TE Bvwg Erkenntnis 2020/10/28 W241 2228483-1

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Veröffentlicht am 28.10.2020
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Entscheidungsdatum

28.10.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs2
BFA-VG §18 Abs2 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §52
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2 Z6
FPG §55 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch


W241 2228483-1/16E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. HAFNER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX alias XXXX alias XXXX , geb. XXXX alias XXXX , StA. Volksrepublik China, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.01.2020, Zl. 1255574703/191292249, zu Recht:

A)

I. Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte II. und III. des angefochtenen Bescheides wird gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005, iVm § 9, § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG, und § 52 FPG als unbegründet abgewiesen.

II. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides wird mit der Maßgabe stattgegeben, dass die Dauer des Einreiseverbots gemäß § 53 Abs. 1 und 2 Z 6 FPG auf zwei Jahre herabgesetzt wird.

III. Das Verfahren betreffend die Beschwerde gegen Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheids wird als gegenstandlos eingestellt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin (in der Folge: BF), eine Staatsangehörige der Volksrepublik China, reiste mittels eines von der Republik Malta ausgestellten, von 24.12.2016 bis 16.01.2017 gültigen Visums in das österreichische Bundesgebiet ein.

2. Im Zuge einer fremdenpolizeilichen Kontrolle wurde die BF am 05.09.2017 im Bundesgebiet aufgegriffen und vorübergehend festgenommen. Im Zuge einer Einvernahme durch das BFA am 06.09.2017 gab sie an, den Namen XXXX zu führen und am XXXX geboren zu sein. Im Laufe dieser Einvernahme stellte die BF einen Antrag auf internationalen Schutz.

3. Das Asylverfahren wurde am 20.09.2017 wegen unbekannten Aufenthalts der BF eingestellt.

4. Der Lebensgefährte der BF meldetet sie am 07.10.2019 als vermisst. Am 07.11.2019 meldete die BF einen Hauptwohnsitz im Bundesgebiet an. Die Abgängigkeitsanzeige wurde am 08.11.2019 zurückgezogen.

5. Am 08.01.2020 erließ das BFA gegen die BF einen Festnahmeauftrag gemäß § 34 Abs. 1 Z 2 BFA-VG wegen unrechtmäßigen Aufenthaltes in Österreich.

6. Am 09.01.2020 wurde die BF festgenommen und am selben Tag vor dem BFA niederschriftlich einvernommen. Dabei gab sie zusammengefasst an, dass sie nicht mehr genau wisse, wann sie nach Österreich eigereist sei. Die Reise sei mit Pass und Visum erfolgt. Seither lebe sie durchgehend in Österreich. In China habe sie den Beruf der Hotelmanagerin gelernt und als Verkäuferin gearbeitet. Sie sei geschieden, in China lebten ihr Sohn und ihre Mutter. In Österreich habe sie nie gearbeitet, sie werde von ihrem Lebensgefährten versorgt. Sie habe vor, diesen auch zu heiraten. Sie habe einen Deutschkurs absolviert, spreche aber kein Deutsch. Sie habe kein Vermögen und keine Ersparnisse.

7. Mit Bescheid vom 10.01.2020 wurde gegen die BF die Schubhaft zum Zweck der Sicherung der Abschiebung verhängt.

8. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 10.01.2020 wurde der BF kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 erteilt (Spruchpunkt I.). Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt II.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung nach China gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt III.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 6 FGP wurde gegen die BF ein auf die Dauer von 5 Jahren befristetes Einreiseverbot verhängt (Spruchpunkt IV.). Eine Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 4 FPG wurde nicht gewährt (Spruchpunkt V.) und einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VI.).

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass sich die BF unrechtmäßig in Österreich aufhalte. Sie sei in Österreich weder beruflich, sprachlich, familiär noch sozial verankert. Die BF sei in Österreich zwar strafgerichtlich unbescholten, doch wiege der lange illegale Aufenthalt schwer. Hinsichtlich des fünfjährigen Einreiseverbotes führte die belangte Behörde aus, dass die BF nicht den Besitz von Mitteln zu ihrem Unterhalt nachweisen habe können. Sie habe darüber hinaus im Zuge ihres Asylverfahrens falsche Daten angegeben und sich durch Untertauchen dem Verfahren entzogen. Der Aufenthalt der BF stelle daher eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar und die Verhängung des Einreiseverbots sei daher zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten. Die aufschiebende Wirkung einer gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde sei aberkannt worden, da die sofortige Ausreise der BF im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich sei.

9. Gegen die Spruchpunkte II., III., IV., V. und VI. dieses Bescheids erhob die BF mit Schriftsatz vom 07.02.2020 Beschwerde.

10. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 18.02.2020 wurde der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

11. Am 28.02.2020 ehelichte die BF XXXX , geb. XXXX , StA Österreich.

12. Die BF reiste am 20.06.2020 freiwillig in die Volksrepublik China aus.

13. Am 16.09.2020 stellte die BF bei der Österreichischen Botschaft in Peking einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Familienangehöriger“.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Die BF führt den Namen XXXX , geb. am XXXX , und ist Staatsangehörige der Volksrepublik China. Ihre Identität steht mit für das Verfahren ausreichender Sicherheit fest.

1.2. Sie reiste mittels eines von der Republik Malta ausgestellten, von 24.12.2016 bis 16.01.2017 gültigen Visums in das österreichische Bundesgebiet ein. Bis zu ihrer Ausreise am 20.06.2020 hielt sich die BF durchgehend im Bundesgebiet auf.

1.3. Am 06.09.2017 stellte sie unter falschem Namen einen Antrag auf internationalen Schutz. Das Verfahren wurde wegen unbekannten Aufenthalts der BF am 20.09.2017 eingestellt.

1.4. Die BF verfügte seit 07.11.2019 bis zu ihrer Ausreise über eine aufrechte Meldung im Bundesgebiet.

1.5. Die BF hat in Österreich einen Lebensgefährten, mit dem sie ab 07.11.2019 im gemeinsamen Haushalt lebte und den sie am 28.02.2020 heiratete. Darüber hinaus verfügt sie in Österreich über keine familiären, privaten oder sozialen Anknüpfungspunkte. Sie beherrscht die deutsche Sprache nicht. Auch im Rahmen der Beschwerdeschrift wurde keine soziale oder berufliche Verankerung der BF in Österreich behauptet, noch sind maßgebliche Integrationsmerkmale aus dem Verfahren sonst hervorgekommen. Die BF ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

1.6. In der Volksrepublik China leben die Mutter und der minderjährige Sohn der BF. Die BF ist gesund und arbeitsfähig.

1.7. Die BF verfügte zum Zeitpunkt ihrer Festnahme über geringe Barmittel, kein Bankkonto oder sonstiges Vermögen.

1.8. Die BF reiste am 20.06.2020 freiwillig in die Volksrepublik China aus.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen zur Identität der BF gründen auf dem in Kopie im Akt befindlichen chinesischen Reisepass.

2.2. Das von den maltesischen Behörden ausgestellte Visum ergibt sich aus einer im Akt aufliegenden VIS-Abfrage. Die BF gab im Rahmen ihrer Einvernahme am 06.09.2017 an, im Juni 2017 illegal nach Österreich eingereist zu sein. Am 09.01.2020 gab sie jedoch an, mittels Reisepass und Visum eingereist zu sein und Österreich nicht mehr verlassen zu haben (Aktenseite 93). Da die BF im Jahr 2017 auch falsche Personalien angab, geht das erkennende Gericht davon aus, dass auch die damaligen Angaben zu ihrer Einreise falsch waren. Den späteren Angaben der BF ist in diesem Fall mehr Glaubhaftigkeit zuzusprechen, weshalb davon auszugehen ist, dass sie mittels des von den maltesischen Behörden ausgestellten Visums zwischen 29.12.2016 (Ausstellungsdatum des Visums) und 16.01.2017 in Österreich einreiste.

1.3. Die Asylantragstellung der BF ergibt sich aus dem Verfahrensakt.

1.4. Die behördliche Meldung der BF ergibt sich aus einer Abfrage des Zentralen Fremdenregisters.

1.5. Die privaten Verhältnisse der BF ergeben sich aus der Aktenlage und ihren eigenen Angaben. Die Heiratsurkunde vom 28.02.2020 liegt im Akt auf. Zu einer sozialen oder beruflichen Integration der BF im Bundesgebiet wurde kein Vorbringen erstattet und keine Unterlagen vorgelegt. Die Unbescholtenheit ergibt sich aus einem Strafregisterauszug.

1.6. Die Feststellungen zu Familienleben in China und Gesundheitszustand ergeben sich ebenfalls aus den eigenen Angaben.

1.7. Die Feststellung zum fehlenden Vermögen der BF ergibt sich ebenfalls aus den eigenen Angaben.

1.8. Die Ausreise ergibt sich aus der im Akt aufliegenden Ausreisebestätigung.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides:

Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung, mit der einem Fremden, der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt, von Amts wegen kein Aufenthaltstitel gemäß § 57 erteilt wird, mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.

§ 52 FPG lautet auszugsweise:

„Rückkehrentscheidung

§ 52 (1) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich
1.         nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält oder
2.         nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde.

(2) – (8) [...]

(9) Mit der Rückkehrentscheidung ist gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.

(10) – (11) [...]“

§ 9 BFA-VG lautet auszugsweise:

„Schutz des Privat- und Familienlebens

§ 9 (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

(4) – (6) […]“

Bei der Prüfung der Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung ist eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs. 2 BFA-VG genannten Kriterien vorzunehmen. Dabei sind die Umstände des Einzelfalles unter Wahrung der Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen.

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffs; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Ausweisung – nunmehr Rückkehrentscheidung – nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden (und seiner Familie) schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.

Die Verhältnismäßigkeit einer Rückkehrentscheidung ist dann gegeben, wenn der Konventionsstaat bei seiner aufenthaltsbeendenden Maßnahme einen gerechten Ausgleich zwischen dem Interesse des Fremden auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens einerseits und dem staatlichen Interesse auf Verteidigung der öffentlichen Ordnung andererseits, also dem Interesse des Einzelnen und jenem der Gemeinschaft als Ganzes gefunden hat. Dabei variiert der Ermessensspielraum des Staates je nach den Umständen des Einzelfalles und muss in einer nachvollziehbaren Verhältnismäßigkeitsprüfung in Form einer Interessenabwägung erfolgen.

Bei dieser Interessenabwägung sind – wie in § 9 Abs. 2 BFA-VG unter Berücksichtigung der Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ausdrücklich normiert wird – die oben genannten Kriterien zu berücksichtigen (vgl. VfSlg. 18.224/2007; VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479; 26.01.2006, 2002/20/0423).

Vom Prüfungsumfang des Begriffs des „Familienlebens“ in Art. 8 EMRK ist nicht nur die Kernfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern umfasst, sondern z.B. auch Beziehungen zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Eltern und erwachsenen Kindern (etwa EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215). Dies allerdings nur unter der Voraussetzung, dass eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt. Es kann nämlich nicht von vornherein davon ausgegangen werden, dass zwischen Personen, die miteinander verwandt sind, immer auch ein ausreichend intensives Familienleben iSd Art. 8 EMRK besteht, vielmehr ist dies von den jeweils gegebenen Umständen, von der konkreten Lebenssituation abhängig. Der Begriff des „Familienlebens“ in Art. 8 EMRK setzt daher neben der Verwandtschaft auch andere, engere Bindungen voraus; die Beziehungen müssen eine gewisse Intensität aufweisen. So ist etwa darauf abzustellen, ob die betreffenden Personen zusammengelebt haben, ein gemeinsamer Haushalt vorliegt oder ob sie (finanziell) voneinander abhängig sind (vgl. etwa VwGH 26.01.2006, 2002/20/0423; 08.06.2006, 2003/01/0600; 26.01.2006, 2002/20/0235, worin der Verwaltungsgerichtshof feststellte, dass das Familienleben zwischen Eltern und minderjährigen Kindern nicht automatisch mit Erreichen der Volljährigkeit beendet wird, wenn das Kind weiter bei den Eltern lebt).

Die BF hat einen Lebensgefährten (nunmehr Ehemann) im Bundesgebiet, mit dem sie ab November 2019 im gemeinsamen Haushalt lebte. Ob vor diesem Hintergrund ein Familienleben zwischen der BF und ihrem Lebensgefährten/Ehemann zu verneinen ist, oder ob ein solches – angesichts der nunmehr erfolgten Eheschließung – doch schon neu begründet worden ist, kann letztlich dahingestellt bleiben, da – selbst wenn man ein Familienleben zwischen der BF und ihre jetzigen Ehemann annehmen würde – ein Eingriff in dieses Familienleben gemäß dem zweiten Absatz des Art. 8 EMRK bei einer Abwägung zwischen den privaten Interessen der BF an der Fortsetzung des Familienlebens und den öffentlichen Interessen an einem geordneten Fremdenwesen durch ein Überwiegen der öffentlichen Interessen zulässig erschiene:

Den Interessen der BF am Zusammenleben mit ihrem Ehemann stehen gegenüber ihr jahrelanger illegaler Aufenthalt, die Stellung eines Asylantrags nach Festnahme durch die Fremdenpolizei unter Angabe einer falschen Identität, das anschließende Untertauchen und zentral das Faktum, dass das „Familienleben“ in Kenntnis des illegalen Aufenthalts der BF eingegangen wurde. Ausgehend davon, dass die BF nicht begründetermaßen erwarten konnte, in Österreich ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht zu erhalten, musste ihr sowie ihrem Lebensgefährten daher bereits am Beginn ihrer Beziehung klar gewesen sein, dass der gemeinsame Verbleib in Österreich sehr unsicher sein würde. Wiegt man all diese genannten Umstände gegeneinander ab, zeigt sich, dass eine Trennung der BF von ihrem Ehemann zum Zwecke der effektiven Umsetzung der fremdenrechtlichen Bestimmungen zulässig ist.

Die BF versuchte durch ihren mehrjährigen illegalen Aufenthalt, das Niederlassung- und Aufenthaltsgesetz (NAG) zu umgehen. Die BF war offenbar nicht gewillt, die Bestimmungen des NAG einzuhalten, sondern versuchte, durch ihren Aufenthalt in Österreich vollendete Tatsachen zu schaffen. Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes zeigt dieses Verhalten eine deutliche Missachtung gegenüber den österreichischen und/oder europäischen Rechtsvorschriften, was jedenfalls im Rahmen einer Interessensabwägung zu Lasten der BF zu werten ist.

Das NAG stellt jedoch in Österreich den gesetzlich vorgesehenen Weg für einwanderungswillige Drittstaatsangehörige dar, um einen Aufenthaltstitel zu erlangen. Anträge auf Aufenthaltstitel sind nach § 21 Abs. 1 NAG aus dem Ausland einzubringen. Eine Legalisierung eines illegalen Aufenthalts aus dem Inland ist nicht vorgesehen. Gegen die Entscheidung der zuständigen Einwanderungsbehörde stehen letztlich auch noch Rechtsbehelfe an ein Verwaltungsgericht sowie an den Verfassungsgerichtshof und den Verwaltungsgerichtshof offen. Hingegen kann nach der maßgeblichen Rechtsprechung ein allein durch Missachtung der fremden- und aufenthaltsrechtlichen Vorschriften erwirkter Aufenthalt keinen Rechtsanspruch aus Art. 8 EMRK bewirken. Eine andere Auffassung würde sogar zu einer Bevorzugung dieser Gruppe gegenüber den sich rechtstreu verhaltenden Drittstaatsangehörigen führen (EGMR 08.04.2008, 21878/06, Nnyanzi; VfGH 12.06.2010, U 613/10).

Für den Aspekt des Privatlebens spielt zunächst die zeitliche Komponente im Aufenthaltsstaat eine zentrale Rolle, wobei die bisherige Rechtsprechung keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessenabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt (vgl. dazu Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 MRK, in ÖJZ 2007, 852 ff.). Die zeitliche Komponente ist insofern wesentlich, weil – abseits familiärer Umstände – eine von Art. 8 EMRK geschützte Integration erst nach einigen Jahren im Aufenthaltsstaat anzunehmen ist (vgl. Thym, EuGRZ 2006, 541). Der Verwaltungsgerichtshof geht in seinem Erkenntnis vom 26.06.2007, 2007/10/0479, davon aus, dass „der Aufenthalt im Bundesgebiet in der Dauer von drei Jahren […] jedenfalls nicht so lange ist, dass daraus eine rechtlich relevante Bindung zum Aufenthaltsstaat abgeleitet werden könnte“. Darüber hinaus hat der Verwaltungsgerichthof bereits mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die durchzuführende Interessenabwägung zukommt (vgl. VwGH 30.07.2015, Ra 2014/22/0055 ua. mwH).

Im Fall der BF kann man nicht von einem bestehenden Privatleben in Österreich ausgehen, jedenfalls von keinem, bei dem die gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK gebotene Abwägung zugunsten der BF ausfallen würde. Die Rückkehrentscheidung stellt jedenfalls keinen unzulässigen Eingriff im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK dar:

Die BF ging in Österreich nie einer Beschäftigung nach, sie beherrscht die deutsche Sprache nicht. Es haben sich im Verfahren keine Hinweise darauf ergeben, dass die BF in Österreich über sonstige soziale Anknüpfungspunkte außer ihrem Ehemann verfügt oder in der Lage war, sich ein nennenswertes Privatleben aufzubauen. Konkrete Anhaltspunkte für das Vorliegen einer außergewöhnlichen Integration der BF in Österreich liegen somit nicht vor.

Die privaten und familiären Interessen der BF an einem Verbleib im Bundesgebiet haben nur sehr geringes Gewicht und treten fallbezogen gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen aus Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung, dem nach der Rechtsprechung des VwGH ein hoher Stellenwert zukommt, in den Hintergrund.

Vor dem Hintergrund der nur etwa dreieinhalb Jahre andauernden Ortsabwesenheit aus China liegen auch keine Anhaltspunkte vor, wonach die BF ihren Bezug zum Herkunftsland verloren hätte, wo sie aufgewachsen ist, sozialisiert wurde und den deutlich überwiegenden Teil ihres bisherigen Lebens verbracht sowie gearbeitet hat und mit den kulturellen und gesellschaftlichen Gepflogenheiten hinreichend vertraut ist. Es kann insgesamt nicht davon ausgegangen werden, dass die BF während ihres Aufenthaltes im Bundesgebiet sprachlich oder kulturell von ihrem Hintergrund entwurzelt worden wäre. Auch ist nicht davon auszugehen, dass die BF bei Verbringung nach China mit unzumutbaren Schwierigkeiten konfrontiert wäre bzw. ist mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit nicht davon auszugehen, dass sie bei Rückkehr in den Herkunftsstaat in eine aussichtlose Lage geraten wird. Sie war in der Lage, ihren Lebensunterhalt als Verkäuferin aus eigenem zu bestreiten. Außerdem verfügt sie in China über Familienangehörige in Form ihres minderjährigen Sohnes und ihrer Mutter.

Bei einer Gesamtbetrachtung wiegt unter diesen Umständen das öffentliche Interesse an der Durchsetzung der geltenden Bedingungen des Einwanderungsrechts und an der Befolgung der den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften, denen aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechthaltung der öffentlichen Ordnung – und damit eines von Art. 8 Abs. 2 EMRK erfassten Interesses – ein hoher Stellenwert zukommt (vgl zB VwGH 30.04.2009, 2009/21/0086), bei weitem schwerer als die schwach ausgebildeten privaten Interessen der BF am Verbleib in Österreich. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte hervorgekommen, nach denen im gegenständlichen Fall eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig wäre.

Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG stellt sohin keine Verletzung der BF in ihrem Recht auf Privat- und Familienleben gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG iVm Art. 8 EMRK dar. Die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 ist daher nicht nur nicht geboten, sondern es war dem BFA auch verwehrt, über diesen überhaupt abzusprechen (vgl. VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101).

Die Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides war daher als unbegründet abzuweisen.

3.2. Zu Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides:

Mit der Erlassung der Rückkehrentscheidung ist gemäß § 52 Abs. 9 FPG gleichzeitig festzustellen, dass die Abschiebung gemäß § 46 leg.cit. in einen bestimmten Staat zulässig ist. Die Abschiebung in einen Staat ist gemäß § 50 Abs. 1 FPG unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 EMRK oder das 6. bzw. 13. ZPEMRK verletzt würden oder für den Betroffenen als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre. Das entspricht dem Tatbestand des § 8 Abs. 1 AsylG 2005.

Die Abschiebung in einen Staat ist gemäß § 50 Abs. 2 FPG unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort das Leben des Betroffenen oder seiner Freiheit aus Gründen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder persönlichen Ansichten bedroht wären, es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative. Das entspricht dem Tatbestand des § 3 AsylG 2005.

Die Abschiebung ist schließlich nach § 50 Abs. 3 FPG unzulässig, solange ihr die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht. Eine derartige Empfehlung besteht gegenständlich nicht.

Wie die belangte Behörde bereits festgehalten hat, konnten keine Anhaltspunkte dahingehend gefunden werden, dass die BF im Falle einer Rückkehr nach China einer Verfolgungsgefährdung iSd. Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre. Ihr ist als erwachsener, junger und arbeitsfähiger Frau mit sozialen und verwandtschaftlichen Anknüpfungspunkten im Herkunftsstaat eine Rückkehr nach China zumutbar.

Die Zulässigkeit der Abschiebung der BF nach China ist gegeben, da keine Gründe vorliegen, aus denen sich eine Unzulässigkeit der Abschiebung im Sinne des § 50 FPG ergeben würde.

3.3. Zu Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheids:

Gemäß § 53 FPG kann das Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung ein Einreiseverbot, also die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten der EU (außer Irlands und des Vereinigten Königreichs) sowie Islands, Norwegens, der Schweiz und Liechtensteins einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten, erlassen, wenn der Drittstaatsangehörige die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet. Die Dauer des Einreiseverbots ist abhängig vom bisherigen Verhalten des Drittstaatsangehörigen. Dabei ist zu berücksichtigen, inwieweit sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Das Vorliegen einer für die Verhängung eines Einreiseverbots relevanten Gefahr ist nach der demonstrativen Aufzählung des § 53 Abs. 2 Z 1 bis 9 FPG (soweit hier relevant) insbesondere dann anzunehmen, wenn der Drittstaatsangehörige den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag (§ 53 Abs. 2 Z 6 FPG). In diesem Fall kann ein Einreiseverbot für höchstens fünf Jahre erlassen werden.

Ein Einreiseverbot ist nicht zwingend mit jeder Rückkehrentscheidung zu verbinden (vgl VwGH Ra 2016/21/0207). Es ist dann zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, der Aufenthalt stelle eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar. Dabei ist sowohl für die Frage, ob überhaupt ein Einreiseverbot zu verhängen ist, als auch für die Bemessung seiner Dauer eine einzelfallbezogene Gefährdungsprognose vorzunehmen, in die das Gesamtverhalten des Betroffenen einzubeziehen ist. Aufgrund konkreter Feststellungen ist eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick worauf die Annahme einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gerechtfertigt ist. Es ist weiters in Rahmen einer Interessenabwägung zu prüfen, ob private oder familiäre Interessen des Betroffenen der Verhängung eines Einreiseverbots in der konkreten Dauer entgegenstehen (Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht § 53 FPG K 10, 12; vgl auch VwGH Ra 2016/21/0289).

Der bloße unrechtmäßige Aufenthalt ist noch keine derartige Störung der öffentlichen Ordnung, dass dies immer die Erlassung eines Einreiseverbots gebietet. Wenn sich das Fehlverhalten darauf beschränkt und ausnahmsweise nur eine geringfügige Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens vorliegt, ist überhaupt kein Einreiseverbot zu verhängen (VwGH 15.05.2012, 2012/18/0029).

Die belangte Behörde erließ über die BF aufgrund ihrer Mittellosigkeit ein befristetes Einreiseverbot und stützte es auf § 53 Abs. 1 und 2 Z 6 FPG (vgl. dazu die ausführliche Zusammenstellung der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Gesetzesbestimmung im hg. Erkenntnis vom 25.04.2016, Zl. W230 2007105-1/18E). Hinsichtlich der Gefährlichkeitsprognose der BF führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass die BF im Rahmen ihres Asylverfahrens falsche Daten angegeben und sich durch Untertauchen dem Verfahren entzogen habe. Zur Dauer des Einreiseverbots wurde ausgeführt, dass die BF kein tatsächliches Familienleben in Österreich führe, weder beruflich, sprachlich, sozial oder privat integriert sei und ihre Ersparnisse fast zu Gänze aufgebraucht seien.

Die Einschätzung der belangten Behörde, die BF habe das Vorhandensein ausreichender Mittel zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts nicht nachgewiesen, ist grundsätzlich nicht zu beanstanden, zumal sie bei der Festnahme nur über finanzielle Mittel von ca. € 40,00 verfügte, weitere Mittel jedoch nicht nachzuweisen vermochte. Wenn in der Beschwerde angeführt wird, dass der Lebensgefährte der BF für ihren Lebensunterhalt aufgekommen sei, so wird verkannt, dass ein solcher Unterhalt nicht nachgewiesen und nicht einmal behauptet wurde, dass die BF gegenüber ihrem Lebensgefährten einen Rechtsanspruch auf Unterhalt gehabt habe. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 53 Abs. 2 Z 6 FPG hat ein Fremder initiativ, untermauert durch Vorlage entsprechender Bescheinigungsmittel, nachzuweisen, dass er nicht bloß über Mittel zur kurzfristigen Bestreitung seines Unterhalts verfügt, sondern sein Unterhalt für die beabsichtigte Dauer seines Aufenthalts gesichert erscheint. Die Verpflichtung, die Herkunft der für den Unterhalt zur Verfügung stehenden Mittel nachzuweisen, besteht insoweit, als für die Behörde ersichtlich sein muss, dass der Fremde einen Rechtsanspruch darauf hat und die Mittel nicht aus illegalen Quellen stammen (vgl. etwa VwGH 19.12.2018, Ra 2018/20/0309, Rn. 27, mwN). Einen Rechtsanspruch auf die – als einzige konkrete Einnahmequelle genannten – Unterhaltsleistungen hat die BF aber nie behauptet. Hinzu kommt, dass die BF über die Gültigkeitsdauer ihres Visums hinaus im Bundesgebiet verblieb, hier über mehrere Jahre im Verborgenen lebte, einen Asylantrag unter falschem Namen stellte und sich dem Verfahren schließlich durch Untertauchen entzog. Der BF ist daher ein gravierendes fremdenrechtliches Fehlverhalten vorzuwerfen. Aufgrund der aufgezeigten Umstände ist die Annahme der belangten Behörde gerechtfertigt, dass der Aufenthalt der BF die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet.

Für die belangte Behörde bestand auch kein Grund, im Rahmen der Ermessensübung gemäß § 53 Abs. 1 FPG (arg: „kann“) von der Erlassung des Einreiseverbotes Abstand zu nehmen, liegt doch die Voraussetzung des § 53 Abs. 2 Z 6 FPG für die Erlassung eines Einreiseverbotes – das Unvermögen, den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nachzuweisen – eindeutig vor, sodass eine auf einer Ermessenserwägung beruhende Abstandnahme von der Verhängung eines Einreiseverbotes offensichtlich nicht im Sinn des Gesetzes (Art. 130 Abs. 2 B-VG) liegen würde.

Im gegenständlichen Fall erweist sich allerdings die von der belangten Behörde verhängte Dauer des Einreiseverbotes mit fünf Jahren als nicht angemessen. Dies ausfolgenden Erwägungen:

Die BF ist mittlerweile mit ihrem Lebensgefährten verheiratet, weshalb bei einem zukünftigen weiteren Aufenthalt ein Anspruch auf Unterhalt besteht. Die BF ist freiwillig aus dem Bundesgebiet ausgereist und strebt offenbar einen neuerlichen, legalen Aufenthalt an. Unter Berücksichtigung der nunmehr im Bundesgebiet bestehenden familiären Bindungen erweist sich die Dauer des Einreiseverbots daher als zu hoch angesetzt.

Die von der belangten Behörde verhängte Dauer des Einreiseverbotes im Ausmaß von fünf Jahren steht somit unter Berücksichtigung aller Milderungs- und Erschwerungsgründe außer Relation.

Im Hinblick darauf und unter Berücksichtigung der aufgrund des Fehlverhaltens und der sonstigen persönlichen Umstände der BF getroffenen Gefährlichkeitsprognose war die Dauer des Einreiseverbotes daher in angemessener Weise auf zwei Jahre herabzusetzen und der Beschwerde insoweit stattzugeben. Dabei war insbesondere darauf Bedacht zu nehmen, dass die BF bislang unbescholten war und das Bundesgebiet am 20.06.2020 freiwillig verließ.

3.4. Zu Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheids:

Gemäß § 55 Abs. 1 FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt gemäß § 55 Abs. 2 FPG 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.

Gemäß § 55 Abs. 3 FPG kann bei Überwiegen besonderer Umstände die Frist für die freiwillige Ausreise einmalig mit einem längeren Zeitraum als die vorgesehenen 14 Tage festgesetzt werden. Die besonderen Umstände sind vom Drittstaatsangehörigen nachzuweisen und hat er zugleich einen Termin für seine Ausreise bekanntzugeben.

Das Bundesamt gewährte im gegenständlichen Verfahren infolge Aberkennung der aufschiebenden Wirkung keine Frist zur freiwilligen Ausreise, da gemäß 55 Abs 1a FPG eine Frist für die freiwillige Ausreise, für die Fälle in denen eine Entscheidung auf Grund eines Verfahrens gemäß § 18 BFA-VG (Aberkennung der aufschiebenden Wirkung) durchführbar wird, nicht besteht.

Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 18.02.2020 wurde die aufschiebende Wirkung der Beschwerde zuerkannt. Kommt es nach Vorlage der Beschwerde zu einer Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung durch das Verwaltungsgericht, so hat dieses sodann – im Falle der Bestätigung der ausgesprochenen Rückkehrentscheidung – im Spruch seines Erkenntnisses eine Frist für die freiwillige Ausreise festzulegen (vgl. Filzwieser et al, Asyl- und Fremdenrecht, 1154, K9).

Die BF reiste jedoch schon am 20.06.2020 freiwillig aus dem Bundesgebiet aus.

Das Bestehen eines Rechtsschutzinteresses ist immer dann zu verneinen, wenn es für die Rechtsstellung des einzelnen keinen Unterschied macht, ob die angefochtene Entscheidung aufrecht bleibt oder aufgehoben wird bzw. wenn die Erreichung des Verfahrenszieles keinen objektiven Nutzen hat (Vgl. VwGH Ro 2016/21/0008 v. 30.06.2016). Aufgrund der freiwilligen Ausreise der BF kann daher die Setzung einer Frist für die freiwillige Ausreise unterbleiben.

Die Beschwerde gegen Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheids ist infolge materieller Klaglosstellung der BF als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen.

3.5. Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Der Verwaltungsgerichtshof sprach in seinem Erkenntnis vom 28.05.2014, 2014/20/0017 und -0018, aus, dass eine mündliche Verhandlung unterbleiben kann, wenn der für die rechtliche Beurteilung entscheidungsrelevante Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben wurde und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweist. Ferner muss die Verwaltungsbehörde die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in gesetzmäßiger Weise offengelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht diese tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung in seiner Entscheidung teilen. Auch darf im Rahmen der Beschwerde kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüberhinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten ebenso außer Betracht zu bleiben hat, wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt.

Wie in der Beweiswürdigung dargelegt, sind die genannten Kriterien im vorliegenden Fall erfüllt, da der Sachverhalt durch die belangte Behörde vollständig erhoben wurde und nach wie vor die gebotene Aktualität aufweist. Die Beweiswürdigung der belangten Behörde wird seitens des Bundesverwaltungsgerichts bestätigt. Im Übrigen findet sich in der Beschwerdeschrift ein lediglich unsubstantiiertes Vorbringen, welches im konkreten Fall nicht dazu geeignet ist, die erstinstanzliche Entscheidung in Frage zu stellen. Was das Vorbringen in der Beschwerde betrifft, so findet sich in dieser insbesondere kein neues Tatsachenvorbringen hinsichtlich allfälliger sonstiger für die Vornahme der Interessensabwägung bzw. die Beurteilung des Privat- und Familienlebens der BF beachtlicher Aspekte und wird den beweiswürdigenden Ausführungen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl in den entscheidungswesentlichen Aspekten nicht entgegengetreten.

Damit ist der maßgebliche Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde als geklärt anzusehen (vgl. § 27 VwGVG), wobei eine mündliche Erörterung auch keine weitere Klärung der Rechtssache erwarten lässt. Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte sohin gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben.

B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Da die Entscheidung über die gegenständliche Beschwerde letztlich lediglich von Fragen der Beweiswürdigung abhängig war, ist die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung - Entfall Dauer Einreiseverbot Familienleben freiwillige Ausreise Gefährdung der Sicherheit Gefährlichkeitsprognose Gegenstandslosigkeit Herabsetzung illegaler Aufenthalt Interessenabwägung Mittellosigkeit öffentliches Interesse Rückkehrentscheidung Teileinstellung Teilstattgebung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W241.2228483.1.01

Im RIS seit

22.01.2021

Zuletzt aktualisiert am

22.01.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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