Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §22;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Blaschek und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Loibl, über die Beschwerde des Ing. J K in W, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 4. August 1995, Zlen. UVS-07/36/00442/95 und UVS-07/V/36/00066/95, betreffend Zurückweisung einer Berufung in Angelegenheit Bestrafung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Straferkenntnis des Magistrats der Stadt Wien vom 24. März 1995 wurde der Beschwerdeführer wegen unrechtmäßiger Beschäftigung von vier Ausländern (jeweils Verwaltungsübertretungen nach § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a AuslBG) mit vier Geldstrafen in Höhe von jeweils S 60.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe jeweils 14 Tage) bestraft und zum Ersatz der Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens (S 24.000,--) verpflichtet. Dieses Straferkenntnis wurde dem Beschwerdeführer nach dem Inhalt des Zustellnachweises (Formular 4 der Zustellformularverordnung zu § 22 des Zustellgesetzes) durch Übernahme eines "Mitbewohner der Abgabestelle" am 13. April 1995 zugestellt.
Mit einer am 20. Juni 1995 zur Post gegebenen Eingabe erhob der Beschwerdeführer gegen das genannte Straferkenntnis "Einspruch". Darin brachte er im wesentlichen Gründe vor, warum er - seiner Ansicht nach - zu Unrecht bestraft worden sei.
In einer weiteren (am 3. Juli 1995 eingelangten) Eingabe, beinhaltend einen Antrag auf neuerliche Zustellung und einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist verbunden mit der gleichzeitig nachgeholten Berufung gegen das Straferkenntnis vom 24. März 1995, führte der Beschwerdeführer unter anderem aus, seine Ehegattin A K habe das Straferkenntnis als Mitbewohnerin am 13. April 1995 übernommen, sie habe dieses Straferkenntnis aber weder an ihn weitergeleitet noch ihn über dieses Schriftstück informiert. Das Straferkenntnis hätte aber wegen des Vorliegens besonders wichtiger Gründe zu eigenen Handen zugestellt werden müssen.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 4. August 1995 wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG als verspätet zurück. Diese Entscheidung begründete die belangte Behörde im wesentlichen damit, daß das erstinstanzliche Straferkenntnis dem Beschwerdeführer entsprechend der behördlichen Anordnung am 13. April 1995 durch Übergabe an einen Ersatzempfänger (Ehegattin des Beschwerdeführers) rechtswirksam zugestellt worden sei. Eine Zustellung des Straferkenntnisses zu eigenen Handen des Beschwerdeführers sei nicht geboten gewesen. Die erst am 20. Juni 1995 zur Post gegebene Berufung sei daher verspätet. (Über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand werde die Behörde erster Instanz zu entscheiden haben.)
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Der Beschwerdeführer erachtet sich in dem Recht "auf fehlerfreie Handhabung des bei der Zustellung auszuübenden Ermessens gemäß § 22 zweiter Satz AVG" verletzt. Er beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Beschwerdeführer replizierte auf diese Gegenschrift mit
schriftlicher Äußerung vom 11. März 1996.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, daß die Zustellung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses am 13. April 1995 durch - der Regelung des § 16 Zustellgesetz entsprechende - Ersatzzustellung erfolgte. Er bringt aber vor, diese Ersatzzustellung sei zufolge § 22 zweiter Satz AVG unwirksam, weil die Behörde erster Instanz auf Grund der im einzelnen in der Beschwerde dargelegten "besonders wichtigen Gründe" eine Eigenhandzustellung des Straferkenntnisses hätte anordnen müssen. Da er vom Inhalt des Straferkenntnisses erst am 26. Juni 1996 (durch Akteneinsicht) Kenntnis erlangt habe, sei seine Berufung rechtzeitig. Die belangte Behörde hätte demnach das ordentliche Verfahren einleiten bzw. eine Sachentscheidung über sein Rechtsmittel treffen müssen.
Der Verwaltungsgerichtshof vermag die Ansicht des Beschwerdeführers nicht zu teilen, daß im vorliegenden Fall die Zustellung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses nur wirksam sei, wenn sie zu eigenen Handen erfolgt wäre.
Im Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) wird für Straferkenntnisse - anders als etwa für Strafverfügungen (vgl. § 48 Abs. 2 leg. cit.) oder Ladungsbescheide (vgl. § 41 Abs. 3 leg. cit.) - keine besondere Art der Zustellung angeordnet. Auch § 46 VStG schreibt keine Zustellung des Straferkenntnisses zu eigenen Handen vor (vgl. auch Walter/Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht, 6. Auflage, Rz 925 m.w.N.).
Nach (dem zufolge § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren geltenden) § 22 zweiter Satz AVG ist bei Vorliegen besonders wichtiger Gründe oder wenn es gesetzlich vorgesehen ist, die Zustellung zu eigenen Handen des Empfängers zu bewirken.
Entgegen anderslautenden Beschwerdeausführungen bestand nach der Aktenlage für die Behörde erster Instanz kein Anhaltspunkt dafür, eine Zustellung des Straferkenntnisses zu eigenen Handen des Beschwerdeführers anzuordnen. Denn dem Beschwerdeführer wurde in der gegenständlichen Verwaltungsstrafsache vor Erlassung des Straferkenntnisses die "Aufforderung zur Rechtfertigung" der Behörde erster Instanz vom 1. Februar 1995 zu eigenen Handen zugestellt. Der Beschwerdeführer hat diese Aufforderung nach dem Inhalt des Zustellnachweises am 2. Februar 1995 persönlich übernommen. Im Beschwerdefall ist daher davon auszugehen, daß der Beschwerdeführer vor Erlassung des Straferkenntnisses von dem gegen ihn anhängigen Strafverfahren Kenntnis hatte. Dennoch hat der Beschwerdeführer die ihm zugestellte Aufforderung der Behörde erster Instanz unbeantwortet gelassen und die ihm damit eingeräumte Gelegenheit zur Verteidigung und zur Erstattung von Sachvorbringen nicht wahrgenommen. Daß er die nunmehr in der Beschwerde als besonders wichtig bezeichneten Gründe vor Erlassung des Straferkenntnisses vorgebracht und gegenüber der Behörde erster Instanz glaubhaft gemacht habe, behauptet der Beschwerdeführer selbst nicht. Den Beschwerdeausführungen ist auch nicht zu entnehmen, daß die Behörde in dieser Hinsicht von Amts wegen (und demnach ohne Mitwirkung des Beschwerdeführers) zu beachtende Umstände unberücksichtigt gelassen hätte.
Es war daher nicht rechtswidrig, wenn die Behörde erster Instanz bei dieser Sachlage nicht vom VORLIEGEN besonders wichtiger Gründe im Sinne des § 22 zweiter Satz AVG ausgegangen ist und demnach keine Veranlassung sah, eine Zustellung des Straferkenntnisses zu eigenen Handen des Beschwerdeführers anzuordnen. Die gerügte Nichtberücksichtigung der in der Beschwerde behaupteten Gründe bei der Anordnung der Zustellung des Straferkenntnisses ist - bei objektiver Betrachtung des Verfahrensverlaufes - auf fehlende Mitwirkung des Beschwerdeführers in Ansehung persönlicher Umstände, aber nicht auf fehlerhafte Ermessensübung der Behörde erster Instanz zurückzuführen. Dazu kommt, daß der Beschwerdeführer vor Erlassung des Straferkenntnisses weder gegenüber der Behörde (erster Instanz) noch gegenüber der Post gemäß § 16 Abs. 3 Zustellgesetz schriftlich erklärte, daß seine Ehegattin als Ersatzempfängerin für ihn ausgeschlossen hätte sein sollen.
Durfte demnach aber die Behörde davon ausgehen, daß die über den Beschwerdeführer verhängten Geldstrafen nicht von vornherein uneinbringlich sein werden, dann war die Anordnung einer eigenhändigen Zustellung des Straferkenntnisses auch unter dem Gesichtspunkt der mit diesem Bescheid verbundenen Rechtsfolgen nicht erforderlich (vgl. in dieser Hinsicht auch die hg. Erkenntnisse vom 27. August 1996, Zl. 96/05/0054, vom 21. Februar 1990, Zl. 89/02/0201, und vom 20. Oktober 1987, Zl. 86/04/0059).
Es war somit aus den dargelegten Gründen nicht rechtswidrig, wenn die belangte Behörde die am 13. April 1995 durch Übergabe an einen Ersatzempfänger vorgenommene Zustellung des Straferkenntnisses als eine gegenüber dem Beschwerdeführer wirksame, die Berufungsfrist in Lauf setzende Bescheiderlassung angesehen hat. Solcherart kann aber der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie - angesichts der zweiwöchigen Berufungsfrist (§ 63 Abs. 5 AVG in Verbindung mit § 24 VStG) - die erst im Juni 1995 erhobene Berufung des Beschwerdeführers als verspätet zurückgewiesen hat. Die von der verfehlten Rechtsansicht der Unzulässigkeit einer Ersatzzustellung des Straferkenntnisses abgeleiteten Ausführungen des Beschwerdeführers vermögen daher keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darzutun.
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte aus den Gründen des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG unterbleiben, da die Schriftsätze der Parteien erkennen lassen, daß die Entscheidung des Beschwerdefalles nicht von einer Klarstellung des Sachverhaltes abhängt, sodaß eine mündliche Erörterung keine weitere Klärung erwarten ließ. Der Beschwerdeführer hat im Zusammenhang mit seinem Verhandlungsantrag auch keine Gründe vorgebracht, die eine Erörterung des vorliegenden Beschwerdefalles in einer mündlichen Verhandlung angezeigt erschienen ließen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1995090266.X00Im RIS seit
20.11.2000