TE Bvwg Erkenntnis 2020/10/27 W193 2156030-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.10.2020
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Entscheidungsdatum

27.10.2020

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §9 Abs1 Z1
AsylG 2005 §9 Abs4
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §55
VwGVG §28 Abs5

Spruch

W193 2156030-2/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Michaela RUSSEGGER-REISENBERGER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX 1998, StA. Afghanistan, vertreten durch Migrantinnenverein St. Marx, Pulverturmstraße 4/2/R1, 1090 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.05.2019, Zl. 1085180404-190223508, zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I.       Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer stellte am XXXX 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Die Erstbefragung fand am XXXX 2015 statt, die Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: belangte Behörde) fand am XXXX 2017 statt.

2. Mit Bescheid vom 12.04.2017 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt II.). Gemäß § 57 AsylG 2005 wurde ihm ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt und es wurde gegen ihn gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (im Folgenden auch: „BFA-VG“) eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (im Folgenden auch: „FPG“) erlassen. Weiters wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.) sowie dass die Frist für seine freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.).

3. Der Beschwerdeführer erhob gegen den Bescheid fristgerecht Beschwerde.

4. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 12.04.2018, Zl. W246 2156030-1/7Z, wurde der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides stattgegeben und dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 wurde dem Beschwerdeführer eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter bis zum 12.04.2019 erteilt.

5. Am 28.02.2019 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung, worauf der Beschwerdeführer am 26.04.2019 von der belangten Behörde niederschriftlich einvernommen wurde.

6. Mit angefochtenem Bescheid der belangten Behörde vom 29.05.2019 wurde der dem Beschwerdeführer zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 von Amts wegen aberkannt (Spruchpunkt I.) und dem Beschwerdeführer die befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter gemäß § 9 Abs. 4 AsylG 2005 entzogen (Spruchpunkt II.) Es wurde dem Beschwerdeführer kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkte III. bis V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 2 Wochen ab Rechtskraft der Entscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.).

7. Der Beschwerdeführer erhob gegen den Bescheid fristgerecht Beschwerde.

II.     Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.       Feststellungen:

1.1.    Zur Person des Beschwerdeführers

Der Beschwerdeführer führt den Namen XXXX und das Geburtsdatum XXXX 1998. Er ist afghanischer Staatsangehöriger und gehört der Volksgruppe der Hazara an. Er ist schiitischer Moslem. Seine Muttersprache ist Dari. Der Beschwerdeführer hat den Großteil seines Lebens Farsi gesprochen. Er ist ledig und kinderlos. Der Beschwerdeführer wurde in der Provinz Uruzgan, im Distrikt Uruzgan Khas, im Dorf XXXX geboren. Der Beschwerdeführer lebte seit dem sechsten oder siebten Lebensjahr nicht mehr in Afghanistan, sondern in Folge in Iran. Seine Familie stammt aus der Provinz Uruzgan in Afghanistan. In Afghanistan leben keine Familienangehörigen, in Iran leben seine Mutter, sein Bruder und seine Schwester. Der Beschwerdeführer besuchte sieben Jahre lang die Schule in Iran. Der Beschwerdeführer erlernte keinen Beruf. Der Beschwerdeführer arbeitete ca. zweieinhalb Jahre als Bauarbeiter in Iran. Seit dem XXXX 2015 hält sich der Beschwerdeführer in Österreich auf. In Österreich ist der Beschwerdeführer einer ordentlichen Beschäftigung nachgegangen und hat sich weitergebildet.

Der Beschwerdeführer ist weitgehend gesund.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

1.2.    Zur Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan unter Berücksichtigung der persönlichen Situation des Beschwerdeführers

Im Erkenntnis vom 12.04.2018 wurde die Zuerkennung des subsidiären Schutzes im Wesentlichen damit begründet, dass es sich bei dem Beschwerdeführer um einen arbeitsfähigen jungen Mann mit geringer Schulbildung und geringer Berufserfahrung im Baugewerbe ohne Fachausbildung, bei dem die grundsätzliche Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben vorausgesetzt werden könne, handeln würde. Dieser habe allerdings beinahe sein ganzes Leben außerhalb von Afghanistan verbracht und würde daher über keinerlei Ortskenntnisse sowie Kenntnisse der lokalen Gepflogenheiten verfügen. Zudem verfüge der Beschwerdeführer über keinerlei soziale Kontakte in Afghanistan. Auch sei nicht von einer (auch finanziellen) Unterstützungsfähigkeit seiner Familie im Iran auszugehen. Die damals bestandene psychische Beeinträchtigung des Beschwerdeführers wurde zwar berücksichtigt aber nicht für die Gewährung des subsidiären Schutzes als entscheidungswesentlich angeführt.

Im angefochtenen Bescheid vom 29.05.2019 wurde die Aberkennung des subsidiären Schutzes im Wesentlichen damit begründet, dass sich die Judikatur im Hinblick auf die Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative im Hinblick auf gesunde, alleinstehende, erwachsene, männliche afghanische Staatsangehörige geändert habe.

Seit dem Zeitpunkt der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit Erkenntnis vom 12.04.2018 ist keine wesentliche und nachhaltige Änderung der maßgeblichen Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan unter Berücksichtigung der persönlichen Situation des Beschwerdeführers eingetreten.

2.       Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den Verwaltungsakt sowie in den Gerichtsakt.

Folgende Beweismittel brachte der Beschwerdeführer in das Verfahren ein, nämlich zu:

- Deutschsprachkursen (Teilnahmebestätigung am XXXX Deutsch - Training);

- ordentlichen Beschäftigungen (diverse Lohnzettel).

2.1.    Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers

Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen dahingehend übereinstimmenden Angaben vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, vor der belangten Behörde, vor dem Bundesverwaltungsgericht und in der Beschwerde. Die getroffenen Feststellungen zum Namen und zum Geburtsdatum des Beschwerdeführers gelten ausschließlich zur Identifizierung der Person des Beschwerdeführers im Asylverfahren.

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers, zu seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, seiner Muttersprache, seinem Lebenslauf, seinem Aufwachsen sowie seine familiäre Situation in Afghanistan und in Iran, seiner Schul- und fehlenden Berufsausbildung und seiner Berufserfahrung gründen sich auf seinen diesbezüglich schlüssigen und stringenten Angaben sowie aufgrund der von ihm vorgelegten Dokumente (siehe oben). Das Bundesverwaltungsgericht hat keine Veranlassung, an diesen im gesamten Verfahren im Wesentlichen gleich gebliebenen Aussagen des Beschwerdeführers zu zweifeln.

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand gründen auf der diesbezüglich glaubhaften Aussage des Beschwerdeführers bei der belangten Behörde am 26.04.2019, wonach sich dieser nicht in ärztlicher Behandlung befinden würde und komplett gesund sei.

Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister.

2.2.    Zu den Feststellungen zur Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan unter Berücksichtigung der persönlichen Situation des Beschwerdeführers

Vorab ist anzumerken, dass den Ausführungen der belangten Behörde nicht entnommen werden kann, warum es zu einer nachhaltigen und maßgeblichen Änderung der subjektiven bzw. persönlichen Situation des Beschwerdeführers bzw. zu einer Verbesserung der Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan gekommen ist, da diese in ihren Ausführungen nur auf die aktuelle Situation abstellt, ohne dabei eine Prüfung dahingehen vorzunehmen, ob in den einzelnen Punkten eine maßgebliche Veränderung seit der Zuerkennung des subsidiären Schutzes stattgefunden hat.

Die Feststellungen hinsichtlich der Lage in Afghanistan und einer möglichen Änderung ergeben sich insbesondere aus einem Vergleich der dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 12.04.2018 und dem Bescheid der belangten Behörde vom 29.05.2019 zugrundeliegenden Länderberichte, nämlich dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan, Gesamtaktualisierung am 02.03.2017 (letzte Kurzinformation eingefügt am 25.09.2017) und dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan, Gesamtaktualisierung am 29.06.2018 (letzte Kurzinformation eingefügt am 26.03.2019).

Vergleicht man die allgemeinen sicherheitsrelevanten Vorfälle, so ist ersichtlich, dass sich diese über die Jahre leicht erhöht haben. Vergleicht man die Länderberichte in Bezug auf Kabul, so zeigt sich, dass sich die Sicherheitslage verschlechtert hat und Kabul von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen der Taliban betroffen ist. Die sicherheitsrelevanten Vorfälle haben sich seit der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten erhöht. Auch in der Herkunftsprovinz des Beschwerdeführers Uruzgan ist es zu keiner maßgeblichen Verbesserung gekommen. In dem dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegenden Länderbericht wird ausgeführt, dass Uruzgan zu den relativ volatilen Provinzen zählt und die Taliban in bestimmten Distrikten aktiv sind. Zudem ist die Provinz stark umkämpft. Auch in Bezug auf Herat ist keine wesentliche Veränderung erkennbar. Herat gilt, wie auch zum Zeitpunkt der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten, als relativ friedliche Provinz. Zudem ist auch ersichtlich, dass sich die Zahl der sicherheitsrelevanten Vorfälle über die Jahre hinweg nicht wesentlich verändert hat. Auch in Bezug auf die Provinz Balkh zeigt sich ein ähnliches Bild. Schon zum Zeitpunkt der Zuerkennung des subsidiären Schutzes wurde im Länderbericht ausgeführt, dass die Hauptstadt Mazar-e Sharif eine Art „Vorzeigeprojekt“ Afghanistans fu?r wichtige ausländische Gäste darstellt und die Provinz Balkh zu den relativ friedlichen Provinzen in Nordafghanistan zählt. Auch im Bereich der Grundversorgung sind keine wesentlichen Verbesserungen erkennbar. Die Arbeitslosenquote ist seit der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten angestiegen. Auch in vielen anderen Bereichen zeigt sich ein sehr ähnliches Bild. Ebenso verhält es sich mit dem Angebot von diversen Unterstützungsnetzwerken (internationale und nationale Rückkehrorganisationen bzw. NGO‘s), sodass nicht von einer wesentlich geänderten Situation für Rückkehrer auszugehen ist. Im Ergebnis ist daher nicht zu erkennen, dass es zu einer nachhaltigen und maßgeblichen Verbesserung der Lage in Afghanistan gekommen ist.

Die Feststellungen hinsichtlich der subjektiven und persönlichen Situation und einer möglichen Änderung erfolgte durch einen Vergleich der individuellen Situation des Beschwerdeführers zum Zeitpunkt der rechtskräftigen Zuerkennung des subsidiären Schutzes und der damit verbundenen Erteilung einer befristeten Aufenthaltsberechtigung und dem Zeitpunkt des angefochtenen Bescheides bzw. im nunmehrigen Entscheidungszeitpunkt andererseits.

Vorab ist anzumerken, dass wenn die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid anführt, dass sich die subjektive Lage des Beschwerdeführers geändert habe, weil sich die Rechtsprechung im Hinblick auf die Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative im Hinblick auf gesunde, alleinstehende, erwachsene, männliche afghanische Staatsangehörige geändert habe, so verkennt die belangte Behörde, dass die alleinige Änderung der Rechtsprechung keine Änderung des im Einzelfall relevanten Sachverhalts bedingt.

Hinsichtlich der familiären Situation und dem sozialen Netzwerk des Beschwerdeführers in Afghanistan ist keine wesentliche Veränderung eingetreten. Der Beschwerdeführer hat im gesamten Verfahren gleichbleibende Angaben bezüglich seiner Familie und seines sozialen Netzwerkes in Afghanistan und in Iran gemacht. Er hat gleichbleibend angegeben, dass sich seine Familienangehörigen in Iran aufhalten und dass seine Mutter sowie sein Bruder als Reinigungskraft bzw. als Gärtner in einer Villa arbeiten würden. Dieses Vorbringen hat das Bundesverwaltungsgericht bei der Zuerkennung des subsidiären Schutzes ausdrücklich gewürdigt und ist zu dem Schluss gekommen, dass obwohl der Beschwerdeführer ledig, jung, volljährig und arbeitsfähig ist und zudem über Berufserfahrung verfügt, bei einer Rückkehr nach Afghanistan, aufgrund des fehlenden familiären- und sozialen Netzwerkes und der fehlenden (auch finanziellen) Unterstützungsfähigkeit seiner Familie, in eine aussichtslose Lage geraten würde. Demgegenüber hat die belangte Behörde im Aberkennungsverfahren dieses Vorbringen des Beschwerdeführers anders gewürdigt, wobei sich die belangte Behörde darauf gestützt hat, dass eine Rückkehr zumutbar erscheine, da es sich bei dem Beschwerdeführer um einen gesunden, arbeitsfähigen und alleinstehenden Mann mit Berufserfahrung handeln würde und dieser zudem von seiner Familie finanziell unterstützt werden könne. Eine wesentliche Sachverhaltsänderung wird damit aber nicht dargetan, denn eine bloße unterschiedliche Beweiswürdigung eines im Wesentlichen gleichen Vorbringens ohne maßgebliches neues Sachverhaltssubstrat berechtigt für sich genommen nicht zu einer Aberkennung, da darin keine Änderung des Kenntnisstandes des Aufnahmemitgliedstaates liegt (VwGH 27.05.2019, Ra 2019/14/0153, mit Hinweis auf EuGH 23.5.2019, Bilali, C- 720/17, Rn 50).

Auch an der fehlenden Kenntnis der örtlichen Gegebenheiten sowie der lokalen Gepflogenheiten und an der Tatsache, dass der Beschwerdeführer beinahe sein ganzes Leben außerhalb von Afghanistan gelebt hat, ist keine wesentliche Änderung eingetreten. Der Beschwerdeführer hält sich seit XXXX 2015 in Österreich auf. Wenn das erkennende Gericht schon im Jahr 2018 davon ausgegangen ist, dass es für den Beschwerdeführer von Nachteil sein würde, nach seinem Auslandsaufenthalt ohne Kenntnisse der örtlichen Verhältnisse zurückkehren zu müssen, so muss dies aktuell umso mehr gelten.

Dabei verkennt das erkennende Gericht nicht, dass der Beschwerdeführer sich in Österreich weitergebildet hat und zudem Berufserfahrung sammeln konnte. Der Beschwerdeführer hat allerdings bereits in Iran eine siebenjährige Schulausbildung absolviert, weshalb nicht von einer wesentlichen Verbesserung des Bildungsstandes des Beschwerdeführers gesprochen werden kann. Der Beschwerdeführer hat zudem bereits in Iran ca. zweieinhalb Jahre als Bauarbeiter gearbeitet und verfügt nach wie vor über keine Berufsausbildung. Der relevante Sachverhalt hat sich somit nicht maßgeblich geändert oder verbessert.

Zudem verkennt das erkennende Gericht auch nicht, dass der Beschwerdeführer mittlerweile an keinen psychischen Beeinträchtigungen mehr leidet. Diese Tatsache ist allerdings im Zusammenhang mit der Zuerkennung des subsidiären Schutzes nur von untergeordneter Bedeutung gewesen.

Insgesamt ist somit nicht ersichtlich, dass sich die subjektive und persönliche Situation des Beschwerdeführers, welche zur Zuerkennung des subsidiären Schutzes geführt hat, wesentlich und nachhaltig geändert hat.

3.       Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1.    Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides – Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten

3.1.1. § 9 Asylgesetz 2005 (AsylG) lautet:

„Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten

§ 9. (1) Einem Fremden ist der Status eines subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn

1.        die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1) nicht oder nicht mehr vorliegen;

2.       er den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen in einem anderen Staat hat oder

3.       er die Staatsangehörigkeit eines anderen Staates erlangt hat und eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen neuen Herkunftsstaat keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention oder für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

(2) Ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht schon aus den Gründen des Abs. 1 abzuerkennen, so hat eine Aberkennung auch dann zu erfolgen, wenn

1.        einer der in Art. 1 Abschnitt F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe vorliegt;

2.       der Fremde eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Republik Österreich darstellt oder

3.       der Fremde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt worden ist. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB, BGBl. Nr. 60/1974, entspricht.

In diesen Fällen ist die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und der Feststellung zu verbinden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig ist, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

(3) Ein Verfahren zur Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ist jedenfalls einzuleiten, wenn der Fremde straffällig geworden ist (§ 2 Abs. 3) und das Vorliegen der Voraussetzungen gemäß Abs. 1 oder 2 wahrscheinlich ist.

(4) Die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ist mit dem Entzug der Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu verbinden. Der Fremde hat nach Rechtskraft der Aberkennung Karten, die den Status des subsidiär Schutzberechtigten bestätigen, der Behörde zurückzustellen.“

3.1.2. § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 enthält zwei unterschiedliche Aberkennungstatbestände: Dem Fremden ist der Status eines subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen abzuerkennen, wenn die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1 AsylG 2005) nicht oder nicht mehr vorliegen. Der erste Fall des § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 erfasst die Konstellation, in der der Fremde schon im Zeitpunkt der Zuerkennung von subsidiärem Schutz die dafür notwendigen Voraussetzungen nicht erfüllt hat. § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG 2005 betrifft hingegen jene Konstellationen, in denen die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nachträglich weggefallen sind (VwGH 17.10.2019, Ro 2019/18/0005, mwN).

Die Heranziehung des Tatbestands des § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG 2005 setzt voraus, dass sich der Sachverhalt seit der Zuerkennung des subsidiären Schutzes bzw. der erfolgten Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung nach § 8 Abs. 4 AsylG 2005 (die nur im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen für die Zuerkennung erteilt werden darf) geändert hat (vgl. dazu etwa VwGH 17.10.2019, Ra 2019/18/0353, mwN). Nicht jede Änderung des Sachverhalts rechtfertigt allerdings die Aberkennung des subsidiären Schutzes. Eine maßgebliche Änderung liegt unter Bedachtnahme auf die unionsrechtlichen Vorgaben von Art. 19 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 16 Abs. 2 der Richtlinie 2011/95/EU (Statusrichtlinie) vielmehr nur dann vor, wenn sich die Umstände so wesentlich und nicht nur vorübergehend verändert haben, dass ein Anspruch auf subsidiären Schutz nicht länger besteht (VwGH 17.10.2019, Ro 2019/18/0005).

Als maßgeblich erweist sich, dass gerade in Bezug auf die Frage, ob sich die Umstände, die für die Zuerkennung von subsidiären Schutz von Bedeutung waren, so wesentlich und nicht nur vorübergehend verändert haben, sodass Anspruch auf subsidiären Schutz nicht länger besteht, es regelmäßig nicht allein auf den Eintritt eines einzelnen Ereignisses ankommt. Der Wegfall der Notwendigkeit, auf den Schutz eines anderen Staates angewiesen zu sein, kann sich durchaus auch als Ergebnis unterschiedlicher Entwicklungen von Ereignissen, die sowohl in der Person des Fremden als auch in der in seinem Heimatland gegebenen Situation gelegen sind, darstellen (vgl. in diesem Zusammenhang sowohl die […] Rechtsprechung zu den Leitlinien der Prüfung, ob ein „real risk" der Verletzung des Art. 3 MRK droht, nach der die "die konkrete Einzelsituation des Fremden in ihrer Gesamtheit" zu beurteilen ist bzw. es einer „ganzheitlichen Bewertung" der individuellen Situation des Fremden bedarf) (VwGH 27.05.2019, Ra 2019/14/0153).

Bei einer Beurteilung nach § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG 2005 sind nicht isoliert nur jene Sachverhaltsänderungen zu berücksichtigen, die zeitlich nach der zuletzt erfolgten Bewilligung der Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung eingetreten sind, sondern es dürfen im Rahmen der bei der Beurteilung vorzunehmenden umfassenden Betrachtung bei Hinzutreten neuer Umstände alle für die Entscheidung maßgeblichen Elemente einbezogen werden, selbst wenn sie sich vor der Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung ereignet haben (VwGH 27.05.2019, Ra 2019/14/0153).

3.1.3. Aufgrund der oben getroffenen Feststellung ist keine wesentliche und nachhaltige Änderung der maßgeblichen Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan unter Berücksichtigung der persönlichen Situation des Beschwerdeführers seit dem Zeitpunkt der Zuerkennung des Status des subsidiären Schutzberechtigten eingetreten.

An diesem Ergebnis kann auch eine allenfalls geänderte Rechtsprechung zur Frage der Gewährung von subsidiärem Schutz von gesunden, alleinstehenden, erwachsenen, männlichen afghanischen Staatsangehörigen nichts ändern. Von einer nachträglichen Änderung der Sache ist der Fall zu unterscheiden, in dem der Sachverhalt anders rechtlich beurteilt wird oder (wie gegenständlich auch nicht der Fall) neue Tatsachen oder Beweismittel bekannt werden, die bereits im Zeitpunkt der Erlassung der Entscheidung vorlagen, aber erst später bekannt wurden („nova reperta"). Die schon vor Erlassung der Entscheidung bestehende Sachlage ist von der Rechtskraft des Bescheides erfasst und bindet Gerichte und Behörden, solange diese Entscheidung dem Rechtsbestand angehört (VwGH 09.01.2020, Ra 2019/19/0496, mwN).

Die Voraussetzungen für die amtswegige Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG 2005 - sowie auch gemäß erster Fall leg.cit. - lagen und liegen weiterhin sohin gegenständlich nicht vor.

3.1.4. Der Beschwerde ist daher stattzugeben.

3.2. Es ist darauf hinzuweisen, dass über den Antrag des Beschwerdeführers vom 28.02.2019 auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung im angefochtenen Bescheid nicht abgesprochen wurde und dieser Antrag daher bei der belangten Behörde weiterhin anhängig ist. Die belangte Behörde wird daher über diesen Antrag im Sinne des § 8 Abs. 4 AsylG abzusprechen haben.

3.3. Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Eine mündliche Verhandlung konnte im Fall des Beschwerdeführers deshalb unterbleiben, weil aus dem Inhalt des dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Verwaltungsakts die Grundlage des bekämpften Bescheides unzweifelhaft nachvollziehbar ist. Es hat sich auch in der Beschwerde kein zusätzlicher Hinweis auf die Notwendigkeit ergeben, den maßgeblichen Sachverhalt mit dem Beschwerdeführer und der belangten Behörde in einer mündlichen Verhandlung zu erörtern.

Zu B)   Unzulässigkeit der Revision:

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

In der Beschwerde findet sich kein Hinweis auf das Bestehen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren und sind solche auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegeben. Die Entscheidung folgt der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

Schlagworte

Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten Aberkennungstatbestand § 9 Abs. 1 Behebung der Entscheidung Bindungswirkung ersatzlose Behebung familiäre Situation individuelle Verhältnisse Rechtskraft Rückkehrentscheidung behoben Sicherheitslage Versorgungslage wesentliche Änderung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W193.2156030.2.00

Im RIS seit

22.01.2021

Zuletzt aktualisiert am

22.01.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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