Entscheidungsdatum
09.09.2020Norm
AVG §19Spruch
W171 2232569-1/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gregor MORAWETZ, MBA als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , alias XXXX , geb. XXXX alias XXXX , StA Türkei, vertreten durch Mag. Ali POLAT, RA in 1080 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.06.2020, Zl.: XXXX , zu Recht erkannt:
A)
1) Die Beschwerde wird gemäß § 46 Abs. 2a und 2b FPG iVm § 19 AVG als unbegründet abgewiesen.
2) Der Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Kostenersatz wird abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1.1. Der Beschwerdeführer (in Folge: BF), ein Staatsangehöriger der Türkei, reiste nach Österreich ein und stellte am 03.05.2018 einen Antrag auf internationalen Schutz.
1.2. Mit Bescheid vom 16.11.2018 wies die Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Türkei (Spruchpunkt II.) ab. Dem Beschwerdeführer wurde gemäß § 57 AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Des Weiteren wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers in die Türkei gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). Es wurde ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.). Weiters wurde festgehalten, dass der BF ab dem 10.10.2018 sein Aufenthaltsrecht im Inland verloren habe (Spruchpunkt VII.).
Dieser Bescheid erwuchs – unter der Maßgabe, dass Spruchpunkt VII. dahingehend abgeändert wurde, dass der BF sein Aufenthaltsrecht im Inland ab dem 04.10.2018 verloren habe – mit Erkenntnis des BVwG vom 03.04.2019 zweitinstanzlich in Rechtskraft.
1.3. Mit Bescheid des BFA vom 08.06.2020 wurde dem BF aufgetragen gemäß § 46 Abs. 2a und 2b FPG iVm § 19 AVG zur Einholung eines Ersatzreisedokuments zum angegebenen Termin und Ort als Beteiligter persönlich zu kommen und an den notwendigen Handlungen zur Erlangung eines Ersatzreisedokuments, im Konkreten an der Antragstellung für die Ausstellung eines Ersatzreisedokuments/Reisepasses, mitzuwirken. Im Fall der Nichtbefolgung des Auftrags ohne wichtigen Grund, wurde die Verhängung einer Haftstrafe in der Dauer von 7 Tagen angedroht (Spruchpunkt I.). Die aufschiebende Wirkung einer allfälligen Beschwerde gegen diesen Bescheid wurde gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG ausgeschlossen (Spruchpunkt II.). Als Termin wurde der 16.06.2020 um 15:00 Uhr festgelegt. Im Bescheid führte die Behörde im Wesentlichen aus, der BF verfüge über kein gültiges Reisedokument und sei bisher seiner Verpflichtung zur Ausreise in sein Heimatland nicht nachgekommen. Er habe bis dato kein Reisedokument vorgelegt und könne das Bundesgebiet aus Eigenem nicht verlassen. Der Bescheid vom 08.06.2020 wurde dem BF am selben Tag durch persönliche Übergabe zugestellt.
1.4. Mit Schriftsatz vom 15.06.2020 erhob der BF durch seinen ausgewiesenen Rechtsvertreter fristgerecht Beschwerde gegen den Bescheid vom 08.06.2020. Im Wesentlichen wurde dabei ausgeführt, der BF könne den Termin am 16.06.2020 aus gesundheitlichen Gründen nicht wahrnehmen, da er voraussichtlich bis 21.06.2020 arbeitsunfähig sei. Zudem seien die Lebensumstände des BF inzwischen derart, dass er mit seiner Lebensgefährtin sowie dem gemeinsamen Kind zusammenlebe. Es bestehe ein starkes Abhängigkeitsverhältnis, die Beantragung eines Aufenthaltstitels für den BF sei in Aussicht genommen und eine Abschiebung des BF widerspreche seinem Recht auf Schutz des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK. Der BF sei bislang unvertreten gewesen, die Manuduktionspflicht verletzt worden und ihm keine Gelegenheit zum Parteiengehör gegeben worden. Die aufschiebende Wirkung sei zu Unrecht ausgeschlossen worden. Der BF beantragte die ersatzlose Behebung des angefochtenen Bescheides, in eventu dessen Behebung sowie Zurückverweisung zur neuerlichen Entscheidung an die belangte Behörde, die Durchführung einer mündlichen Verhandlung, die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung sowie Kostenersatz.
1.5. Das BFA übermittelte dem erkennenden Gericht die gegenständliche Beschwerde gegen den Bescheid vom 08.06.2018 am 30.06.2020. Ein Antrag auf Kostenersatz wurde nicht erstattet.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Der Verfahrensgang unter I. wird zur Feststellung erhoben.
1.2. Die Identität des BF steht fest, er ist türkischer Staatsangehöriger und damit Fremder iSd FPG.
1.3. Mit Urteil eines Landesgerichtes vom 12.11.2018 wurde der BF rechtskräftig gemäß zu einer verurteilt. Dies wegen des Delikts der Verwendung eines totalgefälschten, auf eine Aliasidentität lautenden bulgarischen Personalausweises sowie eines verfälschten bulgarischen Reisepasses im Rechtsverkehr mit inländischen Behörden und zum Nachweis seiner Identität.
1.4. Mit Bescheid vom 08.06.2020, dem BF am selben Tag durch persönliche Übergabe zugestellt, wurde dem BF gemäß § 46 Abs. 2a und 2b FPG iVm § 19 AVG aufgetragen einen Antrag auf Ausstellung eines Reisedokumentes zu stellen und zu diesem Zweck am 16.06.2020 um 15:00 vor dem türkischen Generalkonsulat in Wien zu erscheinen.
1.5. Der Beschwerdeführer besaß kein Reisedokument. Zur Ausreise (Abschiebung) benötigte der BF ein gültiges Reisedokument. Ein derartiges Dokument wäre gegebenenfalls durch das türkische Generalkonsulat auf Antrag des BF ausgestellt worden. Der BF bemühte sich selbst nicht, ein solches aus Eigenem zu erlangen. Eine Duldung des BF und ein Grund für eine Unmöglichkeit der Antragstellung zur Ausstellung eines Reisedokumentes lagen nicht vor.
1.6. Zum Zeitpunkt der Erlassung des gegenständlichen Bescheides war kein Verfahren auf Zuerkennung internationalen Schutzes bzw. ein Verfahren zur Erlangung eines Aufenthaltstitels anhängig. Es lag eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung gegen den BF vor.
2. Beweiswürdigung:
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang und die hiezu getroffenen Feststellungen ergeben sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.
Der festgestellte Sachverhalt in Bezug auf den bisherigen Verfahrenshergang (1.1.) steht aufgrund der Aktenlage fest und das ho. Gericht konnte sich vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt (§ 37 AVG) ein ausreichendes und abgerundetes Bild zu machen.
Die Feststellung in 1.3. ergibt aus der Einsichtnahme in den Strafregisterauszug des BF.
Die Zustellung des Bescheides vom 08.06.2020 (1.4.) ergibt sich zweifelsfrei aus der Aktenlage und ist unstrittig.
Nach den Unterlagen im Akt und dabei insbesondere aufgrund seiner eigenen Angaben, verfügte der BF über kein türkisches Reisedokument. Er brachte jedoch türkische Identitätsdokumente zur Vorlage. Der BF verfügte nicht über eine Duldung, dies wurde vom BF auch nicht behauptet (1.5.).
Gegen den BF besteht nach dem Akteninhalt eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung (1.6.). Dennoch reiste er nicht aus Eigenem aus Österreich aus.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Abweisung der Beschwerde:
3.1. Zur anzuwendenden Rechtslage:
Der mit „Ladungen“ betitelte § 19 AVG BGBl I. Nr. 51/1991 idgF lautet:
„§ 19. (1) Die Behörde ist berechtigt, Personen, die in ihrem Amtsbereich ihren Aufenthalt (Sitz) haben und deren Erscheinen nötig ist, vorzuladen.
(2) In der Ladung ist außer Ort und Zeit der Amtshandlung auch anzugeben, was den Gegenstand der Amtshandlung bildet, in welcher Eigenschaft der Geladene vor der Behörde erscheinen soll (als Beteiligter, Zeuge usw.) und welche Behelfe und Beweismittel mitzubringen sind. In der Ladung ist ferner bekanntzugeben, ob der Geladene persönlich zu erscheinen hat oder ob die Entsendung eines Vertreters genügt und welche Folgen an ein Ausbleiben geknüpft sind.
(3) Wer nicht durch Krankheit, Behinderung oder sonstige begründete Hindernisse vom Erscheinen abgehalten ist, hat die Verpflichtung, der Ladung Folge zu leisten und kann zur Erfüllung dieser Pflicht durch Zwangsstrafen verhalten oder vorgeführt werden. Die Anwendung dieser Zwangsmittel ist nur zulässig, wenn sie in der Ladung angedroht waren und die Ladung zu eigenen Handen zugestellt war; sie obliegt den Vollstreckungsbehörden.
(4) Eine einfache Ladung erfolgt durch Verfahrensanordnung.“
Der mit „Abschiebung“ betitelte § 46 FPG BGBl. I. Nr. 100/2005 idgF lautet auszugsweise:
„§ 46. (1) Fremde, gegen die eine Rückkehrentscheidung, eine Anordnung zur Außerlandesbringung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot durchsetzbar ist, sind von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Auftrag des Bundesamtes zur Ausreise zu verhalten (Abschiebung), wenn
1. die Überwachung ihrer Ausreise aus Gründen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit notwendig scheint,
2. sie ihrer Verpflichtung zur Ausreise nicht zeitgerecht nachgekommen sind,
3. auf Grund bestimmter Tatsachen zu befürchten ist, sie würden ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen, oder
4. sie einem Einreiseverbot oder Aufenthaltsverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt sind.
(2) Ein zur Ausreise verpflichteter Fremder, der über kein Reisedokument verfügt und ohne ein solches seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen kann, hat – vorbehaltlich des Abs. 2a – bei der für ihn zuständigen ausländischen Behörde aus Eigenem ein Reisedokument einzuholen und gegenüber dieser Behörde sämtliche zu diesem Zweck erforderlichen Handlungen, insbesondere die Beantragung des Dokumentes, die wahrheitsgemäße Angabe seiner Identität (§ 36 Abs. 2 BFA-VG) und seiner Herkunft sowie die Abgabe allfälliger erkennungsdienstlicher Daten, zu setzen; es sei denn, dies wäre aus Gründen, die der Fremde nicht zu vertreten hat, nachweislich nicht möglich. Die Erfüllung dieser Verpflichtung hat der Fremde dem Bundesamt gegenüber nachzuweisen. Satz 1 und 2 gilt nicht, wenn der Aufenthalt des Fremden gemäß § 46a geduldet ist.
(2a) Das Bundesamt ist jederzeit ermächtigt, bei der für den Fremden zuständigen ausländischen Behörde die für die Abschiebung notwendigen Bewilligungen (insbesondere Heimreisezertifikat oder Ersatzreisedokument) einzuholen oder ein Reisedokument für die Rückführung von Drittstaatsangehörigen (§ 97 Abs. 1) auszustellen. Macht es davon Gebrauch, hat der Fremde an den Amtshandlungen des Bundesamtes, die der Erlangung der für die Abschiebung notwendigen Bewilligung oder der Ausstellung des Reisedokumentes gemäß § 97 Abs. 1 dienen, insbesondere an der Feststellung seiner Identität (§ 36 Abs. 2 BFA-VG) und seiner Herkunft, im erforderlichen Umfang mitzuwirken und vom Bundesamt zu diesem Zweck angekündigte Termine wahrzunehmen.
(2b) Die Verpflichtung gemäß Abs. 2 oder 2a Satz 2 kann dem Fremden mit Bescheid auferlegt werden. Für die Auferlegung der Verpflichtung gemäß Abs. 2a Satz 2 gilt § 19 Abs. 2 bis 4 iVm § 56 AVG sinngemäß mit der Maßgabe, dass an die Stelle der Ladung die Auferlegung der Verpflichtung tritt; ein solcher Bescheid kann mit einer Ladung vor das Bundesamt oder zu einer Amtshandlung des Bundesamtes zur Erlangung der für die Abschiebung notwendigen Bewilligung bei der zuständigen ausländischen Behörde verbunden werden (§ 19 AVG). § 3 Abs. 3 BFA-VG gilt.
(…)“
Der mit „Aufschiebende Wirkung“ betitelte § 13 VwGVG BGBl. I. Nr. 33/2013 idgF lautet auszugsweise:
„§ 13. (1) Eine rechtzeitig eingebrachte und zulässige Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat aufschiebende Wirkung.
(2) Die Behörde kann die aufschiebende Wirkung mit Bescheid ausschließen, wenn nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien der vorzeitige Vollzug des angefochtenen Bescheides oder die Ausübung der durch den angefochtenen Bescheid eingeräumten Berechtigung wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist. Ein solcher Ausspruch ist tunlichst schon in den über die Hauptsache ergehenden Bescheid aufzunehmen.“
Absatz 3 des ebenfalls mit „Aufschiebende Wirkung“ betitelten § 22 VwGVG idgF lautet:
„(3) Das Verwaltungsgericht kann Bescheide gemäß § 13 und Beschlüsse gemäß Abs. 1 und 2 auf Antrag einer Partei aufheben oder abändern, wenn es die Voraussetzungen der Zuerkennung bzw. des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung anders beurteilt oder wenn sich die Voraussetzungen, die für die Entscheidung über den Ausschluss bzw. die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde maßgebend waren, wesentlich geändert haben.“
3.2. Judikatur:
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind Ladungen von Fremden zum Zweck der Klärung ihrer Identität im Zusammenhang mit einer Ausreiseverpflichtung grundsätzlich zulässig. Auch Ladungen eines Fremden zum Zweck einer Befragung durch Vertreter des Herkunftsstaates sind zulässig, wenn die weiteren Voraussetzungen des dafür als Rechtsgrundlage allein in Frage kommenden § 19 AVG erfüllt sind (VwGH 05.07.2012, 2012/21/0081, RS 1).
Der Verwaltungsgerichtshof hat dazu ausgeführt, dass der Fremde bei der amtswegig vorzunehmenden Erlangung des Ersatzreisedokumentes "im erforderlichen Umfang" mitzuwirken hat. Insoweit kann ihm ein die zu erbringende Mitwirkungsverpflichtung konkret umschreibender Auftrag mittels Bescheides nach dem ersten Satz des
§ 46 Abs. 2a FPG 2005 erteilt werden. Das kommt insbesondere in Bezug auf die in den ErläutRV (RV582 BlgNR 25. GP 18) genannten Handlungen ("Herausgabe von Dokumenten und Urkunden, über die der Fremde bereits verfügt, die Mitwirkung an der Feststellung seiner Identität und Staatsangehörigkeit sowie an den erforderlichen Handlungen bei der ausländischen Behörde") in Betracht. Die Gesetzesmaterialien weisen darauf hin, dass die "Vollziehungsverfügung" nach dem ersten Satz des § 46 Abs. 2a FPG 2005 im Regelfall mit einer Ladung nach dessen zweiten Satz zu verbinden sein wird, weil die Anwesenheit des Fremden regelmäßig notwendig ist. Die Ladung kann auch zu einer ausländischen Behörde erfolgen. Dabei ist stets eine Amtshandlung, das heißt die Leitung durch einen Organwalter des Bundesamtes, notwendig (vgl. E 11. Juni 2013, 2013/21/0097; B 20. Dezember 2016, Ra 2016/21/0354).
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes obliegt die Beurteilung, ob zur Erreichung des mit einer Ladung verfolgten Zwecks ein Erscheinen des Geladenen nötig ist, oder ob dieser Zweck auch auf andere Weise erreicht werden kann, grundsätzlich der Behörde (zu Ladungen in Angelegenheiten nach dem FPG vgl. VwGH 17.07.2008, Zlen. 2008/21/0055 und Zl. 2008/21/0386). So hat der VwGH in seinem Judikat vom 20.01.1992, Zahl 91/19/0326, hervorgehoben, dass die Beurteilung der Frage, ob zur Erreichung des mit der Ladung verfolgten Zweckes ein Erscheinen des Geladenen nötig ist, oder ob dieser Zweck auf andere Weise erreicht werden kann, allein der Behörde und nicht auch der Partei obliege. Stets muss es sich demnach um eine Ladung zu einer behördlichen Amtshandlung handeln, in deren Rahmen die beabsichtigte Befragung stattfinden soll. Um sie als "behördlich" verstehen zu können, ist die Leitung durch ein Organ der Behörde unverzichtbar (VwGH 05.07.2011, Zl. 2010/21/0316).
Im Erkenntnis vom 16.05.2012, Zl. 2010/21/0023 hielt der VwGH fest, dass, die Rechtmäßigkeit der gegenständlichen Ladung voraussetzt, dass diese im Sinne des § 19 Abs. 1 AVG nötig ist.
Gemäß § 19 Abs. 2 AVG ist im Ladungsbescheid der Gegenstand der geplanten Amtshandlung offen zu legen, um dem Betreffenden die Gelegenheit zu geben, sich genügend auf diesen Gegenstand der Ladung vorzubereiten (vgl. VwGH 06.03.2014, Zl. 2012/11/0099).
3.3. Rechtlich folgt:
Gegen den Beschwerdeführer wurde mit Bescheid vom 08.06.2020 eine Rückkehrentscheidung erlassen. Diese war zum Zeitpunkt der Erlassung des gegenständlichen Bescheids zweitinstanzlich rechtskräftig. Die Frist für die freiwillige Ausreise war zudem abgelaufen. Es lag daher jedenfalls eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung gemäß § 46 Abs. 1 FPG vor. Bei dem BF handelte es sich um einen Fremden, welchem kein wie immer geartetes Aufenthaltsrecht zukam und der seiner Ausreiseverpflichtung bisher nicht nachgekommen ist. Die Behörde war daher iSd der oben zitierten Normen berechtigt, ihn bescheidmäßig zur Mitwirkung zu verhalten.
Die Vorgehensweise der belangten Behörde entspricht zudem der Vorgabe des § 46 Abs. 2a FPG. Der Beschwerdeführer war nicht im Besitz eines Reisedokuments und hat ein solches, trotz seines mehrjährigen illegalen Aufenthalts im Inland und der vorliegenden türkischen Identitätsdokumente, nicht beantragt. Ohne ein Reisedokument konnte der BF jedoch nicht ausreisen. Ein Hindernis für die Einholung konnte nicht festgestellt werden, bzw. hätte der BF ein solches dem Bundesamt gegenüber nachzuweisen gehabt. Eine Duldung des BF in Österreich lag nicht vor. Der BF war daher gem. §46 Abs. 2 FPG verpflichtet, bei der zuständigen ausländischen Behörde ein solches Reisedokument zu beantragen und dieses der Behörde vorzulegen. Nach § 46 Abs. 2b FPG konnte dies dem BF auch bescheidmäßig aufgetragen werden. In Ermangelung eines Reisepasses ist für die Abschiebung des Beschwerdeführers ein Ersatzreisedokument erforderlich. Im angefochtenen Ladungsbescheid wird der Ort und die Zeit sowie der Gegenstand der Amtshandlung bezeichnet; weiters wird angegeben, in welcher Eigenschaft der Beschwerdeführer geladen wird, dass er persönlich zu erscheinen hat und welche Rechtsfolgen an ein unentschuldigtes Fernbleiben geknüpft sind. Der angefochtene Ladungsbescheid entspricht damit auch den Inhaltserfordernissen des § 19 Abs. 2 AVG.
Der Krankenstand des BF von 15.06.2020 bis voraussichtlich 21.06.2020 ist, entgegen des Beschwerdevorbringens, nicht geeignet die Rechtswidrigkeit des Mitwirkungsbescheides vom 08.06.2020 zu bewirken. Eine solche Verhinderung stellt lediglich einen Entschuldigungsgrund iSd § 19 Abs. 3 AVG dar und führt selbstverständlich nicht zu einer Rechtswidrigkeit des Bescheides an sich.
Ebenso wenig vermag das Familienleben des BF an der Rechtmäßigkeit des Bescheides etwas zu verändern. Eine – wie hier in der Beschwerdeschrift geforderte – inhaltliche Überprüfung einer rechtskräftigen Rückkehrentscheidung ist nicht Gegenstand des gegenständlichen Beschwerdeverfahrens. Zudem ist festzuhalten, dass das Familienleben auch bereits in ebenjenem Beschwerdeverfahren hinsichtlich des Asylbescheides des BF thematisiert wurde und demnach nicht erkennbar ist, inwiefern sich die Lage geändert haben soll. Eine diesbezüglich neuerliche Prüfung wäre einem weiteren Verfahren zur Erlangung eines Aufenthaltstitels vorbehalten. Zudem handelt es sich bei dem vorliegenden Behördenakt um die Auferlegung einer gesetzlich ohnedies bestehenden Verpflichtung – namentlich der Mitwirkung an der Erlangung eines Reisedokuments zur Erfüllung der bestehenden Ausreiseverpflichtung. Rein die Tatsache, dass die Behörde diese nun auch bescheidmäßig auferlegte, war nicht geeignet das Familienleben des BF zu beeinträchtigen.
Eine Verletzung von Verfahrensvorschriften konnte ebenfalls nicht festgestellt werden. Dem BF wurde der gegenständliche Bescheid am 08.06.2020 und somit über eine Woche vor dem von der Behörde angesetzten Ladungstermin durch persönliche Übergabe zugestellt. Er hatte somit jedenfalls genügend Gelegenheit sich auf den Termin vorzubereiten, rechtliche Beratung einzuholen und – wie geschehen – ein Rechtsmittel zu erheben. Eine mangelhafte verfahrensrechtliche Vorgehensweise ist der belangten Behörde daher ebenfalls nicht vorzuwerfen.
Die gesetzlich geforderten Tatbestandselemente für eine behördliche, bescheidmäßige Anordnung zur eigenen Antragstellung eines Reisepasses sind daher im gegenständlichen Fall als erfüllt anzusehen.
Der Beschwerdeführer konnte keine Gründe vorbringen, die einer Ladung gemäß § 19 AVG in Verbindung mit § 46 Abs. 2a FPG entgegenstehen würden. Daher war spruchgemäß zu entscheiden.
3.4. Keine Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung:
In der Beschwerde wird hinsichtlich der Notwenigkeit der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung vorgebracht, der BF könne das Land nicht verlassen, da er nicht von seiner Familie getrennt werden dürfe. Er sei dann nicht mehr in der Lage seiner Unterhaltspflicht nachzukommen. Es drohe der Verlust des Aufenthaltsrechts der Lebensgefährtin des BF sowie des gemeinsamen Kindes, da diese dem BF nachreisen müssten. Das Abwarten des Ergebnisses im Inland sei daher jedenfalls geboten, da der BF keine Gefahr darstelle.
Diese Argumentation geht fehl. Der BF ist ohnedies bereits zum Verlassen des Landes verpflichtet, da eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt. Die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung des in Beschwerde gezogenen Bescheides würde daran nichts ändern. Wie bereits ausgeführt besteht die Verpflichtung des BF zur Mitwirkung an der Erlangung eines Reisedokuments bereits von Gesetzes wegen, die Behörde legte hierzu bloß einen konkreten Termin fest. Zudem ist der im Bescheid vorgeschriebene Termin zum Zeitpunkt der Erlassung dieses Erkenntnisses bereits verstrichen, sodass die Zuerkennung auch faktisch sinnlos wäre.
Das öffentliche Interesse an einer alsbaldigen Mitwirkung des BF an der Erlangung eines Reisedokuments ist – insbesondere auch im Hinblick auf seine strafrechtliche Verurteilung – jedenfalls wesentlich höher einzustufen als das Interesse des BF weiterhin seinen gesetzlichen Verpflichtungen nicht nachzukommen. Insofern war auch das geforderte Element der Gefahr im Verzug gegeben.
Die Behörde hat demnach die aufschiebende Wirkung zu Recht ausgeschlossen.
3.5. Kostenersatz
Da das BFA keinen Antrag auf Kostenersatz stellte, kam der Behörde – trotz ihres vollständigen Obsiegens – schon dem Grunde nach kein Ersatzanspruch zu (§ 35 Abs. 7 VwGVG). Ein Anspruch der beschwerdeführenden Partei auf Ersatz der Kosten besteht nach § 35 Abs. 3 VwGVG nicht.
3.7. Entfall einer mündlichen Verhandlung
Da der Sachverhalt in Verbindung mit der Beschwerde als geklärt erscheint, konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG im gegenständlichen Fall die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung unterbleiben.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Interessenabwägung Kostenersatz mangelnder Anknüpfungspunkt Privat- und Familienleben Reisedokument VoraussetzungenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W171.2232569.1.00Im RIS seit
22.01.2021Zuletzt aktualisiert am
22.01.2021