Entscheidungsdatum
14.09.2020Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z1Spruch
W144 2234551-1/4E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Huber als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , XXXX , StA. von Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.07.2020, Zl. 1215294010/191322954, zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird gemäß §§ 4a, 10 Abs. 1 Z 1, und 57 AsylG 2005 idgF iVm § 61 Abs. 1 Z 1 FPG idgF als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang
Der Beschwerdeführer (BF) ist – laut eigener Angaben - Staatsangehöriger von Afghanistan und hat sein Heimatland im August 2016 gemeinsam mit seiner Partnerin verlassen, um sich über den Iran und die Türkei nach Griechenland zu begeben, wo er in der Folge 2 Jahre und 10 Monate aufhältig war, während hingegen seiner Partnerin nach 10 Monaten die Weiterreise nach Österreich gelungen ist. Der BF war sodann 2 Jahre alleine in Griechenland aufhältig, betrieb dort ein Asylverfahren, erhielt am 18.01.2019 subsidiären Schutz in Griechenland und versuchte im Rahmen eines Verfahrens gem. § 35 AsylG zu seiner Partnerin nach Österreich zu gelangen, was jedoch daran scheiterte, dass die Partnerin des BF zum Zeitpunkt der Eheschließung noch keine 16 Jahre alt gewesen ist, sodass diese Ehe im Bundesgebiet als nicht rechtswirksam anzusehen ist und dem BF somit ein Familienverfahren gemäß §§ 34, 35 AsylG nicht offensteht.
Letztlich reiste der BF illegal ins Bundesgebiet und stellte hier am 30.12.2019 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
Zur Person des BF liegt ein Eurodac-Treffer für Griechenland vom 02.02.2017 wegen Asylantragsstellung vor.
Der BF ist in Griechenland seit 18.01.2019 subsidiär Schutzberechtigter mit einer aktuellen Aufenthaltsberechtigung bis zum 23.01.2022.
Der Beschwerde liegt folgendes Verwaltungsverfahren zugrunde:
Im Verlauf seiner Erstbefragung durch die Landespolizeidirektion Wien vom 30.12.2019 gab der BF an, dass die Familie seiner Partnerin versucht habe, ihn im Rahmen eines Familienverfahrens nach Österreich zu holen, was aber nicht gelungen sei. Deshalb habe er beschlossen illegal und schlepperunterstützt zu seiner Frau nach Österreich zu reisen.
Das BFA richtete in der Folge am 09.01.2020 ein Informationsersuchen an die griechischen Behörden. Mit Schreiben vom 28.02.2020 teilten die griechischen Behörden mit, dass dem BF in Griechenland der Status eines Subsidiär-Schutzberechtigten und eine Aufenthaltserlaubnis bis 23.01.2022 gewährt worden sei.
Im Rahmen seiner niederschriftlichen Einvernahme vom 13.07.2020 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) brachte der BF im Wesentlichen vor, dass er gesund sei und keine Medikamente benötige. Er sei seit 29. oder 30.12.2019 in Österreich, er lebe in einem Flüchtlingsquartier und er habe in Österreich Verwandte, konkret seine Frau, die Schwiegermutter und seine Schwägerin. Als sie in Griechenland angekommen seien, habe seine Frau zu ihrer Familie nach Österreich gelangen wollen. Sie sei dann nach Österreich gereist, er habe sowieso alles verloren, sodass er nicht noch zusätzlich seine Frau habe verlieren wollen, weswegen er ihr nachgereist sei. Er habe immer versucht, legal nach Österreich zu kommen. Letztlich habe er illegal einreisen müssen. In Griechenland habe er € 150 pro Monat erhalten als eine Art Grundversorgung. Einer Beschäftigung habe er dort nicht nachgehen können, weil es keine Arbeit gegeben habe. Seine Aufenthaltsberechtigungskarte von Griechenland habe er unterwegs weggeschmissen. In Österreich lebe er gezwungenermaßen nicht gemeinsam mit seiner Ehefrau, er hoffe, dass sie bald zusammenleben können. Er besuche sie dreimal in der Woche. Eine Familienzusammenführung von Griechenland nach Österreich habe nicht funktioniert.
Die Partnerin des BF gab ebenfalls am 13.10.2020 als Zeugin befragt zu Protokoll, dass sie gemeinsam mit dem BF nach Griechenland eingereist sei. Dort seien sie in zwei verschiedenen Fahrzeugen untergebracht worden, sie habe nicht bemerkt, dass ihr Mann in diesem Fahrzeug nicht dabei sei. Als sie dies bemerkt habe, habe sie geschrien, doch habe man ihr bedeutet, dass sie still sein solle. Ihr Mann habe die Telefonnummer ihrer Mutter und ihrer Schwester gehabt und habe so Kontakt mit ihr in Österreich aufnehmen können.
Das BFA wies sodann den Antrag auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten mit Bescheid vom 30.07.2020 4a AsylG 2005 idgF als unzulässig zurück und sprach aus, dass sich der BF nach Griechenland zurück zu begeben habe (Spruchpunkt I.).
Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigenden Gründen wurden ihm gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt II.).
Gleichzeitig wurde die Außerlandesbringung des BF gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG iVm § 9 BFA-VG idgF iVm § 61 Abs. 1 Z 1 FPG idgF angeordnet und festgestellt, dass demzufolge gemäß § 61 Abs. 2 FPG seine Abschiebung nach Griechenland zulässig sei (Spruchpunkt III.).
Die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die Sachverhaltsfeststellungen sowie die Beweiswürdigung zur Lage im Mitgliedstaat in Bezug auf anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte wurden im angefochtenen Bescheid im Wesentlichen folgendermaßen zusammengefasst (unkorrigiert):
zur Lage im EWR-Staat oder der Schweiz:
Allgemeines zum Asylverfahren
Letzte Änderung: 4.10.2019
Das griechische Asylverfahren besteht im Wesentlichen aus einem Verfahren für nach dem 7. Juni 2013 gestellte Anträge. Die griechische Asylbehörde führt es dezentral in ihren Regional Asylum Offices (RAO) oder den Asylum Units (AU) durch. Zusätzlich existiert noch ein Verfahren für Anträge, die vor dem 7. Juni 2013 gestellt wurden (Altfälle). Außerdem wird derzeit auf den griechischen Ägäisinseln Lesbos, Chios, Samos, Leros, Rhodos und Kos ein Fast-Track-Verfahren praktiziert. Bedingt durch das Abkommen mit der Türkei, wird bei Personen, die nach dem 20. März 2016 auf den Inseln ankommen sind, mittels jenes Fast-Track-Verfahrens festgestellt, ob ihr Antrag zulässig ist, oder ob sie in die Türkei zurückkehren müssen. Es existieren in allen Verfahren Beschwerdemöglichkeiten (bei unterschiedlichen Rechtsmittelfristen) mit aufschiebender Wirkung (AIDA 3.2019; für ausführliche Informationen zum Asylverfahren siehe folgende Quellen: AIDA 3.2019; vgl. MCP o.D.a; MCP o.D.b; USDOS 13.3.2019).
2019 gab es in Griechenland bis 30. Juni 30.443 Asylanträge (VB 21.8.2019).
Internationale Organisationen, NGOs und Menschenrechtsaktivisten äußern sich besorgt über Probleme im griechischen Asylsystem, einschließlich Schwierigkeiten bei der Antragstellung und bezüglich der Sorgfalt bei der Prüfung der Anträge und Beschwerden; des Mangels an geeigneten Empfangszentren und Personal; der unhygienischen Zustände; der Überbelegung; unzureichender Wohlfahrts-, Integrations-, Beratungs-, Rechts- und Dolmetscherdienste; Diskriminierung; sowie Inhaftierung in überfüllten Reception and Identification Centres (RIC) (USDOS 13.3.2019; vgl. AIDA 3.2019; CoE-CommDH 6.11.2018; HRW 17.1.2019; UNHCR 4.2019).
Berichten zufolge wendet Griechenland immer wieder sogenannte Pushbacks an, besonders beim Fluss Evros, der die natürliche Grenze zwischen Griechenland und der Türkei bildet, um Migranten vom griechischen Territorium fernzuhalten. Berichte verweisen auf die systematische Gewaltanwendung durch Strafverfolgungsbehörden im Grenzgebiet Evros, gefolgt von illegaler Abschiebung von Personen, ohne dass sie einen Asylantrag stellen können (GHM/MRG/OMCT/SOKADRE 6.2019; vgl. CoE-CommDH 6.11.2018; CoE-PACE 8.6.2019; AIDA 3.2019; DZ 24.3.2019). In diesem Zusammenhang wurde keine ordnungsgemäße offizielle Untersuchung eingeleitet. Eine vom Ombudsmann eingeleitete Untersuchung von Amts wegen vom Jahr 2017 ist immer noch nicht abgeschlossen (AIDA 3.2019; vgl. GHM/MRG/OMCT/SOKADRE 6.2019). Es gibt auch Berichte über Push-Backs, Gewalt, Diebstähle und Misshandlung durch uniformierte und maskierte Truppen ohne erkennbare Insignien (CoE-PACE 8.6.2019; vgl. GHM/MRG/OMCT/SOKADRE 6.2019). Es kommt zu rassistischen Angriffen auf Flüchtlinge, Migranten und deren Verteidiger. Auf den Inseln nimmt die fremdenfeindliche Rhetorik in den lokalen Gemeinschaften zu. Eine Polizeistatistik vom März 2018 zeigt einen deutlichen Anstieg an Hassverbrechen im Vergleich zum Vorjahr (UNHCR 21.3.2019; vgl. CoE-CommDH 6.11.2018; HRW 17.1.2019; EK 7.9.2018; BPB 30.3.2019).
Seit Mai 2019 verzeichnet Griechenland einen unerwarteten Anstieg von Geflüchteten, die aus der Türkei eingereist sind (DZ 9.8.2019). Einem Bericht vom Juli 2019 zufolge waren die Kapazitäten in den Hotspots erneut auf Rekordniveau, die Ankünfte überstiegen die Transfers auf das Festland mehrere Wochen. Ausschlaggebend für diese Entwicklung waren vor allem ausgelastete Kapazitäten am Festland und mangelnde Rückführungen in die Türkei (VB 23.7.2019). Mit 29. August 2019 betrug die Anzahl der Flüchtlinge und Migranten auf den Inseln 24.672, der höchste Stand seit drei Jahren. Schließlich wurde am 31. August 2019 die Entlastung der Inseln durch Transfers der Betroffenen in bereits bestehende Unterkünfte auf dem Festland entschieden. Am 2. September 2019 begann der Transfer von 1.500 Migranten aus Lesbos zum Lager Nea Kavala im Norden Griechenlands (ÖB 2.9.2019; vgl. NCCBCIA 30.8.2019; EK 30.8.2019; UNHCR 26.8.2019). Die Rückführung in die Türkei auf der Basis des Sicherer-Drittstaat-Prinzips kann nur von den Inseln aus stattfinden. Die Rücknahmeverpflichtung der Türkei endet, wenn Flüchtlinge von den griechischen Inseln auf das Festland verlegt werden (DS 4.9.2019; vgl. DW 2.9.2019).
Quellen:
AIDA – Asylum Information Database (3.2019): Country Report: Greece, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_gr_2018update.pdf, Zugriff 26.9.2019
BPB – Bundeszentrale für Politische Bildung (20.3.2019): Current Developments in Greece‘s Refugee and Asylum Policy, https://www.bpb.de/gesellschaft/migration/laenderprofile/287927/current-developments-in-greece-s-refugee-and-asylum-policy, Zugriff 26.9.2019
CoE-CommDH – Council of Europe - Commissioner for Human Rights (6.11.2018): Report of the Commissioner for Human Rights of the Council of Europe Dinja Mijatovi? following her visit to Greece from 25 to 29 June 2018 [CommDH(2018)24], https://www.ecoi.net/en/file/local/1450482/1226_1542121278_commdh-2018-24-greece-report-en-docx.pdf, Zugriff 26.9.2019
CoE-PACE – Council of Europe - Parliamentary Assembly (8.6.2019): Pushback policies and practice in Council of Europe member States [Doc. 14909],
https://www.ecoi.net/en/file/local/2011497/pdf.aspx, Zugriff 26.9.2019
DS – Der Standard (4.9.2019): Ausschreitungen in überfüllten Flüchtlingslager auf Lesbos, https://www.derstandard.at/story/2000108241874/ausschreitungen-in-ueberfuelltem-fluechtlingslager-auf-lesbos, Zugriff 26.9.2019
DW – Deutsche Welle (2.9.2019): Griechenland verlegt über tausend Flüchtlinge, https://www.dw.com/de/griechenland-verlegt-%C3%Bcber-tausend-fl%C3%Bcchtlinge/a-50261110, Zugriff 26.9.2019
DZ – Die Zeit (9.8.2019): Griechenland will Migranten schneller in die Türkei abschieben, https://www.zeit.de/politik/ausland/2019-08/asylverfahren-abschiebung-griechenland-tuerkei-migration, Zugriff 26.9.2019
DZ – Die Zeit (24.3.2019): Im Freien gefangen, https://www.zeit.de/politik/ausland/2019-03/eu-tuerkei-abkommen-griechenland-gefluechtete-fluechtlingslager, Zugriff 26.9.2019
EK – Ekathimerini (30.8.2019): Greece sees first mass arrival of migrant boats in three years, http://www.ekathimerini.com/244080/article/ekathimerini/news/greece-sees-first-mass-arrival-of-migrant-boats-in-three-years, Zugriff 26.9.2019
EK – Ekathimerini (7.9.2018): Two migrant teens attacked in northern Greece, NGO reports, http://www.ekathimerini.com/232394/article/ekathimerini/news/two-migrant-teens-attacked-in-northern-greece-ngo-reports, Zugriff 26.9.2019
GHM/MRG/OMCT/SOKADRE – GHM – Greek Helsinki Monitor (Autor), MRG – Minority Rights Group International (Autor), OMCT – World Organisation Against Torture (Autor), Refugee Rights Europe (Autor), SOKADRE - Coordinated Organizations and Communities for Roma Human Rights in Greece (Autor) (6.2019): Joint submission to the UN Committee Against Torture ahead of the review of the periodic report of Greece,
https://www.omct.org/files/2019/07/25442/submission_greece.pdf, Zugriff 26.9.2019
HRW – Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 – Greece, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002233.html, Zugriff 26.9.2019
MCP – Ministry of Citizen Protection (o.D.a): Applying for asylum, http://asylo.gov.gr/en/?page_id=62, Zugriff 26.9.2019
MCP – Ministry of Citizen Protection (o.D.b): Asylum in Greece, http://asylo.gov.gr/en/?page_id=103, Zugriff 26.9.2019
NCCBCIA – National Coordination Center for Border Control, Immigration and Asylum (30.8.2019): National Situational Picture Regarding the Islands at Eastern Aegean Sea (29/8/2019), https://infocrisis.gov.gr/5593/national-situational-picture-regarding-the-islands-at-eastern-aegean-sea-29-8-2019/?lang=en, Zugriff 26.9.2019
ÖB – Österreichische Botschaft in Athen (2.9.2019): Auskunft der ÖB, per E-Mail
UNHCR – UN High Commissioner for Refugees (26.8.2019): Aegean Islands – Weekly Snapshot 19-25 August 2019, https://data2.unhcr.org/en/documents/download/71021, Zugriff 26.9.2019
UNHCR – UN High Commissioner for Refugees (4.2019): Fact Sheet; Greece; 1-31 March 2019, https://www.ecoi.net/en/file/local/2006858/69017.pdf, Zugriff 26.9.2019
UNHCR – UN High Commissioner for Refugees (21.3.2019): Refugees in Greece still exposed to racist violence, https://www.unhcr.org/gr/en/11282-refugees-in-greece-still-exposed-to-racist-violence.html, Zugriff 26.9.2019
USDOS – US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 – Greece, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004299.html, Zugriff 26.9.2019
VB des BM.I Griechenland (21.8.2019): Bericht des VB, per E-Mail
VB des BM.I Griechenland (23.7.2019): Bericht des VB, per E-Mail
Aktuelle Entwicklungen des griechischen Asylgesetzes (seit Ende 2019)
Letzte Änderung: 19.3.2020
Das griechische Parlament hat mit großer Mehrheit eine Verschärfung des Asylgesetzes beschlossen. Die weitreichende Asylgesetzgebung soll ab Anfang 2020 gültig sein. Einige der wichtigsten Änderungen kurz zusammengefasst:
Verfahren in 5 Stufen: 1.) Information 2.) Aufenthalt in Aufnahmezentren 3.) Registrierung und medizinische Kontrolle (Vulnerabilität führt zu prioritärem Verfahren, hat aber keine substanzielle Auswirkung auf den Asylantrag) 4.) „neues Asylverfahren“ 5.) Beförderung entweder auf das Festland (vulnerable Personen) oder in Rückführungszentren.
Aufnahmephase: Bei Nichtbeachtung von Überstellungsentscheidungen erfolgt eine automatische Zuweisung ins Rückführungsverfahren; der Antrag wird innerhalb von drei Tagen abgewickelt; ebenso gilt dies bei einem Verstoß gegen die Verhaltensregeln in den Hotspots.
Verfahrensdauer: Laut dem neuen Gesetz beträgt das reguläre Asylverfahren 6 Monate (+ 3 Monate bei Massenzustrom), das beschleunigte Verfahren 20 Tage (+ 10 Tage bei Massenzustrom) und das Schnellverfahren (Fast-Track) auf den Inseln 7 Tage. Folgeanträge werden innerhalb von 5 Tagen geprüft.
Subsidiärer Schutz: Die Dauer der Aufenthaltserlaubnis bei Gewährung von subsidiären Schutz wurde von drei Jahren auf ein Jahr gekürzt.
Beschwerdefristen: Zukünftig betragen die Beschwerdefristen beim regulären Asylverfahren 3 Monate, beim beschleunigten Verfahren 40 Tage, bei Unzulässigkeit 30 Tage, bei Beschwerden von Inhaftierten 20 Tage.
Zugang zu Beschäftigung wird erst nach 6 Monaten nach Einbringung des Asylantrags gewährt.
Haft: Das Gesetz sieht vor, dass Flüchtlinge „ausnahmsweise und aus bestimmten Gründen“ für 50 Tage in Haft gehalten werden können, die verlängert werden kann, aber nicht länger als 18 Monate dauern darf.
Aufenthaltsrecht: Ein Aufenthaltsrecht in Griechenland besteht nur bis zum Abschluss des Asylverfahrens in der ersten Beschwerdeinstanz, ein Verfahren in der zweiten Instanz hat keine aufschiebende Wirkung für die Rückführung.
Zusammensetzung des Beschwerdeausschusses: Im bisherigen System setzten sich die Beschwerdeausschüsse für abgelehnte Asylwerber aus zwei griechischen Richtern und einem vom UNHCR ausgebildeten unabhängigen Sachverständigen im Flüchtlingsrecht zusammen. Die Ausschüsse sollen zukünftig aus drei Verwaltungsrichtern bestehen. Weiters kann eine Einzelrichterkonstellation beispielsweise für beschleunigte Verfahren angewendet werden.
Unbegleitete Minderjährige/Vulnerable: Das neue Gesetz sieht vor, dass das beschleunigte Verfahren auf unbegleitete Minderjährige und andere vulnerable Gruppen angewendet werden kann. Es gibt Änderungen bei der Definition der Familienangehörige, die Einschränkungen bei der Familienzusammenführung bedeuten können. Weiters wurde das Vulnerabilitätskriterium Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) (inklusive Überlebende von Schiffsbrüchen) gestrichen.
Zugang zu medizinischer Versorgung: Ab 2020 werden Asylwerber nur noch Zugang zur Notfallversorgung haben.
Unterbringung: Die neue Regelung sieht vor, dass anerkannte Flüchtlinge gezwungen werden, ihre Unterkunft innerhalb von zwei Monaten statt den bisherigen sechs Monaten nach Schutzgewährung zu verlassen.
Verpflichtung der Bewerber zu persönlicher Vorsprache bei jedem Schritt des Asylverfahrens: so soll sicherstellen, dass sich der Asylwerber in der zugewiesenen Region aufhält.
NGOs: die am System beteiligten NGOs müssen künftig eine Zertifizierung besitzen (ÖB 23.10.2019a; vgl. AI 24.10.2019; DZ 1.11.2019; EK 22.10.2019; GGHR 1.11.2019; ECRE 31.10.2019; HRW 29.10.2019; TNH 4.11.2019; UNHCR 24.10.2019; MoCP 11.11.2019).
UNHCR, der Ombudsmann, die Nationale Menschenrechtskommission, zivilgesellschaftliche Organisationen und die Athener Anwaltskammer zeigten sich tief besorgt über das Ziel der Gesetze, über die Vereinbarkeit ihrer Bestimmungen mit dem nationalen und internationalen Recht und den Verwaltungsdruck, den die Gesetze auf die Asylbehörden ausüben können. Oppositionsparteien (SYRZIA, KINAL, KKE) äußerten bei den Diskussionen im Parlamentsausschuss am 29.10.2019 ähnliche Bedenken (ECRE 31.10.2019; vgl. ÖB 23.10.2019a; ÖB 23.10.2019b; BI 1.11.2019; HRW 29.10.2019; UNHCR 24.10.2019).
Die Opposition sowie NGOs hatten auch Kritik an der Begutachtungsfrist geübt, die mit vier Arbeitstagen sehr kurz bemessen war. Die kurze Frist zur öffentlichen Konsultation des Gesetzesentwurfs wurde von der Nationalen Kommission für Menschenrechte ebenfalls kritisiert, die die Regierung in Menschenrechtsfragen berät (ÖB 23.10.2019a; vgl. UNHCR 24.10.2019).
Kommentar der Staatendokumentation: Die weiteren praktischen Auswirkungen ab 1.1.2020 werden beobachtet und es wird gegebenenfalls mittels KI reagiert.
Die griechische Regierung hat als Reaktion auf die aktuelle Lage an der griechisch-türkischen Grenze am 2. März 2020 ein Notstandsgesetz erlassen. Gemäß den neusten Bestimmungen wird die Registrierung von Asylanträgen irregulär eingereister Personen ab dem 1. März 2020 voraussichtlich für einen Monat ausgesetzt (ELENA 6.3.2020; vgl. FIDH 5.3.2020; DS 1.3.2020). Darüber hinaus sieht das Gesetz die sofortige Rückkehr irregulär eingereister Personen in ihr Herkunftsland oder in ein Transitland vor, wenn es möglich ist (dabei ist es jedoch noch unklar, wie die Aussage „wenn es möglich ist“ von den griechischen Behörden interpretiert wird) (AI 2.3.2020; vgl. FIDH 10.3.2020). Zudem soll die illegale Einreise scharf sanktioniert werden (PA 4.3.2020). Berichten zufolge haben beispielsweise die Gerichte bereits Haftstrafen für Personen verhängt, welche die Grenze ohne Papiere überquert haben und zwar unter Umständen, die, so die Kritik, die Möglichkeit auf ein faires Verfahren mit einer ordnungsgemäßen Abwicklung, ausschlossen (HRW 4.3.2020; vgl. HRW 10.3.2020).
Eine weitere Reaktionsmaßnahme der griechischen Regierung war die Entsendung von Polizei, Armee und Spezialkräften an die Grenzen, die Durchführung von Militärübungen mit scharfer Munition in der Nähe der Landesgrenze des Evros und der Ägäis, und das Ansuchen um verstärkte Unterstützung bei der Europäischen Agentur für die Grenz- und Küstenwache (FRONTEX) (HRW 4.3.2020; vgl. AI 2.3.2020).
Die Europäische Union (EU) stellte sich angesichts der Lage an der griechisch-türkischen Grenze demonstrativ hinter die griechische Regierung. Demnach hieß es in der Erklärung, auf die sich die Minister der 27 EU-Mitgliedsstaaten bei ihrem Sondertreffen einigten, dass illegale Grenzübertritte nicht toleriert werden (DST 5.3.2020; vgl. FAZ 5.3.2020).
Die Maßnahmen der griechischen Behörden gegen zunehmende Ankünfte von Migranten über Land und Meer wurden von verschiedenen Menschenrechtsorganisationen und NGOs stark kritisiert (FIDH 10.3.2020; vgl. AI 2.3.2020; DW 3.3.2020; PA 4.3.2020; HRW 4.3.2020; BBC 9.3.2020; FIDH 5.3.2020).
Quellen:
AI – Amnesty International (24.10.2019): Amnesty International Submission on the proposed changes to the Greek Law on International Protection [EUR 25/1280/2019], https://www.ecoi.net/en/file/local/2018926/EUR2512802019ENGLISH.PDF, Zugriff 19.12.2019
AI – Amnesty International (2.3.2020): Greece: Inhumane asylum measures will put lives at risk, https://www.ecoi.net/de/dokument/2025631.html, Zugriff 18.3.2020
BBC News (9.3.2020): EU to take in some child migrants stuck in Greece, https://www.bbc.co.uk/news/world-europe-51799470, Zugriff 18.3.2020
BI – Balkan Insight (1.11.2019): Tougher Greek Asylum Law Criticised by Rights Groups, https://balkaninsight.com/2019/11/01/tougher-greek-asylum-laws-criticised-by-rights-groups/, Zugriff 19.12.2019
DS – Der Spiegel (1.3.2020): Griechenland setzt Asylrecht für einen Monat aus, https://www.spiegel.de/politik/ausland/fluechtlinge-griechenland-setzt-asylrecht-fuer-einen-monat-aus-a-14421c7e-80da-43d7-976c-9d00cae92127, Zugriff 18.3.2020
DST – Der Standard (5.3.2020): Neuer EU-Flüchtlingspakt mit der Türkei in Arbeit, https://www.derstandard.at/story/2000115347037/neuer-eu-fluechtlingepakt-mit-der-tuerkei-in-arbeit, Zugriff
DW – Deutsche Welle (3.3.2020): Wie Empörung in blinde Wut umschlägt, https://www.dw.com/de/wie-emp%C3%B6rung-in-blinde-wut-umschl%C3%A4gt/a-52619223, Zugriff 18.3.2020
DZ – Die Zeit (1.11.2019): Griechisches Parlament verschräft Asylgesetz, https://www.zeit.de/politik/ausland/2019-11/kyriakoks-mitsotakis-griechenland-asylgesetz-verschaerfung, Zugriff 19.12.2019
ECRE – European Council on Refugees and Exiles (31.10.2019): Greece: New Restrictions on Rights and Procedural Guarantees in International Protection Bill*, https://www.ecre.org/greece-new-restrictions-on-rights-and-procedural-guarantees-in-international-protection-bill/, Zugriff 19.12.2019
EK – Ekathimerini (22.10.2019): Asylum bill faces criticism by human rights organizations, http://www.ekathimerini.com/245728/article/ekathimerini/news/asylum-bill-faces-criticism-by-human-rights-organizations, Zugriff 19.12.2019
ELENA – European Legal Network on Asylum (6.3.2020): Weekly Legal Update, https://mailchi.mp/ecre/elena-weekly-legal-update-6-march-2020?e=989a4aebdd#11, Zugriff 18.3.2020
FAZ – Frankfurter Allgemeine (5.3.2020): Illegale Grenzübertritte werden nicht toleriert, https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/eu-bekraeftigt-ihre-entschlossenheit-zum-schutz-der-aussengrenzen-16664531.html, Zugriff 18.3.2020
FIDH – International Federation for Human Rights (Autor), ActionAid Hellas; ActionAid International; ActionAid Italia, et al. (Autor) (10.3.2020): Refugees Crisis - Protect our laws and humanity!, https://www.fidh.org/en/region/europe-central-asia/greece/refugees-crisis-protect-our-laws-and-humanity, Zugriff 18.3.2020
FIDH – International Federation for Human Rights (Autor), IUIA-IROL - Institute for the Rule of Law – International Association of Lawyers; ELDH - European Association of Lawyers for Democracy & World Human Rights; AED - European Democratic Lawyers; et al. (Autor) (5.3.2020): Greece - violation of refugees' human rights is unjustifiable, https://www.fidh.org/en/region/europe-central-asia/greece/greece-violation-of-refugee-s-human-rights-is-unjustifiable, Zugriff 18.3.2020
GGHR – Government Gazette of the Hellenic Republic (1.11.2019): Law No 4636 On International Protection and other provisions, per E-Mail via ÖB Athen
HRW – Human Rights Watch (10.3.2020): Greece/EU: Allow New Arrivals to Claim Asylum, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026151.html, Zugriff 18.3.2020
HRW – Human Rights Watch (4.3.2020): Greece/EU: Respect Rights, Ease Suffering at Borders, https://www.ecoi.net/de/dokument/2025901.html, Zugriff 18.3.2020
HRW – Human Rights Watch (29.10.2019): Greece: Asylum Overhaul Threatens Rights, https://www.ecoi.net/de/dokument/2019174.html, Zugriff 19.12.2019
MoCP – Hellenic Republic Ministry of Citizen Protection (11.11.2019): Overview of Law 4636/2019 on International Protection, Bericht via VB, per E-Mail
ÖB – Österreichische Botschaft des BM.A in Athen (23.10.2019a), Bericht der ÖB, per E-mail
ÖB – Österreichische Botschaft des BM.A in Athen (23.10.2019b), Bericht der ÖB, per E-mail
PA – Pro Asyl (4.3.2020): Die griechisch-türkische Grenze darf nicht zur menschenrechtsfreien Zone werden!, https://www.proasyl.de/news/die-griechisch-tuerkische-grenze-darf-nicht-zur-menschenrechtsfreien-zone-werden/, Zugriff 18.3.2020
TNH – The New Humanitarian (4.11.2019): Briefing: How will Greece’s new asylum law affect refugees?, https://www.thenewhumanitarian.org/news/2019/11/04/Greece-new-asylum-law-refugees, Zugriff 19.12.2019
UNHCR – UN High Commissioner for Refugees (24.10.2019): UNHCR urges Greece to strenghten safeguards in draft asylum law, https://www.unhcr.org/gr/en/13170-unhcr-urges-greece-to-strengthen-safeguards-in-draft-asylum-law.html, Zugriff 19.12.2019
Dublin-Rückkehrer
Letzte Änderung: 4.10.2019
Der Zugang zum Asylverfahren nach Dublin-Rücküberstellung ist grundsätzlich vom Stand des Verfahrens in Griechenland abhängig. Wenn ein Verfahren vor endgültiger Entscheidung unterbrochen wurde, etwa weil sich der Antragsteller diesem entzogen hat, und der Betreffende wird von Griechenland im Rahmen von Art. 18(1)(c) zurückgenommen, wird das Verfahren automatisch wieder aufgenommen. Andernfalls muss der Rückkehrer einen Folgeantrag stellen. Aber in Bezug auf Griechenland machen die meisten Staaten wegen Bedenken bezüglich der dortigen Lage vom Selbsteintrittsrecht Gebrauch (EASO 12.2015; vgl. AIDA 3.2019).
Dublin-Überstellungen nach Griechenland wurden nach dem Urteil des EGMR im Fall „M.S.S. vs. Greece & Belgium“ in der Praxis weitgehend eingestellt (AIDA 3.2019). Die Europäische Kommission (EK) empfahl mehrere Male die Wiederaufnahme von Dublin-Überstellungen nach Griechenland ab dem 15. März 2017. Damit Griechenland nicht übermäßig belastet werde, sollen die Überstellungen nicht rückwirkend wiederaufgenommen werden, sondern sich auf Asylwerber beschränken, die ab dem 15. März 2017 irregulär über eine Außengrenze nach Griechenland gelangten, oder für die Griechenland aufgrund anderer als der Dublin-Kriterien ab diesem Zeitpunkt zuständig ist (AIDA 3.2019; vgl. EK 8.12.2016; CoE-CommDH 6.11.2018). Weiters forderte die EK die Mitgliedstaaten auf, ihren Umverteilungspflichten vollumfänglich nachzukommen und in ausreichendem Umfang Asylexperten nach Griechenland abzustellen (EK 8.12.2016). Vulnerable Personen, wie z.B. unbegleitete Minderjährige, sollen gemäß der Empfehlung von den Dublin-Transfers vorerst ausgeschlossen werden (AIDA 3.2019). Die Wiederaufnahme der Überstellungen führte zu heftiger Kritik seitens der griechischen Nationalen Menschenrechtskommission (GNHCR) und bei anderen humanitären Organisationen (AIDA 3.2019; vgl. CoE-CommDH 6.11.2018).
Griechenland erhielt 2018 9.142 Dublin-Requests, hauptsächlich aus Deutschland. Tatsächlich wurden 2018 18 Personen nach Griechenland überstellt (AIDA 3.2019).
Deutschland hat sich im August 2018 mit Griechenland auf eine Vereinbarung zur Rücknahme bereits registrierter Asylwerber geeinigt. Demnach gilt die Zurückweisung binnen 48 Stunden bei an der deutsch-österreichischen Grenze aufgegriffenen Asylwerbern, die nach dem 1. Juli 2017 Asyl in Griechenland beantragt haben Deutschland akzeptiert dafür seinerseits Familienzusammenführungen (AIDA 3.2019; vgl. SZ 17.8.2018; TS 13.9.2018). Das Abkommen ist auf starke Kritik gestoßen (AIDA 3.2013; vgl. PP 6.11.2018; RSA 11.2018; VFB 2.11.2018).
Quellen:
AIDA – Asylum Information Database (3.2019): Country Report: Greece, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_gr_2018update.pdf, Zugriff 26.9.2019
CoE-CommDH – Council of Europe - Commissioner for Human Rights (6.11.2018): Report of the Commissioner for Human Rights of the Council of Europe Dinja Mijatovi? following her visit to Greece from 25 to 29 June 2018 [CommDH(2018)24], https://www.ecoi.net/en/file/local/1450482/1226_1542121278_commdh-2018-24-greece-report-en-docx.pdf, Zugriff 26.9.2019
EASO - European Asylum Support Office (12.2015): Quality Matrix Report: Dublin procedure, per E-Mail
EK - Europäische Kommission (8.12.2016): Empfehlung der Kommission vom 8.12.2016 an die Mitgliedstaaten im Hinblick auf die Wiederaufnahme der Überstellungen nach Griechenland gemäß der Verordnung (EU) Nr. 604/2013, https://ec.europa.eu/home-affairs/sites/homeaffairs/files/what-we-do/policies/european-agenda-migration/proposal-implementation-package/docs/20161208/recommendation_on_the_resumption_of_transfers_to_greece_de.pdf, Zugriff 26.9.2019
PP – Presseportal (6.11.2018): Betroffene Flüchtlinge klagen gegen Seehofer-Deal mit Griechenland "Report Mainz" berichtet heute (6.11.) im Ersten, https://www.presseportal.de/pm/75892/4108091, Zugriff 26.9.2019
RSA – Refugee Support Aegean (11.2018): The Administrative Arrangement between Greece and Germany, https://rsaegean.org/en/the-administrative-arrangement-between-greece-and-germany/, Zugriff 26.9.2019
SZ – Salzburger Nachrichten (17.8.2019): Berlin und Athen bei Flüchtlingsabkommen einig, https://www.sn.at/politik/weltpolitik/berlin-und-athen-bei-fluechtlingsabkommen-einig-38903398, Zugriff 26.9.2019
TS – Tagesschau (13.9.2018): Es ist vor allem Symbolpolitik, https://www.tagesschau.de/ausland/ruecknahmeabkommen-103.html, Zugriff
VFB – Verfassungsblog (2.11.2018): Gewolltes Recht, https://verfassungsblog.de/gewolltes-recht/, Zugriff 26.9.2019
Non-Refoulement
Letzte Änderung: 4.10.2019
Generell bietet Griechenland einen gewissen Schutz gegen Ausweisung oder Rückkehr von Personen in Länder, in denen ihr Leben oder ihre Freiheit aufgrund von Rasse, Religion, Nationalität, Mitgliedschaft in einer sozialen Gruppe oder politischer Gesinnung bedroht wäre. Bei Rückschiebungen im Rahmen des EU-Türkei-Abkommens soll gelegentlich Personen die Asylantragstellung verweigert worden sein. Außerdem gibt es Berichte über informelle Push-backs an See- und Landgrenzen, wobei es immer wieder zu Gewaltanwendung kommt (USDOS 13.3.2019; vgl. AIDA 3.2019; ARSIS/GCR/HR360 11.12.2018; CoE-CPT 19.2.2019; CoE-CommDH 6.11.2018; CoE-PACE 8.6.2019).
Quellen:
AIDA – Asylum Information Database (3.2019): Country Report: Greece, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_gr_2018update.pdf, Zugriff 26.9.2019
ARSIS/GCR/HR360 – Association for the Social Support of Youth/Greek Council for Refugees/Human Rights 360 (11.12.2019): The new normality: Continuous push-backs of third country nationals on the Evros river, https://www.gcr.gr/el/news/press-releases-announcements/item/1028-i-nea-kanonikotita-ston-evro-ameiotes-synexizontai-oi-paranomes-epanaproothiseis-politon-triton-xoron, Zugriff 26.9.2019
CoE-CPT – Council of Europe - European Committee for the Prevention of Torture and Inhuman or Degrading Treatment or Punishment (19.2.2019): Report to the Greek Government on the visit to Greece carried out by the European Committee for the Prevention of Torture and Inhuman or Degrading Treatment or Punishment (CPT) from 10 to 19 April 2018 [CPT/Inf (2019) 4],
https://www.ecoi.net/en/file/local/2003329/2019-04-inf-eng.docx.pdf, Zugriff 26.9.2019
CoE-CommDH – Council of Europe - Commissioner for Human Rights (6.11.2018): Report of the Commissioner for Human Rights of the Council of Europe Dinja Mijatovi? following her visit to Greece from 25 to 29 June 2018 [CommDH(2018)24],
https://www.ecoi.net/en/file/local/1450482/1226_1542121278_commdh-2018-24-greece-report-en-docx.pdf, Zugriff 26.9.2019
CoE-PACE – Council of Europe - Parliamentary Assembly (8.6.2019): Pushback policies and practice in Council of Europe member States [Doc. 14909],
https://www.ecoi.net/en/file/local/2011497/pdf.aspx, Zugriff 26.9.2019
USDOS – US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 – Greece, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004299.html, Zugriff 26.9.2019
Versorgung
Letzte Änderung: 4.10.2019
Das Gesetz sieht vor, dass die Bereitstellung der Aufnahmebedingungen für Asylwerber durch die zuständige Behörde in Zusammenarbeit mit den gegebenenfalls zuständigen Regierungsstellen, internationalen Organisationen und zugelassenen gesellschaftlichen Akteuren gewährleistet wird. Die materiellen Aufnahmebedingungen sind unter anderem von den verfügbaren materiellen Ressourcen der Betroffenen abhängig. Unter bestimmten Umständen kann die materielle Versorgung auch gekürzt oder gestrichen werden. In der Praxis sind Asylwerber auf den Inseln von gewissen Aufnahmebedingungen ausgeschlossen. Dies gilt auch für Asylwerber, die sich in Haftanstalten befinden. Die materielle Versorgung wird entweder in Form von Sachleistungen oder als Geldleistungen erbracht. Im Rahmen der sogenannten Soforthilfe für Integration und Unterbringung (ESTIA) unter der Leitung von UNHCR, finanziert von der Europäischen Kommission, werden mittels einer speziellen Karte vorab festgelegte monatliche Bargeldzuwendungen (Cash-Card-Programm) für Flüchtlinge und Asylwerber ausbezahlt. Dies bietet ihnen die Möglichkeit, ihren Grundbedarf selbst zu decken, wodurch sie auch die lokale Wirtschaft unterstützen (AIDA 3.2019; vgl. EK 2.4.2018; EK 20.12.2018). Im Juli 2019 gab es 72.290 Bezieher der EU-finanzierten Geldleistungen, darunter 13.800 anerkannte Schutzberechtigte (UNHCR 7.2019). Der Auszahlungsbetrag liegt zwischen 90 € für eine Einzelperson mit Unterkunft und Verpflegung und bis zu 550 € für eine Familie mit sieben oder mehr Personen (AIDA 3.2018; vgl. UNHCR 7.2019). Antragsteller dürfen in Griechenland arbeiten, sobald sie über die dazu notwendigen Dokumente („international protection applicant card“ oder „asylum seeker‘s card“) verfügen. Aber die hohe Arbeitslosigkeit und bürokratische Hürden (z.B. Schwierigkeiten beim Zugang zur Steuernummer) schränken die Möglichkeiten ein, eine legale Beschäftigung finden zu können (AIDA 3.2019; vgl. CoE-CommDH 6.11.2018; GHM/MRG/OMCT/SOKADRE 6.2019).
Quellen:
AIDA – Asylum Information Database (3.2019): Country Report: Greece, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_gr_2018update.pdf, Zugriff 26.9.2019
CoE-CommDH – Council of Europe - Commissioner for Human Rights (6.11.2018): Report of the Commissioner for Human Rights of the Council of Europe Dinja Mijatovi? following her visit to Greece from 25 to 29 June 2018 [CommDH(2018)24], https://www.ecoi.net/en/file/local/1450482/1226_1542121278_commdh-2018-24-greece-report-en-docx.pdf, Zugriff 26.9.2019
EK – Europäische Kommission (20.12.2018): Migration und Grenzen: Kommission genehmigt 305 Mio. EUR für unter Druck stehende Mitgliedstaaten, https://europa.eu/rapid/press-release_IP-18-6884_de.htm, Zugriff 26.9.2019
EK – Europäische Kommission (2.4.2018): Unterstützung für Flüchtlinge in Griechenland: 180 Mio. EUR an Soforthilfe, https://europa.eu/rapid/press-release_IP-18-2604_de.htm, Zugriff 26.9.2019
GHM/MRG/OMCT/SOKADRE – GHM – Greek Helsinki Monitor (Autor), MRG – Minority Rights Group International (Autor), OMCT – World Organisation Against Torture (Autor), Refugee Rights Europe (Autor), SOKADRE - Coordinated Organizations and Communities for Roma Human Rights in Greece (Autor): Joint submission to the UN Committee Against Torture ahead of the review of the periodic report of Greece, https://www.omct.org/files/2019/07/25442/submission_greece.pdf, Zugriff 26.9.2019
UNHCR – UN High Commissioner for Refugees (7.2019): Cash Assistance Update, http://estia.unhcr.gr/en/greece-cash-assistance-july-2019/, Zugriff 26.9.2019
Medizinische Versorgung
Letzte Änderung: 4.10.2019
Nach der nationalen Gesetzgebung haben Asylwerber Anspruch auf kostenlosen Zugang zu notwendiger Gesundheits-, Arzneimittel- und Krankenhausversorgung, gegebenenfalls einschließlich der erforderlichen psychiatrischen Versorgung (AIDA 3.2019; vgl. CoE-CommDH 6.11.2018). Weiters ermöglicht das Gesetz den freien Zugang zu öffentlichen Gesundheitsdiensten und pharmazeutischer Behandlung für Personen ohne Sozialversicherung und Vulnerable, das gilt auch für Asylwerber und deren Familienangehörige (AIDA 3.2019). Berichten zufolge ist der Zugang zu medizinischer Versorgung in der Praxis trotz der günstigen rechtlichen Rahmenbedingungen sehr eingeschränkt. Das von den sukzessiven Sparmaßnahmen stark betroffene öffentliche Gesundheitswesen steht weiterhin unter Druck und ist nicht in der Lage, den Gesamtbedarf an Gesundheitsdienstleistungen, weder für die Einheimischen noch für Migranten, zu decken. Dazu kommen die administrativen Hindernisse für Asylwerber beim Erhalt der Sozialversicherungsnummer (CoE-CommDH 6.11.2018; vgl. AIDA 3.2019).
Alle Einwohner des Landes haben Anspruch auf medizinische Notfallversorgung unabhängig vom Rechtsstatus. Notfälle oder komplexere Fälle werden in die oft überlasteten und unterbesetzten lokalen Krankenhäuser überwiesen. Einige chronisch erkrankte Personen hatten weiterhin Probleme beim Zugang zu entsprechenden Medikamenten (USDOS 13.3.2019).
In den letzten drei Jahren lebten tausende von Personen infolge des EU-Türkei-Abkommens unter überfüllten, unhygienischen, unsicheren und erniedrigenden Bedingungen mit geringem Zugang zu medizinischer Grundversorgung in den Hotspots. Dies führte zu einer Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes (MSF 18.3.2019). Die Situation in den überbelegten Lagern auf den Ägäischen Inseln – insbesondere in Moria auf Lesbos und in Vathy auf Samos – bleibt weiterhin besorgniserregend und der Zugang zu Gesundheitsdiensten besonders eingeschränkt (AIDA 3.2019; CoE-PACE 4.3.2019).
Betreffend der Zuständigkeit der Gewährleistung der medizinischen Versorgung gehen die Quellen auseinander. Laut Ärzte ohne Grenzen (MSF) wird die humanitäre und medizinische Verantwortung auf den Inseln heute noch von freiwilligen Organisationen getragen, die die Zuständigkeit des Staates ersetzen (MSF 9.9.2019). Laut dem Bericht der Kommissarin des Europarats für Menschenrechte liegt hingegen die Verantwortung für die Gesundheitsdienste auf den Inseln seit 2017 nicht mehr bei NGOs, sondern bei staatlichen Akteuren (insbesondere beim Gesundheitsministerium und KEELPNO). NGOs zufolge führte diese Änderung zu weiteren Einschränkungen beim Zugang zu medizinischer Versorgung sowie ambulanter Behandlung, die mit Leistungslücken und Personalmangel im Gesundheitswesen begründet werden (CoE-CommDH 6.11.2018). Das US Außenministerium berichtet, dass die medizinische Betreuung in den Unterbringungszentren durch Freiwillige, Vertragsärzte der NGOs, Hellenic Center for Disease Control and Prevention (KEELPNO) und Militärärzte gemeinsam gewährleistet wird (USDOS 13.3.2019).
Die Anzahl, der in den RIC tätigen medizinischen Mitarbeiter reicht demnach nicht aus, um den Bedarf zu decken. Nach Angaben der griechischen Behörde arbeiten 62 Gesundheitsfachkräfte, darunter 23 Ärzte in Moria. Andere Quellen sprechen von niedrigeren Zahlen. Die offiziellen Zahlen in den anderen Hotspots liegen unter denen von Moria. Die Arbeit der medizinischen Teams wird durch den Mangel an Dolmetschern und interkulturellen Vermittlern erschwert. In Moria untergebrachte Personen geben an, dass sie sowohl im RIC als auch im lokalen Krankenhaus eine unangemessene Medikation erhielten. NGOs betonen, dass die Bedingungen in den Hotspots gefährlich und unhygienisch seien, insbesondere für Kinder und dass Krankheiten im Zusammenhang mit schlechter Hygiene (z.B. Hautinfektionen, ansteckende Krankheiten, einschließlich Tuberkulose) unter diesen Bedingungen nicht angemessen behandelt werden können. Darüber hinaus müssen sich die medizinischen Fachkräfte auch mit zunehmenden Problemen der psychischen Gesundheit auseinandersetzen, die manchmal durch die Lebensbedingungen in den RICs verursacht werden (CoE-CommDH 6.11.2018). Der Mangel an Psychologen und Dolmetschern erschwert die Identifikation und Betreuung von Asylwerbern, die unter nicht offensichtlichen Vulnerabilität (z.B. Folteropfer) leiden (UNHCR 27.8.2019).
Seit 2016 stellt MSF in Griechenland diverse Dienste wie medizinische Grundversorgung, Behandlung chronischer Erkrankungen, sexuelle und reproduktive Gesundheitsfürsorge, Physiotherapie, klinisch-psychologische Betreuung sowie ein umfassendes soziales Unterstützungspaket zur Verfügung. Die MSF Psychologen-Teams betreuen weiters Menschen mit psychischen Problemen wie Depression, Angstzustände und Psychosen und rehabilitieren Überlebende von Folter. Von den Psychologen wird die Wohnsituation der Patienten als größtes Problem genannt (MSF 18.3.2019).
UNHCR arbeitet daran, den Zugang der Asylwerber und anerkannten Flüchtlinge zu medizinischer Versorgung zu verbessern und kooperiert hierzu mit staatlichen Stellen. Weiters unterstützt UNHCR finanziell die medizinische Grundversorgung und die psychosoziale Betreuung auf Lesbos und die psychische Gesundheitsversorgung in Attika. Die Vergabe der Sozialversicherungsnummer (AMKA) wurde im Juli 2019 unterbrochen, da ein Schreiben zur AMKA-Vergabe widerrufen wurde, das neu eingetroffenen Asylwerbern den Zugang zu Gesundheits- und Sozialdiensten verwehrt. Dies erschwert auch den Zugang zu Unterkünften für Obdachlose und für Opfer sexueller Gewalt sowie den Zugang zu medizinischer Versorgung, für Menschen mit chronischen Erkrankungen (UNHCR 27.8.2019).
Quellen:
AIDA – Asylum Information Database (3.2019): Country Report: Greece, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_gr_2018update.pdf, Zugriff 26.9.2019
CoE-CommDH – Council of Europe - Commissioner for Human Rights (6.11.2018): Report of the Commissioner for Human Rights of the Council of Europe Dinja Mijatovi? following her visit to Greece from 25 to 29 June 2018 [CommDH(2018)24], https://www.ecoi.net/en/file/local/1450482/1226_1542121278_commdh-2018-24-greece-report-en-docx.pdf, Zugriff 26.9.2019
CoE-PACE – Council of Europe - Parliamentary Assembly (4.3.2019): The situation of migrants and refugees on the Greek islands: more needs to be done [Doc. 14837], https://www.ecoi.net/en/file/local/2004109/pdf.aspx, Zugriff 26.9.2019
MSF – Médecins Sans Frontières (18.3.2019): EU-Turkey deal continues cycle of containment and despair,
https://www.ecoi.net/de/dokument/2005674.html, Zugriff 26.9.2019
MSF – Médecins Sans Frontières (9.9.2019): Greece: Greek and EU authorities deliberately neglecting people trapped on islands, https://www.msf-me.org/article/greece-greek-and-eu-authorities-deliberately-neglecting-people-trapped-islands, Zugriff 26.9.2019
UNHCR – UN High Commissioner for Refugees (27.8.2019): Fact Sheet; Greece; 1-31 July 2019, https://data2.unhcr.org/en/documents/download/71038, Zugriff 26.9.2019
USDOS – US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 – Greece, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004299.html, Zugriff 26.9.2019
Schutzberechtigte
Letzte Änderung: 4.10.2019
Anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte erhalten zunächst eine Aufenthaltserlaubnis für drei Jahre. Humanitär Schutzberechtigte erhalten eine Aufenthaltserlaubnis für zwei Jahre. Die Aufenthaltserlaubnis wird in der Regel ein bis zwei Monate nach der Entscheidung ausgestellt. In der Zwischenzeit gilt die Asylwerberkarte mit dem Stempel „Pending Residence Permit". Nach fünf Jahren Aufenthalt kommt ein Flüchtling für eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung infrage, wenn er bestimmte Voraussetzungen erfüllt (AIDA 3.2019). Subsidiär Schutzberechtigte haben keinen Anspruch auf Familienzusammenführung. Sie erhalten außerdem nur dann international gültige Reisedokumente, wenn sie keine Reisedokumente ihres Heimatstaats erlangen können. Darüber hinaus bestehen keine rechtlichen und tatsächlichen Unterschiede bei der Behandlung der genannten Personengruppen (AA 26.9.2018a; vgl. AIDA 3.2019).
NGOs bezeichnen die Lebensbedingungen für Menschen mit internationalem Schutzstatus in Griechenland als alarmierend. Schutzberechtigte sehen sich nicht nur mit fehlenden Möglichkeiten zur Integration in die griechische Gesellschaft konfrontiert, sondern auch oft mit unzulänglichen Lebensumständen und humanitären Standards, einer äußerst prekären sozioökonomischen Situation und kämpfen oft um ihr bloßes Überleben. Es bestehen weiterhin flächendeckende Defizite bezogen auf die Aufnahme, Versorgung und Integration von Schutzberechtigten. In der Praxis besteht für Flüchtlinge immer noch kein gesicherter Zugang zu Unterbringung, Lebensmittelversorgung, medizinischer und psychologischer Behandlung oder zum Arbeitsmarkt. Auf dem Festland sind Fälle bekannt, in denen anerkannte Flüchtlingeinoffiziell für einige Monate weiter in den Unterbringunszentren bleiben durften und Bargeld erhielten wie Asylbewerber. Jedoch wurden für sie keine weiteren Integrationsmaßnahmen ergriffen. Sie erhielten keinen Zugangzu entsprechenden Informationen oder Unterstützung bei der Integration (Pro Asyl/RSA 8.2018).
Besondere staatliche Hilfsangebote für anerkannte Schutzberechtigte neben dem allgemeinen staatlichen Sozialsystem bestehen nicht. Konzepte für eine speziell zugeschnittene Information durch öffentliche Behörden sowie Zugangserleichterungen zu staatlichen Leistungen für anerkannte Schutzberechtigte befinden sich im Aufbau (AA 26.9.2018a; vgl. Pro Asyl/RSA 8.2018).
Integrationsplan
Die sogenannte Nationale Strategie zur Integration von Drittstaatsangehörigen ist nur teilweise umgesetzt. Maßnahmen und Projekte des Ministeriums für Arbeit und Sozialfürsorge sind zwar für diejenigen, die unter der Armutsgrenze leben, vorgesehen, aber nicht für Personen, die kein Griechisch sprechen oder verstehen (Pro Asyl/RSA 8.2018).
In der Praxis werden konkrete Integrationsprogramme (z.B. Soforthilfe für Integration und Unterbringung (ESTIA)) weitgehend von einer EU-Finanzierung abhängig sein, da weder auf nationaler noch auf kommunaler Ebene nennenswerte Ressourcen zur Verfügung stehen. Positiver gestaltet sich die Integration der etwa 12.000 schulpflichtigen Flüchtlingskinder in Griechenland, von denen im Schuljahr 2017/2018 ca. 8.000 eingeschult waren (AA 6.12.2018).
Sozialleistungen
Gemäß Gesetz haben Flüchtlinge in Griechenland dieselben sozialen Rechte wie griechische Staatsbürger, aber bürokratische Hürden, staatliche Handlungsdefizite, mangelnde Umsetzung des Gesetzes und die Auswirkungen der Wirtschaftskrise können den Genuss dieser Rechte schmälern (AIDA 3.2019; vgl. Pro Asyl/RSA 30.8.2018; UNHCR 4.2019). Das neue System der sozialen Grundsicherung vom Februar 2017 befindet sich noch im Aufbau und wird schrittweise eingeführt. Es sieht Geldleistungen (erste Säule) sowie Sachleistungen (zweite Säule) und Arbeitsvermittlung (dritte Säule) vor. Eine etablierte Verwaltungspraxis besteht bislang nicht. Allerdings wurde der Zugang im Rahmen einer Gesetzesänderung im Juni 2018 für jene Personen eingeschränkt, die in EU-finanzierten Aufnahmelagern und Apartments wohnen. Die überwiegende Mehrheit der anerkannten Schutzberechtigten bezieht bisher keine soziale Grundsicherung (AA 6.12.2018). Voraussetzung für den Leistungsbezug allgemeiner Sozialhilfe ist das Einreichen verschiedener Dokumente (Aufenthaltserlaubnis, Sozialversicherungsnummer, Bankverbindung, Steuererklärung über das Online-Portal Taxis-Net), wobei der Nachweis des dauerhaften einjährigen Mindestaufenthalts im Inland durch die inländische Steuererklärung des Vorjahres nachzuweisen ist. Dabei sind Unterlagen grundsätzlich online und in griechischer Sprache einzureichen, staatlicherseits werden keine Dolmetscher gestellt (AA 7.2.2018). Bei der Beschaffung der genannten Dokumente stoßen jedoch die Betroffenen in der Praxis auf zahlreiche Schwierigkeiten (Pro Asyl/RSA 30.8.2018; vgl. UNHCR 4.2019). Einige NGOs bieten punktuell Programme zur Unterstützung bei der Beantragung von Sozialleistungen an. Erster Anlaufpunkt ist die HELP-Webseite des UNHCR. Es beraten z. B. der Arbeiter-Samariter-Bund, die Diakonie und der Greek Refugee Council (AA 6.12.2018; vgl. UNHCR 4.2019). Im Juli 2019 gab es 72.290 Bezieher der EU-finanzierten Geldleistungen im Rahmen sogenannter Cash-Card Programm des UNHCR, darunter 13.800 anerkannte Schutzberechtigte (UNHCR 7.2019). Es besteht kein Anspruch auf Teilnahme an dem Cash-Card-Programm, es handelt sich nicht um einen Sozialhilfeanspruch, sondern um humanitäre Hilfe. Der Bezugszeitraum endet grundsätzlich nach Anerkennung bzw. nach einer Übergangsfrist von 6 bis 12 Monaten. In der Praxis wurden bisher keine Asylwerber nach ihrem Statuswechsel von dem Bezug ausgeschlossen. Für bereits anerkannte Schutzberechtigte ist ein Neueintritt in das Cash-Card-Programm allerdings nicht möglich (AA 6.12.2018). Der Auszahlungsbetrag beträgt zwischen 90 € für eine Einzelperson mit Unterkunft und Verpflegung und bis zu 550 € für eine Familie mit sieben oder mehr Personen (AIDA 3.2019; vgl. UNHCR 7.2019).
Medizinische Versorgung
Anerkannte Schutzberechtigte haben durch Gesetz vom 20. Februar 2016, umgesetzt seit Ende 2016, einen gesetzlichen Anspruch auf unentgeltliche medizinische Behandlung (auch in Krankenhäusern) und sind in die staatliche Krankenversicherung mit einbezogen. Das Gesundheitssystem erfüllt diesen Anspruch auch in der Praxis, insbesondere im Rahmen der Notfallversorgung (AA 7.2.2018). Trotz des günstigen Rechtsrahmens wird der tatsächliche Zugang zu medizinischer Versorgung in der Praxis durch einen erheblichen Ressourcen- und Kapazitätsmangel sowohl für Fremde als auch für die einheimische Bevölkerung erschwert. Der von verschiedenen Sparmaßnahmen stark betroffene öffentliche Gesundheitssektor steht unter enormem Druck und ist nicht in der Lage, den gesamten Bedarf an Gesundheitsleistungen weder für die einheimische Bevölkerung noch für Migranten zu decken. Ein weiteres Problem stellt die Ausstellung der Sozialversicherungsnummer (AMKA) dar (AIDA 3.2019). Kosten fallen bei Medikamenten im ambulanten Bereich an, da der staatlich festgesetzte erstattete Preis in Apotheken teilweise unterhalb des realen Verkaufspreises gilt. Mit Blick auf die allgemein begrenzten Haushaltsmittel sind Schutzberechtigte wie die griechische Bevölkerung auch hierbei Budgetierungen und restriktiver Medikamentenausgabe insbesondere bei teuren Krebsmedikamenten unterworfen. Seit Anfang 2017 werden Medikamente für Bedürftige nicht mehr kostenlos in Krankenhausapotheken abgegeben, sondern sind über Apotheken zu beziehen. Dabei wird ein staatlich festgesetzter Preis erstattet, der z. T. unterhalb des üblichen Abgabepreises in Apotheken liegt. Der Differenzbetrag ist privat zu tragen. An einigen Orten unterstützen private Sozialkliniken Bedürftige mit kostenloser Medikamentenabgabe. Fälle von Behandlungsverweigerung sind seltene Ausnahmen (AA 6.12.2018; vgl. AA 7.2.2018).
Wohnmöglichkeiten
Anerkannte Schutzberechtigte haben seit 2013 Zugang zu Unterbringung unter den gleichen Bedingungen wie Drittstaatsangehörige, die sich legal in Griechenland aufhalten. Eine staatliche Sozialleistung zur Wohnungsunterstützung besteht derzeit auch für die griechische Bevölkerung noch nicht (AA 26.9.2018a; vgl. AIDA 3.2019). In der Praxis wird Schutzberechtigten, die als Asylwerber in einem Flüchtlingslager oder in einer Wohnung des UNHCR-Unterbringungsprogramms (ESTIA) untergebracht waren, gestattet, nach ihrer Anerkennung für weitere 6 Monate in der gleichen Unterkunft zu bleiben (Pro Asyl/RSA 8.2018). Wohnraum wäre grundsätzlich auf dem freien Wohnungsmark zu beschaffen (AA 6.12.2018). Das private Anmieten von Wohnraum für bzw. durch anerkannte Schutzberechtigte wird durch das traditionell bevorzugte Vermieten an Familienmitglieder, Bekannte und Studenten, sowie gelegentlich durch Vorurteile erschwert (AA 26.9.2018a). Personen, die keine Unterkunft haben und nicht das Geld besitzen, eine zu mieten, leben oft in überfüllten Wohnungen, verlassenen Häusern ohne Zugang zu Strom oder Wasser oder werden obdachlos (AIDA 3.2019; Pro Asyl/RSA 8.2018). Schutzberechtigte haben Zugang zu Unterbringungseinrichtungen für Obdachlose, die jedoch nur begrenzt vorhanden sind. Eigene Unterbringungsplätze für anerkannte Flüchtlinge oder subsidiär Schutzberechtigte existieren nicht. Es gibt auch keine eigene Unterstützung für ihre Lebenshaltungskosten. In Athen etwa gibt es vier Asyle für Obdachlose (zugänglich für griechische Staatsbürger und legal aufhältige Drittstaatsangehörige). Aber es ist äußerst schwierig, dort zugelassen zu werden, da sie chronisch überfüllt sind und Wartelisten führen (AIDA 3.2019; vgl. Pro Asyl/RSA).
Die Aufnahme ins ESTIA-Programm ist nur für diejenigen anerkannten Schutzberechtigten möglich, welche die Kriterien der Vulnerabilität erfüllen und bereits als Asylwerber an dem Programm teilgenommen haben. Im Rahmen des Programms werden hauptsächlich Familien untergebracht (AIDA 3.2019). Prioritäre Kriterien sind das Vorliegen einer medizinischen Indikation, bevorstehende Geburt oder Neugeborene, alleinerziehende Mütter sowie Unterbringung der vulnerablen Personen von den Erstaufnahmeeinrichtungen auf den ostägäischen Inseln (AA 6.12.2018). Im Rahmen des ESTIA-Programms waren im März 2019 6.790 anerkannte Schutzberechtigte untergebracht (UNHCR 4.2019). Die Auslastungsquote lag Ende August 2019 mit 21.622 Einwohnern (Asylwerber und anerkannte Schutzberechtigte) bei 98,2% der Kapazitäten (ESTIA 28.8.2019). Anerkannte Schutzberechtigte sind dazu aufgerufen, die Wohnungen innerhalb einer Übergangsphase von 6 bzw. 12 Monaten nach ihrer Anerkennung zu verlassen. In der Praxis ist es bisher aber nicht zu erzwungenen Räumungen gekommen (AA 6.12.2018). Personen, die nach Zuerkennung ihres Schutzstatus in Griechenland ESTIA verlassen und einen Zweitantrag in einem anderen EU-Staat stellen, verzichten in eigener Verantwortung auf diesen sozialen Vorteil (AA 6.12.2018).
Einige NGOs bieten punktuell Wohnraum an. Hierzu gehören z.B. Caritas Hellas, Orange House und PRAKSIS. Insbesondere Caritas Hellas unterhält einen sogenannten „Social Spot" in Athen. Hier werden täglich Hilfestellungen zu verschiedenen Themen angeboten. Zudem verfügt Caritas Hellas über Wohnräumlichkeiten sowie Kooperationen mit der armenischen Kirchengemeinde, welche u. a. auch für kurzfristige Unterbringungen zur Verfügung stehen. Weitere gemischte Wohnprojekte der Caritas Hellas im Stadtteil Neos Kosmos werden von den römisch-katholischen Bischöfen in Griechenland unterstützt. Die Zahl der Unterkünfte in Athen ist insgesamt nicht ausreichend. Diese Stellen arbeiten mit Bedürftigen direkt und unmittelbar zusammen. Bedürftige können sich nach Ankunft in Griechenland unmittelbar an die vorgenannten Organisationen wenden (AA 6.12.2018).
Arbeitsmarkt
Ein Zugang zum Arbeitsmarkt steht rechtlich dauerhaft und legal im Land lebenden Personen zu, damit grundsätzlich auch Schutzberechtigten. Geldleistungen der Arbeitslosenversicherung erhalten nur Personen mit entsprechenden Vorversicherungszeiten für eine Dauer von maximal einem Jahr. Die griechische Arbeitsagentur ODEA stellt nunmehr seit Juni 2018 für alle Schutzberechtigten eine Arbeitslosenkarte aus. Eine Registrierung bei der Arbeitsagentur, welche Voraussetzung für weitere Sozialleistungen ist, war zuvor in der Praxis für Schutzberechtigte kaum möglich, da als Voraussetzung ein Wohnungsnachweis auf den Namen der Person vorgelegt werden musste. Nachdem diese Hürde weggefallen ist, wurden innerhalb weniger Monate über 4.000 Personen aus dem EU-finanzierten Unterkunftsprogramm ESTIA registriert. Die Arbeitslosenkarte berechtigt zu folgenden Leistungen: kostenlose Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs; kostenloser Eintritt in Museen; Ermäßigungen für Gas-, Wasser- und Stromrechnungen, Rabatte in einigen Fast-Food-Restaurants, Mobilfunkangebote und ermäßigte berufliche Fortbildungsmaßnahmen. Einige NGOs bieten punktuell Programme zur Fortbildung und Unterstützung bei der Arbeitssuche an. Hierzu gehören z.B. der Arbeiter-Samariter-Bund, die Diakonie und der Greek Refugee Council (AA 6.12.2018). Die Chancen zur Vermittlung eines Arbeitsplatzes sind gering. Die staatliche Arbeitsagentur OAED hat bereits für Griechen kaum Ressourcen für die aktive Arbeitsvermittlung (Betreuungsschlüssel: 1 Mitarbeiter für über 1.000 Arbeitslose) und noch kein Programm zur Arbeitsintegration von Flüchtlingen aufgelegt. Migration in den griechischen Arbeitsmarkt hat in der Vergangenheit vor allem in den Branchen Landwirtschaft, Bauwesen, haushaltsnahe und sonstige Dienstleistungen stattgefunden. Allerdings haben sich die Arbeitschancen durch die anhaltende Finanz- und Wirtschaftskrise all