Entscheidungsdatum
03.09.2020Norm
BFA-VG §18 Abs2 Z1Spruch
W192 2234479-1/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Ruso als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Kosovo, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17.07.2020, Zahl: 11998113708/190755917, zu Recht erkannt:
A) Der Bescheid wird gemäß § 28 VwGVG i.d.g.F. ersatzlos behoben.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang und Sachverhalt:
1.1. Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige des Kosovo, reiste mit einem von der österreichischen Botschaft Skopje am 19.07.2018 erteilten Visum der Kategorie D nach Österreich ein. Ihr wurde ein Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot-Karte plus“ zum Familiennachzug mit Gültigkeit bis 01.07.2019 erteilt. Am 31.05.2019 stellte sie einen entsprechenden Verlängerungsantrag. Die Erteilung des Aufenthaltstitels erfolgte aufgrund einer Eheschließung der Beschwerdeführerin mit einem in Österreich niedergelassene Staatsangehörigen des Kosovo im Juli 2018 im Kosovo.
Im Juli 2019 ging dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) die Kopie eines Schreibens eines Frauenhauses an das Amt für öffentliche Ordnung der Stadtverwaltung vom 02.07.2019 zu, wonach die Beschwerdeführerin im Juni 2019 gegen ihren Ehemann und die Schwiegereltern wegen häuslicher Gewalt Anzeige erstattet habe und sich seither im Frauenhaus aufhalte. Durch das BFA wurden Erhebungen im Hinblick auf eine mögliche Scheinehe veranlasst. Dem Verwaltungsakt liegt die Kopie einer Übersetzung einer an ein Gericht im Kosovo gerichteten Klage des Ehemannes der Beschwerdeführerin auf Scheidung der Ehe vom 09.07.2019 ein.
Mit Schreiben vom 25.10.2019 richtete das BFA eine Verständigung an die Beschwerdeführerin, wonach sie sich seit Juli 2019 in einem Frauenhaus aufhalte und eine Scheidung ihrer Ehe beabsichtigt sei. Sie würde somit die Bedingungen einer Aufenthaltsbewilligung nicht mehr erfüllen und es liege der Verdacht nahe, dass sie sich den Aufenthaltstitel erschlichen habe, da sie ohne ihre Eheschließung mit einem dauerhaft in Österreich niedergelassenen Drittstaatsangehörigen keine Möglichkeit auf einen legalen Aufenthalt in Österreich gehabt hätten. Es liege der Verdacht einer Aufenthaltsehe nahe.
Mit Schriftsatz ihrer nunmehrigen Rechtsvertreterin vom 25.11.2019 brachte die Beschwerdeführerin unter anderem vor, dass sie ihren Ehemann aus Liebe und nicht deshalb geheiratet habe, um einen Aufenthalt in Österreich beantragen zu können. Das zu § 117 Abs. 1 FPG geführte Verfahren sei mit Benachrichtigung der Staatsanwaltschaft vom 26.10.2019 eingestellt worden.
1.2. Mit dem im Spruch angeführten Bescheid wurde gegen die Beschwerdeführerin gemäß § 52 Abs. 4 FPG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt I.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG „nach“ Kosovo zulässig sei (Spruchpunkt II.), gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt III.), eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 18 Abs 2 Z 1 BFA-VG einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.).
In der rechtlichen Begründung des angefochtenen Bescheides wurde zur Erlassung der Rückkehrentscheidung ausgeführt: „§ 52 Abs. 4 Z. 1 (offensichtlich gemeint: FPG) liegt in Ihrem Fall vor." Der angefochtene Bescheid enthält keine näheren Ausführungen, welcher Versagungsgrund gemäß § 60 AsylG 2005 oder § 11 Abs. 1 und 2 NAG nach Auffassung der belangten Behörde gegeben sei. Ein Hinweis findet sich lediglich in dem Abschnitt „A (Verfahrensgang" des angefochtenen Bescheides auf dessen Seite 3, wo ausgeführt wurde:
„Bereits im Juli 2019 wurde die Scheidungsklage beim Gericht Prizren eingebracht und ihre Ehe geschieden.
Damit sind nachträglich die Erteilungsvoraussetzungen für ihren Aufenthaltstitel weggefallen“
1.3. Mit dem am 20.08.2020 bei der belangten Behörde eingebrachten Schriftsatz mit selbem Datum erhob die Beschwerdeführerin durch ihre bevollmächtigte Rechtsvertretung Beschwerde gegen diesen Bescheid. Darin wurde unter anderem vorgebracht, dass die Behörde tatsachenwidrig die Feststellung getroffen habe, dass die Ehe der Beschwerdeführerin geschieden sei. Tatsächlich behänge im Kosovo ein Scheidungsverfahren, das allerdings noch nicht beendet sei. Zur aufrechten Ehe der Beschwerdeführerin laufe beim zuständigen österreichischen Bezirksgericht ein Unterhaltsverfahren, in welchem die Beschwerdeführerin aufgrund eines mit der Beschwerde vorgelegten Beschlusses vom 19.12.2019 monatlich im Vorhinein einen einstweiligen Ehegattenunterhalt in der Höhe von € 365 (abzüglich Natural Unterhaltszahlungen in der Höhe von € 79 für die Versicherung) zuerkannt bekommen hat.
Zum Scheidungsverfahren im Kosovo wurde vorgebracht, dass fraglich sei, ob die Scheidung im Sinne des Außerstreitgesetzes in Österreich für den Fall der Rechtskraft anzuerkennen sei.
2. Die Feststellungen gründen sich auf den vorgelegten Verwaltungsakt und die gegenständliche Beschwerde.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Stattgabe der Beschwerde:
Die Beschwerdeführerin ist als Staatsangehörige des Kosovo Drittstaatsangehörige iSd § 2 Abs. 4 Z 10 FPG. Da sie sich aufgrund des Aufenthaltstitels "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat, setzt eine Rückkehrentscheidung gegen sie nach dem vom BFA herangezogenen § 52 Abs. 4 Z 1FPG voraus, dass nachträglich ein Versagungsgrund gemäß § 60 AsylG oder § 11 Abs. 1 und 2 NAG eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels entgegengestanden wäre.
Das BFA hat die Erlassung der Rückkehrentscheidung nach dem vorliegenden angefochtenen Bescheid ausschließlich auf den aktenwidrig angenommenen Umstand gestützt, dass die Ehe zwischen der Beschwerdeführerin und ihrem in Österreich niedergelassenen Ehegatten geschieden wurde. Dies ist, wie sich aus den mit der Beschwerde vorgelegten Dokumenten ergibt, nicht der Fall. Aber auch ohne Vorlage dieser Dokumente hatte die Behörde keinen Anlass gehabt, von einer erfolgten Ehescheidung auszugehen, da diesbezüglich weder ein Beweismittel vorgelegt wurde noch sonstige Hinweise im Verfahren ergangen sind.
Es sind auch keinerlei andere Hinweise für das Vorliegen von Gründen für die Erlassung einer Rückkehrentscheidungen nach § 52 Abs. 4 FPG im vorliegenden Fall gegeben. Dazu ist insbesondere auf den Umstand hinzuweisen, dass das gegen die Beschwerdeführerin geführte Ermittlungsverfahren wegen § 117 Abs. 1 FPG am 26.10.2019 eingestellt worden ist.
3.2. Da Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheids somit keinen Bestand haben kann, waren auch die diesen voraussetzenden weiteren Spruchpunkte des Bescheides zu beheben.
4. Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Die Verhandlung kann nach Abs. 2 entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist (Z 1) oder die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist (Z 2).
Da der Bescheid aufzuheben war, konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß §§ 21 Abs. 7 BFA-VG iVm 24 Abs. 2 VwGVG unterbleiben.
5. Zur Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist teilweise zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.
Schlagworte
Behebung der Entscheidung mangelnder Anknüpfungspunkt Voraussetzungen Wegfall der GründeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W192.2234479.1.00Im RIS seit
22.01.2021Zuletzt aktualisiert am
22.01.2021