TE Bvwg Erkenntnis 2020/10/8 W152 2125344-1

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Veröffentlicht am 08.10.2020
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Entscheidungsdatum

08.10.2020

Norm

AsylG 2005 §58 Abs11 Z2
AsylG-DV 2005 §4 Abs1 Z2
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W152 2125344-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Walter KOPP über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Volksrepublik China, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.02.2016, Zl. 730735108-152049858, zu Recht erkannt:

A)

Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 58 Abs. 11 Z 2 AsylG 2005 idgF iVm § 4 Abs. 1 Z 2 AsylG-DV 2005 idgF ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG idgF nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Volksrepublik China, stellte nach einer nach seinen Angaben am 29.12.2002 erfolgten (illegalen) Einreise ins Bundesgebiet am 27.02.2003 einen Asylantrag. Das Bundesasylamt, Außenstelle Wien, wies den Asylantrag mit Bescheid vom 17.03.2004, Zahl: 03 07.351-BAW, gemäß § 7 AsylG 1997 ab (Spruchpunkt I) und stellte gemäß § 8 AsylG 1997 die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Volksrepublik China fest (Spruchpunkt II). Die dagegen erhobene Beschwerde (vormals Berufung) wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 24.02.2010, Zl. C4 249.153-0/2008/7E, gemäß §§ 7, 8 AsylG 1997 abgewiesen. Mit Beschluss vom 21.09.2010, U 681/10-7, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der gegen dieses Erkenntnis erhobenen Beschwerde ab. Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 29.06.2010, Zl. III-1157026/FrB/10, wurde der Beschwerdeführer gemäß § 53 Abs. 1 FPG aus dem Bundesgebiet ausgewiesen. Der dagegen erhobenen Berufung wurde mit Berufungsbescheid der Sicherheitsdirektion Wien vom 15.10.2010, E1/258.814/2010, „keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG bestätigt“.

Der Beschwerdeführer stellte am 23.12.2015 – ohne das Bundesgebiet seit 29.12.2002 verlassen zu haben – den gegenständlichen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung gemäß § 55 AsylG 2005 aus Gründen des Art. 8 EMRK. Dem Antrag wurden diverse Dokumente hinsichtlich seinem Integrationsausmaß beigelegt.

Mit Schreiben des Bundesamtes vom 08.01.2016 wurde der Beschwerdeführer darauf hingewiesen, dass ein gültiges Reisedokument und eine Geburtsurkunde bzw. ein dieser gleichzuhaltendes Dokument nicht vorgelegt worden sei, und gleichzeitig aufgefordert, Fragen zum Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers in Österreich zu beantworten.

Der Beschwerdeführer brachte sodann am 25.01.2016 hiezu eine Stellungnahme ein. Darin führte der Beschwerdeführer aus, er befinde sich seit dem Jahre 2002, sohin seit 14 Jahren, durchgehend im Bundesgebiet. Sein Asylantrag vom 27.02.2003 sei mit 21.09.2010 rechtskräftig negativ beschieden worden. Der Beschwerdeführer verfüge über einen Sprachkenntnisnachweis auf A2 Niveau und habe sich in Österreich einen Freundeskreis aufgebaut. Zu seinem Heimatstaat unterhalte er indessen keine familiären Kontakte mehr. Er habe auch noch einen arbeitsrechtlichen Vorvertrag vom 02.10.2015 vorgelegt. Der Beschwerdeführer habe weder Reisepass noch Geburtsurkunde. Die Ausstellung der Dokumente über die Botschaft in Wien sei nicht möglich. Dem Beschwerdeführer sei daher die Beschaffung jener Dokumente nachweislich nicht möglich bzw. nicht zumutbar. Der Mangel sei somit heilungsfähig iSd § 4 AsylG-DV.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Wien, vom 23.02.2016, Zahl: 730735108-152049858, wurde der Antrag vom 23.12.2015 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 58 Abs. 11 Z 2 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen (Spruchpunkt I) und der Antrag vom 25.01.2016 auf Heilung eines Mangels nach § 8 Abs. 1 Z 1 und 2 AsylG-DV 2005 gemäß § 4 Abs. 1 Z 2 und 3 AsylG-DV 2005 abgewiesen (Spruchpunkt II). Begründend hielt die belangte Behörde fest, der Beschwerdeführer habe die erforderlichen Urkunden im Verfahren unter Verletzung seiner Mitwirkungspflicht nicht vorgelegt. Der Beschwerdeführer konnte im Verfahren keinen Nachweis dafür erbringen, dass er sich ernsthaft um die Ausstellung einer Geburtsurkunde bzw. eines Reisepasses bei seiner Vertretungsbehörde im österreichischen Bundesgebiet bemüht hätte. Dieser Mangel sei insoweit nicht heilbar. Im österreichischen Bundesgebiet habe der Beschwerdeführer keine Familienangehörigen. Diese (Eltern) würden sich im Herkunftsstaat aufhalten. Der Beschwerdeführer habe kein Familienleben in Österreich. Er gehe keiner legalen Erwerbstätigkeit nach. Die angeeigneten Deutschkenntnisse sind für eine Interessensabwägung zugunsten des Beschwerdeführers zu wenig. Der Beschwerdeführer sei seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen und sein Aufenthalt wäre ab dem 04.11.2010 unrechtmäßig. Eine Heilung des Mangels in Zusammenschau mit Art. 8 EMRK sei daher nicht möglich.

Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben. Dabei wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Beschwerdeführer habe sich erwiesenermaßen um ein Reisedokument bemüht. Dies gehe aus einem Schreiben der Botschaft der Volksrepublik China vom 31.05.2011 eindeutig hervor. Eine Verletzung der Mitwirkungspflicht liege damit ebenfalls nicht vor. Es sei eine Heilung jedenfalls aus Gründen eines schützenswerten Privatlebens nach Art. 8 EMRK gemäß § 4 Abs. 1 Z 2 AsylG-DV 2005 zu bejahen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Volksrepublik China. Der Beschwerdeführer befindet sich seit 29.12.2002 (nachweislich seit 27.02.2003) durchgehend im Bundesgebiet. Er erwarb am 17.03.2014 das ÖSD-Sprachdiplom A2. Im Bundesgebiet halten sich keine Familienangehörigen des Beschwerdeführers auf. Der Beschwerdeführer hat einen österreichischen Freundeskreis und legte eine Einstellungszusage vor.

Der Beschwerdeführer stellte nach einer am 29.12.2002 erfolgten (illegalen) Einreise ins Bundesgebiet am 27.02.2003 einen Asylantrag. Das Bundesasylamt wies den Asylantrag mit Bescheid vom 17.03.2004, Zahl: 03 07.351-BAW, gemäß § 7 AsylG 1997 ab (Spruchpunkt I) und stellte gemäß § 8 AsylG 1997 die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Volksrepublik China fest (Spruchpunkt II). Die dagegen erhobene Beschwerde (vormals Berufung) wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 24.02.2010, Zl. C4 249.153-0/2008/7E, gemäß §§ 7, 8 AsylG 2005 abgewiesen. Mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 21.09.2010, U 681/10-7, wurde die Behandlung der gegen dieses Erkenntnis erhobenen Beschwerde abgelehnt. Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 29.06.2010, Zl. III-1157026/FrB/10, wurde der Beschwerdeführer gemäß § 53 Abs. 1 FPG aus dem Bundesgebiet ausgewiesen. Der dagegen erhobenen Berufung wurde mit Berufungsbescheid der Sicherheitsdirektion Wien vom 15.10.2010, E1/258.814/2010, „keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid gemäߧ 66 Abs. 4 AVG bestätigt“. Der Beschwerdeführer hat nach der gegen ihn erlassenen und in Rechtskraft erwachsenen Ausweisungsentscheidung von sich aus keine Bemühungen unternommen, das Bundesgebiet zu verlassen. Der Beschwerdeführer hat im Rahmen seiner Antragstellung nach § 55 AsylG 2005 kein gültiges Reisedokument vorgelegt. Mit Schreiben vom 31.05.2011 teilte die chinesische Botschaft mit, dass ein chinesischer Staatsbürger mit der vom Beschwerdeführer angegebenen Identität nicht existiere. Eine Ausstellung eines Heimreisezertifikates komme somit nicht in Betracht. Der Beschwerdeführer hält sich seit negativer Beendigung des Asylverfahrens unrechtmäßig in Österreich auf.

Im Übrigen stellt das Bundesverwaltungsgericht den Verfahrensgang so fest, wie dieser unter Punkt I wiedergegeben ist.

2. Beweiswürdigung:

Der oben angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes der belangten Behörde und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes. Die Feststellungen zum derzeitigen Familien- und Privatleben und dem Integrationsausmaß des Beschwerdeführers ergeben sich aus den diesbezüglich glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers und den vorgelegten Urkunden. Die Feststellungen, dass der Beschwerdeführer von sich aus keine Bemühungen unternommen hat das Bundesgebiet nach rechtskräftiger Ausweisungsentscheidung zu verlassen, ergibt sich aus dem verfahrensgegenständlichen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels. Da der Beschwerdeführer über keinen anderen Aufenthaltstitel verfügt, war festzustellen, dass die Rechtmäßigkeit seines Aufenthaltes mit rechtskräftiger negativer Beendigung seines Asylverfahrens endete und er sich seither unrechtmäßig in Österreich aufhält.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

Gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung plus“ zu erteilen, wenn dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist (Z 1) und der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG) erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 ASVG) erreicht wird (Z 2). Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist gemäß § 55 Abs. 2 AsylG 2005 eine „Aufenthaltsberechtigung“ zu erteilen.

Wird ein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55, 56 oder 57 AsylG 2005 zurück- oder abgewiesen, so hat das Bundesamt gemäß § 58 Abs. 8 AsylG 2005 darüber im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.

Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 bis 57 AsylG 2005 begründen gemäß § 58 Abs. 13 AsylG 2005 kein Aufenthalts- oder Bleiberecht. Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 und 57 AsylG 2005 stehen der Erlassung und Durchführung aufenthaltsbeendender Maßnahmen nicht entgegen. Sie können daher in Verfahren nach dem 7. und 8. Hauptstück des FPG keine aufschiebende Wirkung entfalten. Bei Anträgen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 AsylG 2005 hat das Bundesamt bis zur rechtskräftigen Entscheidung über diesen Antrag jedoch mit der Durchführung der einer Rückkehrentscheidung umsetzenden Abschiebung zuzuwarten, wenn ein Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung erst nach einer Antragstellung gemäß § 56 eingeleitet wurde (Z 1) und die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 wahrscheinlich ist, wofür die Voraussetzungen des § 56 Abs. 1 Z 1, 2 und 3 jedenfalls vorzuliegen haben (Z 2).

Gemäß § 58 Abs. 11 AsylG 2005 ist das Verfahren zur Ausfolgung des von Amts wegen zu erteilenden Aufenthaltstitels (Abs. 4) ohne weiteres einzustellen (Z 1) oder der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zurückzuweisen (Z 2), wenn der Drittstaatsangehörige seiner allgemeinen Mitwirkungpflicht im erforderlichen Ausmaß, insbesondere im Hinblick auf die Ermittlung und Überprüfung erkennungsdienstlicher Daten, nicht nachkommt. Über diesen Umstand ist der Drittstaatsangehörige zu belehren.

Gemäß § 8 Abs. 1 der AsylG-DV 2005 sind folgende Urkunden und Nachweise – unbeschadet weiterer Urkunden und Nachweise nach den Abs. 2 und 3 leg. cit. – im amtswegigen Verfahren zur Erteilung eines Aufenthaltstitels (§ 3) beizubringen oder dem Antrag auf Ausstellung eines Aufenthaltstitels (§ 3) anzuschließen: 1. gültiges Reisedokument (§ 2 Abs. 1 Z 2 und 3 NAG); 2. Geburtsurkunde oder ein dieser gleichzuhaltendes Dokument; 3. Lichtbild des Antragstellers gemäß § 5; 4. erforderlichenfalls Heiratsurkunde, Urkunde über die Ehescheidung, Partnerschaftsurkunde, Urkunde über die Auflösung der eingetragenen Partnerschaft, Urkunde über die Annahme an Kindesstatt, Nachweis oder Urkunde über das Verwandtschaftsverhältnis, Sterbeurkunde.

§ 2 Abs. 1 Z 2 NAG definiert als ein Reisedokument einen Reisepass, Passersatz oder ein sonstiges durch Bundesgesetz, Verordnung oder auf Grund zwischenstaatlicher Vereinbarungen für Reisen anerkanntes Dokument.

Gemäß § 4 Abs. 1 AsylG-DV 2005 kann die Behörde auf begründeten Antrag von Drittstaatsangehörigen die Heilung eines Mangels nach § 8 und § 58 Abs. 5, 6 und
12 AsylG 2005 zulassen: 1. im Fall eines unbegleiteten Minderjährigen zur Wahrung des Kindeswohls, 2. zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des
Art. 8 EMRK oder 3. im Fall der Nichtvorlage erforderlicher Urkunden oder Nachweise, wenn deren Beschaffung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.

Beabsichtigt die Behörde den Antrag nach Abs. 1 zurück- oder abzuweisen, so hat die Behörde darüber gemäß Abs. 2 im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.

Die Nichtvorlage eines gültigen Reisedokuments rechtfertigt bei Unterbleiben einer Antragstellung nach § 4 Abs. 1 Z 3 und § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG-DV 2005 grundsätzlich eine auf § 58 Abs. 11 Z 2 AsylG 2005 gestützte zurückweisende Entscheidung (vgl. VwGH 04.03.2020, Ra 2019/21/0214).

Der Beschwerdeführer hat seinem Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK vom 23.12.2015 keine gültigen Reisedokumente (iSd § 2 Abs. 1 Z 2 und 3 NAG) angeschlossen und stellte mit der Stellungnahme vom 25.01.2016 jedoch einen Antrag auf Heilung dieses Mangels.

Sache des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht ist die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches des bei ihm angefochtenen Bescheides gebildet hat. Hat die Behörde einen Antrag zurückgewiesen, ist Sache des Beschwerdeverfahrens ausschließlich die Rechtmäßigkeit der Zurückweisung (vgl. VwGH 04.07.2019, Ra 2017/06/0210). Das Bundesverwaltungsgericht darf daher die Zurückweisung nur bestätigen oder den Bescheid ersatzlos beheben (vgl. VwGH 17.11.2016, Ra 2016/21/0314). Das Verwaltungsgericht darf in Fällen in denen das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag eines Fremden auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 nach § 58 Abs. 11 Z 2 AsylG 2005 zurückgewiesen hat, keine inhaltliche Entscheidung treffen. Vielmehr kommt nur die Bestätigung der Zurückweisung oder aber deren ersatzlose Behebung in Betracht (vgl. VwGH 30.04.2020, Ra 2019/21/0134).

Bei einem mehr als zehn Jahre dauernden inländischen Aufenthalt des Fremden ist regelmäßig von einem Überwiegen der persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich auszugehen (vgl. VwGH 04.08.2016, Ra 2015/21/0249 bis 0253). Der Fremde muss allerdings die in Österreich verbrachte Zeit zur Integration genützt haben. Mögliche Integrationsschritte sind z.B. die legale Erwerbstätigkeit des Fremden. Das Vorliegen einer Beschäftigungsbewilligung (vgl. VwGH 04.08.2016, Ra 2015/21/0249 bis 0253). Freiwillige Hilfstätigkeiten und ein Freundes- und Bekanntenkreis in Österreich (vgl. VwGH 30.06.2016, Ra 2016/21/0165, und VwGH 04.08.2016, Ra 2015/21/0249 bis 0253). Gleiches gilt für ausreichende Deutschkenntnisse (vgl. VwGH vom 04.08.2016,
Ra 2015/21/0249 bis 0253). Der Beschwerdeführer hält sich (nachweislich) insgesamt mehr als 17 Jahre im Bundesgebiet auf. Der Beschwerdeführer legte eine Einstellungszusage vor und erwarb ein ÖSD-Sprachzertifikat auf A2 Niveau. Die vorliegenden Integrationsschritte sind zwar dadurch gemindert, dass sie zu einem Zeitpunkt entstanden sind, zu dem sich der Fremde seines unsicheren Aufenthaltes bewusst sein musste und somit nicht damit rechnen durfte, in Österreich bleiben zu können (vgl. VwGH 30.07.2015, Ra 2014/22/0055). Es ist jedoch festzuhalten, dass nicht gesagt werden kann, der Beschwerdeführer habe die in Österreich verbrachte Zeit überhaupt nicht genützt, um sich sozial und beruflich zu integrieren (vgl. VwGH 04.08.2016, Ra 2015/21/0249 bis 0253).

Der Beschwerdeführer verbrachte einen beachtlichen Teil seines Aufenthaltes ohne Aufenthaltstitel in Österreich und war sich seines unsicheren Aufenthaltes bewusst. Außerdem habe der Beschwerdeführer erkennen lassen, dass er eine Aufenthaltsbeendigung zu verhindern bzw. zu erschweren versuche. Wenngleich diese Umstände das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung erhöhen, wären sie aber in Relation zur Gesamtaufenthaltsdauer in Österreich von nahezu 18 Jahren zu sehen und angesichts dessen nicht überzubewerten (vgl. VwGH 19.12.2019, Ra 2019/21/0243). Dabei wäre auch zu berücksichtigen gewesen, dass die „Zehnjahresgrenze“ fallgegenständlich nicht bloß geringfügig, sondern deutlich überschritten wurde (vgl. VwGH 24.10.2019, Ra 2019/21/0177). Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass das Asylverfahren rund 7 Jahre in Anspruch nahm. Das Bundesamt hätte daher den Heilungsantrag des Beschwerdeführers gemäß § 4 Abs. 1 Z 2 AsylG-DV 2005 für berechtigt erachten müssen. Ausgehend davon kann dahingestellt bleiben, ob die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Z 3 AsylG-DV 2005 (Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit der Beschaffung der verlangten Urkunden) ebenfalls erfüllt gewesen wären. Somit war der angefochtene Bescheid ersatzlos zu beheben, um in der Folge die inhaltliche Erledigung des Antrages auf Titelerteilung – im stattgebenden Sinn – zu ermöglichen (vgl. VwGH 26.01.2017, Ra 2016/21/0168).

Zu Spruchteil B):

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Antragstellung Aufenthaltsdauer Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK Behebung der Entscheidung ersatzlose Behebung Heilung Mitwirkungspflicht Reisedokument Verfahrensdauer

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W152.2125344.1.00

Im RIS seit

22.01.2021

Zuletzt aktualisiert am

22.01.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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