Entscheidungsdatum
14.10.2020Norm
BEinstG §14Spruch
L518 2233380-1/3E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. STEININGER als Vorsitzenden und den Richter Mag. LEITNER und den fachkundigen Laienrichter Mag. SOMMERHUBER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , vertreten durch RA Dr. XXXX gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle XXXX , XXXX , vom XXXX , in nicht öffentlicher Sitzung beschlossen:
A)
In Erledigung der Beschwerde wird der Bescheid vom XXXX , XXXX , behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF, zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Sozialministeriumservice, Landesstelle XXXX , zurückverwiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), BGBl. Nr. 1/1930 idgF, nicht zulässig.
Text
Begründung:
I. Verfahrensgang:
24.10.2019—Antrag der beschwerdeführenden Partei (in Folge „bP“ genannt) auf Feststellung der Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten beim Sozialministeriumsservice - SMS, Landesstelle XXXX (in Folge belangte Behörde bzw. „bB“ genannt)
02.01.2020—Erstellung eines allgemeinmedizinischen Sachverständigengutachtens; GdB 40 vH; Dauerzustand
08.01.2020-Parteiengehör
24.01.2020—Stellungnahme der bP vertreten durch einen Rechtsanwalt
19.02.2020—ergänzende Stellungnahme und Urkundenvorlage der bP vertreten durch einen Rechtsanwalt
01.04.2020—Erstellung eines ergänzenden allgemeinmedizinischen Sachverständigengutachtens; GdB 40 vH; Dauerzustand
29.05.2020—Bescheid der bB; Abweisung des Antrags vom 24.10.2019 auf Feststellung der Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten
09.07.2020—Beschwerde der bP vertreten durch einen Rechtsanwalt
27.07.2020—Beschwerdevorlage am BVwG
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1.0. Feststellungen (Sachverhalt):
Am 24.10.2019 stellte die bP den verfahrensgegenständlichen Antrag auf Feststellung der Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten bei der bB.
In der Folge wurde am 02.01.2020 im Auftrag der bB nach der Einschätzungsverordnung ein allgemeinmedizinisches Sachverständigengutachten erstellt. Es wurde ein Gesamtgrad der Behinderung von 40 vH als Dauerzustand festgestellt. Dieses Gutachten lautet auszugsweise:
„Derzeitige Beschwerden:
Der Antragsteller berichtet, dass er 2018 einen Schiunfall mit Gehirnerschütterung, Bewusstlosigkeit und Schulterbruch erlitten hat. 14 Monate später ist es zu einer Hirnblutung nach starker körperlicher Arbeit gekommen, es sei dabei ein Gefäß geplatzt. Rund sechs Monate nach diesem Ereignis kam es zum Erstauftreten einer Epilepsie, diese würde fraglich mit der Blutung in Zusammenhang stehen, er darf jetzt sechs Monate nicht Autofahren und steht unter antiepileptischer Dauertherapie. Seither ist es unter Therapie zu keinem Folgeereignis gekommen. Von Seite der Hirnblutung hat er keine signifikanten Beschwerden, die initiale Lähmung der linken Körperhälfte war nach zwei Monaten wieder rückgebildet.
Er leidet immer wieder an gastritischen Beschwerden, muss mit dem Essen aufpassen und hat immer wieder Reflux. Im Bereich beider Schultern hat er geringe Restbeschwerden, bei Zustand nach Frozenshoulder links und Schulterbruch rechts zeigt sich die Elevation nahezu normal. Er leidet auch an einer Polyneuropathie, unklarer Genese, unter Umständen durch einen lange bestehenden Vitamin B Mangel bedingt. Die Beschwerden hätten sich Gabapentin gebessert.
Von Seite des Morbus Bechterew sind die Halswirbel C2 bis C5 verwachsen, somit der Bewegungsradius seiner Halswirbelsäule reduziert. Die Beschwerden sind sehr wetterabhängig und er leidet an vermehrten Morgenschmerzen, sowie stechenden Beschwerden unter Belastung. Er steht unter laufender Physiotherapie.
Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:
Levetiracetam, Gabapentin, bei Bedarf Metagelan rund 3-4x pro Woche, Vit D, Calcium, Augentropfen
Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
Neurologie, CDK, XXXX , 04/19:
atypische intrazerebrale Blutung rechts frontal 04/19
arterielle Hypertonie
Gehirnerschütterung, fragt apart.nasi, Fract sub et cap humeri next 02/18
Innere Medizin TKZ, 09/19
klonisch, tonischer, generalisierter Krampfanfall Erstereignis
Z.n SHT 02/18
XXXX , 1995:
Morbus Bechtrerew
Landeskrankenhaus XXXX 2004:
Frozen shoulder links
Untersuchungsbefund:
Allgemeinzustand:
gut
Ernährungszustand:
gut
Größe: 174,00 cm Gewicht: 76,00 kg Blutdruck:
Klinischer Status – Fachstatus:
C/C: HNAP frei
Pupille rund, mittelweit, isocor, Lichtreaktion unauffällig
Zunge: feucht, gerade
Gebiss saniert
Hörvermögen: altersentsprechend
Sehvermögen: Brille
Schilddrüse: palpabel unauffällig
LNN cerv.: keine pathologischen LNN
Haut: azyanotisch, anikterisch
Pulmo: VA bds, keine path.Geräusche
Cor: rein, rhythmisch, normocard, normfrequent
Abdomen: weich, kein DS, keine Resistenzen, Darmgeräusche unauffällig, Nierenlager nicht klopfschmerzhaft, blande Narben
Wirbelsäule: FBA 30cm
HWS: unauff., Beweglichkeit nicht eingeschränkt
BWS/LWS: Seitneigung, Retroflexion nicht eingeschränkt,
Hocke durchführbar, Beweglichkeit in allen Abschnitten uneingeschränkt
Extremitäten OE: Muskulatur in Tonus und Trophik seitengleich
Schürzengriff durchführbar, Nackengriff durchführbar, Elevation
möglich, Rotation unauff.
Ellenbogen, Hand- Fingergelenke: aktiv passiv frei beweglich, keine
Schwellung, keine Schmerzen
Extremitäten UE: Muskulatur in Tonus und Trophik seitengleich
keine Beinödeme, keine Beinlängendifferenz im Liegen, Lasegue neg
Hüftgelenke: aktiv passiv frei beweglich, Innen-und Außenrot.unauff.
Kniegelenke: aktiv passiv frei beweglich, keine Schwellung, keine
Schmerzen, kein offensichtlicher Erguss oder Überwärmung
Sprunggelenke: aktiv passiv frei beweglich
Neuro: grobe Kraft unauff. Sensibilität unauff.
Gesamtmobilität – Gangbild:
unauffällig
Status Psychicus:
Merk- und Konzentrationsfähigkeit keine groben Einschränkungen erkennbar
zeitlich örtlich, situativ orientiert, nicht verlangsamt
Stimmungslage: dysthym, wechselhaft
Antrieb: unauffällig, keine produktive Symptomatik erkennbar
Schlaf:wechselhaft unter Gabapentin OK
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktions-einschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:
Morbus Bechterew
unterer RSW bei rezidivierenden Schmerzen und Bewegungseinschränkung mit morgendlicher Steifigkeit unter dauerhaftem Physiobedarf Pos.Nr.02.02.02 GdB 30
Epilepsie
mittlerer RSW bei Z.n einmaligem Ereignis 09/19 unter derzeitiger Dauertherapie mit guter Einstellung, bei i.e.L Z.n Schädelhirntrauma und Blutung Pos.Nr.04.10.01 GdB 30
Polyneuropathie
eine Stufe unter oberem RSW bei Beschwerdebesserung unter medikamentöser Therapie
Pos.Nr 04.06.01 GdB 30
Schultergelenksproblematik beidseits
fixer RSW bei geringer Elevationseinschränkung beidseits bei Z.n Schulterbruch und Z.n frozen shoulder Pos.Nr.02.06.02 GdB 20
rezidivierende Refluxproblematik
unterer RSW bei rezidivierend auftretenden Beschwerden unter Therapie Pos.Nr. 07.03.05 GdB 10
Gesamtgrad der Behinderung 40 v. H.
Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:
Der Gesamt-GdB beträgt 40v.H, der Grad der führenden GS1 wird durch die GS2 und GS3 um eine Stufe angehoben, da durch die Summe der Beschwerden eine weitere Leidensbeeinflussung besteht, die GS4 und GS5 heben aufgrund fehlender additiv negativer Beeinflussung um keine weitere Stufe an.
Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:
anamenstisch rezidivierende Iritis: Fachbefunde ausstehend
Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:
kein VGA
Begründung für die Änderung des Gesamtgrades der Behinderung:
kein VGA
Dauerzustand
Die bP kann trotz ihrer Funktionsbeeinträchtigung mit Wahrscheinlichkeit auf einem geschützten Arbeitsplatz oder in einem Integrativen Betrieb (allenfalls unter Zuhilfenahme von Unterstützungsstrukturen) einer Erwerbstätigkeit nachgehen:
JA
Aufgrund der vorliegenden funktionellen Einschränkungen liegen die medizinischen Voraussetzungen für die Vornahme nachstehender Zusatzeintragungen vor:
Die / Der Untersuchte ist Epileptikerin oder Epileptiker
1. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?
Die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel ist gegeben, da keine erheblichen Einschränkungen der Funktion der unteren Extremitäten, der körperlichen Belastbarkeit, psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten und Funktionen vorliegen, noch eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems vorhanden ist. Bei bekannter PNP und Morbus Bechterew ist eine uneingeschränkte Gehstrecke möglich. Daher das Zurücklegen kurzer Wegstrecken, das für das Ein- und Aussteigen notwendige Überwinden geringer Niveauunterschiede, sowie das Fahren in öffentlichen Verkehrsmitteln nicht beeinträchtigt.
2. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor?
Nein
Folgende Gesundheitsschädigungen im Sinne von Mehraufwendungen wegen Krankendiätverpflegung liegen vor, wegen: Erkrankungen des Verdauungssystems GdB: 10 v.H.“
Am 08.01.2020 wurde Parteiengehör gewährt und der bP die Möglichkeit gegeben zum Ergebnis der Beweisaufnahme Stellung zu nehmen.
Mit Datum vom 24.01.2020 gab die bP, vertreten durch einen Rechtsanwalt folgende Stellungnahme ab: Es werde darauf hingewiesen, dass die knapp 15-minütige Untersuchung des Antragstellers in einem Privathaus in einem, bis auf eine Schreibtischlampe unbeleuchteten, ca. 30m2 großen Raum von vornherein nicht geeignet gewesen sei, dass sich die Sachverständige ein umfassendes Bild von den körperlichen Beeinträchtigungen des Antragstellers, die für die Beurteilung des gegenständlichen Antrags von Relevanz sind, machen hätte können. So sei dem Untersuchungsbefund zu entnehmen, dass die Halswirbelsäule unauffällig und die Beweglichkeit nicht eingeschränkt sei. Unberücksichtigt sei sohin der Umstand geblieben, dass die Halswirbel C2 bis C5 verwachsen seien, was zu einer massiven Bewegungseinschränkung der Rotation führe. Im Antrag werde unter Punkt „Gesundheitsschädigung 2" ausdrücklich darauf hingewiesen. Auch dass die BWS/LWS- Seitenneigung nicht eingeschränkt wäre, sei unzutreffend. Dies sei gar nicht untersucht worden. Im Zuge des im September 2019 erlittenen epileptischen Anfalls seien Impressionsbrüche der Brustwirbelkörper 3,5 und 10 erfolgt. Hinzuweisen sei auch auf die Schmorl'sche Impression des Brustwirbelkörpers 8. Dazu werde unter einem ein Befundbericht vorgelegt. Die im Befund erwähnte uneingeschränkte Beweglichkeit in allen Abschnitten sei sohin unzutreffend. Der ursprünglich mit GS1 (MB/MR) in Zusammenhang bestandene morgendliche massive Ruheschmerz, der sich nach dem Aufstehen und fortdauernder Bewegung etwas besserte, sei mittlerweile einem Dauerschmerz bzw. empfindlichen Belastungsschmerzen gewichen, wahrscheinlich als Folge des im September 2019 erlittenen epileptischen Anfalls. Auch der Status Psychicus sei unzureichend bzw. unzutreffend erhoben worden: Zum Zeitpunkt der Untersuchung habe sich der Antragsteller im Krankenstand befunden. Nach Beendigung desselben sei festzustellen, dass sich der Antragsteller, der Gutachten und Bauprojekte auf dem Computer erstelle, nicht länger als 1 Stunde konzentriert seiner Arbeit widmen könne, da ihn sodann Kopfschmerzen und Konzentrationsmangel daran hindern würden. Nach dem massiven epileptischen Anfall mit den damit einhergehenden Wirbelsäulenveränderungen habe der Antragsteller permanent Angstzustände vor einem weiteren, epileptischen Anfall. Er nehme seit dem Vorfall im September 2019 Anti- Epileptika und dürfe auch kein KFZ lenken. Selbst unter Einnahme von Gabapentin sei die Schlaffähigkeit des Antragstellers keinesfalls OK. Nach Einnahme dieses Medikaments könne der Antragsteller zwar einschlafen. Wache er allerdings in der Nacht auf (aufgrundUmgebungsgeräuschen etc. ), sei an ein wieder Einschlafen nicht zu denken. An durchschnittlich 50 % der Nächte sei der Schlaf des Antragstellers sohin massiv gestört. Die letztmalig im Jahr 2018 aufgetretene Iritis sei von der Gutachterin überhaupt nicht beurteilt worden. Der Antragsteller sei damals von Dr. XXXX in XXXX behandelt worden und erwarte einen Befund desselben binnen 14 Tagen, der sodann umgehend vorgelegt werde. Der Antragsteller leide auch an einer schweren Osteoporose, die im Dezember 2019 festgestellt worden sei. Der diesbezügliche Befundbericht werde unter einem vorgelegt. Die von der Gutachterin angenommene Zumutbarkeit der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel scheine aus Sicht des Antragstellers aufgrund des kürzlich erlittenen, epileptischen Anfalls daher nicht gegeben. Der Antragsteller vermeide den Aufenthalt in der Öffentlichkeit ohne Begleitung, um im Bedarfsfall sofort fachgerechte Hilfe zu erhalten. Die nur unzureichend berücksichtigte PNP und der Morbus Bechterew würden nach Ansicht der Gutachterin dazu führen, dass dem Antragsteller die Bewältigung einer uneingeschränkten Gehstrecke möglich sei. Das sei keinesfalls möglich. Nach höchstens 1 Stunde Gehen oder Stehen würden sich massive Belastungsschmerzen einstellen. Ein Sachverständiger möge daher unter Berücksichtigung der in dieser Stellungnahme enthaltenen Hinweise sowie der unter einem vorgelegten zwei Befunde bzw. aufgrund weiterer Befunde, die binnen 14 Tagen noch vorgelegt werden, eine neuerliche Einschätzung des Grades der Behinderung vornehmen.
Am 19.02.2020 wurde eine ergänzende Stellungnahme und Urkundenvorlage der bP vertreten durch einen Rechtsanwalt übermittelt. Aktuell bestehe auch eine zusätzliche Behinderung in Form von deformierten Sprunggelenken mit nachgewiesener Arthrose, die das Zurücklegen von Wegstrecken deutlich behindere. Auch dies möge ihn der Einschätzung entsprechend berücksichtigt werden. Es wurden ergänzende medizinische Befunde vorgelegt.
Im Anschluss wurde am 02.04.2020 ein ergänzendes allgemeinmedizinisches Sachverständigengutachten von der gleichen Gutachterin wie das Erstgutachten erstellt. Es wurde erneut ein Gesamtgrad der Behinderung von 40 vH als Dauerzustand festgestellt. Als zusätzliches Leiden wurden Arthrosen der Füße beidseits festgestellt und weitere Befunde berücksichtigt. Das Gutachten unterscheidet sich vom Erstgutachten durch nachfolgenden Inhalt:
„Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
Neurologie, CDK, XXXX , 04/19:
atypische intrazerebrale Blutung rechts frontal 04/19
arterielle Hypertonie
Gehirnerschütterung, fragt apart.nasi, Fract sub et cap humeri next 02/18
Innere Medizin TKZ, 09/19
klonisch, tonischer, generalisierter Krampfanfall Erstereignis
Z.n SHT 02/18
XXXX , 1995:
Morbus Bechtrerew
Landeskrankenhaus XXXX 2004:
Frozen shoulder links
Augenklinik Salk, 1/2007:
St.p. Iritis im 2003 bei bekannten Morbus Reiter
Dr. XXXX , XXXX 01/2020:
L Z.n, 4x Iritis, zuletzt 2008 und November bis Dezember 2018 (Lokaltherapie über 5 Wochen)
R/L incipient altersabhängige Maculadegeneration (Vitaminsubstitution empfohlen)
Papillenexkavation L>R - Glaukomverdacht (laufende Kontrollen)
Dr. XXXX , Augenarzt, Seekirchen 01/20:
Visus re 1,00
Visus li 0.9pp
Dr. XXXX , 01/20:
Fußröntgen bds:
Arthrosezeichen Interphaleangealgelenke, Arthrosen Calcaneus Cuboid, Naviculare Cuneiforme
….
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
6. Arthrosen Füße beidseits
unterer RSW bei inzipientem Befund und ohne Angabe einer Gehstreckenminderung in der klinischen Untersuchung Pos.Nr.02.02.01 GdB 10
Gesamtgrad der Behinderung 40 v. H.
Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:
Der Gesamt-GdB beträgt 40v.H, der Grad der führenden GS1 wird durch die GS2 und GS3 um eine Stufe angehoben, da durch die Summe der Beschwerden eine weitere Leidensbeeinflussung besteht, die GS4, GS5 und GS6 heben aufgrund fehlender additiv negativer Beeinflussung um keine weitere Stufe an.
Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:
anamenstisch rezidivierende Iritis: unauff.Visus, derzeit keine floride Iritis
Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:
seit dem VGA Einwendung:
bei unauff.Visus keine Funktionseinschränkung, bezüglich des Befundes der Füße bds bestehen inzipiente Arthrosen, in der klinischen Untersuchung wurde kein Gehstreckendefizit angegeben, daher Einschätzung mit einem GdB von 10.
Begründung für die Änderung des Gesamtgrades der Behinderung:
keine Änderung“
Am 29.05.2020 erging der Bescheid der bB. Es wurde der Antrag vom 24.10.2019 auf Feststellung der Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten abgewiesen.
In der Folge erhob die bP am 09.07.2020 vertreten durch einen Rechtsanwalt Beschwerde. Diese weist folgenden relevanten Inhalt auf: Der Bescheid des Sozialministeriumservice basiere auf einem unrichtigen und unvollständigen Gutachten. Zu GS1:Aufgrund der massiven Bewegungseinschränkungen der Halswirbelsäule, bei welcher nach Auskunft der Physiotherapeutin des Antragstellers nur mehr 40 % des üblichen Bewegungsausmaßes vorhanden sei, sowie der seit Jahrzehnten in Anspruch genommenen Physiotherapien sowohl in der Gruppe als auch als Einzeltherapie, erscheine der gewählte Grad der Behinderung mit 30 % als zu niedrig angenommen. In der Einschätzungsverordnung sei für einen solchen Zustand ein Wert zwischen 50 und 70 % vorgesehen.
Zu GS2: Durch den Krampfanfall im September 2019 sei es an 3 Wirbelkörpern zu keilförmigen Höhenminderungen von je 10-25 % gekommen. Diese dauerhaft verbleibenden Veränderungen hätten zu einer zusätzlichen Krümmung der Wirbelsäule geführt, was weder in der Untersuchung noch im Bescheid berücksichtigt worden sei. Diese Umstände müssten eine weitere, zu bewertende Gesundheitsschädigung darstellen, jedenfalls aber den Gesamtgrad der Behinderung erhöhen. Die festgestellten sowie die vorgenannten, dauernden Veränderungen an der Wirbelsäule sowie die monatelange Ruhephase hätten zur Folge, dass sitzende Tätigkeiten sowie das Absolvieren von Gehstrecken nur kurzzeitig möglich seien. Diese dauerhaften Einschränkungen seien erst nach Ende der Ruhephase, sohin im Frühjahr 2020 ersichtlich geworden und würden andauern. Sie hätten daher bei der Untersuchung im Dezember 2019 weder erwähnt noch untersucht werden können. Die Geh-Einschränkungen würden durch das fehlende Fußgewölbe sowie die vorhandenen Arthrosen und Bewegungseinschränkungen verstärkt. Weder der Status Psychicus sei erhoben und befundet worden noch die Schlafstörungen, Konzentrationsstörungen und die bestehende Iritis. Auffällig sei weiters, dass im Bescheid zwar erwähnt werde, dass dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom 8.1.2020 Gelegenheit gegeben worden sei, zum Ergebnis des Ermittlungsverfahrens Stellung zu nehmen, in weiterer Folge aber nur die Stellungnahme vom 19.2.2020, nicht aber die umfangreiche Stellungnahme vom 24.1.2020 erwähnt würde, welcher Befunde zur Brustwirbelsäule und Osteoporose vom 24.1.2020 beigelegen hatten. Das Beweisverfahren habe diese Stellungnahme und die damit vorgelegten Urkunden offensichtlich nicht berücksichtigt, zumal weder der Befund des Ärztezentrum Schallmoos vom 10.10.2019 noch der Entlassungsbrief der Universitätsklinik für Nuklearmedizin und Endokrinologie Salzburg vom 21.11.2019 in der Zusammenfassung relevanter Befunde erwähnt sei, sodass das Gutachten jedenfalls mit Mangelhaftigkeit behaftet und damit der angefochtene Bescheid rechtswidrig sei. Da der Gesamtgrad der Behinderung zumindest 50 oder mehr betrage, werde der Antrag gestellt den vorliegenden Bescheid dahingehend abzuändern, die Zugehörigkeit des Antragstellers zum Kreis der begünstigten Behinderten festzustellen, hilfsweise aufzuheben und zur neuerlichen Befundung und Bescheiderlassung an das Sozialministeriumservice zurückzuverweisen.
Am 27.07.2020 erfolgte die Beschwerdevorlage am BVwG
2.0. Beweiswürdigung:
2.1. Zum Verfahrensgang:
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes der bB und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.
Der oben unter Punkt II.1. festgestellte Sachverhalt beruht auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht auf Grund der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahrens.
Die Feststellungen zu den allgemeinen Voraussetzungen ergeben sich durch Einsicht in das zentrale Melderegister sowie die sonstigen relevanten Unterlagen.
2.2. Nach der ständigen Judikatur des VwGH muss ein Sachverständigengutachten einen Befund und das eigentliche Gutachten im engeren Sinn enthalten. Der Befund ist die vom Sachverständigen – wenn auch unter Zuhilfenahme wissenschaftlicher Feststellungsmethoden – vorgenommene Tatsachenfeststellung. Die Schlussfolgerungen des Sachverständigen aus dem Befund, zu deren Gewinnung er seine besonderen Fachkenntnisse und Erfahrungen benötigt, bilden das Gutachten im engeren Sinn. Eine sachverständige Äußerung, die sich in der Abgabe eines Urteiles (eines Gutachtens im engeren Sinn) erschöpft, aber weder die Tatsachen, auf die sich dieses Urteil gründet, noch die Art, wie diese Tatsachen ermittelt wurden, erkennen lässt, ist mit einem wesentlichen Mangel behaftet und als Beweismittel unbrauchbar; die Behörde, die eine so geartete Äußerung ihrer Entscheidung zugrunde legt, wird ihrer Pflicht zur Erhebung und Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes (§ 37 AVG) nicht gerecht (VwGH vom 17.02.2004, GZ 2002/06/0151).
Hat eine Partei grundlegende Bedenken gegen ein ärztliches Gutachten, dann ist es nach Ansicht des VwGH an ihr gelegen, auf gleichem fachlichen Niveau diesem entgegenzutreten oder unter Anbietung von tauglichen Beweismitteln darzutun, dass die Aussagen des ärztlichen Sachverständigen mit dem Stand der medizinischen Forschung und Erkenntnis nicht vereinbar sind (VwGH vom 20.10.1978, 1353/78).
Eine Partei kann ein Sachverständigengutachten nur dann erfolgreich bekämpfen, wenn sie unter präziser Darstellung der, gegen die Gutachten gerichteten, sachlichen Einwände ausdrücklich erklärt, dass sie die Einholung eines weiteren Gutachtens bestimmter Fachrichtung zur vollständigen Ermittlung des Sachverhaltes für erforderlich halte und daher einen Antrag auf Beiziehung eines weiteren Sachverständigen stellt (VwGH vom 23.11.1978, 0705/77).
Ebenso kann die Partei ein Sachverständigengutachten erfolgreich bekämpfen, ohne diesem auf gleichem fachlichem Niveau entgegentreten zu müssen, wenn es Widersprüche bzw. Ungereimtheiten im Gutachten aufzeigt (vgl. z. B. VwGH vom 20.10.2008, 2005/07/0108).
Im gegenständlichen Verfahren hat es die bB unterlassen, den Sachverhalt dem Gesundheitszustand der bP entsprechend schlüssig und vollständig zu erheben – dies aus den nachfolgenden Erwägungen: Als führendes Leiden wurde bei der bP Morbus Bechterew diagnostiziert. Die Erkrankung wurde unter der Positionsnummer 02.02.02 mit einem Grad der Behinderung von 30 vH eingestuft. Dazu führte die Sachverständige aus, dass der untere Rahmensatz bei rezidivierenden Schmerzen und Bewegungseinschränkung mit morgendlicher Steifigkeit unter dauerhaftem Physiobedarf gewählt wurde. In der Einschätzungsverordnung ist unter dem Abschnitt „Generalisierende Erkrankungen des Bewegungsapparates“ unter der Positionsnummer 02.02.02 folgendes normiert: „Mit funktionellen Auswirkungen mittleren Grades 30 – 40 % -Mäßige Funktionseinschränkungen, je nach Art und Umfang des Gelenkbefalls, geringe Krankheitsaktivität“. Entgegen der Aussage der Sachverständigen wurde der obere mögliche Rahmensatz von 40 vH gewählt. Dieser entspricht jedoch nach Ansicht des ho. Gerichts möglicherweise nicht dem wahren Gesundheitszustand der bP. Unter der nächsthöheren Positionsnummer 02.02.03 normiert die Einschätzungsverordnung: „Mit funktionellen Auswirkungen fortgeschrittenen Grades 50 – 70%; 50 %: Dauernde erhebliche Funktionseinschränkungen, therapeutisch schwer beeinflussbare Krankheitsaktivität, Notwendigkeit einer über mindestens 6 Monate andauernden Therapie“. Die Sachverständige stellte selbst fest, dass bei der bP ein dauerhafter Bedarf an Physiotherapie besteht. Dies würde für eine Einschätzung des führenden Leidens unter die Positionsnummer 02.02.03 sprechen. Dieser Umstand wurde auch von der bP, vertreten durch ihren Rechtsanwalt in der Beschwerde vom 09.07.2020 moniert und dieser Argumentation ist zuzustimmen. Weiters führte die bP in ihrer Beschwerde an, dass es durch einen Krampfanfall im September 2019 an drei Wirbelkörpern zu keilförmigen Höhenminderungen von 10-25% gekommen sei. Diese dauerhaft verbleibenden Veränderungen hätten zu einer zusätzlichen Krümmung der Wirbelsäule geführt, was weder in der Untersuchung noch im Bescheid berücksichtigt worden sei. Diese Umstände müssten eine weitere, zu bewertende Gesundheitsschädigung darstellen, jedenfalls aber den Gesamtgrad der Behinderung erhöhen. Tatsächlich wurden die beschriebenen Beeinträchtigungen der Wirbelsäule, die in einem von der bP vorgelegten CT der Brustwirbelsäule vom 10.10.2019 dokumentiert sind im Sachverständigengutachten in keiner Weise erwähnt oder berücksichtigt. Das Sachverständigengutachten weist noch weitere Unvollständigkeiten auf: In einem im Akt aufliegenden Befund vom 23.04.2019 wurde eine arterielle Hypertonie diagnostiziert. Obwohl dieser Befund im Sachverständigengutachten unter „relevante Befunde“ aufgelistet wurde, fand diese Erkrankung keine Berücksichtigung im Gutachten. Laut einem Befund vom 08.12.2012 und einem weiteren Befund vom 21.11.2019 leidet die bP an einer schweren Osteoporose. Dieses Leiden wurde von der medizinischen Sachverständigen ebenso nicht im Gutachten gewürdigt. Aus den erörterten Umständen ergibt sich, dass das Sachverständigengutachten vom 01.04.2020 unvollständig und mangelhaft ist.
3.0. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Entscheidungsrelevante Rechtsgrundlagen:
- Bundesverfassungsgesetz B-VG, BGBl. Nr. 1/1930 idgF
- Behinderteneinstellungsgesetz BEinstG, BGBl. Nr. 22/1970 idgF
- Bundesverwaltungsgerichtsgesetz BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013 idgF
- Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idgF
- Verwaltungsgerichtshofgesetz VwGG, BGBl. Nr. 10/1985 idgF
Nachfolgende Bestimmungen beziehen sich auf die im Pkt. 3.1. angeführten Rechtsgrundlagen in der jeweils geltenden Fassung.
3.2. Gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden
1. gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit; …
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 19b Abs. 1 BEinstG entscheidet in Verfahren über Beschwerden in Rechtssachen in den Angelegenheiten der §§ 8, 9, 9a und 14 Abs. 2 das Bundesverwaltungsgericht durch den Senat.
In Anwendung des Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG iVm § 19b Abs. 1 BEinstG wird die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes in der zugrundeliegenden Beschwerdeangelegenheit begründet und fällt die Entscheidung der gegenständlichen Rechtssache jenem Richtersenat zu, der unter Berücksichtigung der zitierten Bestimmungen in der Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes dafür vorgesehen ist. Der erkennende Senat ist daher in diesem Beschwerdeverfahren zuständig.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem, dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht, vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Bezugnehmend auf die zitierten Bestimmungen waren die unter Pkt. 3.1 im Generellen und die in den Pkt. 3.2 ff im Speziellen angeführten Rechtsgrundlagen für dieses Verfahren in Anwendung zu bringen.
3.3. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG hat, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 leg cit nicht vorliegen, das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Dies auch unter dem Aspekt, dass, um eine Entscheidung in dem vorliegenden Beschwerdeverfahren treffen zu können, vorher vom Bundesverwaltungsgericht noch notwendige ergänzende Ermittlungen durch Einholung von weiteren Sachverständigengutachten vorzunehmen wären. Dementsprechend würde es das Verfahren iSd § 28 Abs. 2 VwGVG nicht beschleunigen und auch keine Kostenersparnis mit sich bringen. Die Behörde ist in diesem Fall an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgeht.
Gegenständliche Entscheidungsform stellt nach Ansicht des ho. Gerichtes ein verfahrensökonomisches Instrument, insbesondere im Hinblick auf eine mögliche verfahrensbeschleunigende Wirkung, dar, welches generell vorab durch die Behörde zu prüfen und einzelfallbezogen in Betracht zu ziehen wäre.
Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.
3.4. Steht der maßgebliche Sachverhalt fest oder ist die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden, hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden.
§ 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG bildet damit die Rechtsgrundlage für eine kassatorische Entscheidung des Verwaltungsgerichtes, wenn die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen hat.
Hierzu führt der VwGH aus, dass angesichts des in § 28 VwGVG 2014 insgesamt verankerten Systems die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG 2014 bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte darstellt. Nach dem damit gebotenen Verständnis steht diese Möglichkeit bezüglich ihrer Voraussetzungen nicht auf derselben Stufe wie die im ersten Satz des § 28 Abs. 3 VwGVG 2014 verankerte grundsätzliche meritorische Entscheidungskompetenz der Verwaltungsgerichte. Vielmehr verlangt das im § 28 VwGVG 2014 insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (VwGH vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063).
Gemäß § 45 Abs. 3 AVG, der gemäß Art. I Abs. 2 Z 1 EGVG auch von der österreichischen Vertretungsbehörde auf ein von ihr geführtes behördliches Verfahren anzuwenden ist (vgl. VwGH 3.5.2018, Ra 2017/19/0609), ist den Parteien Gelegenheit zu geben, vom Ergebnis einer Beweisaufnahme Kenntnis zu erlangen und dazu Stellung zu nehmen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es mit den ein rechtsstaatliches Verwaltungsverfahren tragenden Grundsätzen des Parteiengehörs und der freien Beweiswürdigung unvereinbar, einen Bescheid auf Beweismittel zu stützen, welche der Partei nicht zugänglich gemacht worden sind (vgl. VwGH 25.9.2014, 2011/07/0006, mwN; das gilt auch für Erkenntnisse des BVwG). Dem Parteiengehör unterliegt nicht nur eine von der Behörde getroffene Auswahl jener Ergebnisse des Beweisverfahrens, welche die Behörde zur Untermauerung der von ihr getroffenen Tatsachenfeststellungen für erforderlich hält, sondern der gesamte Inhalt der Ergebnisse der Beweisaufnahme. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt im Falle des Nichtzurkenntnisbringens einer Sachverständigenäußerung (nur) dann keine Verletzung des Grundsatzes des Parteiengehöres vor, wenn der Inhalt des Gutachtens in allen wesentlichen Teilen bereits im erstinstanzlichen Bescheid wiedergegeben wurde und die Partei dadurch die Möglichkeit hatte, im Zuge des Berufungsverfahrens diesem Gutachten wirksam entgegenzutreten, wobei der Bestimmung des § 45 Abs. 3 AVG sowohl der Befund als auch die darauf (als Gutachten) beruhenden sachverhaltsbezogenen Schlussfolgerungen unterliegen (vgl. VwGH 24.5.1994, 93/04/0196; 27.2.2015, 2012/06/0022; diese Rechtsprechung ist auf die Rechtslage nach Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz übertragbar), (VwGH vom 25.09.2019, Ra 2019/19/0380).
Infolge der Verabsäumung der belangten Behörde, Parteiengehör einzuräumen, stellt in der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof insoweit nachgetragenes Vorbringen keine unbeachtliche Neuerung dar (Hinweis E vom 22. Juni 2005, 2001/12/0077, und E vom 28. Juni 2011, 2011/01/0142), (VwGH vom 16.09.2013, 2013/12/0060).
Zum Parteiengehör gehört auch die Möglichkeit, der Ergänzung eines Sachverständigengutachtens auf gleicher fachlicher Ebene entgegenzutreten, sofern das Verwaltungsgericht entscheidungswesentliche Feststellungen maßgeblich auf dieses Beweismittel stützt (vgl. VwGH 27.6.2012, 2011/12/0109 - 0111; 10.10.2016, Ra 2016/04/0092, Rn. 11), (VwGH vom 17.12.2019, Ro 2018/04/0012).
Im Verwaltungsverfahren ist das "Überraschungsverbot" zu beachten. Darunter ist das Verbot zu verstehen, dass die Behörde in ihre rechtliche Würdigung Sachverhaltselemente einbezieht, die der Partei nicht bekannt waren (für viele: Erk. vom 29.10.2015, Ro 2015/07/0032 mwN).
Die ständige Rechtsprechung des VwGH, wonach eine im erstinstanzlichen Verfahren erfolgte Verletzung des Parteiengehörs im Berufungsverfahren saniert werden kann, wird auf das Beschwerdeverfahren vor dem VwG übertragen - eine im Verfahren vor der Verwaltungsbehörde erfolgte Verletzung des Parteiengehörs kann dann durch die mit Beschwerde an das VwG verbundene Möglichkeit einer Stellungnahme saniert werden, wenn der damit bekämpfte Bescheid die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens vollständig wiedergegeben hat.
Das vor dem Verwaltungsgerichtshof geltende Neuerungsverbot gilt nur im Falle des gewährten Parteiengehörs (VwGH vom 14.12.2015, Ra 2014/11/0013).
3.5. Wie bereits festgestellt und in der Beweiswürdigung erörtert, hat die bB den gegenständlich bekämpften Bescheid vom 29.05.2020 auf ein Beweismittel – das Sachverständigengutachten vom 02.04.2020 – gestützt, welches sowohl unvollständig als auch mangelhaft war. Zudem wurde dieses Sachverständigengutachten der Partei nicht im Rahmen eines Parteiengehörs übermittelt, sondern erst mit der Zustellung des abweisenden Bescheids.
Obig angeführte Ermittlungsmängel liegen aus Sicht des erkennenden Gerichtes vor und ist der Bescheid nach § 28 Abs. 3 VwGVG aufzuheben und zur neuerlichen Erlassung an die Behörde erster Instanz zurückzuverweisen. Dies auch unter dem Aspekt der Raschheit und Wirtschaftlichkeit iSd § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG, da aufgrund der infrastrukturellen Gegebenheiten des BVwG das anhängige Verfahren mit Sicherheit nicht rascher, sondern nur kostenintensiver im Vergleich zum Sozialministeriumservice durch Einholung weiterer Sachverständigengutachten, durchgeführt werden kann.
Zwar geht der VwGH davon aus, dass seine ständige Rechtsprechung, wonach eine im erstinstanzlichen Verfahren erfolgte Verletzung des Parteiengehörs im Berufungsverfahren saniert werden kann, auf das Beschwerdeverfahren vor dem VwG übertragen wird – eine im Verfahren vor der Verwaltungsbehörde erfolgte Verletzung des Parteiengehörs kann dann durch die mit Beschwerde an das VwG verbundene Möglichkeit einer Stellungnahme saniert werden, wenn der damit bekämpfte Bescheid die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens vollständig wiedergegeben hat (vgl. VwGH vom 10.9.2015, Ra 2015/09/0056).
Es stellt sich nun aber allgemein die Frage, ob das Verwaltungsgericht immer verhalten ist, das aufgrund des nicht gewährten Parteiengehörs mangelhafte Ermittlungsverfahren (hier: die Übermittlung des ergänzenden allgemeinmedizinischen Sachverständigengutachtens vom 02.04.2020) zu ergänzen oder sogar über weite Strecken erstmals zu führen bzw. hierdurch der Behörde die Möglichkeit eingeräumt werden soll, den Grundsatz des Parteiengehörs systematisch zu ignorieren und sich so der Verpflichtung zur Ermittlung eines wesentlichen Teiles des maßgeblichen Sachverhaltes bzw. dessen rechtlicher Würdigung zu entledigen und diese Ermittlungstätigkeit gezielt auf das Verwaltungsgericht abzuwälzen.
Der VwGH misst der Gewährung des Parteiengehörs hohe Bedeutung bei und zeigt die ständige Rechtsprechung, dass das Parteiengehör zu den fundamentalen Grundsätzen des Rechtsstaates bzw. eines fairen Verfahrens gehört (vgl. VwGH vom 01.09.2015, 2013/15/0295 sowie VwGH vom 29.05.2013, 2011/01/0241) und die völlige Vernachlässigung des Parteiengehörs einen wesentlichen Verfahrensmangel darstellt, der als willkürliches Vorgehen der Behörde und Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes zu qualifizieren ist.
Zudem ist darauf hinzuweisen, dass seit Einführung der Neuerungsbeschränkung mit 01.07.2015, BGBl. Nr. 57/2015, welche konkret in § 19 BEinstG geregelt ist, vom Gesetzgeber ein Beschwerdevorbringungsregulativ geschaffen wurde. Ziel und Zweck der Novelle des Behindertenrechtes ist u.a. die grundsätzliche Beschleunigung des Administrativverfahrens. Unter Heranziehung der finalen Programmierung der Norm versteht man unter "neuen Tatsachen" jene Zustände der Gesundheit, welche zum Zeitpunkt des Administrativverfahrens nicht bekannt waren bzw. sein mussten. Werden nunmehr im Beschwerdeverfahren vor dem BVwG von der bP "neue Tatsachen" vorgebracht, so sind diese in der Entscheidungsfindung des Gerichtes nicht zu berücksichtigen. Nach Ansicht des Gerichtes unterliegen nicht dem Neuerungsverbot jene Beeinträchtigungen, Schädigungen und dergleichen, welche nach gegenwärtigem Stand der Medizin als bekannte Folgen der Grunderkrankungen zu qualifizieren sind. Die Neuerungsbeschränkung entfaltet ihre Rechtswirkung mit dem Einbringen der Beschwerde bei Gericht.
Die neu geschaffene Bestimmung des § 46 3. Satz leg. cit. hat zur Folge, dass der bP bei Verletzung des Parteiengehörs durch die bB jedwede Möglichkeit eines Vorbringens, insbesondere zu den eingeholten Sachverständigengutachten, genommen wird. In Verbindung mit der Neuerungsbeschränkung wird dadurch die Stellung der bP im Rechtsmittelverfahren derart eingeschränkt, dass dadurch kein faires Verfahren nach den Grundprinzipien eines Rechtsstaates gewährleistet ist. Beispielsweise wird dies der Fall sein, wenn eine medizinisch relevante Tatsache von der bP zwar vorgebracht wurde, aber keinerlei Berücksichtigung im Ermittlungsverfahren vor der bB gefunden hat. Bedingt durch das Beschwerdevorbringungsregulativ kann seitens des Gerichtes im Zuge des Beschwerdeverfahrens dieser Umstand, je nach konkretem Sachverhalt, nicht berücksichtigt werden.
Die Relevanz dieses Verfahrensmangels kann – auch wenn es zu einer Sanierung der Verletzung des Parteiengehörs durch die Stellungnahme im Rahmen der Beschwerde gekommen ist – auch nicht von vorneherein ausgeschlossen werden, weil – wie das weitere Beschwerdeverfahren, insbesondere in Bezug auf die Begründung für die Änderung des Gesamtgrades der Behinderung, aufzeigt – es der bP weder möglich war, mangels Kenntnis des Sachverständigengutachtens vor Erlassung des Bescheides etwaige Unstimmigkeiten oder Unrichtigkeiten festzustellen und zu bekämpfen noch zu prüfen, ob Einwendungen gegen den Sachverständigen bestehen könnten.
Aufgrund der Verletzung des Parteiengehörs im Verfahren vor der Behörde greift hier die oben angeführte Neuerungsbeschränkung nicht und wäre auch ein späteres Vorbringen der bP bei der Entscheidungsfindung mitzuberücksichtigen und hätte die Gewährung der Parteienrechte möglicherweise einen umfassenderen entscheidungsrelevanten Sachverhalt ergeben.
Das ho. Gericht verkennt nicht, dass es im Einzelfall zweckmäßig und sinnvoll sein kann, ein durch ein mangelhaft gewährtes Parteiengehör unvollständiges Ermittlungsverfahren im Beschwerdeverfahren zu ergänzen und die Beschwerdesache durch eine meritorische Entscheidung zu finalisieren. Ein solcher Fall liegt hier jedoch aufgrund der nachfolgenden Ausführungen nicht vor:
Im gegenständlichen Fall bestehen aufgrund der identen Vorgansweise der bB in einer Vielzahl von Verfahren konkrete Anhaltspunkte, dass die bB sowohl in diesem Einzelfall, als auch in einer Vielzahl anderer Verfahren den –wie vom VwGH bezeichneten fundamentalen Grundsatz des Parteiengehörs gänzlich ignoriert und so nicht nur in diesem Einzelfall, sondern in einer Vielzahl von Verfahren Willkür übt und gezielt einen essentialen Teil von Ermittlungen unterlässt. Die bP brachte nunmehr aufgrund der gezielten unterlassenen Ermittlungstätigkeit der bB zulässiger Weise einen neuen Sachverhalt vor. Dieser Sachverhalt ist bei der Entscheidungsfindung jedenfalls zu berücksichtigen. Ebenso wird darauf hingewiesen, dass die Gewährung des Parteiengehörs regelmäßig mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Stellungnahme der Partei zur Folge hat, wenn sie jenen Sachverhalt, von dem die Behörde ausgeht, für unrichtig bzw. unvollständig hält. Diese Stellungnahme bzw. die im Rahmen dieser Stellungnahme angebotenen Beweismittel sind wiederum ein wesentliches Bescheinigungsmittel zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes.
Die bB setzt offensichtlich gezielt auf den Umstand, dass das Verwaltungsgericht den oa. Umstand in seinem Verfahren aufgreift, sich mit dem Vorbringen der bP, welche hier nur in der Beschwerde die Möglichkeit hatte, sich vom Ermittlungsergebnis Kenntnis zu verschaffen bzw. hierzu Stellung zu nehmen, auseinandersetzt und im Ermittlungsverfahren in angemessener Weise berücksichtigt. Die von der bB gewählte Vorgangsweise führt regelmäßig und im gegenständlichen Fall im besonderen Maße zu einem wesentlich komplexeren Beschwerdeverfahren als es der Fall gewesen wäre, wenn die bB ordnungsgemäß das Parteiengehör gewahrt und die Stellungnahme der bP in ihrem Verfahren berücksichtigt und so ihren weiteren Ermittlungen zu Grunde gelegt hätte. Die Verwaltungsbehörde unterließ somit offensichtlich gezielt und systematisch Ermittlungen, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden müssen (vgl. VwGH vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063).
Zusammenfassend erfüllt das, von der bB für seine Entscheidung herangezogene, Sachverständigengutachten nicht die von der einschlägigen Judikatur geforderten Mindestanforderungen und leidet dadurch an einem wesentlichen Mangel (VwGH vom 17.02.2004, GZ 2002/06/0151). Dies hat zur Folge, dass seitens der bB die allgemeinen Verfahrensgrundsätze, indem der Sachverhalt iSd § 37 AVG nicht ausreichend ermittelt wurde, keine Berücksichtigung fanden.
Aufgrund des organisatorischen Aufbaues der bB und des ho. Gerichts, der verfahrensrechtlichen Ausgestaltung der einzelnen Verfahrensabschnitte, ergibt sich, dass die Führung des Verfahrens durch die bB eine wesentliche Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens darstellt.
Es ist letztlich im Rahmen einer Gesamtschau im Lichte der oa. Ausführungen davon auszugehen, dass in diesem konkreten Fall vom Primat der inhaltlichen Entscheidung durch das Verwaltungsgericht ausnahmsweise abzugehen und aufgrund der qualifizierten Unterlassung wesentlicher Ermittlungsschritte der bekämpfte Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG zu beheben war.
Im fortgesetzten Verfahren wird sich die bB nunmehr mit den Stellungnahmen der bP zum festgestellten Sachverhalt auseinanderzusetzen und die von der bP nunmehr angebotenen Beweismittel zu berücksichtigen haben. Vom Ergebnis des ergänzenden Ermittlungsverfahrens wird sie die bP neuerlich in Kenntnis zu setzen und ihr die Möglichkeit einzuräumen haben, sich hierzu äußern. Auch eine solche Äußerung wird sie rechtskonform zu behandeln haben.
Nach Abschluss dieser Ermittlungen hat die bB einen einzelfallbezogenen Bescheid zu erlassen, welcher den Sachverhalt, von dem er ausgeht, klar und übersichtlich wiedergibt, eine nachvollziehbare, einzelfallbezogene Beweiswürdigung enthält, und die zu lösende Rechtsfrage schlüssig darstellt.
3.6. Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn
1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder
2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.
Im vorliegenden Fall stand bereits auf Grund der Aktenlage fest, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben war, weshalb eine öffentliche mündliche Verhandlung iSd § 24 Abs. 2 VwGVG entfallen konnte.
3.7. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen (VwGH vom 22.05.2014, Ra 2014/01/0030).
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Ermittlungspflicht Grad der Behinderung Kassation mangelnde Sachverhaltsfeststellung Parteiengehör SachverständigengutachtenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:L518.2233380.1.00Im RIS seit
22.01.2021Zuletzt aktualisiert am
22.01.2021