Entscheidungsdatum
28.10.2020Norm
AsylG 2005 §10 Abs2Spruch
W163 2236278-1/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Daniel LEITNER als Einzelrichter über die Beschwerde des Herrn XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.09.2020, Zahl XXXX , zu Recht:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Am 14.09.2020 um 11:30 Uhr wurde dem Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), einem afghanischen Staatsangehörigen, die Einreise in das deutsche Bundesgebiet verweigert. Nachdem er von Organen der Landespolizeidirektion Salzburg rückübernommen worden war, wurde gegen diesen mit Mandatsbescheid vom selben Tag die Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens zum Zweck der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und Sicherung der Abschiebung verhängt.
2. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) vom 21.09.2020, zugestellt am 21.09.2020, wurde dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt I.). Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt II.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 4 FPG wurde eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt (Spruchpunkt IV.). Einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung wurde gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG wurde gegen den BF ein auf die Dauer von 3 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IV.).
3. Am 30.09.2020 stellte der BF im Stande der Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 2 Abs. 1 Z 13 des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, und wurde aus der Schubhaft entlassen.
4. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts (im Folgenden: BVwG) vom 09.10.2020, GZ: G307 2235680-1/7E, wurde die Beschwerde gegen den Schubhaftbescheid des BFA vom 14.09.2020, Zl. XXXX , als unbegründet abgewiesen und der BF zum Kostenersatz verpflichtet.
5. Am 19.10.2020 erhob der BF fristgerecht Beschwerde gegen den unter Punkt 1.2. angeführten verfahrensgegenständlichen Bescheid des BFA vom 21.09.2020.
6. Die Beschwerde und der Verwaltungsakt wurden am 22.10.2020 vom BFA vorgelegt. Das Einlagen am 22.10.2020 wurde dem BFA gemäß § 16 Abs. 3 BFA-VG bestätigt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der BF führt die im Spruch angegebene Identität (Namen und Geburtsdatum) und ist afghanischer Staatsbürger.
Der BF hat nach Erlassung des angefochtenen Bescheides des BFA vom 21.09.2020 einen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 2 Abs. 1 Z 13 des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, gestellt.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zum gegenständlich angefochtenen Bescheid ergeben sich aus dem Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsverfahrensaktes des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl zum gegenständlichen Verfahren.
Die Feststellung hinsichtlich des Antrages des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz ergibt sich aus dem Akt des BVwG betreffend die Beschwerde des BF gegen den Schubhaftbescheid, GZ G307 2235680-1/7E, und den Ausführungen in seiner Beschwerde gegen den verfahrensgegenständlichen Bescheid.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zur anzuwendenden Rechtslage:
Die maßgeblichen Bestimmungen des § 28 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 lauten:
„Erkenntnisse
§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn
1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
(3) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
(4) Hat die Behörde bei ihrer Entscheidung Ermessen zu üben, hat das Verwaltungsgericht, wenn es nicht gemäß Abs. 2 in der Sache selbst zu entscheiden hat und wenn die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder abzuweisen ist, den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückzuverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
(5) Hebt das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid auf, sind die Behörden verpflichtet, in der betreffenden Rechtssache mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtes entsprechenden Rechtszustand herzustellen.
(6) Ist im Verfahren wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG eine Beschwerde nicht zurückzuweisen oder abzuweisen, so hat das Verwaltungsgericht die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig zu erklären und gegebenenfalls aufzuheben. Dauert die für rechtswidrig erklärte Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt noch an, so hat die belangte Behörde unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtes entsprechenden Zustand herzustellen.
(7) Im Verfahren über Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG kann das Verwaltungsgericht sein Erkenntnis vorerst auf die Entscheidung einzelner maßgeblicher Rechtsfragen beschränken und der Behörde auftragen, den versäumten Bescheid unter Zugrundelegung der hiermit festgelegten Rechtsanschauung binnen bestimmter, acht Wochen nicht übersteigender Frist zu erlassen. Kommt die Behörde dem Auftrag nicht nach, so entscheidet das Verwaltungsgericht über die Beschwerde durch Erkenntnis in der Sache selbst, wobei es auch das sonst der Behörde zustehende Ermessen handhabt.
(8) Durch die Aufhebung der angefochtenen Weisung tritt jener Rechtszustand ein, der vor der Erlassung der Weisung bestanden hat; infolge der Weisung aufgehobene Verordnungen treten jedoch dadurch nicht wieder in Kraft. Die Behörde ist verpflichtet, in dem betreffenden Fall mit den ihr zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtes entsprechenden Rechtszustand herzustellen.
Die maßgebliche Bestimmung des § 18 Abs. 2 und § 52 Abs. 1 und Abs. 2 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012, in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018 lauten:
„Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde
§ 18. (2) Die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung ist vom Bundesamt abzuerkennen, wenn
1. die sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist
2. ….
3. …
(3) - (4) …
(5) Das Bundesverwaltungsgericht hat der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom Bundesamt aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß Satz 1 stützt, genau zu bezeichnen. § 38 VwGG gilt.
(6) – (7) ...“
3.2. Zu A) Behebung des Bescheides
Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung vor der Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz ist nicht zulässig. In einem solchen Fall ist ein anhängiges Rückkehrentscheidungsverfahren einzustellen, und eine bereits erlassene erstinstanzliche, mit Beschwerde bekämpfte Rückkehrentscheidung ist vom Verwaltungsgericht ersatzlos zu beheben. Eine Aussetzung des Rückkehrentscheidungsverfahrens bis zur Beendigung des Verfahrens über den Antrag auf internationalen Schutz kommt nicht in Betracht, weil es nach der Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz jedenfalls einzustellen wäre: sei es, weil Asyl oder subsidiärer Schutz gewährt wurde, sei es, weil eine negative Entscheidung und damit einhergehend eine Rückkehrentscheidung gemäß § 10 Abs. 1 AsylG 2005 iVm § 52 Abs. 2 FrPolG 2005 bzw. ein Ausspruch über die dauerhafte Unzulässigkeit der Rückkehrentscheidung oder ein Ausspruch nach § 8 Abs. 3a AsylG 2005 ergangen ist (vgl. das Erk. des VwGH vom 4.8.2016, Zl. Ra 2016/21/0162). Dies hat in gleicher Weise auch für ein anhängiges Verfahren über einen Asylantrag zu gelten (vgl. das Erk. des VwGH vom 31.8.2017, Zl. Ra 2017/21/0078).
Wie im Sachverhalt und den Feststellungen ausgeführt, stellte der Beschwerdeführer am 30.09.2020 einen Antrag auf internationalen Schutz. Wie oben dargestellt, ist das Verfahren in der gegenständlichen Konstellation, in welcher der Beschwerdeführer innerhalb der Rechtsmittelfrist zu einer Rückkehrentscheidung einen Antrag auf internationalen Schutz stellt, der Bescheid, der über die Rückkehrentscheidung abspricht, ohne dass über seinen Antrag auf internationalen Schutz abgesprochen wurde, ersatzlos zu beheben. Daran kann auch die verfahrensgegenständliche Fallkonstellation, nämlich, dass die belangte Behörde zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung noch keine Kenntnis von der Antragstellung gehabt hat, nichts ändern.
Im gegenständlichen Verfahren ist die Beschwerde am 22.10.2020 bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichtes eingelangt. Ein gesonderter Abspruch über die beantragte Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung bzw. inhaltliche Auseinandersetzung mit dem normierten Tatbestand konnte unterbleiben bzw. erübrigte sich aufgrund der am heutigen Tag getroffenen Entscheidung in der Sache selbst, da die Entscheidung demnach innerhalb der in § 17 Abs. 1 BFA-VG genannten Frist von einer Woche ab Vorlage der Beschwerde ergeht, sodass der Beschwerdeführer im gegenständlichen Verfahren auch nicht in seinen Rechten verletzt sein kann.
Da die übrigen angefochtenen Spruchpunkte eine abweisende oder zurückweisende Entscheidung des Antrages auf internationalen Schutz voraussetzten, waren auch diese bereits aus diesem Grund zu beheben.
Eine mündliche Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben, da bereits aufgrund der Aktenlage feststand, dass der angefochtene Bescheid zu beheben ist.
3.3. Zu Spruchteil B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab (vgl. dazu die zu Spruchpunkt A zitierte Rechtsprechung), noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Anhängigkeit Asylantragstellung Behebung der Entscheidung ersatzlose Behebung Rückkehrentscheidung behobenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W163.2236278.1.00Im RIS seit
22.01.2021Zuletzt aktualisiert am
22.01.2021