TE Bvwg Erkenntnis 2020/6/18 W195 2222307-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 18.06.2020
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Entscheidungsdatum

18.06.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §11
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs3
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs3
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2

Spruch


W195 22242307-1/12E


IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Vizepräsidenten Dr. Michael SACHS als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX geb. XXXX , StA. Bangladesch, vertreten durch XXXX gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.07.2019, XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 09.06.2020 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

I.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein Staatsangehöriger von Bangladesch, stellte am 02.04.2019 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Im Rahmen einer am Tag der Antragstellung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erfolgten niederschriftlichen Erstbefragung gab der BF zu seinen Fluchtgründen an, dass er seit seiner Rückkehr aus England ins Heimatland (2012) Mitglied der Jubo Dal, einem Zweig der BNP, gewesen sei. Er sei von der Sicherheitsbehörde als auch von der Justiz verfolgt worden. Am 07.11.2018 sei er im Zuge einer Protestkundgebung festgenommen, auf eine Polizeiwachstube gebracht und misshandelt worden. Am 13.11.2018 habe ihn seine Frau freigekauft. Am 07.02.2019 sei er beim Gericht in XXXX angeklagt worden. In dieser Anklage sei er des Raubes, der gefährlichen Drohung und der Schutzgelderpressung beschuldigt worden, obwohl er unschuldig sei. Da er kein faires Verfahren erwarte, habe er das Land verlassen.

In Österreich sei er illegal am 02.04.2019 eingereist.

Befragt nach früheren Aufenthalten im Ausland gab der BF an, dass er von 2008 bis August 2012 in Großbritannien mit einem Studentenvisum gelebt habe. Nach dem Universitätsabschluss sei er im August 2012 nach Bangladesch zurückgekehrt. Im Juli 2018 habe er um ein Touristenvisum für Frankreich angesucht, jedoch wurde dieses abgelehnt.

I.2. Am 04.04.2019 wurde der BF vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) niederschriftlich einvernommen. Eingangs gab der BF an, er habe sich um ein Visum in Frankreich bemüht, weil er das Heimatland „aufgrund meiner Probleme“ verlassen wollte. Ein Visum sei aber abgelehnt worden.

Zu seiner Ausbildung gab der BF an, dass er von 1991 bis 1995 in die Volksschule gegangen sei, danach bis 2004 auf die höhere Schule. Danach habe er in Bangladesch einen Handel/eine Fabrik (Textilien) betrieben.

Innerhalb der EU oder in Österreich habe er keine Verwandten. Seine Eltern würden in Bangladesch leben, ebenso ein Bruder und eine Schwester, ein Bruder lebe in XXXX Er habe eine Frau und eine Tochter, geboren am 19.01.2019. Seine Frau habe die Flucht finanziert. Er habe keinen Kontakt zu seiner Familie.

Zu seinen Fluchtgründen gab der BF im Wesentlichen an, dass er am 11.03.2019 aus Bangladesch ausgereist sei. Es sei für ihn so gefährlich gewesen, dass er nur schnell versucht habe, Bangladesch zu verlassen.

In weiterer Folge legte der BF Dokumente zum Beweis seines Vorbringens vor.

I.3. Am 09.05.2019 erfolgte eine weitere Einvernahme des mittlerweile rechtsfreundlich vertretenen BF durch das BFA. Im Zuge dieser Einvernahme legte der BF einen Gewerbeschein, Bildungszeugnisse, Steuerbestätigung, Parteibestätigung, Mitgliedsbeiträge, Gerichtsunterlagen in Kopie, Internetausdrucke bzw. Verhaftung des AW, diverse Fotos sowie die Geburtsurkunde seiner Ehefrau (geboren XXXX , verheiratet mit dem BF seit XXXX ) sowie seines Kindes vor.

Zu seiner Flucht befragt gab der BF an, dass er Bangladesch im November 2019 verlassen habe. Da dies in Anbetracht des Datums der Einvernahme nicht stimmen konnte, wurde nach Fragewiederholung, vom BF der 11.03.2019 angegeben. Seinen Wohnort habe er am 07.02.2019 verlassen. In der Zeit dazwischen habe er sich bei Freunden in XXXX versteckt gehalten.

Die Angaben zu seiner Familie wiederholte der BF, gab jedoch an, dass er regelmäßig Kontakt zu seiner Familie übers Internet habe. Seiner Familie gehe es finanziell sehr gut, aber sie werde immer wieder von der Polizei bedroht. Der BF habe als selbständiger Unternehmer eine Textilfirma geleitet, welche derzeit von der Frau des BF vermietet wird. Darüber hinaus gäbe es das Erbe seines verstorbenen Vaters, welches zwischen den Brüdern aufzuteilen wäre.

In Österreich habe er keine Verwandten oder Angehörigen. Der BF lebe hier seit 02.04.2019. Gegen den BF sei ein politisch motiviertes Strafverfahren eingeleitet worden, „obwohl ich ganz unschuldig bin“. Er sei seit Juli 2018 Bildungssekretär im Wahlsprengel gewesen.

Der BF sei einmal von der Polizei verhaftet und misshandelt worden. Am 07.11.2018 habe man den BF von einer politischen Diskussionsrunde mitgenommen und ohne Verfahren einfach eingesperrt. Er sei sieben Tage inhaftiert gewesen und seine Familie habe nicht gewusst, wo er sei. Seine Frau sei vom Parteibüro informiert worden. Auf die Frage, woher seine Frau gewusst habe, auf welcher Polizeistation der BF festgehalten worden sei, denn in diesem Bezirk gäbe es über einhundert Stationen, gab der BF, obwohl er viermal gefragt wurde, keine inhaltliche Antwort. Seine Frau habe „einen Informanten einer Polizeistation“ 200.000,- Taka (ca 2.117 EURO) bezahlt, damit er freikomme. Letztendlich habe die Polizei ihn am 13.11.2018 in der XXXX abgesetzt. Nachgefragt, was seine Frau während der sieben Tage der Abgängigkeit gemacht habe, teilte der BF mit, dass sie zur zuständigen Polizeistation gegangen sei und gefragt habe, wo er sei; sie hätten gesagt, dass sie es nicht wüssten. Seine Frau hätte einen Eintrag in das polizeiliche Tagesjournal machen lassen wollen, weil er vermisst gewesen sei, aber man habe ihr das verweigert.

Am 07.02.2019 sei die Polizei zu ihm nach Hause gekommen, um ihn zu suchen, aber er sei glücklicherweise in XXXX gewesen. Seitdem sei er im Heimatland versteckt gewesen, immer von Todesangst geplagt. Über seine Frau habe er erfahren, dass gegen ihn ein politisch motiviertes Strafverfahren eingeleitet worden sei. Er habe deshalb im März 2019 beschlossen, das Land zu verlassen. Vor 2018 habe er keine Probleme im Heimaltland gehabt.

Als Bildungssekretär habe der BF versucht seinen Parteifreunden, vor allem der älteren Generation, den Wert der Bildung nahe zu bringen. Wenn es zu Diskussionsveranstaltungen oder Protestbewegungen gekommen sei habe er Slogans gemacht und war für die Sprache der Protestsprüche zuständig. Er sei bei jedem Treffen der BNP dabei gewesen.

Als der BF von zwei Polizisten misshandelt wurde, sei er mit einem Gürtel und einem Elektrokabel geschlagen worden; Narben habe er davon keine davongetragen. Beweise seiner Teilnahme an Demonstrationen oder Kundgebungen gäbe es keine.

In der Zeit nach diesem Vorfall bis zum Auftauchen der Polizei Anfang Februar 2019 habe der BF den Handel betrieben und Wahlvorbereitungen getroffen, weil die Wahl bevorstand. Da man ihm bei seiner Entlassung gesagt habe, er solle aufpassen, habe er mit mehr Sicherheit Politik gemacht.

Am 07.02.2019 sei der BF in XXXX gewesen; die Polizei sei zu seinem Haus gekommen. Er habe danach über seine Frau erfahren, dass ein politisch motiviertes Strafverfahren gegen ihn eingeleitet worden sei von einem örtlichen Awami-League Politiker. Seit 07.02.2019 habe er sich versteckt gehalten. Er habe dann die Strafverfahrensunterlagen am 08.03.2019 von seiner Frau erhalten.

Seit dem Vorfall habe er, wenn er zu Demonstrationen oder Treffen ging, darauf geachtet, dass er „in Sicherheit sei, weil ich gewarnt wurde und ich Respekt gegenüber der Regierung haben soll“

Auf die Frage, ob der BF in Bangladesch jemals persönlicher Verfolgung oder Bedrohung ausgesetzt war, antwortete der BF mit einem klaren „Nein“.

Auf die Frage nach einer innerstaatlichen Fluchtalternative gab der BF an, dass sich die Ordnungshüter und die Sicherheitspolizei die Informationen bezüglich einen Aufenthalt von Oppositionspolitikern teilen würden. Man müsse überall einen Personalausweis vorzeigen.

Er selbst wisse nicht, wieso er eine Bedrohung darstellen würde. Aber vielleicht würden sie ihn wegen seines Aufenthaltes in England verdächtigen eine finanzielle Verbindung zu Tarek Zia zu haben.

Er habe Angst, „weil ich auf ein leeres weißes Blatt gezwungener Weise meinen Handabdruck abgeben musste“.

Andere Fluchtgründe nannte der BF nicht.

Zu den vorgelegten Fotos, auf denen die Festnahme dargestellt wird, gab der BF an, dass er diese Fotos „vom Parteibüro“ erhalten habe. Befragt, wie jemand die Festnahme fotografieren konnte, antwortete der BF: “In unserem Land werden immer Fotos von Festnahmen gemacht, man bewundert die Personen, die für die Politik mal im Gefängnis gesessen sind.“

Nachgefragt, weshalb sich der BF nach seiner Festnahme wieder frei im Parteibüro bzw. in einer Bibliothek bewegen konnte, gab dieser an, dass man ihn nur gewarnt habe und dass er Respekt haben sollte, aber er musste sich für die Politik einsetzen, weil Wahlen anstanden.

I.3. In weiterer Folge übermittelte der rechtsfreundliche Vertreter noch eine Stellungnahme zu dem BF in der Einvernahme übermittelten Länderbericht sowie weitere Kopien von Fotografien und Dokumenten.

I.4. Das BFA veranlasste die Übersetzung eines vom BF vorgelegten Urkunden-Konvolutes.

I.5. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 16.07.2019, wies das BFA den Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Bangladesch (Spruchpunkt II.) ab. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 wurde dem BF nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Darüber hinaus wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung nach Bangladesch gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.) und ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1–3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).

Die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz bezüglich des Status eines Asylberechtigten begründete das BFA im Wesentlichen damit, der BF habe eine Verfolgung in Bangladesch nicht glaubhaft machen können, weswegen dem BF nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr, aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen verfolgt zu werden, drohe. Unter Berücksichtigung der individuellen (persönlichen) Umstände des BF sei nicht davon auszugehen, dass der BF im Falle einer Rückkehr in sein Heimatland in eine ausweglose Situation gerate, weswegen auch keine Anhaltspunkte für die Gewährung subsidiären Schutzes vorliegen würden. Ebenso wenig lägen Anhaltspunkte für die Erteilung einer „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ vor und zudem würden die öffentlichen Interessen an einem geordneten Vollzug des Fremdenwesens gegenüber den privaten Interessen des BF an einem Verbleib im Bundesgebiet überwiegen, weswegen eine Rückkehrentscheidung zu erlassen sei. Die Abschiebung des BF sei als zulässig zu bewerten.

Das BFA wertete als unglaubwürdig, dass der BF trotz einer eher niedrigen Stellung innerhalb der Partei als „Informationsgeber“ für mehrere Tage inhaftiert und gefoltert wurde, um seine Beziehungen zu Tarek Zia bzw. mögliche Geldflüsse aus dem Ausland bekannt zu geben. Der BF habe nicht den Eindruck vermittelt, dass er ein derart großes Gefahrenpotenzial für die regierende Awami League darstelle, dass er deswegen entsprechender Verfolgung ausgesetzt gewesen wäre. Vor allem seine insgesamt als gering zu bewertende Verfolgungsgeneigtheit würde mit seinen Schilderungen nicht zusammenpassen. Es sei auch nicht nachvollziehbar, dass der BF nach seiner Haft wieder politisch, im Rahmen von öffentlichen Veranstaltungen und Demonstrationen, für die BNP tätig gewesen wäre, ohne dass dies von seinen politischen Gegnern wahrgenommen worden wäre.

Schon gar nicht glaubwürdig seien die vom BF vorgelegten Fotografien hinsichtlich seiner politischen Tätigkeit, schon gar nicht während der angeblichen Verhaftung. Auch seien die vorgelegten Gerichtsurteile nicht Urteile wegen politischer Meinungsverschiedenheiten, sondern wegen Nachbarschaftsstreitigkeiten und Körperverletzung. Hingegen würden die vorgelegten angeblichen Zeitungartikel von Mordanklagen und Schutzgelderpressung berichten, worüber der BF jedoch vor dem BFA nicht konkretes angegeben habe.

I.6. Mit Schriftsatz vom 06.08.2019 wurde dieser Bescheid des BFA seitens des – durch einen Rechtsanwalt vertretenen – BF zur Gänze angefochten.

Neben der Wiedergabe des bisherigen Verfahrensverlaufes und der behaupteten Fluchtgründe wurde dabei zusammengefasst begründend ausgeführt, dass das BFA ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren geführt habe. Dies insbesondere deshalb, weil das BFA in der Entscheidung vom 16.07.2019, seinen Schlussfolgerungen angeblich nicht aktuelle Länderberichte (diese beruhen jedoch, wie den Verfahrensakten und der Entscheidung nachvollziehbar zu entnehmen ist, auf Artikel bis in den März 2019) zu Grunde gelegt habe. In weiterer Folge zitiert der BF Berichte aus 2018. Bei seiner Rückkehr sei der BF einem Risiko einer politischen Festnahme und der Erhebung eines strafrechtlichen Vorwurfes ausgesetzt. Das Folterrisiko sei besonders hoch einzustufen, wie der BF wieder unter Bezug auf Länderberichte aus 2018, teilweise zurückreichend auf 2016, verwies.

Darüber hinaus habe die belangte Behörde mangelhafte Feststellungen und Beweiswürdigungen getroffen. Nach der seitenlangen Zitierung von Rechtsprechung des VwGH vermeint der BF, dass es ihm bei der Erstbefragung „nicht bewusst gewesen sei, in welchem Ausmaß er Stellung nehmen soll zu der Fluchtgeschichte, da ihm nur kurze Fragen gestellt wurden. Sein Vorbringen konnte er nicht zur Gänze vorbringen, da er bei der Erstbefragung fälschlich informiert wurde“.

Da das BFA die Entscheidung auf eine Widersprüchlichkeit zwischen Erstbefragung und Einvernahme stütze, seien mangelhafte Feststellungen und eine mangelhafte Beweiswürdigung vorliegend.

Eine innerstaatliche Fluchtalternative würde nicht vorliegen, weil der BF auch in der Hauptstadt XXXX ausfindig gemacht werden könne. Der BF würde einer staatlichen Verfolgung unterliegen, weil die Polizei unter der Direktive der regierenden Partei stünde.

Letztlich habe der BF ein intensives Privatleben in Österreich in Form von „ein paar Freunden“. Er wäre zudem strafrechtlich unbescholten. Der BF wäre im Falle einer Rückkehrentscheidung in seinen Rechten nach Art 8 EMRK verletzt

I.7. Mit Schreiben vom 09.08.2019 legte das BFA die Beschwerde und die Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

I.8. Mit der Ladung zur Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde dem BF das aktuelle Länderinformationsblatt (Stand April 2020) der Staatendokumentation zu Bangladesch zur allfälligen Stellungnahme bis längstens im Rahmen der für den 09.06.2020 angesetzten mündlichen Beschwerdeverhandlung, übermittelt.

I.9. In Vorbereitung zu dieser Verhandlung übermittelte der rechtsfreundliche Vertreter eine Stellungnahme und legte für den BF eine Gewerbeberechtigung (Güterbeförderung bis 3,5 t) von 09.12.2019 vor.

I.10. Am 09.06.2020 führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Bengali und des ausgewiesenen Rechtsvertreters des BF eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durch, im Zuge derer der BF ausführlich u.a. zu seinen Fluchtgründen, seinen Rückkehrbefürchtungen, seinen Familienverhältnissen und seinen Lebensverhältnissen in Österreich befragt wurde.

In der Verhandlung vom 09.06.2020 legte der BF nochmals die Bestätigung der Anmeldung zum freien Gewerbe Güterbeförderung, Teilnahmebestätigung für A1 Deutschkurs und Pflichtschullehrgang, Abrechnungen „ XXXX “, Schriftstücke des XXXX sowie die GISA-Bestätigung vor. Darüber hinaus gab der BF am Ende der Verhandlung eine schriftliche „Schlusserklärung zum Asylantrag“ ab.

Hinsichtlich seines Gesundheitszustandes gab der BF an, gesund zu sein, auch wenn er vor Gericht „Stress“ habe; eine lebensbedrohliche Erkrankung wurde vom BF nicht angeführt.

Zu seinem Familienstatus bemerkte der BF, dass er verheiratet sei und ein Kind habe; seine Familienangehörigen (Eltern) leben in Bangladesch. Er habe seine Ehefrau und sein Kind verlassen und vermisse beide sehr. Er habe zu seiner Familie, welche in Bangladesch lebe, regelmäßigen, täglichen Kontakt über Internet. Da er seine Familie sehr vermisse würde er auch, sobald das Verfahren für ihn positiv abgeschlossen sei, versuchen, seine Ehefrau und seine Tochter nach Österreich zu holen. Deutsch würden sie derzeit allerdings nicht lernen. Die Finanzierung seiner Ehefrau sowie seiner Kinder erfolge durch die Vermietung seiner Textilfabrik, die Ehefrau habe von ihm (während der Flucht noch in Bangladesch) eine Vollmacht erhalten.

Der BF selbst habe im Vereinigten Königreich (zwischen Juli 2008 und August 2012) studiert und den Bachelor of Arts bzw. einen Bachelor in Business Administration gemacht; danach sei er nach Bangladesch zurückgekehrt und habe als Geschäftsführer einer Textilfirma diese geleitet.

Ein Touristenvisum für Frankreich habe er (sowie seine Ehefrau und deren Schwester) nicht erhalten.

Festgestellt werden konnte, dass mit dem BF eine Konversation in deutscher Sprache schwer möglich ist, weil der Sprachwortschatz begrenzt ist. Der BF führte dazu aus, dass er bis jetzt keine Deutsch-Prüfung absolviert habe, weil „sein Lehrer gesagt habe, dass sei nicht notwendig“ und er solle gleich für A2 lernen. Man habe ihn dann in eine „Pflichtschule“ gegeben, aber der BF sei (nur) „einige Tage“ dort gewesen.

In Österreich würde der BF einer Arbeit nachgehen, nämlich als „Essenslieferant“ für XXXX Er mache dies mit einem Elektro-Fahrrad und verdiene dabei als Selbständiger monatlich um die 2.000 €. Darüber hinaus besitze er auch ein KFZ der Marke XXXX

Als Freunde habe er die Mitbewohner von seiner Unterkunft, von der Arbeit und von der Schule, welche jedoch nur Bekannte seien.

Zu seinem Fluchtgrund befragt gab der BF an, dass er seit 2012 Mitglied der Jubo Dal, einem Zweig der BNP, gewesen sei. Er habe auch für diese Partei im größeren Ausmaß (300.000 Taka) gespendet und sei Bildungssekretär im Wahlsprengel gewesen. In diesem Wahlsprengel von ca. 7.500 Einwohnern wären ca 150 Personen Mitglied der BNP gewesen.

Im Februar 2019 sei gegen den BF eine Anzeige eingebracht worden. Die Anzeige stamme von einer Person, welche Mitglied der gegnerischen Partei sei. Es werde ihm in der Anzeige vorgeworfen, dass er Schutzgeld in der Höhe von einer Million Taka gefordert, ihn physisch angegriffen und mit dem Umbringen gedroht habe.

Nachgefragt ergab sich, dass es diesen Vorfall am 30.01.2019 gegeben haben soll, die Polizei beim BF am 07.02.2019 erschienen wäre und die Anzeige selbst mit 28.02.2019 datiert sei. Der BF meinte daraufhin, die Polizei sei am gleichen Tag, an dem dieser Vorfall passiert sein soll, bei ihm aufgetaucht und nicht erst eine Woche später. Es sei ja eine fingierte Anzeige, die „gänzlich falsch“ sei. Sie sei aus politischer Motivation gegen ihn eingebracht worden, man könne dies ja nachprüfen lassen.

Nachdem er von der Anzeige über seine Ehefrau erfahren habe, sei er nach XXXX gegangen, und habe sich dort versteckt. Seine Frau sei nochmals vorbeigekommen, er habe ihr Vollmachten erteilt und dann habe er Bangladesch verlassen.

Da er wisse, dass er kein faires Verfahren bekäme habe er sich auch keinen Anwalt besorgt.

Er sei schon früher einmal verhaftet worden, nämlich am 07.11.2018. Es sei eine Versammlung der BNP auf Distriktebene gewesen, etwa 3000 bis 4000 Personen. Diese Versammlung sei nicht angemeldet gewesen, die Polizei sei eingeschritten. Von den Versammelten seien 15 bis 20 Teilnehmer verhaftet worden, wobei auch der BF verhaftet worden sei. Der BF habe keine bestimmte Funktion bei dieser Versammlung gehabt.

Da der BF am Abend nicht nach Hause kam, hätte seine Frau, die damals bereits schwanger gewesen sei, ihn gesucht und war bei der Polizeistation. Dort habe man ihr gesagt, dass sie nicht wüssten, wo der BF sei. Sie habe dann von Freunden erfahren, dass es Verhaftungen gegeben habe und habe ihn gesucht bzw. wollte ein G.D. wegen Abgängigkeit machen lassen. Dies sei ihr verweigert worden. Sie habe dann – nach Zahlung von 200.000 Taka - den BF nach einigen Tagen frei bekommen, welcher sich auch verpflichtet habe, dass er nicht mehr an Versammlungen teilnehme, zur Regierung halten und dass von der Inhaftierung die Medien nichts erfahren würden. Die anderen, die mit ihm inhaftiert wurden, seien erst Wochen später freigelassen worden, man habe ihnen aber Strafverfahren angehängt.

Im weiteren Verlauf der Verhandlung wurde auch hinsichtlich der aktuellen Länderberichte (Stand April 2020) sowie der Corona-Pandemie referiert. Während der Vertreter der belangten Behörde die vom VR dargelegten aktuellen Zahlen der WHO als gegeben annahm und darauf hinwies, dass im Vergleich zur Bevölkerungszahl in Bangladesch die Pandemie als gering ausgeprägt zu bezeichnen wäre, meinte der BF, dass die Behörden die Todesanzahlen in Bangladesch nicht richtig angeben.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

II.1. Feststellungen:

II.1.1. Zur Person des BF, seinen Familienverhältnissen und seinen Lebensumständen in Österreich:

Der volljährige BF ist Staatsangehöriger von Bangladesch und der Volksgruppe der Bengalen sowie der sunnitischen Glaubensgemeinschaft zugehörig. Seine Muttersprache ist Bengali.

Der BF ist in Bangladesch geboren; zuletzt hat er (im Rahmen seiner innerstaatlichen Flucht) in XXXX gewohnt.

Er hat in seinem Heimatland die Grundschule und die AHS besucht, einen Universitätsabschluss und ein Studium in Großbritannien absolviert (Juli 2008 bis August 2012) und danach wieder in Bangladesch vor seiner Ausreise aus Bangladesch als Geschäftsführer seiner Textilfabrik gearbeitet.

Der BF ist verheiratet und hat seit Jänner 2019 eine Tochter. Seine Familie und weitere Verwandte halten sich in Bangladesch auf. Zwischen dem BF und seiner Familie besteht aufrechter regelmäßiger, eigentlich täglicher Kontakt.

Der BF ist am 02.04.2019 nicht legal in das Bundesgebiet eingereist. Der BF ist bemüht, sein Deutsch zu verbessern. In Österreich geht der BF aktuell einer selbständigen Beschäftigung nach, er ist Essenszusteller mit einem Elektrofahrrad, besitzt darüber hinaus ein KFZ und verdiente in den vergangenen drei Monaten ca. 3.666 Euro.

Der BF verfügt über mäßige Deutschkenntnisse und kann sich kaum verständlich ausdrücken; eine Deutschprüfung hat er bisher nicht abgelegt, weil ihm der Lehrer gesagt habe, dass er das nicht brauche. Er ist strafrechtlich unbescholten.

Der BF ist gesund; eine lebensbedrohliche Erkrankung wird nicht geltend gemacht.

I.1.2. Zum Fluchtvorbringen des BF:

Es wird festgestellt, dass der BF behauptet, seit 2012 Mitglied der Jubo Dal (BNP), seit Juli 2018 auch Bildungssekretär auf Bezirksebene, zu sein.

Der BF behauptet, am 07.11.2018 bei einer unangemeldeten Versammlung der BNP auf Distriktebene teilgenommen zu haben. Es seien dort 3000 bis 4000 Personen gewesen, 15 bis 20 seien verhaftet worden, er hätte keine besondere Rolle gehabt und sei trotzdem verhaftet worden.

Gegen Zahlung von 200.000 Taka habe die Ehefrau des BF ihn nach einigen Tagen freibekommen. Der BF habe sich verpflichtet, seine politischen Tätigkeiten zu reduzieren.

Als Grund seiner Flucht gab der BF an, dass gegen ihn eine Anzeige eingebracht worden sei von einem politischen Gegner, welcher ihm beschuldige, Schutzgeld erpresst und mit körperlicher Gewalt gedroht zu haben. Dieser Vorfall hätte sich nach der Anzeige am 31.01.2019 ereignet, die Polizei sei am gleichen Tag (widersprüchlich: am 07.02.2019) vorbeigekommen und datiert die Anzeige vom 28.02.2019. Die Widersprüche konnte der BF nicht aufklären, sondern stellte er selbst fest, dass die Anzeige „gänzlich falsch“ sei. Er habe sich jedoch keinen Anwalt genommen, weil er wisse, dass er kein faires Verfahren erhalte. Deshalb habe er das Land verlassen. Sonstige Anzeigen oder eine sonstige Verfolgung sei nach Aussagen des BF nicht gegeben.

II.1.3. Zur maßgeblichen Lage in Bangladesch:

1.       Politische Lage

Letzte Änderung: 06.04.2020

Bangladesch – offizielle Bezeichnung Volksrepublik Bangladesch (People's Republic of Bangladesh / Ga?apraj?tantr? B??l?de?) ist seit 1991 eine parlamentarische Demokratie (GIZ 11.2019a). Das Land befindet sich größtenteils in der Deltaebene, die durch die Mündung der Flüsse Ganges und Brahmaputra in den Golf von Bengalen (Indischer Ozean) gebildet wird. Nachbarstaaten sind Indien (Westen, Norden und Osten) und Myanmar (Südosten). Die Hauptstadt ist Dhaka (ca. 20 Millionen Einwohner). Auf einer Fläche von ca. 148.000 km² (CIA 13.3.2020) leben etwa 163 Millionen Einwohner (CIA 13.3.2020; vgl. GIZ 3.2020, AA 6.3.2020a). Bangladesch ist mit 1.127 Einwohnern pro Quadratkilometer, der am dichtesten besiedelte Flächenstaat der Welt (zum Vergleich: Österreich 104 Einwohner pro km²) (WPR o.D.; vgl. AA 6.3.2020a).

Das Staatsoberhaupt ist der Präsident, der vom Parlament alle fünf Jahre gewählt wird. Eine einmalige Wiederwahl ist möglich. Er übt größtenteils zeremonielle Funktionen aus, während die Macht in den Händen des Premierministers als Regierungschef liegt. Dieser wird von der stärksten im Parlament vertretenen Partei nominiert und vom Präsidenten formell ernannt. Der Premierminister ernennt die Regierungsmitglieder, die vom Präsidenten bestätigt werden. Nach Ende der fünfjährigen Legislaturperiode bildet der Präsident unter seiner Führung eine unabhängige Übergangsregierung, deren verfassungsmäßige Aufgabe es ist, innerhalb von 90 Tagen die Voraussetzungen für Neuwahlen zu schaffen (ÖB 8.2019; vgl. GIZ 11.2019a). Zusätzlich obliegt dem Premierminister die Kontrolle der Geheimdienste, der Streitkräfte und der paramilitärischen Einheiten (GIZ 11.2019a).

Das Parlament (National Parliament oder Jatiya Sangsad) besteht aus einer Kammer mit 300, in Einzelwahlkreisen auf fünf Jahre direkt gewählten, Abgeordneten (ÖB 8.2019) mit zusätzlichen 50 Sitzen, die nur für Frauen reserviert sind (USDOS 11.3.2020; vgl. GIZ 11.2019a). Diese werden nicht direkt durch eine Wahl vergeben, sondern durch die Parteien, die es ins Parlament schaffen, nominiert (GIZ 11.2019a; vgl. USDOS 11.3.2020). Das Parlament tagt nicht während der Amtszeit der Übergangsregierung. Das Mehrheitswahlrecht führt zu stabilen Mehrheiten im Parlament und hat die Herausbildung der Bangladesch Nationalist Party (BNP) und der Awami League (AL) als dominierende und konkurrierende Parteien begünstigt. Während die konservative BNP Verbündete bei den islamistischen Parteien wie der Jamaat-e-Islami (JI) hat, bekommt die AL traditionell Unterstützung von linken und säkularen Parteien, wie der Arbeiterpartei, der liberaldemokratischen Partei, der national-sozialen Partei Jatiyo Samajtantrik Dal und jüngst auch von der Jatiya Partei, unter dem ehemaligen Militärdiktator Hossain Mohammad Ershad (ÖB 8.2019).

Das politische Leben wird durch die beiden dominierenden und konkurrierenden größten Parteien, die „Awami League“ (AL) und „Bangladesh Nationalist Party“ (BNP) bestimmt (ÖB 8.2019). Klientelismus und Korruption sind weit verbreitet. Gewerkschaften, Studentenorganisationen, Polizei und Verwaltung sind parteipolitisch durchdrungen (AA 22.7.2019; vgl. DGVN 2016). Beide Parteien haben keine demokratische interne Struktur und werden von Familien geführt, die Bangladesch seit der Unabhängigkeit geprägt haben (FH 2020).

Seit 2009 ist Sheikh Hasina Wazed von der Awami League (AL) Premierministerin (GIZ 11.2019a; vgl. ÖB 8.2019). Im Jänner 2019 wurde Sheikh Hasina für ihre vierte Amtszeit, die dritte Amtszeit in Folge, als Premierministerin angelobt. Im Februar 2019 gab sie bekannt, dass sie nach dieser Amtszeit an die „junge Generation“ übergeben wolle (DW 14.2.2019).

Bei den elften bangladeschischen Parlamentswahlen vom 30.12.2018 erzielte die „Große Allianz“ um die regierende AL einen Erdrutschsieg mit 96 % der Stimmen und 289 der 300 zur Wahl stehenden Parlamentssitze (Guardian 30.12.2018; vgl. BN24 31.12.2018, DT 27.1.2019, DS 10.1.2019, DW 14.2.2019), wobei in zwei Wahlkreisen aufgrund von Gewalt (DS 10.1.2019) bzw. dem Tod eines Kandidaten Nachwahlen notwendig waren (DT 27.1.2019).

Es gibt Berichte über Wahlmanipulation. Die Opposition verurteilte die Wahl als „Farce“ und fordert die Annullierung des Ergebnisses und Neuwahlen. Die Regierungspartei weist die Manipulationsvorwürfe und Neuwahlforderungen zurück und nennt die Wahl „völlig frei und unabhängig“ (BBC 31.12.2018). In einer vorläufigen Bewertung erklärten Wahlbeobachter der SAARC (South Asian Association for Regional Cooperation), dass die Wahl „viel freier und fairer“ ablief als die vorherigen (Hindu 1.1.2019). Bereits im Vorfeld der Wahl kam es zu Gewalt zwischen rivalisierenden Anhängern und zu harten Vorgehen der Regierung (BBC 31.12.2018; vgl. Hindu 1.1.2019). Die Wahlen vom 30. Dezember 2018 waren durch Übergriffe auf Oppositionelle, willkürliche Verhaftungen und Einschüchterungen der Stimmberechtigten gekennzeichnet (HRW 14.1.2020). Am Wahltag waren rund 600.000 Sicherheitskräfte, darunter Armee und paramilitärische Truppen, im Einsatz, um die Gewalt einzudämmen (Guardian 30.12.2018). Frühzeitig wurde die Wahl durch die Wahlkommission als frei und fair bezeichnet. Unregelmäßigkeiten wurden nicht untersucht. Stattdessen wurden Journalisten wegen ihrer Berichterstattung verhaftet (HRW 14.1.2020). Es wurden mindestens 17 Menschen bei Zusammenstößen zwischen Anhängern der regierenden Partei und der Opposition getötet (Reuters 1.1.2019).

Die oppositionelle BNP hat aufgrund ihrer starken gesellschaftlichen Verankerung das Potenzial, durch Generalstreiks großen außerparlamentarischen Druck zu erzeugen (GIZ 11.2019a).

Infolge der Dominanz der AL und der fehlenden, innerparteilichen Demokratie hat de facto die exekutive Spitze das ausschließliche Sagen bei Gesetzesentwürfen. Wie schon die Vorgängerregierungen baut auch die gegenwärtige AL-Regierung ihre Netzwerke in Verwaltung, Rechtswesen und Militär aus. Verschärfend kommt hinzu, dass die BNP als vormals größte Oppositionspartei das Wahlergebnis angefochten hatte und nun nicht mehr im Parlament vertreten ist (GIZ 11.2019a).

Die erste Verfassung trat 1972 in Kraft und setzte neben der demokratischen Staatsform auch Säkularismus, Sozialismus und Nationalismus als Ziele fest. Nach zahlreichen Verfassungsänderungen wurde 1988 der Islam als Staatsreligion eingeführt bei gleichzeitiger verfassungsrechtlicher Verankerung des Rechts auf friedliche Ausübung anderer Religionen (ÖB 8.2019). Die verfassungsändernde Mehrheit der AL im Parlament führt zu einer enormen Machtkonzentration. Gesetzesinitiativen schränken den Spielraum der Zivilgesellschaft weiter ein (ACCORD 12.2016). Die Ankündigung von PM Sheik Hasina, ein Tribunal einzusetzen, um erstmals die Verantwortlichen für die Kriegsverbrechen im Unabhängigkeitskrieg 1971, aber auch für die Ermordung ihres Vaters und Staatsgründers Sheikh Rajibur Rahman 1975 sowie versuchte Mordanschläge auf ihr eigenes Leben 2004 zur Rechenschaft zu ziehen, stoßen in gewissen (pro-pakistanischen Kreisen) in Bangladesch auf heftigen Widerstand (ÖB 8.2019).

Die Kommunalwahlen 2019 fanden an fünf verschiedenen Wahltagen zwischen 10.3. und 18.6.2019 statt (bdnews24 20.6.2019; vgl. bdnews24 3.2.2019). Nachdem die BNP und einige andere Parteien die Wahlen boykottierten, wurde eine niedrige Wahlbeteiligung beobachtet (bdnews24 20.6.2019; vgl. DS 10.3.2019). Die Kandidaten der AL waren in 317 von 470 Upazillas [Landkreisen] siegreich, in 149 Upazillas gewannen unabhängige Kandidaten, die vorwiegend abtrünnige der Regierungsparteien sind. In 115 Upazillas gab es keine Gegenkandidaten (bdnews 20.6.2019). Für die Nachwahlen in insgesamt 8 Upazillas am 14.10.2019 kündigte die BNP jedoch eine Teilnahme an (PA 8.9.2019).

Der Verwaltungsaufbau von Bangladesch ist zentralistisch: Das Land ist in acht Regionen (Divisions), 64 Bezirke (Districts), 92 Landkreise bzw. Großstädte (Upazilas / City Corporations), über 4.500 Gemeindeverbände (Union Councils / Municipalities) und circa 87.000 Dorfgemeinden gegliedert (ÖB 8.2019). Im Gebiet der Chittagong Hill Tracts gilt eine besondere Verwaltung, die der lokalen (indigenen), nicht-bengalischen Bevölkerung verstärkte Mitwirkungsmöglichkeiten einräumen soll (ÖB 8.2019).

Quellen:

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?        AA – Auswärtiges Amt (Deutschland) (22.7.2019): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch, https://www.ecoi.net/en/file/local/2014277/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_Bangladesch_%28Stand_Mai_2019%29%2C_22.07.2019.pdf, Zugriff 2.4.2020

?        ACCORD – Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation (12.2016): Länderkurzübersicht Bangladesch, https://www.ecoi.net/en/file/local/1047992/90_1485186416_122016-bangladesch.pdf, Zugriff 2.4.2020

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?        bdnews24 (20.6.2019): Turnout in Upazila polls drops 50% from general elections, https://bdnews24.com/bangladesh/2019/06/20/turnout-in-upazila-polls-drops-50-from-general-elections, Zugriff 6.4.2020

?        BN24 - Bangla News 24 (31.12.2018): Grand alliance wins 288 seats, https://www.banglanews24.com/english/national/article/73191/Grand-alliance-wins-288-seats, Zugriff 7.3.2019

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?        USDOS – US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026382.html, Zugriff 24.3.2020

?        WPR – World Population Review (o.D.): World Countries by Population Density 2020, http://worldpopulationreview.com/countries/countries-by-density/. Zugriff 6.4.2020

2.       Sicherheitslage

Letzte Änderung: 06.04.2020

Der Hass zwischen den politischen Parteien, insbesondere Awami League (AL) und die Bangladesch National Party (BNP), ist für den größten Teil an Gewalt im Land verantwortlich (ACLED 9.11.2018). Die regierende Awami-Liga (AL) hat ihre politische Macht durch die nachhaltige Einschüchterung der Opposition, wie auch jener mit ihr verbündet geltenden Kräfte, sowie der kritischen Medien und Stimmen in der Zivilgesellschaft ausgebaut (FH 2020). Beide Parteien sind – gemeinsam mit unidentifizierten bewaffneten Gruppen – in Vandalismus und gewalttätige Auseinandersetzungen verwickelt und greifen auch friedliche Zivilisten an (ACLED 9.11.2018).

Von nicht-staatlichen Akteuren (insbesondere Opposition, Islamisten, Studenten) geht nach wie vor in vielen Fällen Gewalt aus. Die öffentliche Sicherheit ist fragil. Das staatliche Gewaltmonopol wird durchbrochen. Es kommt häufig zu Morden und gewalttätigen Auseinandersetzungen aufgrund politischer (auch innerparteilicher) oder krimineller Rivalitäten. Eine Aufklärung erfolgt selten. Die großen Parteien verfügen über eigene „Studentenorganisationen“. Mit dem stillschweigenden Einverständnis der Mutterparteien fungieren diese bewaffneten Organisationen als deren Schild und Schwert. Ihr Mitwirken im politischen Prozess ist eine der wichtigsten Ursachen für die politische Gewalt in Bangladesch (AA 22.7.2019).

Spontane Streiks und Kundgebungen können jederzeit stattfinden (BMEIA 18.3.2020; vgl. AA 22.3.2020), dabei können Kämpfe zwischen Sicherheitsbehörden und Demonstranten, Brandstiftung, Gewalt und Vandalismus unvorhergesehen auftreten (UKFCO 29.3.2020a).

Gewalt gegen Zivilisten oder staatliche Kräfte durch Rebellen macht einen relativ kleinen Anteil an allen Gewaltereignissen aus. Es gibt radikale islamistische Gruppen wie die Mujahideen Bangladesh (JMB) und Ansarullah Bangla Team (ABT). Sowohl der Islamische Staat (IS) und Al Qaeda in the Indian Subcontinent (AQIS) geben an, in Bangladesch aktiv zu sein, was von der Regierung jedoch dementiert wird (ACLED 9.11.2018). 2017 kam es zu fünf Selbstmordattentaten mit Todesfolge, zu denen sich der Islamische Staat bekannte (BMEIA 18.3.2020; vgl. SATP 2.4.2020). 2019 gab es mehrere Angriffe gegen Polizei und Sicherheitskräfte in Dhaka und in der Stadt Khulna. Am 29.2.2020 erfolgte ein Anschlag auf die Polizei in Chittagong, bei welchem auch improvisierten Sprengkörper (IEDs) eingesetzt worden sind. Die bangladeschischen Behörden sind weiterhin in höchster Alarmbereitschaft und vereiteln geplante Angriffe. Es wurde eine Reihe von Verhaftungen vorgenommen. Einige Operationen gegen mutmaßliche Militante haben ebenfalls zu Todesfällen geführt (UKFCO 29.3.2020b). Extremistische Gruppen führen Angriffe auf Angehörige vulnerabler Gruppen durch (USDOS 11.3.2020; AA 27.7.2019). In vielen Fällen ist nicht eindeutig differenzierbar, ob religiöse Motive oder säkulare Interessen, wie z.B. Racheakte oder Landraub, Grund für die Vorfälle sind. Sicherheitsbehörden reagieren manchmal nicht zeitnah bzw. überhaupt nicht auf religiös motivierte Vorfälle (AA 22.7.2019).

In der Division Chittagong, insbesondere im Gebiet der Chittagong Hill Tracts (Bezirke Rangamati, Khagrachari und Bandarban) kommt es zu bewaffneten Unruhen und kriminellen Übergriffen (AA 22.3.2020; vgl. UKFCO 29.3.2020a, AI 30.1.2020). Im südöstlichen Verwaltungsbezirk Cox’s Bazar der Gebietsverwaltung Chittagong hat es zuletzt unter anderem in der Nähe von Flüchtlingslagern vereinzelt gewalttätige Zwischenfälle gegeben. Es gibt Berichte über Sicherheitsprobleme, Protestkundgebungen sowie Gewalttätigkeiten und Unruhen sowohl in der örtlichen Bevölkerung als auch unter den Bewohnern der Lager, nachdem ein lokaler politischer Führer ermordet worden ist (HRW 18.9.2019; vgl. AA 5.11.2019, TDS 24.8.2019).

Im März 2019 wurden bei den Kommunalwahlen im Gebiet Baghicahhari im Norden des Distrikts Rangamati mehrere Wahl- und Sicherheitsbeamte getötet (UKFCO 29.3.2020a).

An der Grenze zu Indien kommt es gelegentlich zu Schusswechseln zwischen indischen und bangladeschischen Grenzwächtern. Regelmäßig werden Menschen getötet, die versuchen, illegal die Grenze zu überqueren (UKFCO 29.3.2020a).

Das South Asia Terrorism Portal verzeichnet in einer Aufstellung für das Jahr 2016 insgesamt 907 Todesopfer durch terrorismusrelevante Gewalt. Im Jahr 2017 wurden 812 Personen durch terroristische Gewalt getötet und im Jahr 2018 kamen 940 Menschen durch Terrorakte ums Leben. 2019 belief sich die Opferzahl terrorismus- relevanter Gewalt landesweit auf insgesamt 621 Tote. Bis zum 5.3.2020 wurden 81 Todesopfer durch terroristische Gewaltanwendungen registriert [Anmerkung: die angeführten Zahlen beinhalten Zivilisten, Sicherheitskräfte und Terroristen] (SATP 17.3.2020).

Das South Asia Terrorism Portal verzeichnet in einer Aufstellung für das Jahr 2017 insgesamt 263 Vorfälle terrorismus-relevanter Gewalt. Im Jahr 2018 wurden 135 solcher Vorfälle verzeichnet und 2019 wurden 104 Vorfälle registriert. Bis zum 2.4.2020 wurden 29 Vorfälle terroristischer Gewaltanwendungen registriert (SATP 2.4.2020).

In der Monsunzeit von Mitte Juni bis Mitte Oktober muss mit Überschwemmungen gerechnet werden, im südlichen Landesdrittel von Oktober bis November und Mitte April bis Mitte Mai grundsätzlich auch mit Wirbelstürmen (AA 22.3.2020). Regelmäßig wiederkehrende Überschwemmungen sowie die Erosion von Flussufern führen zu einer umfangreichen Binnenmigration (AA 22.7.2019; vgl. Kaipel 2018). Die Kriminalität ist hoch, insbesondere Raubüberfälle (BMEIA 18.3.2020).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (22.3.2020): Bangladesch: Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/bangladesch-node/bangladeschsicherheit/206292, Zugriff 2.4.2020

?        AA – Auswärtiges Amt (Deutschland) (22.7.2019): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch, https://www.ecoi.net/en/file/local/2014277/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_Bangladesch_%28Stand_Mai_2019%29%2C_22.07.2019.pdf, Zugriff 19.3.2020

?        ACLED – Armed Conflict Location & Event Data Project (9.11.2018): The Anatomy of Violence in Bangladesh, https://www.acleddata.com/2018/11/09/the-anatomy-of-violence-in-bangladesh/, Zugriff 6.3.2019

?        AA - Anadolu Agency (5.11.2019): Bangladesh rejects Amnesty report on Rohingya killings, https://www.aa.com.tr/en/asia-pacific/bangladesh-rejects-amnesty-report-on-rohingya-killings/1636457, Zugriff 2.4.2020

?        AI – Amnesty International (30.1.2020): Human Rights in Asia-Pacific; Review of 2019 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2023864.html, Zugriff 2.4.2020

?        BMEIA – Bundesministerium Europa, Integration und Äußeres (18.3.2020): Bangladesch – Reiseinformation, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/bangladesch/, Zugriff 2.4.2020

?        FH – Freedom House (2020): Freedom in the World 2020 – Bangladesh, https://freedomhouse.org/country/bangladesh/freedom-world/2020, Zugriff 1.4.2020

?        HRW – Human Rights Watch (18.9.2019): Spate of Bangladesh ‘Crossfire’ Killings of Rohingya, https://www.hrw.org/news/2019/09/18/spate-bangladesh-crossfire-killings-rohingya, Zugriff 4.2.2020

?        Kaipel, Simione Christina (2018): „Globaler Wandel – regionale Krisen? Ökologische und sozioökonomische Perspektiven umweltbedingter Migrationsflüsse“, Masterarbeit, Seite 41 – 54, http://othes.univie.ac.at/54839/1/56687.pdf, Zugriff 2.4.2020

?        SATP - South Asia Terrorism Portal (2.4.2020): Data Sheet – Bangladesh, Number of Terrorism Related Incidents Year Wise 2000 - 2020, https://www.satp.org/datasheet-terrorist-attack/incidents-data/bangladesh, Zugriff 6.4.2020

?        SATP - South Asia Terrorism Portal (2.4.2020): Data Sheet – Bangladesh, Yearly Sucide Attacks, Advance Search 2000 - 2020, https://www.satp.org/datasheet-terrorist-attack/incidents-data/bangladesh, Zugriff 6.4.2020

?        TDS – The Daily Star (24.8.2019): Jubo League leader killed by ‘Rohingyas’, https://www.thedailystar.net/frontpage/news/jubo-league-leader-killed-rohingyas-1789726, Zugriff 15.1.2020

?        UKFCO – UK Foreign and Commonwealth Office (6.9.201929.3.2020a): Foreign travel advice Bangladesh - Safety and security, https://www.gov.uk/foreign-travel-advice/bangladesh/safety-and-security, Zugriff 4.2.2020

?        UKFCO – UK Foreign and Commonwealth Office (6.9.201929.3.2020b): Foreign travel advice Bangladesh – Terrorism, https://www.gov.uk/foreign-travel-advice/bangladesh/terrorism, Zugriff 4.2.2020

?        USDOS – US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026382.html, Zugriff 24.3.2020

3.       Rechtsschutz / Justizwesen

Letzte Änderung: 06.04.2020

Das Gerichtssystem besteht aus zwei Instanzen, den untergeordneten Gerichten (Magistrates, Session- und District Judges) und dem Obersten Gerichtshof (Supreme Court). Beide verhandeln Zivil- und Strafrechtssachen. Das Rechtssystem beruht weitgehend auf dem englischen „Common Law“. Der Oberste Gerichtshof besteht aus zwei Abteilungen, dem „High Court“, der Verfassungsfragen verhandelt und als Berufungsinstanz zu den erstinstanzlichen Gerichten fungiert, sowie dem „Appellate Court“, dessen Entscheidungen für alle übrigen Gerichte bindend sind. Die Richter beider Abteilungen werden gemäß der Verfassung vom Präsidenten ernannt (ÖB 8.2019).

Die Unabhängigkeit der Richter wird von der Verfassung garantiert. In der Praxis unterstellt allerdings eine schon lange geltende temporäre Bestimmung der Verfassung die erstinstanzlichen Richter der Exekutive. Auch ihre Ernennung und Remuneration ist Sache der Exekutive. Demgegenüber haben die Richter des Obersten Gerichtshofs des öfteren ihre Unabhängigkeit demonstriert und gegen die Regierung entschieden (ÖB 8.2019). Gemäß einer Verfassungsänderung können Richter abgesetzt werden (AA 22.7.2019).

Auf Grundlage mehrerer Gesetze („Public Safety Act“, „Law and Order Disruption Crimes Speedy Trial Act”, “Women and Children Repression Prevention Act”, „Special Powers Act“) wurden Sondertribunale errichtet, die Fälle innerhalb eines festgesetzten Zeitrahmens erledigen müssen. Es fehlen allerdings Vorschriften für den Fall, dass sie dieser Verpflichtung nicht nachkommen. Diese „Speedy Trial“ Tribunale haben Medienberichten zufolge in den vergangenen Jahren mehrere Hundert Personen zum Tode verurteilt (ÖB 8.2019).

Wie die meisten Beobachter von Bangladesch übereinstimmend angeben, stellen Korruption, Ineffizienz der Justiz, gezielte Gewalt gegen Richter und ein gewaltiger Rückstau an offenen Fällen große Probleme dar (ÖB 8.2019; vgl. FH 2020). Strafanzeigen gegen Mitglieder der regierenden Partei werden regelmäßig zurückgezogen (FH 2020). Die schiere Zahl der gegen die politische Opposition eingeleiteten Klagen im Vorfeld zur 11. Parlamentswahl vom 30.12.2018, deutet auf ein ungehindertes Spielfeld und die Kontrolle der Regierungspartei über die Justiz- und Sicherheitsinstitutionen hin (FIDH 29.12.2018).

Zwei Drittel aller Streitfälle erreichen nicht das formelle Justizsystem, sondern werden von informellen Dorfgerichten oder bedeutenden Persönlichkeiten der lokalen Gemeinschaften entschieden. Diese behandeln meist Fälle betreffend Familienrecht, Unterhalt, Zweitehen, Mitgiftstreitigkeiten und Landeigentum. Obwohl diese „Gerichte“ eine durch Tradition legitimierte, schnellere und günstigere Alternative zu ordentlichen Gerichten darstellen, sind sie hinsichtlich der Einflussnahmemöglichkeiten durch lokal bedeutsame Persönlichkeiten sowie der gesellschaftlichen Stellung von Frauen nicht unproblematisch. Die islamische Scharia ist zwar nicht formell als Gesetz eingeführt, spielt aber insbesondere in den Bereichen des Zivilrechts (Erbschaft, Grunderwerb, Heirat und Scheidung etc.) eine große Rolle (ÖB 8.2019).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt (Deutschland) (22.7.2019): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch, https://www.ecoi.net/en/file/local/2014277/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_Bangladesch_%28Stand_Mai_2019%29%2C_22.07.2019.pdf, Zugriff 19.3.2020

?        FH – Freedom House (2020): Freedom in the World 2020 – Bangladesh, https://freedomhouse.org/country/bangladesh/freedom-world/2020, Zugriff 1.4.2020

?        FIDH - International Federation for Human Rights (Hg.) (29.12.2018): Joint statement on the undemocratic electoral environment in Bangladesh, https://www.fidh.org/en/region/asia/bangladesh/joint-statement-on-the-undemocratic-electoral-environment-in, Zugriff 3.4.2020

?        ÖB – Österreichische Botschaft Neu Delhi (8.2019): Asylländerbericht Bangladesch

4.       Sicherheitsbehörden

Letzte Änderung: 06.04.2020

Die Polizei ist beim Ministerium für Inneres angesiedelt und hat das Mandat die innere Sicherheit sowie Recht und Ordnung aufrechtzuerhalten. Die Armee, die dem Büro des Ministerpräsidenten untersteht, ist für die äußere Sicherheit zuständig, kann aber auch für innerstaatliche Sicherheitsaufgaben herangezogen werden. Zivile Stellen hatten weiterhin effektive Kontrolle über die Streitkräfte und andere Sicherheitsbehörden. Die Regierung verfügt über Mechanismen, Missbrauch und Korruption zu untersuchen und zu bestrafen; sie werden aber nicht immer angewandt (USDOS 11.3.2020).

Das Wirken der Polizei ist gekennzeichnet durch einen Mangel an Ressourcen inklusive mangelhafter Infrastruktur, Mangel an Personal, Ausbildung und Arbeitsmaterialien, Ineffizienz und Korruption (AA 27.7.2019). Die Regierung unternahm Schritte, um in der Polizei Professionalität, Disziplin, Ausbildung und Reaktionsfähigkeit zu verbessern und die Korruption zu verringern. (USDOS 11.3.2020). Trotz dieser Bemühungen kommt es weiterhin zu Machtmissbrauch und unangebrachter Gewaltanwendung von Sicherheitskräften, insbesondere durch die Rapid Action Batallions (RAPs), die in weiterer Folge ungestraft bleiben (ÖB 8.2019).

Es gibt Hinweise auf willkürliche Festnahmen durch die Polizeikräfte, obwohl dies gesetzlich verboten ist, sowie auf willkürliche Nutzung der gesetzlich erlaubten präventiven Festnahmen. Die Festnahme ohne Angabe von Gründen ist für bis zu 30 Tagen zur Verhinderung von Taten, die die nationale Sicherheit, Verteidigung, Souveränität, öffentliche Ordnung oder auch wirtschaftliche Interessen des Landes gefährden, erlaubt. Die Arretierten haben kein Recht auf einen Verteidiger. Die hauptsächlich Betroffenen sind Aktivisten der politischen Parteien und NGO-Vertreter, die Kritik an der Regierung üben. Nach wie vor problematisch ist auch die in vielen Fällen unverhältnismäßig lange Untersuchungshaft. Als Gründe hierfür werden bürokratische Ineffizienz, limitierte Ressourcen und Korruption genannt. Gegenwärtig geht man von über 2 Millionen ausständigen Zivil- und Strafverfahren aus (ÖB 8.2019).

Die Sicherheitskräfte lassen Personen weiterhin routinemäßig „verschwinden“ (AI 30.1.2020; siehe auch Abschnitt 5). Betroffene sehen aus Angst vor Vergeltung in der Regel davon ab, Mitglieder der Sicherheitsbehörden wegen Menschenrechtsvergehen anzuzeigen, so dass diese straflos bleiben. Auch im Falle einer Beschwerde herrscht weitestgehend Straffreiheit. Wenn allerdings die Medien Polizeiversagen öffentlich anprangern, werden durch die politische Ebene die zuständigen Polizisten oft bestraft (AA 27.7.2019).

Die Sicherheitsbehörden bestehen zum Hauptteil aus der dem Innenministerium unterstellten „Bangladesch Police“, die ca. 116.000 Mann zählt. Zur Unterstützung der Polizei stehen weitere Einheiten zur Verfügung (ÖB 8.2019).

Rapid Action Batallions (RABs): Es gibt rund 12 RABs mit insgesamt ca. 8.500 Mann, die ebenfalls dem Innenministerium unterstellt sind. Ihre Aufgabe ist der Kampf gegen bewaffnete kriminelle Organisationen. Die RABs sind hauptsächlich in urbanen Zentren stationiert, rekrutieren sich hauptsächlich aus Polizei und Armee, sind gut ausgebildet und mit moderner Ausrüstung versehen (ÖB 8.2019). Ihnen werden schwere Menschenrechtsverstöße wie z.B. extralegale Tötungen zugeschrieben (AA 27.7.2019). Die RABs verfolgen eine aggressive Strategie gegen bewaffnete „Gang“-Mitglieder, was zu zahlreichen Toten durch Schießereien führt. Sie werden auch bei Demonstrationen eingesetzt, wobei exzessive Gewalt, Gummigeschosse aber auch scharfe Munition gegen Demonstranten zum Einsatz kam, welche wiederholt Todesopfer forderten. Es kam trotz zahlreicher Verhaftungen noch zu keiner Verurteilung wegen außergerichtlicher Tötungen, Folter oder willkürlicher Verhaftungen gegen Mitglieder der RABs (ÖB 8.2019). Die Regierung streitet weiterhin das Verschwindenlassen von Personen, Folter und andere Verstöße durch Sicherheitskräfte, sowie außergerichtliche Tötungen, etwa durch Angehörige des RAB ab. Die Sicherheitskräfte versuchen seit langem, unrechtmäßige Tötungen zu vertuschen, indem sie behaupteten, dass es bei einem Schusswechsel oder im Kreuzfeuer zu Todesfällen gekommen ist. Hunderte wurden angeblich in solchen „Kreuzfeuer“ getötet (HRW 14.1.2020).

Bangladesh Ansar: Gegründet im Jahr 1948 und ebenfalls dem Innenministerium unterstellt, gibt es aktuell ca. 23.000 leicht bewaffnete Ansars, die zur Unterstützung der Polizei im ländlichen Raum eingesetzt werden und auch Zivilschutz-Aufgaben übernehmen (ÖB 8.2019).

Bangladesh Rifles (BDRs): Diese ca. 40.000 Mann starke paramilitärische Truppe untersteht dem Home Ministry, wird aber hauptsächlich von Armee-Offizieren geführt und dient in erster Linie dem Grenzschutz. Die BDRs sind auch für die Verhinderung von Schmuggel und Menschenhandel zuständig (ÖB 8.2019).

Village Defence Parties (VDP): Gegründet 1976, sollte es in jedem Dorf des Landes je ein männliches und weibliches „Platoon“ à 32 Personen geben, die der Unterstützung der Polizei bei der Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung sowie der Unterstützung der zivilen Behörden bei sozialen und wirtschaftlichen Wiederaufbauprogrammen und bei Naturkatastrophen dienen sollen. In Städten gibt es analog dazu sog. Town Defence Parties (ÖB 8.2019).

Special Branch of Police (SB) ist beauftragt, die nationale Sicherheit zu gewährleisten, erfüllt die Funktion, nachrichtendienstliche Informationen zu sammeln und ist mit der Spionageabwehr betraut. Die SB ist überall in Bangladesch vertreten und besitzt die Fähigkeit, innerhalb und außerhalb des Landes zu agieren (AA 27.7.2019).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt (Deutschland) (22.7.2019): Auswärtiges Amt, Bericht über die as

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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