Entscheidungsdatum
19.08.2020Norm
AsylG 2005 §10Spruch
L514 2211749-1/31E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. KLOIBMÜLLER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Irak, vertreten durch ARGE Rechtsberatung – Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.11.2018, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 18.10.2019, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang
1. Nach illegaler Einreise in das Bundesgebiet stellte der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger des Irak, am XXXX 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz, welcher mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: BFA) vom 18.07.2017, Zl. 1084752702-151207579, gemäß § 3 AsylG abgewiesen wurde. Gleichzeitig wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 8 AsylG der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 30.07.2018 erteilt. Begründend wurde in diesem Zusammenhang dargetan, dass der Status eines subsidiär Schutzberechtigen aufgrund der vorherrschenden allgemeinen Kriegslage bedingt durch die Kampfhandlungen zur Vertreibung des IS zuerkannt werde.
2. Im Rahmen des Antrages auf Verlängerung des subsidiären Schutzes wurde der Beschwerdeführer am 01.08.2018 vor dem BFA niederschriftlich befragt. Im Zuge der Befragung wurde der Beschwerdeführer darüber informiert, dass geplant sei, den Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuerkennen, da sich die Lage seit Zuerkennung wesentlich verbessert habe. Dazu führte der Beschwerdeführer aus, dass er aufgrund der Milizen nicht in den Irak zurückkehren könne. Dies deshalb, da er Sachen gegen die Regierung im Internet gepostet habe, weshalb seine Familie im Irak von den Milizen aufgesucht worden sei. Freunde des Beschwerdeführers, die noch im Irak leben würden, hätten auch auf Facebook gepostet und seien in der Folge alle verhaftet und geschlagen worden. Er könne nicht in den Irak zurück, da es mit den Milizen Probleme geben werde. Auf den Vorhalt, dass im Rahmen seines Asylverfahrens eine individuelle Verfolgung nicht angenommen werden konnte, wogegen er auch keine Beschwerde eingelegt habe, wurde vom Beschwerdeführer entgegnete, dass ihm seine Vertreterin dazu geraten habe, nichts zu machen, er ansonsten auch den Status eines subsidiär Schutzberechtigten verlieren könnte.
3. Mit Bescheid des BFA vom 19.11.2018, Zl. XXXX , wurde dem Beschwerdeführer der mit Bescheid vom 18.07.2017 zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 AsylG 2005 von Amts wegen aberkannt (Spruchpunkt I.) und wurde ihm gleichzeitig die befristete Aufenthaltsberechtigungskarte entzogen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.) und wurde gemäß § 10 Abs. 1 Z 5 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 4 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass eine Abschiebung in den Irak gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde ein 14tägige Frist für die freiwillige Ausreise gewährt (Spruchpunkt VI.).
Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass sich die Lage im Irak seit der Zuerkennung des subsidiären Schutzes verbessert habe und würde die gesamte Familie des Beschwerdeführers ohne größerer Probleme nach wie vor in XXXX leben. Hinsichtlich der Ausführungen des Beschwerdeführers, er würde in sozialen Medien Inhalte gegen die irakische Regierung posten, weshalb ihm im Falle einer Rückkehr eine Verfolgung durch den irakischen Staat drohen würde, wurde festgehalten, dass ob der fehlenden Vulnerabilität der Person des Beschwerdeführers das bloße Posten keine ausreichende Begründung für eine reale Gefährdung darstellen würde.
Des Weiteren gehe der Beschwerdeführer keiner sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit nach und würden im Bundesgebiet auch keine besonderen familiären oder sozialen Kontakte bestehen.
Mit Verfahrensanordnung des BFA vom 19.11.2018 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG amtswegig ein Rechtsberater zur Seite gestellt.
4. Gegen diesen am 21.11.2018 dem Beschwerdeführer ordnungsgemäß zugestellten Bescheid wurde mit Schreiben vom 17.12.2018 fristgerecht Beschwerde erhoben und im Wesentlichen begründend ausgeführt, dass dem Beschwerdeführer zum einen eine Verfolgung drohe, weil er keinen Glauben mehr habe, da ihm eine westliche Orientierung zumindest unterstellt werden würde und zum anderen habe sich das BFA mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers, er habe an der irakischen Regierung Kritik geäußert, nicht ausreichend auseinandergesetzt. Des weiteres sei die Rückkehrentscheidung unverhältnismäßig, da der Beschwerdeführer im Bundesgebiet sehr gut integriert sei, gut Deutsch sprechen würde und mittlerweile auch einen Arbeitsplatz gefunden habe. Somit würde sein Verbleib eindeutig das Interesse an einer Rückverbringung überwiegen. Zu den Länderfeststellungen wurde festgehalten, dass nicht nachvollziehbar sei, wie das BFA zu der Einschätzung komme, dass eine Rückkehr in den Irak ohne Gefährdung möglich sei. Letztlich wurde die Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung beantragt.
5. Am 08.04.2019 wurde das Bundesverwaltungsgericht darüber informiert, dass im Wege von Interpol Rom bekannt geworden sei, dass der Beschwerdeführer am XXXX 2019 via Istanbul nach XXXX geflogen sei.
Mit E Mail vom 01.08.2019 wurde das Bundesverwaltungsgericht davon in Kenntnis gesetzt, dass der Beschwerdeführer am XXXX 2019 eine österreichischen Staatsbürgerin geheiratet habe.
6. Am 18.10.2019 wurde vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Beschwerdeverhandlung im Beisein des Beschwerdeführers, seines rechtsfreundlichen Vertreters und eines Vertreters des BFA durchgeführt.
Im Verlauf dieser Verhandlung wurde dem Beschwerdeführer Gelegenheit gegeben, die zugrundeliegenden Umstände umfassend darzulegen. Dem Beschwerdeführer bzw seinem rechtsfreundlichen Vertreter und dem Vertreter des BFA wurden im Gefolge der Verhandlung die Möglichkeit eingeräumt, zu den ins Verfahren eingeführten Länderfeststellungen innerhalb einer Frist von zwei Wochen eine schriftliche Stellungnahme abzugeben. Weiters wurde dem Beschwerdeführer aufgetragen, den irakischen Originalreisepass sowie seine Angaben untermauernde Unterlagen in Vorlage zu bringen. Auch das BFA wurde dazu aufgefordert, die im Rahmen der Beschwerdeverhandlung erwähnten Facebook Screenshots den Beschwerdeführer betreffend vorzulegen.
7. Mit Schreiben, eingelangt am 23.10.2019, wurden seitens des BFA die angeforderten Internetseiten aus den sozialen Netzwerken in Vorlage gebracht.
Am 24.10.2019 legte der Beschwerdeführer einige Seiten aus dem Internet bzw Kopien von Unterlagen sowie ein Foto vor.
Am 04.11.2019 teilte der Vertreter des Beschwerdeführers mit, dass zu den Länderfeststellungen keine Stellungnahme abgegeben werde.
Mit Schreiben vom 08.01.2020 wurde das Bundesverwaltungsgericht darüber informiert, dass die Ermittlungen wegen Eingehens einer Scheinehe von der Staatsanwaltschaft XXXX am XXXX 2019 eingestellt worden seien.
Mit Schreiben vom 02.04.2020 wurde das Bundesverwaltung darüber informiert, dass das Landesverwaltungsgericht XXXX mit Beschluss vom XXXX 2020, Zl. XXXX , das Beschwerdeverfahren hinsichtlich der Verweigerung der Erteilung einer Aufenthaltsberechtigungskarte wegen Zurückziehung der Beschwerde eingestellt hat.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1 Zur Person des Beschwerdeführers:
1.1.1. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger des Irak, führt den im Spruch angeführten Namen und ist am im Spruch angeführten Datum geboren. Er gehört der arabischen Volksgruppe und dem schiitischen Glauben an.
Nach illegaler Einreise in das Bundesgebiet stellte der Beschwerdeführer am XXXX 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Mit Bescheid des BFA vom 18.07.2017, Zl. 1084752702-151207579, wurde der Antrag gemäß § 3 AsylG abgewiesen. Gleichzeitig wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 8 AsylG der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 30.07.2018 erteilt.
Der Beschwerdeführer ist bisher im Bundesgebiet im Jahr 2017 für drei Tage und im Jahr 2019 für insgesamt 13 Tage einer sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit für die unterschiedlichsten Dienstgeber nachgegangen. Seit XXXX 2020 arbeitet er für die Firma XXXX .
Der Beschwerdeführer spricht auf gutem Niveau die deutsche Sprache und bedarf keiner medizinischen Behandlung.
Soziale Kontakte in Form eines Freundeskreises vermochte sich der Beschwerdeführer aufzubauen und fotografiert er ab und zu für den Behindertenverein.
Der Beschwerdeführer hat – nach kurzer Kennenlernphase – am XXXX 2019 die österreichische Staatsbürgerin XXXX geheiratet. Aus der Ehe ging bisher kein gemeinsames Kind hervor und leben der Beschwerdeführer und seine Gattin seit XXXX 2020 wieder an unterschiedlichen Wohnadressen, obwohl der Beschwerdeführer erst am XXXX 2019 zu seiner Gattin gezogen ist.
Der Beschwerdeführer ist strafrechtlich unbescholten und wurden die Ermittlungen betreffend Eingehen einer Scheinehe von der Staatsanwaltschaft XXXX am XXXX 2019 eingestellt.
1.1.2. Die Familienangehörigen des Beschwerdeführers leben nach wie vor im Irak in XXXX in einem eigenen dreistöckigen Haus, in welchem auch der Beschwerdeführer vor seiner Ausreise gelebt hat. Die Eltern des Beschwerdeführers arbeiten in einem Krankenhaus. Die beiden im Irak lebenden Schwestern sind Hausfrauen.
Der Beschwerdeführer besuchte im Irak die Schule und absolvierte eine Ausbildung zum Fotografen. Er hat bis 2015 für eine Zeitung als Fotograf gearbeitet.
Der Beschwerdeführer ist am XXXX 2019 unter Zuhilfenahme seines irakischen Reisepasses via Istanbul nach XXXX geflogen. Er hat sich im Irak jedenfalls zwei Wochen lang aufgehalten.
Ein Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer Aufenthaltskarte wurde mit Bescheid des Landeshauptmannes der XXXX vom XXXX 2019, Zl. XXXX , als unzulässig zurückgewiesen und gleichzeitig festgestellt, dass der Beschwerdeführer nicht in den Anwendungsbereich des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechtes falle. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde nach erfolgter mündlicher Verhandlung zurückgezogen und das Beschwerdeverfahren eingestellt.
1.2. Zur Rückkehrmöglichkeit:
Es konnte nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in den Irak einer realen Gefahr einer Verletzung der EMRK ausgesetzt sein oder für den Beschwerdeführer als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit mit sich bringen würde.
Es kann nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat die Todesstrafe droht. Ebenso kann keine anderweitige individuelle Gefährdung des Beschwerdeführers festgestellt werden, insbesondere im Hinblick auf eine drohende unmenschliche Behandlung, Folter oder Strafe.
Der Beschwerdeführer ist ein arbeitsfähiger Mensch mit bestehenden Anknüpfungspunkten im Herkunftsstaat und einer – wenn auch auf niedrigerem Niveau als in Österreich – gesicherten Existenzgrundlage. Dem Beschwerdeführer ist die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zur Sicherstellung seines Auskommens möglich und zumutbar.
1.3. Zur gegenwärtigen Lage im Gouvernement Bagdad werden folgende Feststellungen getroffen:
Das Gouvernement Bagdad ist das mit ca. 4.555 km² flächenmäßig kleinste Gouvernement des Landes und beherbergt die gleichnamige irakische Hauptstadt Bagdad. In Bagdad lebten 2018 offiziell schätzungsweise 8,1 Millionen Menschen. Obwohl Bagdad das kleinste Gouvernement im Irak ist, hat es die höchste Einwohnerzahl von allen Gouvernements. 87% der Bevölkerung des Gouvernements leben in der Stadt Bagdad selbst. Die Hauptstadt ist das wichtigste Wirtschaftszentrum des Landes und beherbergt die stark geschützte grüne Zone.
Die Stadt Bagdad ist in neun Verwaltungsbezirke gegliedert: Adhamiyah, Karkh, Karada, Khadimiyah, Mansour, Sadr City, Al Rashid, Rasafa und 9 Nissan (‘new Baghdad’). Die restliche Fläche des Gouvernements beherbergt die Verwaltungsbezirke Al Madain, Taji, Tarmiyah, Mahmudiyah und Abu Ghraib, die den sogenannten „Bagdad Belt“ bilden und die Vororte beherbergen.
Gouvernement und Stadt Bagdad weisen eine gemischte Bevölkerung aus Schiiten und Sunniten mit einer geringeren Anzahl christlicher Gemeinschaften auf. Während die meisten Stadtteile in Bagdad in der Vergangenheit von einer Mischung aus Sunniten und Schiiten bewohnt waren, führte die gewaltsame Säuberung im Zuge der konfessionellen Konflikte insbesondere in den Jahren 2006 und 2007 dazu, dass die Stadt viel stärker religiös geteilt und von den Schiiten dominiert zu sein scheint (siehe dazu im Detail unten 1.10 „Lage von sunnitischen Arabern in Bagdad“).
Die Einheiten der irakischen Armee in Bagdad unterstehen Führung des Baghdad Operations Command (BOC), das in zwei Gebiete unterteilt ist, das Karkh Area Command und das Rusafa Area Command. Die Special Forces Division (SFD) des Premierministers ist für die Sicherheit in der grünen Zone und den Schutz des Premierministers verantwortlich und kann vom Verteidigungsministerium, dem BOC, dem Joint Operations Command (JOC) sowie dem Premierminister selbst eingesetzt werden. Die SDF wird auch für Sicherungsaufgaben in Bagdad herangezogen, insbesondere während der schiitischen Pilgerreisen.
Dem Karkh Area Command untersteht die 6. irakische Armeedivision mit verschiedenen Brigaden, die in und außerhalb der Stadt stationiert sind. Die dem Rusafa Area Command unterstehende 9. Irakische Armeedivision ist derzeit nicht in Bagdad stationiert. Die Bundespolizei des irakischen Innenministeriums ist in Bagdad durch drei Bundespolizeidivisionen vertreten. Die 1. Federal Police Division sichert die südwestliche, westliche und südöstliche Kanalzone von Bagdad. Die 2. Federal Police Division, die einzige mechanisierte Division der Bundespolizei in Bagdad, wird hauptsächlich zur Terrorismusbekämpfung in Bagdad und den Bagdad-Belts, zur Sicherung von Pilgerwegen und zu Aufgaben in Zusammenhang mit der Strafverfolgung herangezogen. Die 4. Federal Police Division deckte das südliche Bagdad und Gebiete südlich der Hauptstadt ab und betreibt das Gefängnis in Karkh. Ergänzend steht westlich von Bagdad die 3. Brigade der Emergency Response Division (ERD) zur Verfügung. Die Stadt Bagdad und die Vororte werden grundsätzlich von den irakischen Behörden kontrolliert. In der Praxis teilen sich die Behörden jedoch die Verteidigungs- und Strafverfolgungsaufgaben mit den schiitisch dominierten Milizen der Volksmobilisierungseinheiten (al-hashd al-sha‘bi, engl.: popular mobilization units, PMU oder popular mobilization forces bzw. popular mobilization front, PMF), was zu einer „unvollständigen“ oder überlappenden Kontrolle mit diesen Milizen führt. Für die Jahre 2014 und 2015 liegen Berichte vor, wonach Einheiten der PMF an Misshandlungen und Morden an Zivilisten und Sunniten im Zusammenhang mit Operationen gegen den Islamischen Staat in den Bagdad-Belts beteiligt waren.
Seit dem Eintritt der militärischen Niederlage des Islamischen Staates im Dezember 2017 gibt es in Bagdad und anderen Landesteilen weniger Angriffe des Islamischen Staates mit großer Breitenwirkung. Der Islamische Staat verfügt weiterhin über aktive Zellen im nördlichen und westlichen Bagdad-Belt, diese befinden sich jedoch erheblichen Verlusten im Jahr 2017 in einem inaktiven Zustand. Seit dem Jahr 2018 sind Bagdad und die Bagdad-Belts kein prioritäres Operationsgebiet des Islamischen Staates mehr und ist der Islamische Staat nicht mehr für den überwiegenden Teil der Gewalttätigkeiten in der irakischen Hauptstadt verantwortlich. Die Möglichkeit, Anschläge auch im Zentrum der irakischen Hauptstadt zu verüben, dürfte nach wie vor gegeben sein, allerdings befindet sich die verbliebenen Anhänger des Islamischen Staates in einer Phase der Neuaufstellung.
Wenn der Islamische Staat die Verantwortung für Angriffe übernimmt, werden die Opfer entweder als „Abtrünnige“ oder „Rafida“ (eine abfällige Bezeichnung für schiitische Muslime) oder als bewaffnete Akteure bezeichnet, obwohl die Opfer möglicherweise Zivilisten sind. Der Islamische Staat übertreibt das häufig die Verluste, die seine Anschläge nach sich ziehen.
Die nachstehende Grafik zeigt, dass die Anzahl der zivilen Opfer von Gewaltakten in Bagdad in den Jahren 2017 und 2018 gegenüber den Vorjahren signifikant gesunken ist und wieder das Niveau vor dem Erstarkten des Islamischen Staates erreicht hat (Anmerkung: Die Datenbank Iraq Body Count kommt zu abweichenden Werten, siehe dazu die weitere Grafik).
Die folgende Grafik veranschaulicht die Entwicklung der sicherheitsrelevanten Vorfälle im Gouvernement Bagdad und Anzahl der Opfer nach der Datenbank Iraq Body Count, wobei die Darstellung jedwede Art von Gewaltanwendung (insbesondere Bombenanschläge, Selbstmordattentate, Attacken mit Schusswaffen und außergerichtliche Tötungen) umfasst.
Die Verwaltungsbezirke mit der höchsten Anzahl an sicherheitsrelevanten Vorfällen, die zu zivilen Todesfällen führten, waren im Jahr 2018 Adhamiya mit 78 sicherheitsrelevanten Vorfällen, die zu 94 zivilen Todesfällen führten, gefolgt von Resafa (einschließlich Thawra 1 & 2) mit 77 sicherheitsrelevanten Vorfällen, die zu 161 zivilen Todesfällen führten, gefolgt von und Mada'In mit 63 sicherheitsrelevanten Vorfällen, bei denen 69 Zivilisten ums Leben kamen. Die höchste Rate an Todesfällen pro 100.000 Einwohner) wurden im Vorort Tarmia (35,80) verzeichnet, gefolgt von Mada'in (15,91) und Adhamiya (8,25). Die meisten von der Iraq Body Count im Jahr 2018 im Gouvernement Bagdad erfassten Vorfälle betrafen Schießereien (46,4%), gefolgt von Morden („executions“) (30,6%) und die Verwendung improvisierter Sprengsätze (20,7%).
Dem Experten Michael Knights zufolge ereigneten sich in Bagdad 2018 die wenigsten Terroranschläge von –Jihadisten seit dem Jahr 2003. Anschläge des Islamischen Staates sind in der Stadt selbst „mehr oder weniger verschwunden“, in den Bagdad-Belts sind die Anschläge des islamischen Staates zurückgegangen. Derzeit verhält sich der Islamische Staate in Bagdad und den Bagdad-Belts unauffällig und hat 2018 nicht viele Operationen durchgeführt. Wenn Angriffe verübt werden, handelt es sich meistens um Anschläge mit improvisierten Sprengsätzen. Der Islamische Staat ist wahrscheinlich nicht für den Großteil der Gewalt in Bagdad verantwortlich. Das Institute for the Study of War geht in diesem Zusammenhang davon aus, dass die derzeit registrierten Gewaltakte in Bagdad im Zusammenhang mit kriminellen und politischen Auseinandersetzungen (unter letztes fallen politische Einschüchterung, gezielte Attentate usw.) und nicht mit dem Islamischen Staat stehen. Auch der Experte Michael Knights geht davon aus, dass meisten Gewalttaten in Bagdad nicht dem Islamischen Staat zuzuschreiben sind. Quellen besagen, dass der Islamische Staat seine Aktivitäten derzeit nur im Bagdad-Belt und in den Randgebieten der angrenzenden Gouvernements entfaltet, anstatt in der Stadt selbst. Der Experte Joel Wing gab an, dass die gewalttätigsten Vorfälle mit improvisierten Sprengsätzen und Schießereien, die er aufzeichnete, Medienberichten zufolge im äußersten Norden und Süden von Bagdad und in geringerem Maße im Westen vorkommen. Das Institute for the Study of War stellte fest, dass die intensiveren Angriffe mit improvisierten Sprengsätzen im nördlichen und nordwestlichen Teil der Stadt Bagdad (Kadhimiyah, Adahamyah) und im Vorort Tarmia (nördlich von Bagdad) verübt werden. Nur einige Vorfälle ereigneten sich in Bagdad westlich des Tigris - Karadah und Neu-Bagdad / al-Nissan und östlich des Tigris (Rusafa, Karkh, Rasheed und Mansour) sowie in Doura, jedoch in geringerer Intensität.
Das Institute for the Study of War kommt in seiner Analyse zum Ergebnis, dass „überwiegende Mehrheit“ der Gewaltakte in Bagdad im Jahr 2018 „politische Gewalt“ darstellte, die im Allgemeinen politische Einschüchterungen, bewaffnete Scharmützel und gezielte Morde unter Schiiten vor dem Hintergrund des anhaltenden politischen Wettbewerbs und der Regierungsbildung nach den Wahlen im Mai 2018 umfasste. In ähnlicher Weise erklärt der Experte Michael Knights, dass der Haupttrend bei der Gewalt in Bagdad darin besteht, dass es sich fast ausschließlich um persönliche, gezielte oder kriminelle Gewalt handelt, die in erster Linie den Einsatz von Kleinwaffen, Erpressung, Einschüchterung, improvisierte Sprengsätze oder Granaten, Schießereien, Raubüberfälle und andere Erscheinungsformen organisierter Kriminalität umfasst. Diese Aktivitäten dienen dem Experten zufolge in erster Linie der Einschüchterung und Gewalt gegen Zivilisten, um Geld zu verdienen, Zivilisten zu vertreiben, die als Außenseiter angesehen werden, oder um politische Gegner oder Menschen mit einer anderen ethnischen oder religiösen Zugehörigkeit zu vertreiben oder ist gegen Personen gerichtet, die aufgrund ihres Lebensstils oder ihrer vorherigen Beteiligung an Verbrechen oder bewaffneten Konflikten exponiert sind. Er erwähnte auch, dass die politischen Spaltungen unter den Schiiten derzeit einen Großteil der Gewalt in den schiitischen Gebieten von Bagdad und Basrah ausmachen.
Die Expertin Geraldine Chatelard hebt hervor, dass Milizen in Bagdad häufig von Sunniten und Minderheiten der Gewalt beschuldigt werden, Morddrohungen, Entführungen, gezielte Attentate oder die Übernahme von Gebäuden von rechtmäßigen Eigentümern verübt zu haben, dies unter Hinweis darauf, dass sogar Schiiten Opfer von Erpressung und Tötung geworden sind. Der Expterte Michael Knights weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass Sunniten und Christen in erster Linie befürchten, von schiitischen Milizen in Bagdad erpresst oder entführt zu werden, jedoch Quellen davon berichteten, dass die Zuweisung der Verantwortung für bestimmte Angriffe zu bestimmten Täter in Bagdad schwierig ist und insbesondere Sprengstoff sowohl zu politischen als auch zu kriminellen Zwecken eingesetzt wird, um Ziele anzugreifen und einzuschüchtern. Den PMF-Milizen werden dabei „enge Verbindungen zu kriminellen Banden“ zugeschrieben, die Unterscheidung zwischen beiden ist nicht immer klar.
Der Experte Michael Knights vertritt zur Sicherheitslage allgemein die Ansicht, dass in der Stadt Bagdad die Gebiete sicherer sind und weniger Raum für offene Gewalt wie z.B. improvisierte Sprengsätze oder Raubüberfälle bieten, in denen sich die irakischen Streitkräfte auf die Bewachung wichtiger Standorte konzentrieren – etwa die Verwaltungsbezirke Karkh, Doura und Mansour. Dort wo die irakischen Streitkräfte weniger dominant ist und bewaffnete Akteure wie kriminelle Banden und Milizen Revierkämpfe führen und um Einfluss konkrurrieren, ist die Sicherheitslage entsprechend angespannter, wie in Kadhimiyah, Jihad, Bayaa und Karadah. Er vertrat die Ansicht, dass die "schlimmsten Sicherheitsbereiche" in der Stadt Adhamiyah, New Bagdad und Sadr City seien.
Milizen sind auch in bewaffnete Zusammenstöße zwischen ihnen selbst und den regulären Sicherheitskräften verwickelt, die laut Michael Knights im Jahr 2018 im Zentrum der Hauptstadt und in östlich gelegenen Gebieten mehrmals stattfanden. Ein Vorfall zog mediale Aufmerksamkeit nach sich: Am 20. Juni 2018 stoppte die irakische Polizei ein Auto in der Innenstadt von Bagdad, das Angehörigen der von Iran unterstützten Miliz Kataib Hezbollah („Hisbollah-Brigaden“) gehörte. Ein Hisbollah-Konvoi mit fünf Fahrzeugen traf ein und begann auf die Polizei zu schießen, was zu einem Feuergefecht führte, bei dem zwei Offiziere und ein Milizionär verletzt wurden. Die Polizei umzingelte daraufhin das Hauptquartier der Kataib Hezbollah, bis der Schütze der Polizei übergeben wurde. Der Vorfall spiegelt den möglichen Machtkampf zwischen irakischen Sicherheitskräften (Armee, Bundespolizei, örtliche Polizei) und PMF-Milizen wider.
EASO hat die folgenden sicherheitsrelevanten Vorfälle im Jahr 2018 exemplarisch identifiziert:
Anschläge mit improvisierten Sprengsätzen und Bomben
Bagdad wurde in der Vergangenheit vom Islamischen Staat wegen der Bevölkerungskonzentration bevorzugt angegriffen, da die großen Menschenansammlungen die Möglichkeit geboten haben, mit einem Bombenanschlag eine große Anzahl von Opfern zu treffen. 2018 sind solche Anschläge jedoch zurückgegangen. Noch im Jahr 2017 verfolgte der Experte Michael Knights eine hohe Anzahl von Angriffen mit Hilfe von improvisierten Sprengsätzen auf Märkte und Geschäfte in Bagdad. Die Anzahl der Angriffe dieser Art ging jedoch im weiteren Verlauf des Jahres 2018 zurück. Das Institute for the Study of War stellte fest, dass ein in Bagdad im Jahr 2018 festgestellter charakteristischer Angriff des Islamischen Staates darin bestand, Sprengsätze gegen kleine Personenbusse einzusetzen, die jeweils etwa zehn Personen befördern und die in ganz Bagdad zum Straßenbild gehören. Diese Busse wurden im Islamischen Staat im Jahr 2018 mehrmals mit improvisierten Sprengsätzen angegriffen, was zwar nur minimale Verluste, aber Einschüchterungen der Zivilbevölkerung zur Folge hatte.
Noch im Januar 2018 sprengten sich zwei Selbstmordattentäter auf dem überfüllten Tayran-Markt in Bagdad und töteten dabei mindestens 38 Menschen und verletzten bis zu 90 Menschen. Der Angriff schockierte die Bevölkerung von Bagdad, da er nach einem signifikanten Rückgang solcher Angriffe in Bagdad. Er wurde vom Guardian als der schwerste Angriff auf Bagdad seit der Erklärung des Sieges über den Islamischen Staat beschrieben. Beispiele für andere explosive Angriffe im Jahr 2018 sind die folgenden:
? In Rashidiya explodierte im Januar 2018 eine Bombe, ein Milizionär der PFM wurde getötet und zwei weitere wurden verletzt wurden.
? Am 23. Januar 2018 wurde ein Soldat getötet und zwei weitere verletzt, als eine irakische Militärpatrouille in Tarmiya nördlich von Bagdad von einer Straßenbombe getroffen wurde.
? Am 16. Mai 2018 wurden 5 Menschen getötet und 10 verletzt, als ein Selbstmordattentäter ein schiitisches Begräbnis in Tarmiya angriff.
? Am 23. Mai 2018 verübte der Islamische Staat einen Selbstmordanschlag in der Shula-Region, bei dem Angaben des Islamischen Staates zufolge 33 Menschen getötet und verletzt wurden. Die irakischen Medien berichteten demgegeneüber, dass vier Menschen getötet und 15 verletzt wurden.
? Der Islamische Staat meldete im August 2018 5 Angriffe mit improvisierten Sprengsätzen auf Kleinbusse in Bagdad in den Distrikten Amil, Shula, Turath und Baladiyat. 669 Zwei dieser Angriffe töteten und verletzten 12 schiitische Muslime.
? Im Juni 2018 wurden 17 Menschen bei einer Explosion eines Waffenlagers der Miliz von Muqtada al Sadr getötet und 80 verletzt. Berichten zufolge wurden die Waffen in einer Moschee aufbewahrt, die von Sadr-Anhängern benutzt wurde.
? Eine Explosion auf einem Markt in Sadr City am 14. August 2018 wurde von einer Quelle im Sicherheitsapparat auf kriminelle Gründe zurückgeführt. Dabei wurden drei Menschen getötet und vier verletzt.
? Ein improvisierter Sprengsatz, der auf Schiiten im Bezirk Jihad (West-Bagdad) abzielt, tötete Berichten zufolge im September 2018 vier Menschen in der Nähe eines Einkaufszentrums.
? Am 25. September 2018 wurde in den folgenden Bezirken eine Reihe von Explosionen gemeldet, die zu Opfern führten: Al Jadid (New Bagdad) östlich von Bagdad (1 Tote, 2 Verletzte), al Shaab nördlich von Bagdad (2 Tote) und al-Baayaa westlich von Bagdad (2 Tote) .Der Islamische Staat übernahm am 25. September 2018 die Verantwortung für fünf improvisierte Sprengsätze gegen Shula, Kadhimiyah (Nord-Bagdad), Shaab und Bataween (Rusafa), und den Bezirk Bayaa (Zentral-Bagdad), dabei wurden 3 Zivilisten getötet.
? Am 1. und 2. Oktober 2018 forderten zwei improvisierte Sprengsätze in Shaab und Al Jadid einen Toten und mehrere Verwundete. Dem Islamischen Staat zufolge sei die Zahl der Opfer bei diesen beiden Angriffen viel höher gewesen und habe mehr als 50 Tote und Verwundete betragen.
? Am 7. Oktober 2018 wurden bei einer Reihe von Angriffen auf verschiedene Vororte in Bagdad (Abu Dshir, 17 km südlich von Bagdad, Abu Ghraib, 44 km westlich von Bagdad und im Norden von Bagdad) vier Personen getötet und fünf verletzt.
? Am 4. November 2018 wurden bei einer Serie von fünf improvisiertem Sprengsätzen in verschiedenen Gebieten des Gouvernements 8 Personen getötet und 14 verletzt. Eine andere Quelle berichtete von 7 Toten und 16 Verletzten. Der Islamische Staat behauptete jedoch, es seien bei den von ihm verübten Anschlägen mehr als 50 Opfer zu beklagen gewesen.
Beispiele für bewaffnete Zusammenstöße im Jahr 2018 sind die folgenden:
? Unbekannte bewaffnete Personen eröffneten das Feuer im Stadtteil Jihad im Westen von Bagdad und töteten im Januar 2018 einen lokalen Bürgermeister.
? Der Islamische Staat ermordete 8 Zivilisten bei einem Angriff auf den Vorort Tarmia im Mai 2018; die Opfer stellten Werbung für die Parlamentswahl auf; der Islamische Staat bezeichnete sie als Mitglieder einer Stammesmiliz.
? Bei einem weiteren, nächtlichen Angriff des Islamischen Staates auf den Vorort Tarmia Anfang Mai 2018 wurden 21 Mitglieder eines lokalen Stammes (18 Männer, 2 Frauen und ein Kind) getötet. Sämtliche Opfer waren Mitglieder des Albu-Faraj-Stammes, der ein überzeugter Gegner des Islamische Staates in der Region ist. Die Mitglieder sind Teil der lokalen sunnitischen Miliz und der PMF, die zur Verteidigung gegen des Islamischen Staat gegründet wurden. Die Angreifer des Islamischen Staates trugen Armeeuniformen und gingen zunächst gegen einen Anwalt vor, von dem bekannt war, dass er Opfern des Islamischen Staates half, und töteten ihn in seinem Haus. Als andere Dorfbewohner kamen, um zu helfen, eröffneten sie das Feuer, töteten und verletzten sie und zogen sich zurück, bevor die Armee eintraf, um sie zu fassen.
In Bagdad gab es mehrere Morde an Persönlichkeiten, die in sozialen Medien bekannt geworden waren, ohne dass die Täter identifiziert und einer bestimmten Gruppierung zugeordnet werden konnten.
? Tara Fares, bekannt aus Instagram, die in den sozialen Medien über persönliche Freiheit berichtet, wurde am 27. September 2018. in Bagdad erschossen, als sie in ihrem Porsche fuhr.
? Im Jahr 2017 wurde Karar Nushi, ein männliches Model, das Morddrohungen wegen seiner langen Haare und seiner engen Kleidung erhalten hatte, in der Palästina-Straße erstochen aufgefunden, wobei sein Körper Anzeichen von Folter zeigte.
? Hammoudi al-Meteiry, ein 15-jähriger und als „König von Instagram“ bezeichneter Jugendlicher, der Berichten zufolge wegen seiner Homosexualität von unbekannten Tätern getötet wurde.
Der Islamische Staat gab bekannt, Scheichs und Stammesführer angegriffen zu haben, die die Parlamentswahlen im Mai 2018 unterstützten. Im Mai 2018 behauptete der Islamische Staat, er habe das Haus eines wahlfördernden Stammesführers mit einer Bombe angegriffen zu haben; es ist unklar, ob diese dabei getötet wurde. Folgende weiteren Angriffe wurden dem Islamischen Staat zugeschrieben:
? Am 27. Februar 2018 wurden vier Mitglieder der Sahwa-Bewegung von unbekannten Tätern im Norden Bagdads erschossen. Einer wurde getötet, die anderen drei verwundet.
? Am 1. März 2018 wurde ein ehemaliger Beamter der Sahwa-Bewegung durch eine Bombe in Bagdad getötet.
? Am 29. April 2018 wurde ein Führer der PMF, Qassim Al-Zubaidi, bei einem Attentat in der Innenstadt von Bagdad verletzt. Stunden zuvor wurde ein Wahlkandidat der Rechtsstaat-Koalition nördlich von Bagdad getötet.
? Am 22. Juni 2018 gab der Islamische Staat bekannt, einen Stammesführer in al-Zour in der Nähe von Tarmia nördlich der Hauptstadt getötet zu haben, weil er die Parlamentswahlen unterstützt hatte.
? Am 8. Juli 2018 wurden ein Kommandeur der Stammesmiliz und einer seiner Begleiter bei einem Bombenangriff in Nordbagdad verwundet.
? Am 19. Juli 2018 wurde ein Angehöriger der Sicherheitskräfte bei einem Angriff mit einer auf der Straße platzierten Bombe auf ihn in Tarmia im Norden von Bagdad verwundet.
? Am 2. August 2018 wurde mit einer am Straßenrand platzierten Bombe ein Fahrzeug der Sicherheitskräfte in der Region Sabaa al-Bour nördlich von Bagdad angegriffen. Eine Person wurde getötet, eine andere verletzt.
Im Januar 2018 erklärte der Direktor des Medienbüros des BOC, dass die Sicherheitskräfte in der Hauptstadt Fortschritte in Bezug auf das Sammeln von Informationen über den Islamischen Staat gemacht hätten und dass sich Militäreinsätze im Bagdader Gürtel positiv auf die Sicherheitslage ausgewirkt hätten. Der Direktor kündigte ferner den Bau eines Sicherheitszauns um Bagdad mit Sicherheitstoren an, um Aufständische daran zu hindern, in die Stadt einzusickern.
Dem Institute für the Study of War zufolge hat sich BOC im vergangenen Jahr auf die Bagdad-Belts konzentriert, was zu dem Rückgang der Angriffe in Bagdad beigetragen hat. Im Allgemeinen sei es den Sicherheitskräften gelungen, die Rückkehr weitverbreiteter Gewalt nach Bagdad im Jahr 2018 zu verhindern. Dieser Erfolg zeigt sich in der allgemeinen Abnahme von Gewaltereignissen im vergangenen Jahr. Politische Gewalt stelle nach wie vor die größte Herausforderung dar, dazu komme Destabilisierung angesichts der anhaltenden Blockade der neuen irakischen Regierung unter dem irakischen Premierminister Adel Abdul-Mahdi. Die PMF und andere lokale Sicherheitskräfte in Bagdad würden häufig eher auf politische Akteure reagieren, als auf den institutionellen staatlichen Sicherheitsapparat.
Die Expertin Geraldine Chatelard erklärt, dass die Wirksamkeit des Schutzes der Zivilbevölkerung vor verschiedenen Formen von Gewalt vom politischen Willen der beteiligten Akteure abhängen kann. Schutzbemühungen werden durch die Situation vor Ort untergraben, in der PMF-Milizen auf Befehl ihrer eigenen Kommandos handeln und nicht der irakischen Regierung, weil sie verschiedenen politischen Anwärtern oder iranischen Gönnern gegenüber rechenschaftspflichtig sind. Die Regierung könne Erscheinungen von „Gesetzlosigkeit und Kriminalität“ seitens der Milizen derzeit nicht wirksam begegnen. Der Experte Michael Knights geht davon aus, dass Gesetzesverstöße von Milizen auch derzeit folgenlos bleiben. Landinfo schätzt die Lage in Bagdad so ein, dass Milizen weiterhin Bewegungsfreiheit zukommt und sie über Verbindungen zur Polizei verfügen und an Kontrolle, Verhaftung, Bestrafung bzw. Entführung von Personen ebenso beteiligt sind, wie an anderweitigen an kriminellen Aktivitäten. In den Bagdad-Belts haben die Milizen mehr Handlungsspielraum, dort können sie den Einheimischen das Recht verweigern, in ihre Häuser zurückzukehren. Die PMF-Milizen sind dessen ungeachtet populär und haben sowohl formelle als auch informelle Macht. Sie konzentrieren sich auch auf den Wiederaufbau. In Bagdad wurde etwa ihre Rolle beim Wiederaufbau einer medizinischen Klinik beworben. Manchmal wenden sich die Einheimischen, auch in Bagdad, an die Milizen der Nachbarschaft, anstatt an die Polizei, um Gerechtigkeit zu suchen.
Michael Knights zufolge gibt es eine große Konzentration von Sicherheitskräften, einschließlich der in Bagdad stationierten Armee, die seiner Ansicht nach angemessen und aktiv geführt werden und über adäquate Beratung und nachrichtendienstliche Unterstützung verfügen. Die Androhung bzw. Zufügung von Gewalt in Bagdad erfolge derzeit eher „persönlich und gezielt“ und weniger „situativ“ (Anwesenheit am falschen Ort / zum falschen Zeitpunkt). Das Institute for the Study of War erklärte, dass Milizen in Bagdad in einem gewaltsamen Wettbewerb um territoriale Präsenz und Territorium, Bevölkerung und politischen Einfluss stehen. Viele ihrer politischen Machthaber wurden im Mai 2018 in das irakische Parlament bzw. die Regierung gewählt.
Checkpoints in Bagdad werden dazu verwendet, um sicherzustellen, dass Autobomben und Selbstmordattentäter nicht in die Stadt eindringen. Dem Experten Fanar Haddad zufolge betreiben PMF-Milizen keine regulären Checkpoints in der Stadt Bagdad, richten solche bei Zwischenfällen aber ad hoc ein. In den Bagdad-Belts gibt es demgegenüber sichtbare PMF-Präsenz und PMF-Kontrollpunkte Eine ähnliche Ansicht vertrat ein im Irak ansässiger Sicherheitsanalytiker, der erklärte, dass sich die von PMF-Milizen betriebenen Kontrollpunkte hauptsächlich am Stadtrand von Bagdad befinden und nicht in der Stadt selbst, wobei an Kontrollpunkten im Osten der Stadt PMF-Elemente gemeldet wurden. Es sei für die PMF-Milizen möglich, temporäre Kontrollpunkte einzurichten, um auf bestimmte Probleme in den Stadtteilen von Bagdad zu reagieren. Im Januar 2018 teilte der Mediendirektor der BOC der Zeitung Asharq Al-Awsat mit, dass 281 Kontrollpunkte in Bagdad aufgehoben wurden, mindestens 600 Hauptstraßen und Ausgänge und ihre Vororte wiedereröffnet und am 10. Dezember 2018 Tausende Betonblöcke entfernt wurden. Im Jahr 2018 wurde außerdem die befestigte Internationale Zone (grüne Zone) in der Innenstadt für die Öffentlichkeit geöffnet. Dies ist die erste Wiedereröffnung nach Jahren. Im Jahr 2015 hatte die Regierung die grüne Zone für ein paar Tage geöffnet, aber nach Widerstand von US-Beamten wieder geschlossen.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurde Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den von der belangten Behörde vorgelegten Verfahrensakt unter zentraler Zugrundelegung der niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers und der im Gefolge seiner Einvernahme in Vorlage gebrachten Unterlagen sowie des Inhaltes der gegen den im Verfahren angefochtenen Bescheid erhobenen Beschwerde, ferner durch Befragung des Beschwerdeführers als Partei in der vor dem erkennenden Gericht am 18.10.2019 durchgeführten mündlichen Verhandlung, Einholung aktueller Auszüge aus dem Strafregister, dem Zentralen Melderegister, dem Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister und dem Betreuungsinformationssystem über die Gewährleistung der vorübergehenden Grundversorgung für hilfs- und schutzbedürftige Fremde in Österreich sowie die Einholung eines Sozialversicherungsdatenauszuges und im Wege der Einsichtnahme in die vom Bundesverwaltungsgericht in das Verfahren eingebrachten Erkenntnisquellen (Aktuelle länderkundliche Informationen zur Lage im Irak auf Basis der EASO Country of Origin Information aus Februar und März 2019) betreffend die allgemeine Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers.
2.2. Der eingangs angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unbestrittenen Inhalt des vorgelegten Verfahrensaktes der belangten Behörde.
Die Feststellungen zur Identität und zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers sowie zu seinen persönlichen und familiären Lebensumständen ergeben sich aus den im Wesentlichen übereinstimmenden Angaben des Beschwerdeführers.
Die Abkehr vom schiitischen Glauben vermochte der Beschwerdeführer nicht plausibel darzulegen und besteht diese – wenn überhaupt – aktuell in einer lediglichen Nichtausübung, zumal ein offizieller Austritt oder gar ein Wechsel der Religion nicht angedacht ist. Vor diesem Hintergrund konnte ein Abfall vom schiitischen Glauben nicht festgestellt werden.
Die Deutschkenntnisse des Beschwerdeführers wiederum gründen sich auf die Wahrnehmungen in der mündlichen Beschwerdeverhandlung.
Die Feststellungen im Hinblick auf den gesundheitlichen Zustand des Beschwerdeführers basieren auf den Ausführungen des Beschwerdeführers in der Beschwerdeverhandlung.
Die festgestellte Berufstätigkeit des Beschwerdeführers seit XXXX 2020 ergibt sich aus einem aktuellen Sozialversicherungsdatenauszug.
Festgestellt wurde, dass der Beschwerdeführer seit XXXX 2019 mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet ist. Dies ergibt sich aus der in Vorlage gebrachten Heiratsurkunde. Diese Ehe ist, mangels Scheidungsurkunde, de facto nach wie vor aufrecht. Jedoch wurde mit XXXX 2020 die gemeinsame Wohnadresse aufgelöst, da der Beschwerdeführer nunmehr an einer neuen Adresse, nämlich XXXX , gemeldet ist.
Entsprechend dem amtswegig eigeholten Strafregisterauszug ergibt sich, dass der Beschwerdeführer unbescholten ist. Ermittlungen wegen des Verdachtes der Scheinehe wurden seitens der Staatsanwaltschaft XXXX am XXXX 2019 eingestellt.
Die Reise und der Aufenthalt des Beschwerdeführers in XXXX im XXXX 2019 ergeben sich zum einen aus einer Information von Interpol Rom und zum anderen aus dem Eingeständnis des Beschwerdeführers im Rahmen der Beschwerdeverhandlung. Auch das Vorhandensein eines irakischen Reisepasses gründet sich auf die Angaben des Beschwerdeführers, der letztlich im Zuge der mündlichen Verhandlung trotz anfänglichen Leugnens zugegeben hat, einen solchen zu besitzen, wobei in diesem Zusammenhang festgehalten werden muss, dass der irakische Originalreisepass trotz diesbezüglicher Aufforderung bis zum Entscheidungszeitpunkt nicht in Vorlage gebracht wurde, weshalb sich der Schluss aufdrängt, dass sich darin noch mehr Reisebewegungen des Beschwerdeführers (möglicherweise auch in seinen Herkunftsstaat) finden könnten.
Die Feststellung, dass ein Aufenthaltsberechtigungsverfahren aufgrund einer Beschwerdezurückziehung eingestellt wurde, beruht auf dem dementsprechenden Beschluss des Landesverwaltungsgerichtes XXXX vom XXXX 2020, Zl. XXXX .
2.3. Die zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat getroffenen Feststellungen ergeben sich aus den vom Bundesverwaltungsgericht herangezogenen herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen, welche dem Vertreter des Beschwerdeführers im Rahmen der Beschwerdeverhandlung zur Erstattung einer Stellungnahme ausgehändigt wurden. In Anbetracht der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild zeichnen, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.
Der Vertreter des Beschwerdeführers zog die herangezogenen Länderberichte auch nicht in Zweifel, zumal er in seiner schriftlichen Stellungnahme vom 04.11.2019 ausführte, dass diese zur Kenntnis genommen werden würde und hiezu keine Stellungnahme abgegeben werde.
2.4. Als Grund dafür, dass ihm eine Rückkehr in den Irak nicht möglich sei wurde vom Beschwerdeführer ausgeführt, dass er regimekritische Postings verfasst habe, weshalb die Milizen bei seiner Familie Nachschau gehalten hätten. Auch seien Freunde von ihm, die ebenfalls auf Facebook gepostet hätten, festgenommen worden. Des Weiteren sei er nunmehr Atheist, weshalb er Angst vor seiner Familie habe.
Die in der Beschwerdeverhandlung getätigten Ausführungen hinsichtlich einer etwaigen Rückkehrbefürchtung sind – wie bereits vom BFA ausgeführt – nicht glaubwürdig und als reine Schutzbehauptung zu werten. Abgesehen davon, dass der Beschwerdeführer keinerlei Scheue zeigte, zumindest im XXXX 2019 in den Irak zu fliegen, wo er sich – seinen Angaben folgend – mindestens zwei Wochen lang aufgehalten habe, sind die Ausführungen zu seinen Postings nicht nachvollziehbar. Nachdem in der mündlichen Beschwerdeverhandlung nicht abschließend geklärt werden konnte, was bzw unter welchen Namen der Beschwerdeführer überhaupt etwas gepostet hat, wurde dieser aufgefordert, Auszüge seiner Profile bzw die regimekritischen Postings dem Gericht zur Verfügung zu stellen. Am 24.10.2019 übermittelte der Beschwerdeführer ein Konvolut an Unterlagen, woraus sich nach erfolgter Übersetzung Folgendes ergab: Bei einem Teil der Unterlagen handelt es sich um Teilnahmebestätigungen von Fotografiekursen oder Dankesschreiben. Es wurden auch einige Screenshots von einem Facebook Account des Beschwerdeführers – und nicht wie aufgefordert von allen vorhandenen Accounts – vorgelegt. Diese datieren aus dem Zeitraum 14.07.2018 bis 20.07.2018 und handelt es sich dabei um den Account mit dem Namen „ XXXX “. (Der Name leitete sich offensichtlich von einem Dichter namens XXXX ab, der nach Informationen des übersetzenden Dolmetschers ein irakischer Poet war, der in den 1960/70 Jahren die Politiker im Irak kritisiert bzw beschimpft hat.) Diese Postings haben den Beschwerdeführer jedoch nicht abgehalten, im XXXX 2019 in den Irak zu reisen, wobei er auf Nachfrage in der Beschwerdeverhandlung, ob es bei der Ein- oder Ausreise in den bzw aus dem Irak Probleme bei der Grenzkontrolle gegeben habe, selbst ausführte, dass es zu keinerlei Schwierigkeiten gekommen sei (OZ 16 S 7). Das vom Beschwerdeführer behauptete Schließen und Wiedereröffnen von seinen Facebook Seiten konnte anhand der vorgelegten Unterlagen jedoch nicht nachvollzogen werden. Auch das Bestehen weiterer regimekritischer Accounts – wie von ihm behauptet – konnte unter Zugrundelegung der vorgelegten Postings nicht glaubwürdig dargetan werden. Festzuhalten ist in diesem Zusammenhang auch, dass keine neuen regimekritischen Postings vom Beschwerdeführer in Vorlage gebracht wurden, die eine aktuelle Furcht vor potentieller Verfolgung zu begründen vermögen.
Die Recherchen des BFA haben hingegen folgendes ergeben: Der Beschwerdeführer verfügt offensichtlich über mindestens fünf verschiedene Benutzerprofile bzw Facebook Seiten. Es könne jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass noch weitere Profile des Beschwerdeführers existieren würden. Es wurde weiters dargetan, dass alle fünf Accounts laufend benutzt werden und konnten keine Inaktivitäten festgestellt werden. Hervorgehoben wurde darüber hinaus, dass auf einem Account mit Fotos der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Irak dokumentiert wurde. Zu Recht macht das BFA in diesem Zusammenhang auf den offensichtlichen Widerspruch aufmerksam, dass es nicht plausibel sei, dass der Beschwerdeführer einerseits vorbringe, aufgrund seiner regimekritischen Postings aus Furcht vor den Milizen nicht mehr in den Irak zurückkehren zu könne und andererseits Fotos auf seinem Facebook Account poste, die seinen Aufenthalt im Irak dokumentieren.
Eine potentielle Vulnerabilität des Beschwerdeführers in politischer Hinsicht lässt sich aus den in Vorlage gebrachten Unterlagen jedenfalls nicht ableiten.
Hinsichtlich der behaupteten religiösen Schwierigkeiten ist festzuhalten, dass erstmalig in der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA vom Beschwerdeführer lapidar vorgebracht wurde, dass er keiner Religion mehr angehören würde. In der Beschwerde wurde in diesem Zusammenhang lediglich ausgeführt, dass dem Beschwerdeführer eine Verfolgung drohe, weil er keinen Glauben mehr habe und ihm eine westliche Orientierung zumindest unterstellt werden würde. Detailliertere Ausführungen diesbezüglich finden sich jedoch nicht. In der Beschwerdeverhandlung führte der Beschwerdeführer zu diesem Thema nachgefragt aus, dass er Atheist sei, weil er momentan – seit 1. August 2018 (Tag der niederschriftlichen Befragung vor dem BFA) – seinen islamischen Glauben nicht mehr ausüben würde. Dies deshalb, da die Probleme im Irak religiös motiviert seien, weshalb er seinen Glauben nicht mehr ausüben wolle. Offiziell ausgetreten sei er aus dem Islam jedoch nicht. Aus diesem Grund hätte er auch keinen Kontakt mehr zu seiner Familie, außer zu seiner Mutter (OZ 16Z S 4). Im erstinstanzlichen Verfahren spielte die Religion des Beschwerdeführers kaum eine Rolle und stand vielmehr eine politisch motivierte Verfolgung durch die Milizen im Vordergrund. Dass sich durch das Nichtausüben der islamischen Religion Probleme ergeben würden, wurde in der Einvernahme vor dem BFA nicht thematisiert. Die Beschwerde beschränkt sich in diesem Zusammenhang auf eine lapidare Wiederholung der Aussage, dass der Beschwerdeführer keinen Glauben mehr habe, ohne dies näher auszuführen. Es wurde lediglich durch diesen Umstand eine unterstellte westliche Orientierung behauptet, die zu einer potentiellen Verfolgung führen würde. Schließlich erhellte auch die Beschwerdeverhandlung das religiös motivierte Vorbringen nicht. Als Grund für die Nichtausübung wurde vom Beschwerdeführer dargetan, dass die Probleme im Irak auf die Religion zurückzuführen seien, weshalb er sich dazu entschlossen habe, den Islam nicht mehr auszuüben. Dies genügt jedoch nicht, um von einem gänzlichen Abfall des Islam ausgehen zu können. Darüber hinaus schränkte der Beschwerdeführer sein diesbezügliches Vorbringen auch dahingehend ein, indem er selbst ausführte, dass er seine Religion momentan nicht ausüben würde, offiziell sei er nicht ausgetreten und ist davon auszugehen, dass er dies auch nicht vorhat. Im Zusammenhang mit einer etwaigen Rückkehrbefürchtung gab der Beschwerdeführer lediglich an, dass man es im Irak als Atheist sehr schwer habe. Weiters wurde allgemein ausgeführt, dass jeder, der seinen Glauben ablegen würde, getötet werden würde. Konkrete individuelle Befürchtungen wurden hingegen nicht formuliert. Auch die befürchteten familiären Probleme durch die Nichtausübung des Islam vermögen nicht zu überzeugen, da diese erstmalig in der Beschwerdeverhandlung vorgetragen wurden. Auch mangelt es diesem Vorbringen an einer nötigen Substantiiertheit, da der Beschwerdeführer – so wie im Zusammenhang mit seiner behaupteten regimekritischen Tätigkeit – lediglich behauptete, getötet zu werden, ohne dafür konkrete Anhaltspunkte zu liefern. Darüber hinaus stellt es auch einen Widerspruch dar, dass er zum einen angibt, dass er Probleme mit seiner Familie befürchte, wobei der Beschwerdeführer die Natur dieser Schwierigkeiten nicht klar darzulegen vermochte, und zum anderen ausführt, dass seine Beiträge auf Facebook von seinem Vater aus Angst nicht „geliked“ worden seien. Daraus ist jedenfalls abzuleiten, dass ein Kontakt zu gesamten Familie besteht. Überdies ist es nicht plausibel, wenn der Beschwerdeführer ausführt, dass er sich aus Angst vor seiner Familie während seines Aufenthaltes in einem Hotel versteckt habe und andererseits seinen Aufenthalt auf seinem (öffentlich einsehbaren) Facebook Account selbst postet. Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass es sich bei diesem Vorbringen um eine bloße Schutzbehauptung des Beschwerdeführers handelt. Somit ist auch davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückführung in den Irak wieder Aufnahme bei seiner Familie – wo er ohnehin bis zu seiner Ausreise im Jahr 2015 aufhältig war – finden werde.
2.5. Andere Rückkehrhindernisse wurden vom Beschwerdeführer nicht dargetan. Aus den herangezogenen und dieser Entscheidung zugrunde gelegten Länderberichten ist abzuleiten, dass die Sicherheitslage im Gouvernement Bagdad ausweislich der ausführlichen Feststellungen stabil ist und es ist infolge der militärischen Niederlage des Islamischen Staates ein gravierender Rückgang der sicherheitsrelevanten Vorfälle und der damit einhergehenden zivilen Opfer eingetreten. Die vereinzelten terroristischen Aktivitäten des Islamischen Staates konzentrieren sich auf die Vororte (den sogenannten Bagdad-Belt), sie sind vorrangig gegen exponierte Personen wie Stammesführer oder gegen die schiitische Zivilbevölkerung gerichtet, um eine Verunsicherung in der Bevölkerung zu erzielen.
Aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts kann in Anbetracht der zu den Feststellungen zur Sicherheitslage in Bagdad dargestellten Gefahrendichte nicht erkannt werden, dass schon aufgrund der bloßen Präsenz des Beschwerdeführers in Bagdad davon ausgegangen werden muss, dass dieser wahrscheinlich das Opfer eines terroristischen Anschlages, krimineller Aktivtäten oder von Polizeigewalt bei Demonstrationen und Ausschreitungen werden würde (vgl. VwGH 21.02.2017, Ra 2016/18/0137 zur Lage in Bagdad).
Ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt findet im Gouvernement Bagdad jedenfalls nicht statt. Risikoerhöhende Umstände im Hinblick auf die Person des Beschwerdeführers, welche zu einer im Vergleich zur Durchschnittsbevölkerung stark erhöhte Gefährdung durch terroristische Aktivitäten oder im Hinblick auf willkürliche Gewalt im Zuge von Ausschreitungen bei Protesten oder kriminellen Aktivtäten hindeuten würden, wurden im Verfahren nicht vorgebracht. Der Beschwerdeführer gehört nicht den staatlichen Sicherheitskräften an und es ist kein Grund erkennbar, weshalb er im Rückkehrfall in bewaffnete Stammeskonflikte oder gewaltsame Auseinandersetzungen im Gefolge krimineller Aktivitäten Dritter verwickelt werden sollte. Er brachte schließlich auch nicht vor, sich im Fall einer Rückkehr in das Gouvernement Bagdad an dort allenfalls stattfindenden Protesten beteiligen zu wollen, sodass eine sich daraus potentiell ergebende Gefährdung an dieser Stelle grundsätzlich ausgeschlossen werden kann.
2.6. Die Zuerkennung des subsidiären Schutzes im Jahr 2017 erfolgte aufgrund der zu diesem Zeitpunkt vorherrschenden allgemeinen Situation bedingt durch die Kampfhandlungen zur Vertreibung des IS. Wie bereits oben dargelegt, ist die Sicherheitslage im Gouvernement XXXX stabil und es ist infolge der militärischen Niederlage des Islamischen Staates ein gravierender Rückgang der sicherheitsrelevanten Vorfälle und der damit einhergehenden zivilen Opfer eingetreten. Die vereinzelten terroristischen Aktivitäten des Islamischen Staates konzentrieren sich auf die Vororte (den sogenannten Bagdad-Belt), sie sind vorrangig gegen exponierte Personen wie Stammesführer oder gegen die schiitische Zivilbevölkerung gerichtet, um eine Verunsicherung in der Bevölkerung zu erzielen.
Dem wurde weder vom Beschwerdeführer selbst noch seitens seines Vertreters entgegengetreten.
2.7. Der Beschwerdeführer ist in XXXX geboren und aufgewachsen und mit der Sprache sowie den Gebräuchen in seinem Herkunftsstaat vertraut. Er hat in XXXX eine gute Schulbildung sowie eine Ausbildung zum Fotografen absolviert und bis 2015 für eine Zeitung als Fotograf gearbeitet.
Der Beschwerdeführer ist als gesunder und arbeitsfähiger Mensch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes in der Lage, sein Auskommen als Fotograf für Medien zu bestreiten oder im Wege der Inanspruchnahme von Unterstützungsleistungen des ERIN-Programmes einer selbständigen Tätigkeit nachzugehen. ERIN ist ein Rückkehr- und Reintegrationsprogramm auf europäischer Ebene mit dem Hauptziel, Reintegrationsunterstützung im Herkunftsland anzubieten. ERIN ist eine Spezifische Maßnahme im Rahmen des Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds (AMIF) der EU und wird von den Niederlanden (Repatriation and Departure Service des Ministry of Security and Justice of the Netherland) geleitet.
Im Rahmen des ERIN-Programms erhält jeder Teilnehmer und jede Teilnehmerin eine Reintegrationsleistung in der Höhe von 3.500 Euro, wobei 500 Euro als Bargeld und 3.000 Euro als Sachleistung vom Service Provider im Herkunftsland ausgegeben werden. Während die Geldleistung grundsätzlich dazu gedacht ist die unmittelbaren Bedürfnisse nach der Rückkehr zu decken, dient die Sachleistung insbesondere als Investition zur Schaffung einer Existenzgrundlage und trägt somit zu einer nachhaltigen Rückkehr bei. Von Juni 2016 bis Jänner 2018 erhielten 843 Personen im Rahmen ihrer Rückkehr von Österreich in ihr Heimatland Reintegrationsunterstützung über das ERIN-Programm. Unter Berücksichtigung von Familienangehörigen kehrten im selben Zeitraum sogar 1.254 Personen freiwillig in ihr Heimatland zurück. Aktuell wird ERIN-Reintegrationsunterstützung im Zentralirak und in der autonomen Region Kurdistan zur Verfügung gestellt (http://www.bmi.gv.at/107/EU_Foerderungen/Finanzrahmen_2014_2020/AMIF/ERIN.aspx). Die Teilnahme an diesem Programm vermittelt etwa hinreichende Starthilfe für eine selbständige Tätigkeit und den neuerlichen Aufbau eines eigenen Geschäftes. In Anbetracht der Ausbildung und der Berufserfahrung des Beschwerdeführers ist kein Grund erkennbar, weshalb er nicht als selbständiger Unternehmer erfolgreich sein sollte.
Der Beschwerdeführer ist als irakischer Staatsbürger außerdem berechtigt, am Public Distribution System (PDS) teilzunehmen, einem sachleistungsorientierten Programm, bei dem die Regierung importierte Lebensmittel kauft und an die Bevölkerung verteilt, sodass eine Absicherung im Hinblick auf Grundnahrungsmittel gegeben ist.
Schließlich gehört der Beschwerdeführer keiner ethnischen oder religiösen Minderheit im Fall einer Rückkehr in seine Heimat an, sodass auch diesbezüglich keine Vulnerabilität in Ansehung des Beschwerdeführers im Fall einer Rückkehr erkannt werden kann. Wie bereits beweiswürdigend ausgeführt, vermochte es der Beschwerdeführer nicht, eine Abkehr vom schiitischen Glauben nachvollziehbar darzulegen.
Da der Beschwerdeführer nach wie vor über seine Eltern und Geschwistern in XXXX verfügt, wird er auch sozialen Anschluss im Irak vorfinden. Den behaupteten familiären Problemen vermochte das Bundesverwaltungsgericht aus oben angeführten Gründen nicht zu folgen.
In Anbetracht des persönlichen Profils des Beschwerdeführers und ob des vom Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung gewonnenen Eindrucks gelangt das Bundesverwaltungsgericht zur Auffassung, dass der Beschwerdeführer anpassungsfähig und selbst in der Lage ist, für ein eigenes Auskommen im Fall der Rückkehr nach XXXX zu sorgen und seine grundlegenden Bedürfnisse durch eigenen Erwerbstätigkeit zu befriedigen, ohne dass es der Unterstützung durch ein familiäres Netzwerk bedarf. Abgesehen davon kann auch von einer anfänglichen Unterstützung durch seine Familie in grundlegenden Bedürfnissen – etwa in Form der Zurverfügungstellung von Nahrungsmitteln oder einer vorübergehenden Unterkunft – rechnen.
Die Feststellungen betreffend die Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers beruhen auf dessen Ausführungen in der mündlichen Verhandlung im Hinblick auf die durchlaufende Ausbildung und die im Herkunftsstaat ausgeübte Berufstätigkeit. Ferner brachte der Beschwerdeführer keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen vor, welche die Arbeitsfähigkeit beeinträchtigen würden.
Dass Rückkehrer aus dem westlichen Ausland schon aufgrund des Auslandsaufenthaltes oder einer im Ausland erfolgten Asylantragstellung besonders vulnerabel wären, kann den zur Rückkehr getroffenen Feststellungen zur Lage im Irak nicht entnommen werden. Seitens des Beschwerdeführers wurde in diesem Zusammenhang auch nicht vorgebracht, im Rückkehrfall