Entscheidungsdatum
14.10.2020Norm
AVG §35Spruch
W195 2232635-1/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Vizepräsidenten Dr. Michael SACHS als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Türkei, vertreten durch den Bevollmächtigten XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG Folge gegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
I.1. Der Beschwerdeführer, ein am XXXX in Österreich (Bludenz) geborener türkischer Staatsangehöriger, stellte vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge kurz: BFA) am 04.03.2016, einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 Abs. 1 AsylG. Zuvor hatte der Beschwerdeführer rechtmäßig bis 2009 einen Aufenthaltstitel inne. Von 2009 bis zur Antragstellung 2016 erfolgten keine Meldungen bzw. Antragstellungen vor den österreichischen Behörden, da nach Angabe des Beschwerdeführers sein Vater 2010 gestorben sei und er daher „alles“ in den letzten Jahren „schleifen“ habe lassen (vgl. Akt des BFA, Anzeige der Bezirkshauptmannschaft XXXX , AS 633).
Am 20.04.2016 gab das BFA dem verbesserten Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 (mit Gültigkeit bis zum 19.04.2017) statt (vgl. Akt des BFA, AS 343ff, 361).
I.2. In Folge stellte der Beschwerdeführer am 05.04.2017 einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ gemäß § 41a Abs. 9 NAG (vgl. Akt des BFA, AS 391). Nach Ergänzung der Unterlagen wurde dem Beschwerdeführer ein entsprechender Aufenthaltstitel von der Bezirkshauptmannschaft XXXX für die Dauer von 20.04.2017 bis 19.04.2018 ausgestellt (vgl. Akt des BFA, AS 557).
I.3. Am 08.08.2018 stellte der Beschwerdeführer einen Verlängerungsantrag auf Erteilung der „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ (Akt des BFA, AS 584). Am 10.09.2018 übermittelte der Beschwerdeführer eine Ergänzung seines Antrages an das Arbeitsmarktservice XXXX sowie die Bezirkshauptmannschaft XXXX , in welcher er sich im Wesentlichen auf die Stillhalteklausel des Art. 13 des Beschlusses (ARB) Nr. 1/80 vom 19. September 1980 des durch das Assoziationsabkommen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei errichteten Assoziationsrates (in der Folge kurz: ARB 1/80) und die beschäftigungsrechtlichen Regelungen des ARB 1/80 bezog. Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH würde türkischen Arbeitnehmern, welche dem regulären Arbeitsmarkt angehören, zwangsläufig auch ein Aufenthaltsrecht in Österreich nach Art. 6 bzw. 7 ARB 1/80 zustehen. Wenn ein türkischer Staatsangehöriger bereits das Recht erlangt habe, sich auf jedes Stellenangebot zu bewerben, bestehe auch ohne Beschäftigung ein berechtigtes Aufenthaltsrecht. Darüber hinaus sei auch wenn spätestens sechs Monate nach Ende der Gültigkeitsdauer des letzten Aufenthaltstitels ein Antrag gestellt worden sei, bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Antrages, der Antragsteller berechtigt, sich im Bundesgebiet aufzuhalten (§ 24 Abs. 2 NAG) (vgl. Akt des BFA, AS 573).
I.4. Mit Schreiben vom 01.10.2018 bevollmächtigte der Beschwerdeführer Herrn XXXX (in der Folge: Vertreter) ihn „in allen persönlichen, vermögensrechtlichen und medizinischen Angelegenheiten, bei denen eine Stellvertretung gesetzlich zulässig ist, umfassend zu vertreten. 1. Vertretung in finanziellen Angelegenheiten 2. Vertretung vor Gerichten, Ämtern, Behörden, Banken, Sozialversicherungsträgern und dergleichen. Die vorliegende Vollmacht soll eine Generalvollmacht sein und im Umfang uneingeschränkt gelten. […]“ (Akt des BFA, AS 581).
I.5. Am 10.10.2018 beantragte der Vertreter mit E-Mail bei der Bezirkshauptmannschaft XXXX , dass der Aufenthaltstitel der „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ des Beschwerdeführers für eine Dauer von drei Jahren erteilt werde, da dieser auszustellen sei, wenn der Fremde das Modul 1 der Integrationsvereinbarung erfülle und in den letzten zwei Jahren durchgehend rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen sei. Jedoch stehe die Stillhalteklausel des Art. 13 ARB 1/80 grundsätzlich der Anwendung von neuen Beschränkungen, wie etwa neu eingeführte Erfordernisse des Nachweises von Deutschkenntnissen von in Österreich lebenden türkischen Angehörigen, entgegen. Auch sei der Beschwerdeführer in den letzten zwei Jahren durchgehend rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen gewesen (vgl. Akt des BFA, AS 586).
I.6. Am 12.10.2018 wurde dem Verlängerungsantrag vom 08.08.2018 stattgegeben und dem Beschwerdeführer eine „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ für den Zeitraum vom 20.04.2018 bis zum 20.04.2019 ausgestellt (vgl. Akt des BFA, AS 584).
I.7. Daraufhin wandte sich der Vertreter des Beschwerdeführers mit E-Mail vom 15.10.2018 erneut an die Bezirkshauptmannschaft XXXX , mit dem Ersuchen um Erlassung eines förmlichen Bescheides betreffend den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels des Beschwerdeführers. Die Rechtsstellung „eines türkischen Staatsangehörigen“ des Beschwerdeführers sei nicht beachtet worden und es würde ihm ein Aufenthaltstitel für die Dauer von drei Jahren zustehen (vgl. Akt des BFA, AS 508).
Die Bezirkshauptmannschaft XXXX teilte mit Schreiben vom 16.10.2018 bezugnehmend auf das E-Mail mit, dass der Beschwerdeführer den Aufenthaltstitel am 12.10.2018 übernommen habe und binnen vier Wochen die Möglichkeit bestehe Beschwerde zu erheben. Die Ausstellung auf drei Jahre sei nicht möglich gewesen, da der Beschwerdeführer die Erteilungsvoraussetzungen des § 20 Abs. 1a Z 2 NAG nicht erfülle (vgl. Akt des BFA, AS 609).
I.8. Am 25.10.2018 wandte sich der Vertreter des Beschwerdeführers an das BFA mit dem Ersuchen, um Informationen betreffend das Verlängerungsverfahren des Beschwerdeführers im Zusammenhang mit seinem Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“. Das BFA teilte daraufhin mit, dass seit 2017 die Verfahren des Beschwerdeführers von der Niederlassungs- und Aufenthaltsbehörde geführt werden würden (vgl. Akt des BFA, AS 665).
I.9. Mit E-Mail vom 07.11.2018 erhob der Vertreter im Namen des Beschwerdeführers gegen die Ausstellung der Erteilung eines Aufenthaltstitels „Rot-Weiss-Rot – Karte plus“ vom 12.10.2018 Beschwerde, da die Bezirkshauptmannschaft Bludenz seinem Begehren vom 10.10.2018 und der Ergänzung vom 15.10.2018 die Gültigkeitsdauer des Aufenthaltstitels auf drei Jahre zu verlängern nicht stattgegeben habe. Darüber hinaus stellte der Vertreter im Namen des Beschwerdeführers einen Antrag auf die Erteilung eines unbefristeten Niederlassungsrechts gemäß § 24 Fremdengesetz (in der Folge: FRG) (vgl. Akt des BFA, AS 667).
I.10. Das Landesverwaltungsgericht XXXX gab mit Erkenntnis vom 16.05.2019, XXXX , der Beschwerde gegen den Bescheid (Aufenthaltstitel „Rot-Weiss-Rot – Karte plus“, ausgestellt für die Dauer von 12 Monaten) der Bezirkshauptmannschaft XXXX vom 12.10.2018 insoweit Folge, als dem Beschwerdeführer nach § 41a Abs. 9 NAG iVm § 20 Abs. 1a NAG der Aufenthaltstitel der „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ für die Dauer bis zum 28.11.2020 erteilt wurde. Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass sich die Antragstellung des gegenständlichen Aufenthaltstitels wegen Anwendung der günstigeren Bestimmung des § 24 Abs. 2 NAG idF BGBl I Nr 157/2005 iSd Art. 13 ARB 1/80 (Stillhalteklausel) türkischer Staatsangehöriger am 08.08.2018 als rechtzeitig (zuletzt erteilter am 19.04.2018 abgelaufen) erweise. Aufgrund der rechtzeitigen Antragstellung sei die Zeit ab dem 20.04.2019 (Tag nach Ablauf des letzten Aufenthaltstitels) als rechtmäßige Niederlassung anzusehen und seien zum nunmehrigen Entscheidungszeitpunkt bereits mehr als zwei Jahre nach der Erstantragstellung am 20.04.2017 vergangen, weshalb der Beschwerdeführer bereits eine zweijährige Niederlassung erreicht habe und daher grundsätzlich ein Aufenthaltstitel in der Dauer von drei Jahren auszustellen sei. Da das Reisedokument des Beschwerdeführers (Reisepass) jedoch lediglich eine Gültigkeit bis zum 28.11.2020 aufweise, sei der Aufenthaltstitel entsprechend der Bestimmung des § 20 Abs. 1a NAG nur bis zu diesem Zeitpunkt zu erteilen. Im Übrigen wurde der Beschwerde jedoch keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid bestätigt. Es sei von zwei Anträgen (Erteilung eines Aufenthaltstitels mit dreijähriger Gültigkeit sowie Erteilung eines unbefristeten Niederlassungsrechts gemäß § 24 FRG) auszugehen. Die Niederlassungsbewilligung gemäß § 24 FRG gäbe es nicht mehr, es könne allenfalls sein, dass die Bestimmung aufgrund der Stillhalteklausel auf den Beschwerdeführer anzuwenden wäre. Unter Anwendung des § 24 FRG hätte jedoch nie der ursprüngliche beantragte Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ erteilt werden können. Das Verwaltungsgericht dürfe gegenständlich jedoch ausschließlich über die Beschwerde gegen die für die Gültigkeitsdauer von einem Jahr erteilte „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ entscheiden, da nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nur das dieselbe Sache sei. Über den Antrag des unbefristeten Niederlassungsrechtes dürfe das Verwaltungsgericht nicht entscheiden, da das nicht Gegenstand des in Beschwerde gezogenen Bescheides gewesen sei (vgl. Akt des BFA, Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Vorarlberg vom 16.05.2019, AS 751ff).
I.11. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft XXXX vom 25.06.2019, XXXX , wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung eines unbefristeten Niederlassungsrechtes vom 07.11.2018 mangels Verbesserung (zwingende persönliche Antragstellung vor der Behörde und Bezahlung der Antragsgebühr) zurückgewiesen (vgl. Akt des BFA, 781).
I.12. Mit E-Mail an das BFA vom 12.07.2019 machte der Vertreter des Beschwerdeführers darauf aufmerksam, dass dem Beschwerdeführer am 20.04.2016 vom BFA eine rechtswidrige Aufenthaltsberechtigung Plus unterstellt worden sei und ersuchte die Rechtswidrigkeit wegen Nichtigkeit der Erteilung der Aufenthaltsberechtigung Plus vom 20.04.2017 (gemeint wohl 20.04.2016) bis 19.04.2017 zu beheben (vgl. Akt das BFA, AS 789). Das BFA setzte mit E-Mail vom 18.07.2019 den Vertreter des Beschwerdeführers über die Entgegennahme eines Wiederaufnahmeantrages in Kenntnis (vgl. Akt des BFA, AS 799). Darüber hinaus übermittelte der Vertreter des Beschwerdeführers mit E-Mail vom 18.07.2019 einen Rechtsatz des VwGH, Ra 2019/21/0009, im Wesentlichen mit dem Inhalt, dass die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 als subsidiäre Maßnahme konzipiert sei, die nur in Betracht komme, wenn der betreffende Fremde nicht ohnehin über ein anderweitiges Aufenthaltsrecht verfüge (vgl. Akt des BFA, AS 827).
I.13. Das BFA wies mit Bescheid vom 10.04.2020, XXXX , den Antrag vom 12.07.2019 auf Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend den Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß Art. 8 EMRK (§ 55 AsylG 2005) ab. Begründend wird dazu erläutert, dass der Beschwerdeführer keine Rechte nach Art. 6 ARB 1/80 erworben habe, da der Beschwerdeführer damals nicht alle drei Spiegelstriche kumulativ erfüllt habe. Darüber hinaus setze Art. 13 ARB 1/80 voraus, dass die Vorschriften auf dem Gebiet der Einreise und des Aufenthalts befolgt werden. Da der Beschwerdeführer keine Rechte nach dem Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 erworben habe, welche ihm ein unmittelbares Aufenthaltsrecht verliehen hätten, habe er sich nach Ablauf des damaligen befristeten Aufenthaltstitels nicht legal in Österreich aufgehalten und Art. 13 ARB 1/80 sei somit auch aufgrund des Verstoßes gegen Einreise- und Aufenthaltsvorschriften nicht anwendbar gewesen. Dem Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 AsylG sei damals vollinhaltlich entsprochen worden und seien dagegen keine Wiederaufnahmegründe dargelegt worden (vgl. Akt des BFA, Bescheid über den Wiederaufnahmeantrag, AS 895).
I.14. Mit E-Mail an das BFA vom 16.04.2020 führte der Vertreter im Namen des Beschwerdeführers unter anderem erneut in Bezug auf das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes vom 16.05.2019, XXXX , aus, dass der Beschwerdeführer unter den Art. 7 Abs. 2 ARB 1/80 falle. Da der Sachverhalt der Entscheidung des Landesverwaltungsgerichtes XXXX als erwiesen gelte und das BFA darüber keine Feststellungen getroffen habe, ob sich der Beschwerdeführer aufgrund des Art. 7 Abs. 2 ARB 1/80 rechtmäßig in Österreich aufgehalten habe bzw. bereits vor der Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK (§ 55 AsylG 2005) einen Rechtsanspruch auf die Erteilung eines deklarativen Aufenthaltstitels besessen habe, ersuchte der Vertreter (erneut) im Namen des Beschwerdeführers eine Überprüfung vorzunehmen.
I.15. In Folge verhängte das BFA über den Beschwerdeführer mit Bescheid vom 19.06.2020, XXXX , nach einem Telefonat mit dem Vertreter am selben Tag, in welchem der Vertreter die bis dato nicht erfolgte Behandlung seiner Eingabe vom 16.04.2020 monierte, eine Mutwillensstrafe in Höhe von EUR 726,00 über den Beschwerdeführer. In der Begründung wird dazu näher ausgeführt, dass der Beschwerdeführer die Tätigkeit der Behörde offenbar mutwillig beanspruche, indem er wiederholt E-Mail Eingaben übermittle, Anträge stelle sowie des Öfteren bei der Behörde anrufen würde. Die Rechtsmittelfrist des Wiederaufnahmeverfahrens sei ungenutzt verstrichen und die Entscheidung des BFA erst vor kurzem getroffen worden. Es zeige sich zweifelsfrei, dass der Beschwerdeführer den Antrag auf „Nichtigerklärung“ in sichtlicher Kenntnis der Grund- und Aussichtslosigkeit bzw. der Nutz- und Zwecklosigkeit eingebracht habe. Es liege auch offen auf der Hand, dass wider besseren Wissens die erfolgte Inanspruchnahme des BFA durch die Antragstellung unter solchen Umständen geschehen sei, dass die Aussichtslosigkeit, den angestrebten Erfolg zu erreichen, für jedermann erkennbar gewesen sei bzw. die Einbringung des Antrages sichtlich rechtsmissbräuchlich lediglich deswegen erfolgt sei. Es sei neben dem beschriebenen Mutwillen auch der Vermögensschaden auf Seiten des Bundes als Rechtsträger sowie die Bindung von Ressourcen der belangten Behörde zu berücksichtigen. Das BFA gehe unter Berücksichtigung der Umstände davon aus, dass es sehr wohl einer spürbaren Sanktion für den Beschwerdeführer bedürfe.
I.16. Gegen die Verhängung der Mutwillensstrafe richtet sich die vom Vertreter des Beschwerdeführers, gegenständlich erhobene Beschwerde vom 26.06.2020. Darin wird ausgeführt, dass der Beschwerdeführer seit mindestens fünf Jahren seinen ordnungsgemäßen Wohnsitz in Österreich habe und er iSd Art. 7 Satz 1 Spiegelstrich 2 in Österreich einen freien Zugang zu jeder von ihm gewählten Beschäftigung in einem Lohn- oder Gehaltsverhältnis erworben habe. Darüber hinaus habe er iSd Art. 7 Satz 2 ARB 1/80 in Österreich eine Berufsausbildung abgeschlossen und könne sich unabhängig von der Dauer eines Aufenthaltes in Österreich auf jedes Stellenangebot bewerben. Das Beschäftigungsrecht des Beschwerdeführers, dass sich aus Art. 7 ARB 1/80 ableite, impliziere sein Aufenthaltsrecht in Österreich. Der Antrag auf die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach dem AsylG 2005 sei durch das Bestehen dieser implizierten Aufenthaltsberechtigung der Boden entzogen. Aus diesem Grund sei stellvertretend für den Beschwerdeführer am 16.04.2020 gemäß § 68 AVG der vom BFA möglicherweise bis heute unbearbeitete Antrag auf die Nichtigerklärung der Erteilung der Aufenthaltsberechtigung plus aus Gründen des Art. 8 EMRK (§ 55 AsylG 2005) vom 20.04.2016 bis 19.04.2017 eingebracht worden. Am Ende des Schreibens stellte der Vertreter des Beschwerdeführers einen neuerlichen Antrag auf Nichtigerklärung der Aufenthaltsberechtigung vom 20.04.2016.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Der Beschwerdeführer, ein am XXXX in Österreich (Bludenz) geborener türkischer Staatsangehöriger, stellte erstmals am 04.03.2016 vor dem BFA einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 (Aufenthaltsberechtigung plus).
1.2. Am 20.04.2016 gab das BFA dem verbesserten Antrag auf einen Aufenthaltstitel Aufenthaltsberechtigung plus aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 (mit Gültigkeit bis zum 19.04.2017) statt.
1.3. In den Folgejahren wurden zwei Anträge einer „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ für die Zeiträume 20.04.2017 bis 19.04.2018 sowie 20.04.2018 bis 20.04.2019 von der Bezirkshauptmannschaft Bludenz nach dem NAG bearbeitet und ausgestellt. Der Beschwerde gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bludenz betreffend die Aufenthaltsberechtigung für den Zeitraum 20.04.2018 bis 20.04.2019 wurde mit Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes XXXX vom 16.05.2019 XXXX insoweit Folge gegeben, als dem Beschwerdeführer nach § 41a Abs. 9 NAG iVm § 20 Abs. 1a NAG der Aufenthaltstitel der „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ für die Dauer bis zum 28.11.2020 (Ablauf der Gültigkeit des Reisepasses des Beschwerdeführers) erteilt wurde, da der Beschwerdeführer im Entscheidungszeitpunkt nach den gesetzlichen Bestimmungen bereits zwei Jahre seit Erstantragstellung einer „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ am 20.04.2017 rechtmäßig niedergelassen war und ihm daher grundsätzlich ein Aufenthaltstitel mit einer Gültigkeitsdauer von drei Jahren zusteht.
1.4. Herr XXXX ist seit 01.10.2018 der durch Generalvollmacht des Beschwerdeführers bevollmächtigte Vertreter.
1.5. Seit der Ausstellung der Generalvollmacht wandte sich ausschließlich der Vertreter mit Anbringen (in Form von E-Mails bzw. Telefonaten) an unterschiedliche Behörden, insbesondere auch an das BFA, da er insbesondere der Meinung ist, dass dem Beschwerdeführer grundsätzlich ein unbefristetes Aufenthaltsrecht, abgeleitet aus dem ARB 1/80, zukommen würde.
1.6. In diesem Zusammenhang wandte sich der Vertreter am 12.07.2019 an das BFA. Es sei dem Beschwerdeführer rechtswidrig eine Aufenthaltsberechtigung unterstellt worden und die Aufenthaltsberechtigung plus gemäß § 55 AsylG vom 20.04.201[6] bis 19.04.2017 wegen Nichtigkeit zu beheben. Darüber hinaus ergänzte der Vertreter mit E-Mail vom 19.07.2019 den Antrag mit der Zitierung des Rechtssatzes des Verwaltungsgerichtshofes, VwGH Ra 2019/21/0009 vom 04.04.2019, wonach im Wesentlichen die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 als subsidiäre Maßnahme konzipiert sei, die nur in Betracht komme, wenn der betreffende Fremde nicht ohnehin über ein anderweitiges Aufenthaltsrecht – wie im gegenständlichen Fall vorgebracht eine Aufenthaltsberechtigung nach dem ARB 1/80 – verfüge.
1.7. Das BFA wertete das Anbringen vom 12.07.2019 des Beschwerdeführers als Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 AsylG 2005 vom 20.04.2016 und wies mit Bescheid vom 10.04.2020 den Antrag mit der Begründung ab, dass keine Wiederaufnahmegründe dargelegt werden konnten und erläuterte, weshalb der Beschwerdeführer keine Rechte im Sinne des Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 erworben habe (Vorliegen der drei Spiegelstriche kumulativ), welche ihm ein unmittelbares Aufenthaltsrecht verliehen hätten.
1.8. Daraufhin übermittelte der Vertreter des Beschwerdeführers am 16.04.2020 eine E-Mail an das BFA, in der er erneut unter Bezug auf das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes sowie auch den Rechtssatz des VwGH Ra 2019/21/0009, ausführte, dass der Beschwerdeführer unter Art. 7 Abs. 2 ARB 1/80 falle und sich rechtmäßig in Österreich aufgehalten habe bzw. bereits vor der Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK (§ 55 AsylG 2005) einen Rechtsanspruch auf die Erteilung eines deklarativen Aufenthaltstitels besessen habe und daher der Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK (§ 55 AsylG 2005) für nichtig zu erklären sei.
1.9. Gemäß den Ausführungen im Bescheid des BFA vom 19.06.2020 kontaktierte der Vertreter des Beschwerdeführers am 19.06.2020 das BFA telefonisch und monierte, dass der Antrag vom 16.04.2020 nicht bearbeitet wurde und bestand neuerlich auf Nichtigerklärung des im Jahr 2016 erteilten Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK (§ 55 AsylG 2005).
1.10. Anschließend verhängte das BFA über den Beschwerdeführer mit Bescheid vom 19.06.2020 wegen offenbar mutwilliger Inanspruchnahme der Tätigkeit der Behörde eine Mutwillensstrafe in Höhe von EUR 726,00.
1.11. Der Vertreter erhob im Namen des Beschwerdeführers am 26.06.2020 gegen den Bescheid des BFA über die Verhängung der Mutwillensstrafe Beschwerde.
2. Beweiswürdigung:
Der festgestellte Sachverhalt beruht auf den von der belangten Behörde vorgelegten Unterlagen, beinhaltend insbesondere das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Vorarlberg vom 16.05.2019, den Wiederaufnahmeantrag vom 12.07.2019 mit der Ergänzung vom 19.07.2019, den Bescheid des BFA über den Wiederaufnahmeantrag vom 10.04.2020, das E-Mail des Vertreters des Beschwerdeführers vom 16.04.2020, den Bescheid über die Verhängung der Mutwillensstrafe vom 19.06.2020 sowie die verfahrensgegenständliche Beschwerde vom 26.06.2020. Der Sachverhalt ist unstrittig und im für eine Beurteilung erforderlichen Ausmaß dargetan, weshalb von weiteren Erhebungen abgesehen werden konnte.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Zu A)
3.1. Zur Stattgebung der Beschwerde:
§ 35 AVG lautet:
„Gegen Personen, die offenbar mutwillig die Tätigkeit der Behörde in Anspruch nehmen oder in der Absicht einer Verschleppung der Angelegenheit unrichtige Angaben machen, kann die Behörde eine Mutwillensstrafe bis 726 Euro verhängen.“
Die Verhängung der Mutwillensstrafe soll die Behörde vor Behelligung, als auch die Partei aber vor Verschleppung der Sache schützen (vgl. VwGH 22.1.1930, 439/29, VwSlg. 15960 A, ebenso 24.3.1997, 95/19/1705, oder 23.3.1999, 97/19/0022).
Bei der Mutwillensstrafe gemäß § 35 AVG, handelt es sich wie bei der Ordnungsstrafe nach § 34 AVG, nicht um die Ahndung eines Verwaltungsdeliktes, sondern um ein Mittel zur Sicherung einer befriedigenden, würdigen und rationellen Handhabung des Verwaltungsverfahrens, sohin um ein Disziplinarmittel. Das Verwaltungsstrafgesetz im Verfahren betreffend die Verhängung von Mutwillensstrafen findet daher grundsätzlich keine Anwendung, mit Ausnahme der in § 36 AVG ausdrücklich vorgesehenen Vorschriften über den Strafvollzug (§§ 53 bis 54d VStG). Daraus folgt, dass weder Bestimmungen über die Strafbemessung, über die Verjährung oder die Sprucherfordernisse hinsichtlich der Umschreibung der Tat, noch die Verjährungsbestimmungen des bürgerlichen Rechtes im Bereich des öffentlichen Rechtes unmittelbar oder analog anwendbar sind. Dahinter steckt auch die verfolgte Absicht des Gesetzgebers das Verwaltungsverfahren zu beschleunigen (vgl. VwGH 4.09.1973, 1665/72, VwSlg. Nr. 8448 A/1973, 30.05.1994, 92/10/0469, VwSlg 14.064 A/1994; 20.05.2009, 2007/07/0119; Hengstschläger/Leeb, AVG § 35, Rz 1 und 6).
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt mutwillig im Sinne des § 35 AVG, wer sich im Bewusstsein der Grund- und Aussichtslosigkeit, der Nutz- und Zwecklosigkeit seines Anbringens an die Behörde wendet, sowie wer aus Freude an der Behelligung der Behörde handelt. Darüber hinaus verlangt das Gesetz aber noch, dass der Mutwille offenbar ist; dies ist dann anzunehmen, wenn die wider besseren Wissens erfolgte Inanspruchnahme der Behörde unter solchen Umständen geschieht, dass die Aussichtslosigkeit, den angestrebten Erfolg zu erreichen, für jedermann erkennbar ist. Mit der in § 35 AVG vorgesehenen Mutwillensstrafe kann geahndet werden, wer „in welcher Weise immer“ die Tätigkeit der Behörde in Anspruch nimmt (vgl. VwGH 16.2.2012, 2011/01/0271, VwSlg 18337 A/2012; 21.05.2019, Ra 2018/19/0466; vgl. hiezu auch Hengstschläger/Leeb, AVG § 35, Rz 2).
Strafbar gemäß § 35 AVG ist jede (prozessfähige) „Person“, welche die Behörde offenbar mutwillig in Anspruch genommen (das Anbringen eingebracht) hat (vgl. VwGH 24.3.1997, 95/19/1705; 18.4.1997, 95/19/1707) oder in Verschleppungsabsicht dieser gegenüber unrichtige Angaben gemacht hat. Dabei kann es sich nur um Menschen handeln, welche an die Behörde herantreten oder auf die sich eine Amtshandlung bezieht, nicht hingegen um Organwalter der den Bescheid erlassenden Behörde.
Strafbarer Mutwille bei Antragstellung hat das Bewusstsein von der Grundlosigkeit dieses Antrags zur Voraussetzung. Mutwillig wird ein Antrag daher dann gestellt, wenn sich der Antragsteller wissentlich auf einen unrichtigen Tatbestand stützt oder wenn es zweifellos und auch ihm bewusst ist, dass der vorliegende Tatbestand keinen Grund für einen Antrag gibt (vgl. VwGH 08.11.2011, 97/21/0023).
Am 12.07.2019 stellte der Vertreter des Beschwerdeführers einen Antrag das Verfahren betreffend die Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK (§ 55 AsylG 2005) vom 20.04.2016 des Beschwerdeführers für nichtig zu erklären, ergänzend übermittelte er am 19.07.2019 ein weiteres E-Mail. Die Eingabe vom 12.07.2019 wurde als Wiederaufnahmeantrag gewertet und mit Bescheid des BFA vom 10.04.2020 abgewiesen, da dem Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 AsylG 2005 damals vollinhaltlich entsprochen wurde und keine Wiederaufnahmegründe dargelegt werden konnten. Mit E-Mail vom 16.04.2020 wandte sich der Vertreter des Beschwerdeführers erneut an das BFA und führte ähnlich wie in den E-Mails vom 12.07.2019 und 19.07.2019 aus, dass dem Beschwerdeführer gemäß ARB 1/80 ein abgeleitetes Recht auf die Erteilung eines unbefristeten Aufenthaltsrechtes zukomme (insbesondere nunmehr konkret aufgrund des Art. 7 Abs. 2 ARB 1/80) und ersuchte erneut um Überprüfung des Verfahrens vor dem BFA vom 20.04.2016. Am 19.06.2020 meldete sich der Vertreter des Beschwerdeführers telefonisch persönlich beim BFA und monierte, dass der Antrag vom 16.04.2020 noch nicht in Bearbeitung genommen worden sei und ersuchte wiederum um Nichtigkeitserklärung des Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK (§ 55 AsylG).
Auch wenn der Vertreter des Beschwerdeführers, nach der abweisenden Entscheidung des Antrages auf Wiederaufnahme des Verfahrens des BFA eine weitere Eingabe einbrachte und in Folge bei letzterer das BFA zusätzlich telefonisch kontaktierte, mangelt es im gegenständlichen Fall an konkreten Anhaltspunkten, die darauf schließen lassen, dass es sich dabei nicht um berechtigte Schritte der Rechtsverfolgung handelte und dem Beschwerdeführer sowie seinem Vertreter bewusst sein hätte müssen, dass allenfalls der vorliegende Tatbestand keinen Grund für einen weiteren Antrag gibt. In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass in der Entscheidung über das Vorliegen von Wiederaufnahmegründen vom 10.04.2020 ausschließlich explizit auf Art. 6 ARB 1/80 Bezug genommen wurde (und nicht auch auf Art. 7 ARB 1/80) sowie des Weiteren seitens des BFA weder dem Beschwerdeführer selbst, noch dem Vertreter zur Kenntnis gebracht wurde, dass sich die Einbringung weiterer Anträge auf Nichtigerklärung des Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK (§ 55 AsylG 2005) beim BFA – vor dem Hintergrund einer allenfalls bereits erfolgten Prüfung von sämtlichen Wiederaufnahmegründen gemäß § 69 Abs. 1 AVG im Zuge des ergangenen Bescheides vom 10.04.2020 des BFA – in derselben Sache als aussichtlos darstellt. Insbesondere wäre die Eingabe vom 16.04.2020 seitens des BFA zu behandeln gewesen und kann die Erkundigung des Vertreters des Beschwerdeführers über den Stand des Verfahrens (im Hinblick auf die erfolgte Eingabe vom 16.04.2020) nicht per se als mutwillig angesehen werden.
Außerdem ist mit dem Vorwurf des Missbrauchs von Rechtsschutzeinrichtungen mit äußerster Vorsicht umzugehen. Ein derartiger Vorwurf ist nur dann am Platz, wenn für das Verhalten einer Partei nach dem Gesamtbild der Verhältnisse keine andere Erklärung bleibt; die Verhängung einer Mutwillensstrafe kommt demnach lediglich im „Ausnahmefall“ in Betracht (vgl. VwGH 29.06.1998, 98/10/0183 VwSlg. 18.337 A/2012; 21.05.2019, Ra 2018/19/0466). Im Sinne des Gebots eines äußerst vorsichtigen Umgangs mit dem Vorwurf des Missbrauchs von Rechtsschutzeinrichtungen liegt hingegen der Zweck der Verhängung einer Mutwillensstrafe nicht darin, auf prozesstaktische Erwägungen gegründete legitime – mögen sie im Einzelfall auch eine längere Dauer eines Beweisverfahrens bzw. einer mündlichen Verhandlung bewirken – zu pönalisieren. Es genügt jedenfalls nicht, dass die Partei ihren Rechtsstandpunkt in der Hoffnung, dabei erfolgreich zu sein, mit einer gewissen Hartnäckigkeit vertritt (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG, Rz 3 zu § 35).
Ein solcher „Ausnahmefall“ ist im gegenständlichen Verfahren (noch) nicht zu erkennen, zwar wird nicht übersehen, dass sich der Vertreter des Beschwerdeführers seit seiner Bevollmächtigung im Oktober 2018 an verschiedenste Behörden wandte, jedoch in Folge auch im Rechtsmittelweg dem Beschwerdeführer eine dreijährige Gültigkeitsdauer der „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ zuerkannt wurde. Es ist des Weiteren zu berücksichtigen, dass die Eingabe vom 16.04.2020, mangels weiterer Behandlung bzw. allenfalls einem Vorhalt über ein Vorliegen von rechtsmissbräuchlichem Verhalten, im konkreten Fall nicht ausschließlich mit der Absicht einer mutwilligen Inanspruchnahme der Behördentätigkeit bzw. deren Behelligung zu erklären ist, insbesondere da vor diesem Hintergrund ein (allenfalls) rechtmissbräuchliches Verhalten dem Beschwerdeführer bzw. dem Vertreter nicht in einem die Mutwillensstrafe rechtfertigenden Maße bewusst sein konnte und es an konkreten Anhaltspunkten mangelt, die nicht (noch) auf berechtigte Schritte der Rechtsverfolgung schließen lassen, die per se nicht als mutwillig zu qualifizieren sind. Darüber hinaus ist gegenständlich auch der zeitliche Abstand von den ersten Eingaben am 12.07.2019 bzw. 19.07.2019 betreffend den Antrag auf Nichtigerklärung der Erteilung des Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK (§ 55 AsylG 2005) vor dem BFA und dem nach ergangener Entscheidung nunmehr übermittelten E-Mail vom 16.04.2020, zu bedenken.
Hat der VwGH in einem Beschluss dem Antragsteller in eindringlicher Weise klargemacht, dass jede weitere gleiche Eingabe als mutwillig zu beurteilen sei und somit die Verhängung einer Mutwillensstrafe nach sich zieht und stellt dieser dennoch einen weiteren derartigen gleichartigen Antrag, dann ist der VwGH berechtigt, über den Antragsteller eine Mutwillensstrafe zu verhängen (vgl. VwGH 01.08.2019, Ra 2015/06/0099).
In diesem Zusammenhang und bei dieser Gelegenheit wird der Beschwerdeführer und insbesondere dessen Vertreter darauf aufmerksam gemacht, dass Anträge in derselben Rechtssache vor dem BFA als rechtsmissbräuchlich anzusehen sein werden und ihnen die Aussichtslosigkeit jedenfalls nach einer zurückweisenden Entscheidung des BFA wegen entschiedener Sache bzw. nach den Erläuterungen im gegenständlichen Erkenntnis bewusst sein müssen. Zudem darf auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen werden, wonach als Adressat der Mutwillensstrafe auch ein bestellter Bevollmächtigter in Betracht kommt (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG § 35, Rz 5), allerdings nach ständiger Rechtsprechung nur dann, wenn er ohne Ermächtigung durch einen den konkreten Fall betreffenden Auftrag in offenbar mutwilliger Gebrauchnahme seiner bloß allgemein gehaltenen Ermächtigung für den Beteiligten gehandelt hat (vgl. VwGH 18.04.1997, 95/19/1706; 08.11.2000, 97/21/0023). Das ist dann nicht anzunehmen, wenn er die betreffenden Anträge lediglich in fahrlässiger Weise oder im Glauben, den berechtigten Interessen des Vertreters zu dienen bzw. mit dem Ziel, zivilrechtliche Ansprüche seitens des Vertretenen hintanzuhalten, gestellt hat (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG § 35, Rz 5).
In der konkret vorliegenden Konstellation ist jedoch unter Berücksichtigung des bisher Angeführten in Summe ein die Verhängung einer Mutwillensstrafe rechtfertigender „Ausnahmefall“ in concreto – noch - nicht erkennbar und kann deshalb noch von keinem strafbaren Mutwillen bzw. einem Bewusstsein der Aussichtslosigkeit bei den Anträgen des Beschwerdeführers bzw. dessen Vertreter ausgegangen werden.
Da die Mutwillensstrafe im vorliegenden Fall jedenfalls nicht zu verhängen war, ist auch nicht näher auf die general- und spezialpräventive Wirkung einzugehen; des Weiteren erübrigen sich auch hinsichtlich der mangelnden Feststellungen der belangten Behörde zur Höhe des Einkommens des Beschwerdeführers weitere Ausführungen.
Sollte die belangte Behörde jedoch (nach erfolgter umfassender Sachverhaltserhebung) die Auffassung vertreten, dass die Tätigkeit des bevollmächtigten Vertreters des BF den Tatbestand der Winkelschreiberei entspricht wären andere Maßnahmen vorzusehen und ein derartiges Verhalten nicht durch eine „Mutwillensstrafe“ gegenüber den BF zu ahnden.
3.2. Zur Abstandnahme von der mündlichen Verhandlung:
Im Hinblick auf die Stattgebung der Beschwerde, aber auch in Bezug darauf, dass nach § 24 Abs. 4 VwGVG das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen kann, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstehen, konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden, weil das Gericht einerseits bereits einen dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegten Sachverhalt annehmen konnte, der mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers in Einklang ist (der Sachverhalt insoweit, soweit relevant, also unstrittig ist) bzw. soweit dem Vorbringen nicht gefolgt wurde, einen Sachverhalt annehmen konnte der vom Beschwerdeführer nicht hinreichend substantiiert bestritten wurde. Das Gericht konnte so aufgrund der Akten und des schriftlichen Vorbringens entscheiden, ohne dass dies eine Verletzung von Art. 6 Abs. 1 MRK oder Art. 47 GRC bedeutet hätte; eine Rechtsfrage, die für sich genommen einer Erörterung im Rahmen der mündlichen Verhandlung bedurft hätte, wurde nicht aufgezeigt (vgl. VwGH 20.03.2014, 2013/07/0146, 17.02.2015, Ra 2015/09/0007).
Aus den Gesetzesmaterialien zur Bestimmung des § 24 VwGVG ergibt sich im Übrigen, dass eine mündliche Verhandlung, soweit sie ausschließlich der Klärung der Rechtsfrage dienen würde, nicht geboten sein soll (vgl. RV 1255 BlgNR 25. GP, 5; auch VwGH 19.09.2017, Ra 2017/01/0276).
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung hinsichtlich der Verhängung einer Mutwillensstrafe von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Aussichtslosigkeit Behebung der Entscheidung ersatzlose Behebung Mutwillensstrafe RechtswidrigkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W195.2232635.1.00Im RIS seit
22.01.2021Zuletzt aktualisiert am
22.01.2021