TE Bvwg Erkenntnis 2020/9/24 W195 2223975-2

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Veröffentlicht am 24.09.2020
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Entscheidungsdatum

24.09.2020

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art3
GRC Art4
VwGVG §32

Spruch

W195 2223975-2/12E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Vizepräsident Dr. Michael SACHS als Einzelrichter über den Antrag von XXXX , geb XXXX , StA. Bangladesch, vertreten durch XXXX , hinsichtlich Wiederaufnahme des mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 27.07.2020, XXXX abgeschlossenen Verfahrens erkannt:

A)

Der Antrag wird gemäß § 32 VwGVG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Begründung:

I. Verfahrensgang:

Mit Schriftsatz vom 08.09.2020, im BVwG eingelangt am 09.09.2020, stellte der durch die XXXX vertretene Antragsteller (ASt) einen Antrag auf Wiederaufnahme des mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 27.07.2020 abgeschlossenen Verfahrens zur Erlangung internationalen Schutzes.

Begründend führte der ASt dazu aus, dass ihm am 25.08.2020 (per Post/ XXXX ) aus seinem Heimatland Dokumente zugegangen wären, welche Bezug zu seinen behaupteten Verfahren in Bangladesch hätten.

Konkret führte der ASt aus, dass diese Dokumente einer Akteneinsicht beim bengalischen Gericht entstammen würden. Aus den Dokumenten ginge hervor, dass der ASt in mehreren Strafverfahren als Beschuldigter geführt werde.

Im Konvolut ./1 seien die Anklageschrift vom 23.09.2017 zu einer Anzeige vom 02.06.2015 in der Polizeistation XXXX sowie Gerichtsbeschlüsse nach der Anklage vom 23.09.2017 enthalten. Die Anklageschrift beinhalte eine Liste der Angeklagten, eine Zeugenliste, Beweismittel, den Ermittlungsbericht der Polizei, den Beschwerdeführer und den Tatbestand.

Das Konvolut ./2 beinhalte eine Anzeige vom 19.11.2013 in der Polizeistation XXXX , einen Beschwerdeschriftsatz, ein Sicherstellungsprotokoll, eine Tatbeschreibung und Tathergang, eine Anklageschrift mit einer Liste der Angeklagten, einer Zeugenliste, dem Ermittlungsbericht der Polizei, dem Beschwerdeführer und dem Tatbestand (der Name des Wiederaufnahmewerbers werde in der Anklageschrift durch „Ermittlungen der Polizei“ hinzugefügt), einen Gerichtsbeschluss, dass der Akt an das Sondertribunal abgetreten wird sowie Gerichtsbeschlüsse des Sondertribunals vom 09.04.2017 bis 31.05.2020.

Das Konvolut ./3 beinhalte eine Anzeige vom 23.08.2014 wegen Mordes, einen gerichtlich aufgeforderten Abschlussbericht der Polizei vom 31.10.2016 zur Anzeige vom 23.08.2014, sowie Gerichtsbeschlüsse nach dem Abschlussbericht vom 31.10.2016.

In all diesen Unterlagen würde der ASt genannt werden.

Die Unterlagen würden neue Beweismittel zu den Gerichtsverfahren in Bangladesch darstellen, die zu einer anderen Beurteilung der Frage, ob dem ASt in Bangladesch eine Verletzung in ihren Rechten aus Art 3 der EMRK drohen würde, geführt hätte. Aus diesen Beweismitteln ergäbe sich, dass gegen den ASt ein strafgerichtliches Verfahren geführt werde.

Den ASt würde kein Verschulden daran treffen, dass diese Dokumente erst nach der Entscheidung des Gerichtes in seinen Besitz gekommen seien. Bisherige Versuche des ASt, Gerichtsakten zu besorgen seien daran gescheitert, dass ihm bzw. seinen Vertretern keine Akteneinsicht gewährt worden sei, weil der ASt aus Bangladesch geflüchtet sei und gegen ihn ein Haftbefehl bestünde. Solchen Personen würde keine Akteneinsicht gewährt. Dieses Problem sei dadurch gelöst worden, indem Kontakt zu dem Rechtsanwalt eines anderen, „nicht flüchtigen Beschuldigten in denselben Strafverfahren“ hergestellt worden sei. Da diesem Beschuldigten (Anmerkung dazu: dessen Name jedoch im Antrag des ASt nicht bekanntgegeben wird) Akteneinsicht gewährt worden sei, konnte ein – namentlich genannter - Rechtsanwalt die beigelegten Auszüge aus den Akten der Strafverfahren besorgen.

Es liege daher ein tauglicher Wiederaufnahmegrund vor, der geeignet sei, ein im Hauptinhalt des Spruches der Entscheidung des BVwG vom 27.07.2020 anders lautendes Erkenntnis herbeizuführen. Wäre dem Gericht die mit dem Antrag vorgelegten Beweismittel vorgelegen, hätte es feststellen müssen, dass der ASt die Anzeigen gegen ihn durch Vorlage unbedenklicher Dokumente beweisen konnte.

In weiterer Folge hätte festgestellt werden müssen, dass dem ASt weitere strafgerichtliche Verfolgung drohe und deswegen eine Inhaftierung des ASt wahrscheinlich sei und aufgrund der in Bangladesch bestehenden Haftbedingungen eine Verletzung der Rechte aus Art 3 EMRK mit dieser Inhaftierung voraussichtlich verbunden wäre.

Bei diesen Feststellungen hätte das Gericht dem ASt den subsidiären Schutzstatus aufgrund der realen Gefahr der Verletzung seiner Rechte aus Art 3 EMRK zuerkennen müssen.

Es ergehe somit der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens.

Da dem ASt mangels ausreichender finanzieller Möglichkeiten keine professionelle Übersetzung möglich sei, würde „in den nächsten Tagen“ eine Arbeitsübersetzung nachgereicht werden.

Zur Klärung allfälliger Unklarheiten werde auch die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung beantragt.

Darüber hinaus beantragte der ASt die Erlassung einer einstweiligen Anordnung nach dem Unionsrecht und begründete diese mit den in Art 3 EMRK und Art 4 GRC. Die Gewährung eines vorläufigen Rechtsschutzes – bis zur Entscheidung über den Wiederaufnahmeantrag – sei „zwingend geboten“. Das BVwG möge „unverzüglich mittels einstweiliger Anordnung vorläufig den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Anordnung nach dem Unionsrecht, auf Gewährung eines vorübergehenden Aufenthaltsrechtes bzw. auf Hintanhaltung der Abschiebung stattgeben“.

Diesem Antrag beigefügt war, neben der Kopie der genannten Konvolute, eine „eidesstattliche Erklärung“ des ASt, dass sich im am 25.08.2020 zugestellten XXXX -Postpaket die im Wiederaufnahmeantrag beigelegten bengalischsprachigen Dokumente befunden hätten und die Dokumente „wahren Inhalts“ sind. Die Straftaten habe der Ast jedoch nicht begangen, es seien diese Strafverfahren ihm angehängt worden.

Die Originale wurden dem BVwG am 10.09.2020 nachgereicht.

Eine (Arbeits-)Übersetzung wurde dem BVwG jedoch – entgegen der Ankündigung – nicht nachgereicht.

Das Bundesverwaltungsgericht gab deshalb eine Teilübersetzung in Auftrag. Diese Teilübersetzung betraf die Namen der Beschuldigten sowie – zusammengefasst – den wesentlichen Inhalt. Diese Teilübersetzung wurde dem ASt mit der Möglichkeit zur Stellungnahme übermittelt.

Der BF erklärte in der Stellungnahme langatmig, wieso der – in den Dokumenten unterschiedlich angeführte - Name des Vaters des BF unterschiedlich zu verstehen sei; darüber hinaus kündigte der BF weitere Unterlagen an.

Hinsichtlich des Mankos, dass ein weiterer Name eines angeblich nicht flüchtigen Beschuldigten nicht dreimal erwähnt wird, gab es jedoch keine Stellungnahme seitens des BF. Offensichtlich ist dem BF dieser schwere Verstoß hinsichtlich der Glaubwürdigkeit der Dokumente nicht einmal ansatzweise bewußt geworden und ist dies der Beweis dafür, dass die vorgelegten Dokumente offensichtlich Fälschungen sind – oder die Aussagen des BF jedenfalls nicht den Tatsachen entsprechen.

Weitere in Aussicht genommene Dokumente entbehren somit jeder weiteren Beurteilung, schon im Hinblick darauf, dass die bisher vorgelegten Dokumente offensichtlich gefälscht sind – oder die Aussage des BF jedenfalls wahrheitswidrig ist. Es bedarf somit keiner weiteren angeblichen Beweise, welche, soweit es den gegenständlichen Antrag betrifft, auch nicht zeitgerecht, nämlich gemeinsam mit dem Antrag, vorgelegt wurden.

Festgehalten wird, dass sich auf Grund der Teilübersetzung ergibt, dass der Name des ASt in den drei Konvoluten vorkommt, jedoch sonst keine Namensgleichheit besteht. Dies wird auch durch die Stellungnahme des BF nicht bestritten.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Gegenständlich handelt es sich um einen Wiederaufnahmeantrag betreffend das mit Erkenntnis des BVwG vom 27.07.2020 abgeschlossenen Verfahrens. Dieser Entscheidung lagen unter anderem Verhandlungen vor dem BVwG am 22.06.2020 und am 14.07.2020 zu Grunde, zu welcher der ASt als Beschwerdeführer (mit entsprechender Rechtsberatung) die Möglichkeit hatte, sein Vorbringen umfassend darzulegen.

Der vorliegende, von einem Rechtsvertreter übermittelte Antrag betrifft ein Verfahren, welches vom BVwG rechtskräftig abgeschlossen wurde.

Festgestellt wird, dass der ASt mit Schriftsatz vom 08.09.2020 die Wiederaufnahme des mit Erkenntnis des BVwG vom 27.07.2020 abgeschlossenen Verfahrens, welches nach seinerzeitiger Durchführung von mündlichen Verhandlungen vor dem BVwG am 22.06.2020 und 14.07.2020, begehrt. Darüber hinaus wird auch die Erlassung einer einstweiligen Anordnung begehrt. Die unter „I. Verfahrensgang“ dargelegten Gegebenheiten werden als Antragsinhalt festgestellt.

Festgestellt wird, dass der ASt im Antrag nicht begründet ausführt, weshalb es ihm nicht möglich gewesen sei, zu einem früheren Zeitpunkt zu den nunmehr vorgelegte Beweismitteln zu gelangen, welche sich auf behauptete Anklagen und Gerichtsverfahren aus Anzeige 2015 und Gerichtsverfahren 2017 (Konvolut ./1), Anzeige 2013 und Gerichtsverfahren 2017 (Konvolut ./2) sowie Anzeige 2014 und Gerichtsverfahren 2016 (Konvolut ./3) beziehen.

Festgestellt wird auf Grund des genannten Erkenntnisses des BVwG vom 27.07.2020, dass der ASt 2015 Bangladesch verlassen hat, also nachdem die genannten Anzeigen erfolgten.

Festgestellt wird, dass der ASt somit zum Zeitpunkt der Anzeigen im Jahr 2013, 2014 und 2015 noch nicht als „flüchtig“ in Bangladesch gegolten hatte, ja vielmehr zweimal in Gewahrsam war und gegen Kaution freigelassen wurde. Auf die sich daraus ergebenden Schlussfolgerungen ist im gegenständlichen Verfahren nicht einzugehen und wurde dies im genannten Erkenntnis des BVwG vom 27.07.2020 dargelegt.

Festgestellt wird, dass der ASt nicht darlegte, weshalb es ihm erst nach dem Erkenntnis des BVwG vom 27.07.2020 möglich war, „Kontakt zu dem Rechtsanwalt eines anderen, nicht flüchtigen Beschuldigten in denselben Strafverfahren“ herzustellen und es diesem Beschuldigten bzw. dessen Rechtsanwalt gestattet worden sei, Akteneinsicht zu nehmen.

Es ist nicht belegt, dass ein anderer, nicht „flüchtiger“ Bekannter in allen drei genannten Anzeigen und Gerichtsverfahren (aus 2013, 2014, 2015 bis 2017) ebenfalls als Beschuldigter geführt wurde; dies umso mehr, als in den „Teilübersetzungen“, welche das BVwG kurzfristig durch einen Dolmetscher veranlasste, kein gleichlautender Name eines anderen Beschuldigten in den genannten drei Gerichtsverfahren dreimal vorkommt. Es ist davon auszugehen, dass ein „unbenannter, nicht flüchtiger“ Beschuldigter nicht in allen drei Konvoluten genannt wird, somit auch nicht durch diesen selbst oder seinen Anwalt „Einblick in alle Verfahren“, die den ASt betreffen, gewährt wurde und die diesbezüglichen Ausführungen des ASt in seinen Antrag nicht nur zu Zweifel Anlass geben, sondern, auch unter Berücksichtigung seines gesamten seinerzeitigen Fluchtvorbringens, die Unglaubwürdigkeit seines verfahrensgegenständlichen Vorbringens – dass es ihm dadurch erst jetzt möglich gewesen sei, zu diesen Dokumenten zu gelangen - weiter verstärkt.

Festgestellt wird, dass der ASt dem Antrag keine Übersetzung in deutscher Sprache angefügt hat. Festgestellt wird, dass das nachgereichte Original in bengalischer Sprache vorlegt wurde.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch den von einem Rechtsvertreter vorgelegten Antrag, den beigefügten Dokumentenkonvoluten, deren Übersetzung teilweise vom BVwG veranlasst wurden, sowie dem im BVwG vorhandenen Gerichtsakt zu Zl 2223975, 2223976 sowie 2222945, insbesondere die Entscheidung des BVwG vom 27.07.2020. Hinsichtlich der personenbezogenen Feststellungen wird auf das Erkenntnis des BVwG vom 27.07.2020 verwiesen, auf welches sich der gegenständliche Wiederaufnahmeantrag bezieht. Der vorliegende Antrag des rechtsvertretenen ASt liegt dem verwaltungsgerichtlichen Verfahrensakt ein und besteht kein Anlass, an der Echtheit des Antrages Zweifel aufkommen zu lassen. Die Echtheit des Dokumentenkonvolutes konnte hingegen nicht festgestellt werden.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt Einzelrichterzuständigkeit vor, weil die Angelegenheit nach den Bestimmungen des VwGVG in Verbindung mit asyl- und fremdenrechtlichen Bestimmungen steht. Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.).

Gemäß § 32 Abs 1 VwGG ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn eine Revision beim Verwaltungsgerichtshof gegen das Erkenntnis nicht mehr zulässig ist und

1. das Erkenntnis durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonst wie erschlichen worden ist oder

2. neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich ein im Hauptinhalt des Spruchs anders lautenden Erkenntnis herbeigeführt hätten, oder

3. das Erkenntnis von Vorfragen (§ 38 AVG) abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw. vom zuständigen Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde oder

4. nachträglich ein Bescheid oder eine gerichtliche Entscheidung bekannt wird, der bzw. die einer Aufhebung oder Abänderung auf Antrag einer Partei nicht unterliegt und die im Verfahren des Verwaltungsgerichtes die Einwendung der entschiedenen Sache begründet hätte.

Gemäß Abs 2 leg cit. ist der Antrag auf Wiederaufnahme binnen zwei Wochen beim Verwaltungsgericht einzubringen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antragsteller von dem Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat, wenn dies jedoch nach der Verkündung des mündlichen Erkenntnisses und vor Zustellung der schriftlichen Ausfertigung geschehen ist, erst mit diesem Zeitpunkt. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Erkenntnisses kann der Antrag auf Wiederaufnahme nicht mehr gestellt werden. Die Umstände, aus welchen sich die Einhaltung der gesetzlichen Frist ergibt, sind vom Antragsteller glaubhaft zu machen.

Gemäß Abs 3 leg cit. kann unter den Voraussetzungen des Abs. 1 die Wiederaufnahme des Verfahrens auch von Amts wegen verfügt werden. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Erkenntnisses kann die Wiederaufnahme auch von Amts wegen nur mehr aus den Gründen des Abs. 1 Z 1 stattfinden.

Gemäß Abs 4 leg cit. hat das Verwaltungsgericht die Parteien des abgeschlossenen Verfahrens von der Wiederaufnahme des Verfahrens unverzüglich in Kenntnis zu setzen.

Gemäß Abs 5 sind auf die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtes die für seine Erkenntnisse geltenden Bestimmungen dieses Paragraphen sinngemäß anzuwenden. Dies gilt nicht für verfahrensleitende Beschlüsse.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Gemäß § 24 Abs 4 VwGVG kann das Verwaltungsgericht, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist, ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art 6 Abs 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstehen.

Zu A)

Der gegenständliche Antrag ist – den Angaben zufolge - fristgerecht eingebracht worden und ist das Bundesverwaltungsgericht für die Entscheidung über diesen Antrag zuständig.

Einem Antrag auf Wiederaufnahme eines Verfahrens ist stattzugeben, wenn bestimmte Tatsachen oder Beweise ohne Verschulden des Antragstellers nachträglich hervorkommen und dies in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich ein im Hauptinhalt des Spruches anders lautendendes Erkenntnis bewirken könnte.

Es liegt somit am Antragsteller in Form einer nachvollziehbaren Begründung seines Antrages darzulegen, dass neue Tatsachen und Beweise aufgetaucht sind, dies ohne sein Verschulden bisher nicht erfolgte und darüber hinaus dies auch zu einem anderes Ergebnis in der Sache hätte führen können.

Im Antrag wird zum Beweis auf drei bengalische Dokumentenkonvolute Bezug genommen. Diese seien dem ASt durch den Kontakt zu einem Rechtsanwalt eines anderen, nicht flüchtigen Beschuldigten in denselben Strafverfahren zugekommen, weil dieser Rechtsanwalt Einsicht in die Verfahrensakte bekommen habe.

Der ASt, der behauptet, dass er als „flüchtiger Beschuldigter“ bzw. sein Anwalt „keine Akteneinsicht gewährt“ bekäme, hat jedoch nicht dargelegt, welcher Umstand es verhindert habe, dass der behauptete Kontakt zu dem anderen Anwalt (des „nicht flüchtigen Beschuldigten“) zwar zum gegenwärtigen Zeitpunkt „erfolgreich“ gewesen sei, nicht jedoch bereits zu einem früheren Zeitpunkt, insbesondere zu einem Zeitpunkt vor den beiden Verhandlungen vor dem BVwG im Juni bzw Juli 2020 erfolgen konnte. Eine derartige Begründung blieb der ASt schuldig und muss in diesem Zusammenhang festgehalten werden, dass diese Verfahren angeblich bereits seit 2013, die Gerichtsverfahren seit 2015 bis 2017, anhängig seien. Da der ASt jedoch nicht darlegen konnte, weshalb ein derartiger „Kontakt“ nicht bereits zu einem früheren Zeitpunkt erfolgte, hat der ASt auch nicht belegt, dass es nicht „sein Verschulden“ gewesen sei, dass er dieses behauptete Beweismaterial nicht schon zu einem früheren Zeitpunkt besorgen hätte können.

Es wird somit nicht ausgeführt, warum diese Konvolute (erst) zum gegenwärtigen Zeitpunkt gesendet wurden und weshalb der ASt nicht bereits vor den bezughabenden Verhandlungen vor dem BVwG im Juni und Juli 2020 bzw. vor der Entscheidung des BVwG vom 27.07.2020 die Möglichkeit hatte zu diesen Unterlagen zu gelangen. Diesbezüglich hat der Antragsteller keinerlei Begründung geliefert und erscheint es auch unglaubwürdig, dass ein anderer, „nicht flüchtiger Beschuldigter“ in genau den drei gleichen Verfahren, welche sich auf den ASt beziehen, ebenfalls als Beschuldigter geführt werde und ihm (bzw. dessen Anwalt) Akteneinsicht gewährt worden sei.

Festgehalten wird, dass kein anderer Name in den drei vorgelegten Konvoluten dreimal genannt wird, sodass die Begründung des ASt in den Grundfesten erschüttert wurde. Der ASt konnte nicht belegen, dass tatsächlich ein anderer, nicht flüchtiger Beschuldigter in den drei Verfahren des ASt ebenfalls verfangen ist und ihm somit die Dokumente über diesen Umweg zugekommen seien.

Es ist somit dem Antragsteller nicht gelungen dem BVwG begründet darzutun, dass das vorgelegte Schriftstück tatsächlich ohne sein Verschulden nicht bereits zu einem früheren Zeitpunkt hätte bekannt sein können. Der Hinweis, dass der ASt erst am 25.08.2020 Kenntnis erlangte, klärt noch nicht auf, dass der ASt von diesen Dokumentenkonvoluten nicht trotzdem zu einem früheren Zeitpunkt hätte Kenntnis erlangen können. Diesbezüglich lässt sich dem Antrag auch keinerlei Hinweis entnehmen, so dass schon deshalb dem Antrag nicht gefolgt werden konnte. Nur dann, wenn ein Verschulden des Antragstellers auszuschließen ist, kann überhaupt eine Wiederaufnahme des Verfahrens erfolgen (VwGH 03.07.2015, Ro 2015/08/0013). Dieser Ausschlussgrund ist nicht ordnungsgemäß belegt.

Der ASt und frühere BF hat bereits im seinerzeitigen Asylverfahren wiederholt eine unglaubwürdige Argumentation, auch hinsichtlich der seinerzeit vorgelegten Dokumente vorgebracht, welche in der Entscheidung des BVwG entsprechend gewürdigt werden musste.

Ganz dem Vorbringen und der Argumentation des BF im Asylverfahren entsprechend ist der nunmehrige Wiederaufnahmeantrag unglaubwürdig, fehlerhaft und entbehrt einer sachlichen Grundlage.

Die Voraussetzung für das Vorliegen eines Wiederaufnahmeantrages wäre ein Tatsachenirrtum des erkennenden Verwaltungsgerichtes. Es wäre somit auf Tatsachen abzustellen, welche bereits zum Abschluss des Verfahrens vorhanden, jedoch zum Zeitpunkt der Erlassung des Erkenntnisses nicht hervorgekommen waren.

Tauglich ist ein Beweismittel als Wiederaufnahmegrund (ungeachtet des Erfordernisses der Neuheit) generell nur dann, wenn es nach seinem objektiven Inhalt und unvorgreiflich der Bewertung seiner Glaubwürdigkeit die abstrakte Eignung besitzt, jene Tatsachen in Zweifel zu ziehen, auf welche das VwG entweder die den Gegenstand der des Wiederaufnahmeverfahrens bildende Entscheidung oder zumindest die zum Ergebnis dieser Entscheidung führende Beweiswürdigung tragend gestützt hat (VwGH 19.04.2007, 2004/09/0159; 18.01.2017, Ra 2016/18/0197; siehe auch Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren2 (2018) § 32 Anm 9 mwN). Dazu ist jedoch dem Antrag kein ausreichender Hinweis zu entnehmen, weil bereits die seinerzeitig behaupteten Anzeigen und Freilassungen gegen Kaution keine Basis für die Gewährung asylrechtlichen Schutzes darstellten.

So ferne jedoch als Beweismittel Dokumente angeboten werden, welche erst nach Abschluss des Erkenntnisses vom 27.07.2020 erstellt wurden, wäre ein Wiederaufnahmegrund im Sinne des § 32 VwGVG ebenfalls kein Erfolg beschieden, weil in diesem Fall einem auf der Basis des geänderten Sachverhaltes gestellter Antrag die Rechtskraft nicht entgegensteht (VwGH 08.09.2015, Ra 2014/18/0089; 08.08.2017, Ra 2017/19/0120). Dies ist jedoch nach den Ausführungen im Antrag nicht gegeben.

Da es sich gegenständlich um einen Wiederaufnahmeantrag handelt, welcher grundsätzlich nicht in den Anwendungsbereich von Art. 6 EMRK fällt, konnte von einer mündlichen Verhandlung Abstand genommen werden (vgl. VwGH 29.05.2017, Ra 2017/16/0070). Dies auch deshalb, weil von der mündlichen Erörterung des gegenständlichen Antrages keine weitere Klärung der Rechtsfrage zu erwarten ist, welche durch die Rechtsprechung des VwGH umfassend judiziert wurde. (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren² (2018) § 24 VwGVG Anm 13 zu Civil rights).

Der Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass der ASt im Antrag keinerlei Vorbringen erstattete, weshalb ihm die nunmehr vorgelegten Dokumente, welche sich auf Verfahren (seit 2013) beziehen, erst ab August 2020, und nicht schon vor der Verhandlung vor dem BVwG im Juni und Juli 2020 zugänglich sein konnten.

Da der vorliegende Antrag sich somit insgesamt mangels entsprechender Ausführungen oder Hinweise des rechtsvertretenen Antragstellers als unbegründet erweist war diesem Antrag nicht stattzugeben und die Wiederaufnahme des Verfahrens zu versagen.

Durch die vorliegende Entscheidung in der Hauptsache war dem Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Anordnung nicht zu folgen.

Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die gegenständliche Entscheidung, die ausschließlich einen Wiederaufnahmeantrag betrifft, welcher nicht substanziell begründet ist, entspricht der gängigen und ständigen Rechtsprechung des VwGH. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Beweismittel einstweilige Anordnung Glaubwürdigkeit Tauglichkeit Unionsrecht Voraussetzungen Wiederaufnahme Wiederaufnahmeantrag Wiederaufnahmegrund

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W195.2223975.2.00

Im RIS seit

22.01.2021

Zuletzt aktualisiert am

22.01.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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