn des § 33 Abs. 2 lit. c TFLG 1996 kein dauerhafter Bedarf mehr bestehe. Mit dieser Mitteilung sei der Antrag zu verbinden, entweder das Anteilsrecht für erloschen zu erklären (lit. a) oder das Anteilsrecht auf eine neue Stammsitzliegenschaft zu übertragen (lit. b). Aufgrund der klaren gesetzlichen Bestimmung sei festzuhalten, dass nur auf Antrag der Gemeinde die Übertragung eines Anteilsrechts an einem Grundstück im Sinn des § 33 Abs. 2 lit. c TFLG 1996 zulässig sei.
9 Die mitbeteiligte Gemeinde habe mit Schriftsatz vom 2. April 2020 den Antrag gestellt, die mit der Agrargemeinschaft W. verbundenen Anteilsrechte auf die Stammsitzliegenschaft in EZ 534, GB T., der Revisionswerberin zu übertragen und das Anteilsrecht an der Agrargemeinschaft P. für erloschen zu erklären.
10 Aufgrund der klaren gesetzlichen Bestimmung sei die Beschwerde der Revisionswerberin daher als unbegründet abzuweisen gewesen.
11 Die Unzulässigkeit der Revision begründete das Verwaltungsgericht im Wesentlichen mit den verba legalia des Art. 133 Abs. 4 B-VG.
12 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision „wegen Rechtswidrigkeit“.
13 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
14 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
15 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
16 In der Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden Revision wird ausgeführt, es liege eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor, weil Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 38 Abs. 8 und 9 TFLG 1996 überhaupt fehle. Konkret fehle eine solche Rechtsprechung zu folgender Frage:
„Kann die substanzberechtigte Gemeinde ungeachtet der besonderen Bedeutung, die den Anteilsrechten auf Gemeindegut für eine aktive und nachhaltige Landwirtschaft‘ zukommt und trotz der Erfüllung aller Erfordernisse für eine Übertragung eines Anteilsrechtes den Antrag zur Löschung dieses Anteilsrechtes an die Landesregierung Abteilung Agrarrecht stellen bzw. diese dem Antrag auf Löschung zustimmen?“
17 Damit verkennt die Revisionswerberin, dass es in dem der Revision zu Grunde liegenden Verfahren vor dem Verwaltungsgericht - ungeachtet der Frage, ob ihr in einem Verfahren nach § 38 Abs. 8 und 9 TFLG 1996 Parteistellung zukommt - nicht um den Antrag der mitbeteiligten Gemeinde auf Löschung des mit der Liegenschaft EZ 19, GB T. verbundenen Anteilsrechts an der Agrargemeinschaft P. bzw. die Rechtmäßigkeit des Erlöschensbescheids, sondern um den Antrag der mitbeteiligten Gemeinde auf Übertragung der mit der genannten Liegenschaft verbundenen drei Anteilsrechte an der Agrargemeinschaft W. auf die Liegenschaft EZ 534, GB T., bzw. die Rechtsmäßigkeit des Übertragungsbescheides ging.
18 Durch die Abweisung der Beschwerde mit dem angefochtenen Erkenntnis hat das Verwaltungsgericht zum Ausdruck gebracht, den Spruch des mit Beschwerde bekämpften Bescheides der belangten Behörde (Übertragung von drei Anteilsrechten an der Agrargemeinschaft W. auf die Stammsitzliegenschaft der Revisionswerberin) zu übernehmen (VwGH 7.5.2020, Ra 2019/10/0122 bis 0123, mwN).
19 Auch ist vor dem Hintergrund der Gesetzessystematik des § 28 VwGVG davon auszugehen, dass im Fall einer Entscheidung nach § 28 Abs. 2 VwGVG (hier: Abweisung der Beschwerde) keine Bindungswirkung an die in der Begründung vorgenommene rechtliche Beurteilung betreffend Parteistellung im Erlöschensverfahren besteht (vgl. VwGH 27.4.2017, Ra 2017/07/0028).
20 Die Lösung der in Bezug auf die Löschung aufgeworfenen Rechtsfrage wäre daher von theoretischer Natur und steht schon deshalb mit einem - allfälligen möglichen - Eingriff in die subjektiven Rechte der Revisionswerberin in keinem Zusammenhang. Für die Lösung abstrakter Rechtsfragen ist der Verwaltungsgerichtshof aber nicht zuständig (vgl. VwGH 4.9.2020, Ra 2020/07/0053, mwN).
21 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 21. Dezember 2020
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020070108.L00Im RIS seit
22.02.2021Zuletzt aktualisiert am
22.02.2021