TE Vwgh Beschluss 2021/1/11 Ra 2020/01/0242

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Veröffentlicht am 11.01.2021
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
19/05 Menschenrechte

Norm

B-VG Art133 Abs4
MRK Art3
MRK Art8
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek sowie die Hofräte Dr. Kleiser und Dr. Terlitza als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kienesberger, über die Revision des O A in W, vertreten durch Dr. Eva Jana Messerschmidt, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Salztorgasse 2/6, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 8. Juni 2020, Zl. I421 2171049-1/15E, betreffend eine Angelegenheit nach dem AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde in der Sache ein Antrag auf internationalen Schutz abgewiesen, kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen, festgestellt, dass die Abschiebung in den Irak zulässig sei, eine Frist für die freiwillige Ausreise festgesetzt und ausgesprochen, dass die Revision nicht zulässig sei.

2        Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 21. September 2020, E 2426/2020-7, ablehnte und diese Beschwerde über nachträglichen Antrag mit weiterem Beschluss vom 12. Oktober 2020, E 2426/2020-9, dem Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG zur Entscheidung abtrat.

3        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

4        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

5        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

6        Soweit sich die Revision gegen die Beweiswürdigung des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG) wendet, ist darauf hinzuweisen, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sich das Revisionsmodell nach dem Willen des Verfassungsgesetzgebers an der Revision nach den §§ 500 ff ZPO orientieren soll (vgl. RV 1618 BlgNR 24. GP, 16). Ausgehend davon ist der Verwaltungsgerichtshof als Rechtsinstanz tätig, zur Überprüfung der Beweiswürdigung ist er im Allgemeinen nicht berufen. Auch kann einer Rechtsfrage nur dann grundsätzliche Bedeutung zukommen, wenn sie über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung besitzt. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. für viele VwGH 11.12.2019, Ra 2019/01/0465, mwN). Eine derartige Fehlbeurteilung zeigt die Revision nicht auf.

7        Werden Verfahrensmängel als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, so muss auch schon in der Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel dargelegt werden, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können. Die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensfehler ist in konkreter Weise, also fallbezogen darzulegen (vgl. für viele VwGH 27.7.2020, Ra 2020/01/0130, mwN). Diesen Anforderungen wird die Revision nicht gerecht.

8        Sofern sich der Revisionswerber gegen die Annahme einer zumutbaren innerstaatlichen Fluchtalternative wendet und dazu vorbringt, das BVwG habe sich nicht mit den UNHCR-Richtlinien zum Irak vom Mai 2019 auseinandergesetzt, ist ihr entgegenzuhalten, dass das BVwG erkennbar von sowohl Mossul als auch Samawa als Heimatregion(en) des Revisionswerbers ausgegangen ist und es die Möglichkeit der Rückkehr des Revisionswerbers dorthin unter dem Aspekt des Art. 3 EMRK bejaht hat. Das BVwG ist dabei nicht unvertretbar von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Bestimmung der Heimatregion im Falle mehrerer Aufenthaltsorte abgewichen (vgl. VwGH 19.10.2020, Ra 2020/01/0362, mwN). Auf die Zumutbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative kommt es ausgehend von diesen durch die Revision nicht substantiiert bestrittenen Feststellungen nicht an.

9        In diesem Zusammenhang moniert die Revision auch, das BVwG habe sich mit der Versorgungslage aufgrund der Covid-19 Pandemie nicht auseinandergesetzt. Eine entsprechende Relevanzdarlegung lässt die Zulässigkeitsbegründung vermissen: Sie beruft sich lediglich pauschal auf näher genannte, allgemeine Berichte zur Situation im Irak. Damit zeigt der Revisionswerber jedoch nicht nachvollziehbar auf, dass infolge der Covid-19 Pandemie bezogen auf seine konkrete Situation im Fall der Rückführung in sein Heimatland eine Verletzung seiner nach Art. 2 und 3 EMRK geschützten Rechte mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit anzunehmen wäre (zur nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bei der Beurteilung einer möglichen Verletzung des Art. 3 EMRK vorzunehmenden Einzelfallprüfung sowie zur Frage, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr [„real risk“] einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht, s. etwa VwGH 3.7.2020, Ra 2020/14/0255; vgl. im Zusammenhang mit der Covid-19 Pandemie auch VwGH 7.9.2020, Ra 2020/18/0273; 16.9.2020, Ra 2020/14/0389; 5.10.2020, Ra 2020/19/0330; 7.10.2020, Ra 2020/20/0337; jeweils mwN).

10       Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG (vgl. für viele VwGH 18.3.2019, Ra 2019/01/0068, mwN).

11       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 11. Jänner 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020010242.L00

Im RIS seit

22.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

22.02.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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