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20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);Norm
ABGB §472;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 96/16/0237Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner und Dr. Fellner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hajicek, über die Beschwerde der E in F, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in D, gegen die Bescheide der Finanzlandesdirektion für Vorarlberg vom 2. September 1996, Zlen. 473-4/94 und 465-5/96, je betreffend Schenkungssteuer, zu Recht erkannt:
Spruch
Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.980,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit einer undatierten Vereinbarung, deren Unterschriften bezüglich ihrer Echtheit am 16. Dezember 1993 von der Fürstlich Liechtensteinischen Landgerichtskanzlei Vaduz beglaubigt wurden, räumten die beiden Söhne der Beschwerdeführerin dieser hinsichtlich des gesamten auf der Liegenschaft EZ nn1, GB A, Grundstück nn2/53 befindlichen Wohnhauses das lebenslange und unentgeltliche Wohnrecht (Fruchtgenußrecht) samt Gartenbenützung ein, wobei die grundbücherliche Sicherstellung vorgesehen wurde. Eigentümer der genannten Liegenschaft sind die Beschwerdeführerin zu einem Viertel und ihre beiden Söhne je zu drei Achtel.
In einer schriftlichen Stellungnahme an das Finanzamt Feldkirch vom 5. April 1994 erklärten die Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin, diese habe für die Einräumung des Fruchtgenusses ihren beiden Söhnen keinerlei Zuwendungen gemacht. Mit Rücksicht auf die Eigentumsverhältnisse an der Liegenschaft seien die Vertragsparteien übereingekommen, das Wohnrecht der Beschwerdeführerin (die nur ein Viertel Miteigentümerin sei) abzusichern und eine entsprechende Vereinbarung grundbücherlich durchzuführen.
Das Finanzamt Feldkirch schrieb der Beschwerdeführerin daraufhin mit zwei Bescheiden vom 19. April 1994 für den Erwerb der Dienstbarkeit von ihren beiden Söhnen gemäß § 8 Abs. 1 ErbStG (Steuerklasse III) ausgehend von einer gerundeten Bemessungsgrundlage von je S 133.120,-- Schenkungssteuer im Ausmaß von je S 9.984,-- vor.
Dagegen berief die Beschwerdeführerin je mit der Behauptung, die Wohnrechtsvereinbarung vom 16. Dezember 1993 sei einvernehmlich wieder rückwirkend aufgehoben worden. In eventu wurde ein Antrag auf Erstattung der Steuer gestellt und "sicherheitshalber" der Wert des zugewendeten Vermögens als überhöht gerügt.
Mit Ergänzungen zu den Berufungen wurde dem Finanzamt Feldkirch eine Aufhebungsvereinbarung vom 24. Mai 1994 vorgelegt, die auszugsweise folgenden Text aufweist:
"Die Vertragsparteien haben mit Urkunde vom 16.12.1993 eine Wohnungsrechtsvereinbarung getroffen. Mittels dieses Vertrages heben die Parteien jene Vereinbarung einvernehmlich auf, sodaß sämtliche Rechtswirkungen ersatzlos und rückwirkend beseitigt werden."
Mit Berufungsvorentscheidungen je vom 10. Juni 1994 wies das Finanzamt Feldkirch die Berufungen als unbegründet ab, wogegen die Beschwerdeführerin rechtzeitig den Antrag auf Entscheidung über die Berufungen durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz stellte. In diesem Antrag hob die Beschwerdeführerin u.a. hervor, daß mit der Vereinbarung vom 16. Dezember 1993 nur die Einräumung eines dinglich wirkenden Rechtes vorgesehen gewesen wäre, wozu es dann aber nie gekommen sei. Die Zuwendung sei nicht ausgeführt worden und die Steuerschuld daher gar nicht entstanden.
In einer Vorhaltsbeantwortung vom 20. August 1996 führten die Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin unter anderem aus, in dem beschwerdegegenständlichen Wohnhaus herrschten die in Vorarlberg üblichen Wohnverhältnisse. Diesen lägen weder Mietverträge oder dergleichen zugrunde noch Schenkungen.
Die belangte Behörde wies die Berufungen mit zwei gesonderten Berufungsentscheidungen als unbegründet ab. Sie vertrat dazu im Kern der Begründung ihrer Bescheide folgende Auffassung:
"Wie nun im Berufungsfalle der gegenständlichen Wohnrechtsvereinbarung in Zusammenhalt mit dem Inhalt des eingangs dargelegten Schreibens vom 5.4.1994 zu entnehmen ist, hat die Berufungswerberin als 1/4-Miteigentümerin auf der betreffenden Liegenschaft ihren Wohnsitz und sollte ihr Wohnrecht an der gesamten Liegenschaft, somit am weiteren, den Söhnen gehörigen 3/4-Anteil, durch die Vereinbarung vom 16.12.1993 grundbücherlich abgesichert werden. Daraus ist aber zu folgern, daß der Berufungswerberin bisher schon ein umfassendes Wohnrecht am Haus und den sonstigen Liegenschaftsteilen eingeräumt war und sie dieses auch ausgeübt hat. Die ausdrückliche Wohnrechtsvereinbarung diente lediglich dem Zweck der Erstellung einer grundbuchsfähigen Urkunde, um das für sie längst bestehende Recht darüberhinaus als absolutes, dingliches Recht im Grundbuch einzuverleiben. Selbst dann, wenn von der grundbücherlichen Sicherstellung wiederum Abstand genommen wurde, ändert dies nichts an der Tatsache, daß ein umfassendes Wohnrecht tatsächlich eingeräumt ist und wurde hiedurch der schenkungssteuerpflichtige Tatbestand einer freigebigen Zuwendung nach § 3 Abs. 1 Z. 2 ErbStG verwirklicht. Die Steuerschuld ist ex lege mit dem in der Vergangenheit liegenden Zeitpunkt des Beginnes der Ausübung des Wohnrechtes entstanden."
Gegen diese Berufungsentscheidungen richtet sich die vorliegende Verwaltungsgerichtshofbeschwerde wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes bzw. Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in folgenden Rechten verletzt: "a) in dem durch § 1 Abs. 1 Erbschafts- und SchenkungssteuerG eingeräumten Recht auf Nichtauferlegung einer Steuerpflicht; b) in dem durch § 8 Abs. 1 iVm § 7 Abs. 1 ErbStG gewährleisteten Recht, nach dem persönlichen Verhältnis des Erwerbers zum Erblasser bzw. Geschenkgeber besteuert zu werden und c) in dem analog zu § 11 Abs. 1 Z. 1 GrEStG 1987 gewährleisteten Recht bei nachträglicher Vereinbarung über die Aufhebung einer Schenkung nicht besteuert zu werden".
Der Bundesminister für Finanzen legte die Verwaltungsakten und die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift vor, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 1 Abs. 1 Z. 2 ErbStG unterliegen der Steuer nach
diesem Bundesgesetz Schenkungen unter Lebenden.
Als Schenkung iS des Gesetzes gilt gemäß § 3 Abs. 1 Z. 1 leg. cit. jede Schenkung iS des bürgerlichen Rechts und nach Z. 2 jede andere freigebige Zuwendung unter Lebenden, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendungen bereichert wird.
Gegenstand einer Schenkung bzw. freigebigen Zuwendung kann auch eine Dienstbarkeit sein (vgl. die bei Fellner, Gebühren und Verkehrsteuern, Band III, 4. Teil, Erbschafts- und Schenkungssteuer unter Rz 14 Abs. 4 zu § 3 ErbStG referierte hg. Judikatur sowie Schubert in Rummel, ABGB I2 Rz 2 zu § 938 ABGB).
Die Steuerschuld entsteht bei Schenkungen unter Lebenden gemäß § 12 Abs. 2 ErbStG mit dem Zeitpunkt der Ausführung der Zuwendung. Darunter ist nach der hg. Judikatur der Zeitpunkt zu verstehen, in dem die Bereicherung im Vermögen des Beschenkten tatsächlich eintritt und der Beschenkte in den Besitz des Geschenkes kommt (vgl. bei Fellner, a.a.O. Rz 23 Abs. 2 zu § 12 ErbStG); betreffend Liegenschaften kommt es dabei auf die außerbücherliche Übergabe an (Fellner a.a.O. Rz 28 Abs. 1 bis Abs. 3 zu § 12 ErbStG).
Der Zeitpunkt des Entstehens der Steuerschuld ist u.a. maßgeblich für den Beginn des Laufes der Verjährung gemäß § 208 Abs. 1 lit. a BAO iVm § 207 Abs. 2 BAO.
Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde deutlich klargestellt, daß sie nicht die nur der Verbücherung dienende Errichtung der Urkunde vom 16. Dezember 1993 als den zu besteuernden Schenkungsvorgang angesehen hat, sondern vielmehr die vorher schon in der Vergangenheit vorgenommene Begründung des ihrer Ansicht nach schon "längst bestehenden" Wohnrechtes. Wann dieses Recht allerdings begründet wurde und auf welche Weise dies erfolgte, insbesondere aber durch die Vereinbarung zwischen welchen Personen, ist der Begründung der angefochtenen Bescheide nicht zu entnehmen. Die Beschwerde rügt dies vollkommen zu Recht und behauptet dazu, das Wohnrecht der Beschwerdeführerin hätte bereits zu einer Zeit bestanden, als ihre beiden Söhne (die von der belangten Behörde als Geschenkgeber angesehen wurden) noch gar nicht Miteigentümer der Liegenschaft gewesen seien. Damit zeigt die Beschwerde in hinlänglicher Art die Relevanz des in der ungenügend vorgenommenen und damit ergänzungsbedürftigen Sachverhaltsermittlung gelegenen Verfahrensmangels auf. Der angefochtene Bescheid ist dadurch mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet, was gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG zu seiner Aufhebung führen muß.
Die belangte Behörde wird demnach im fortgesetzten Verfahren vor allem die Frage zu klären haben, wann, durch wen und im Wege welcher Vereinbarung jenes Wohnrecht begründet wurde, das sie als Schenkungsobjekt erachtete und davon ausgehend unter anderem auch die Frage zu beurteilen haben, ob nicht bereits Verjährung eingetreten ist.
Aus verfahrensökonomischen Erwägungen wird zu den übrigen Beschwerdeausführungen noch folgendes bemerkt:
Sollten tatsächlich die beiden Söhne der Beschwerdeführerin die Geschenkgeber sein, dann stünde die Beschwerdeführerin als Elternteil in der Steuerklasse III.
Was die von der Beschwerde angestrebte analoge Anwendung des "§ 11" (richtig § 17) Abs. 1 Z. 1 GrEStG 1987 anlangt, ist darauf zu verweisen, daß angesichts der Regelung des § 33 Abs. 1 ErbStG kein Raum für die Annahme einer echten Gesetzeslücke im Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz betreffend die steueraufhebende Wirkung einer nachträglichen einvernehmlichen Aufhebung des Rechtsgeschäftes Schenkung besteht und daß daher eine analoge Anwendung der von der Beschwerde ins Treffen geführten Bestimmung des Grunderwerbsteuergesetzes von vornherein nicht in Frage kommt.
Mit Rücksicht auf die einfache Rechts- und Sachlage des vorliegenden Falles konnte die Entscheidung in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat getroffen werden.
Von der Durchführung der beantragten Verhandlung war aus dem Grunde des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abzusehen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich (im Rahmen des gestellten Begehrens) auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VO BGBl. 416/1994; die Abweisung des Kostenmehrbegehrens betrifft die gesondert angesprochene Umsatzsteuer, deren Ersatz im Rahmen der gesetzlich vorgesehenen Pauschalbeträge nicht zuzuerkennen ist (vgl. die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, 687, Abs. 3, ref. hg. Judikatur).
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1996160236.X00Im RIS seit
28.01.2002