Entscheidungsdatum
28.10.2020Norm
BFA-VG §34 Abs3 Z3Spruch
W154 2234443-1/4E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. KRACHER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Rumänien, vertreten durch RA Dr. Klammer, gegen die Festnahme vom 18.7.2020 und die Anhaltung im Rahmen der Festnahme zu Recht erkannt:
A)
I. Die Beschwerde wird gemäß § 34 Abs. 3 Z 3 iVm § 40 Abs. 1 Z 1 BFA-VG als unbegründet abgewiesen.
II. Der Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Kostenersatz wird gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer, ein rumänischer Staatsangehöriger, wurde mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 20.7.2017, 25 Hv 78/2016w gemäß §§ 141 Abs. 1, 15 und 127 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von einem Monat verurteilt, kurze Zeit später erfolgte wegen der Vergehen des Diebstahls und der gefährlichen Drohung gemäß §§ 125, 107 Abs. 1, 15 und 109 Abs. 1 StGB mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 04.8.2017, 73 Hv 83/2017k, die nächste Verurteilung zu einer bedingten Freiheitsstrafe von drei Monaten.
Das daraufhin bereits im Juli 2017 eingeleitete Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes konnte nicht abgeschlossen werden, weil der Beschwerdeführer für die belangte Behörde aufgrund einer fehlenden Wohnanschrift nicht greifbar war.
Unter der Verfahrenszahl 180224922 erließ das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt) gegen den Beschwerdeführer eine mit 5.4.2018 gültige aufenthaltsbeendende Maßnahme.
Am 27.12.2018 reiste der Beschwerdeführer selbstständig aus dem Bundesgebiet aus.
Am 31.1.2019 erließ die belangte Behörde nach einem polizeilichen Aufgriff am 28.1.2019 die nächste Ausweisungsentscheidung. Für eine Rückkehr erhielt der Beschwerdeführer für den 1.4.2019 ein Zugticket nach Rumänien ausgehändigt, eine Ausreisebestätigung wurde von ihm nicht vorgelegt.
Am 9.8.2019 wurde der Beschwerdeführer neuerlich in Wien aufgriffen. Zur Sicherung der Abschiebung wurde am nächsten Tag die Schubhaft angeordnet und der Beschwerdeführer am 15.8.2019 nach Rumänien abgeschoben.
Als er am 5.9.2019 wieder in Wien bei einer Personenkontrolle aufgegriffen wurde, händigte die Polizei über Auftrag der belangten Behörde dem Beschwerdeführer eine Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme zur beabsichtigten Erlassung eines Aufenthaltsverbotes aus und räumte ihm die Möglichkeit zu einer Stellungnahme ein. Darauf erfolgte keine Reaktion des Beschwerdeführers.
Mit Bescheid vom 8.7.2020, Zl. 1158773300-190908349, erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot (Spruchpunkt I.), erteilte ihm keinen Durchsetzungsaufschub (Spruchpunkt II.) und erkannte einer Beschwerde gegen dieses Aufenthaltsverbot die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt III.). Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer an seiner damaligen - seit 29.1.2020 aufrechten - Meldeadresse durch Hinterlegung zugestellt.
Am 18.7.2020 wurde der Beschwerdeführer erneut im Bundesgebiet aufgegriffen und gegen ihn in Ausübung verwaltungsbehördlicher Befehlsgewalt gemäß §§ 34 Abs. 5 und 47 Abs. 1 BFA-VG ein Festnahmeauftrag gemäß § 34 abs. 3 Z 3 BFA-VG – geplante Anordnung der Abschiebung erlassen (Verfahrenszahl 200615628). Diesen begründete die belangte Behörde im Wesentlichen damit, dass gegen den Beschwerdeführer ein Auftrag zur Abschiebung (§ 46 FPG) erlassen werden soll.
Daraufhin wurde der Beschwerdeführer um 9:20 Uhr in Verwaltungsverwahrungshaft genommen.
Noch am 18.7.2020 wurde der Beschwerdeführer um 17:30 Uhr vor der belangten Behörde zur geplanten Anordnung der Schubhaft niederschriftlich einvernommen.
Dabei wurde ihm im Rahmen des Parteiengehörs zunächst der Stand des Ermittlungsverfahrens vorgehalten und ausgeführt, dass gegen ihn seit dem 10.7.2019 ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot in der Höhe von fünf Jahren bestehe. Der Bescheid sei ihm am 9.7.2020 an seine Meldeadresse zugestellt worden. Am 18.7.2020 sei er von Beamten der Landespolizeidirektion Wien am Hauptbahnhof einer fremdenrechtlichen Kontrolle unterzogen worden, wobei das durchsetzbare Aufenthaltsverbot festgestellt, er gemäß § 40 BFA-VG festgenommen und ins Polizeianhaltezentrum überstellt worden sei. Im Zuge der nunmehrigen Einvernahme werde den Beschwerdeführer zur beabsichtigten Erlassung der Schubhaft Parteiengehör gewährt.
Dazu erklärte dieser zunächst, nicht zu wissen, dass gegen ihn ein Aufenthaltsverbot bestehe. Er sei an jenem Tag mit dem Zug nach Österreich gekommen, um hier zu arbeiten. Unterkunft habe er an der seit 29.1.2020 vorliegenden Meldeadresse genommen. Zur Zeit verfüge der Beschwerdeführer über € 100 Barmittel. Gewohnt habe er an seiner Meldeadresse und bisher nur schwarzgearbeitet. Eine Anmeldebescheinigung habe er nicht. Sein gültiger Personalausweis sei von der Polizei sichergestellt worden (er befand sich im Akt).
Im Bundesgebiet habe der Beschwerdeführer einen Cousin, weitere Angehörige gebe es nicht. In Rumänien lebten elf Geschwister, die Mutter sei in Deutschland, seinen Vater kenne der Beschwerdeführer nicht. Er sei ledig und kinderlos, seine Effekten befänden sich in seiner Wiener Wohnung.
Im Rahmen dieser Einvernahme entschied die belangte Behörde, dass gegen den Beschwerdeführer ein seit dem 10.7.2019 durchsetzbares Aufenthaltsverbot in der Höhe von fünf Jahren bestehe. Der Bescheid sei ihm am 9.7.2020 an seine Meldeadresse zugestellt worden. Der Beschwerdeführer sei am 18.7.2020 von Rumänien kommend nach Österreich eingereist. Er verfüge über eine aufrechte Meldeadresse im Bundesgebiet und könne dort Unterkunft nehmen. Er bekomme einmalig die Möglichkeit, das Bundesgebiet mithilfe des VMÖ zu verlassen. Wenn er dieser Möglichkeit nicht nachkomme, werde er nach Rumänien abgeschoben. Nachgefragt erklärte der Beschwerdeführer ausdrücklich, der freiwilligen Ausreise nachkommen zu wollen. Er habe alles verstanden und nichts mehr zu sagen.
In weiterer Folge wurde der Beschwerdeführer noch am selben Tag um 18:40 Uhr wegen „Wegfall des Schubhaftgrundes“ aus der Verwaltungsverwahrungshaft entlassen.
Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 13.8.2020, GZ I408 2233874-1/5E, wurde die Beschwerde gegen den Bescheid vom 8.7.2020, Zl. 1158773300-190908349, als unbegründet abgewiesen.
Am 26.8.2020 langte beim Bundesverwaltungsgericht die gegenständliche Maßnahmenbeschwerde ein.
Darin wurde im Wesentlichen vorgebracht, der Beschwerdeführer sei seit längerer Zeit bereits wechselnd in Österreich und habe hier einige Freunde und Bekannte. Teilweise wäre er unverschuldet obdachlos gewesen und im Rahmen seiner schlechten Situation sei es im Sommer 2017 zu zwei bedingten Verurteilungen gekommen. Aufgrund wechselnder Wohnorte und weiterer unsicherer Lebenssituationen sei er zweimal vom Bundesamt ausgewiesen und auch abgeschoben worden. Er habe aber weiterhin nach Arbeit gesucht und immer das Ziel gehabt, sich in Österreich eine gesicherte Existenz aufzubauen. Über einen Freund sei er mit einer namentlich genannten Person, welche ihm eine Arbeitsstelle als Friseurlehrling zugesagt habe, gekommen nach längerer Abwesenheit daher am 18.7.2020 um 8:22 Uhr mit dem Zug in Wien eingelangt, um seine Arbeitsstelle anzutreten. Direkt am Bahnhof sei er festgenommen und auf die Polizeistation verbracht worden, obwohl er den Polizisten seinen rumänischen Personalausweis gezeigt habe und seine Identität festgestanden sei. Dort habe man ihm mitgeteilt, dass gegen ihn ein fünfjähriges Aufenthaltsverbot ohne Durchsetzungsaufschub und mit Ausschluss der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde bestehe und er umgehend auszureisen habe. Dazu sei anzumerken, dass der Bescheid zu einem Zeitpunkt erlassen worden sei, an dem er sich gar nicht im Bundesgebiet aufgehalten hätte.
Nach seiner Entlassung habe der Beschwerdeführer für etwa zehn Tage versucht, den Bescheid hinsichtlich des Aufenthaltsverbotes zu erhalten, schließlich sei ihm seitens des Bundesamtes am 24.7.2020 eine Kopie überreicht worden. Am 26.7.2020 sei dann nach der so erstmals erfolgten Zustellung des Bescheides ein neuer Festnahmeauftrag gegen ihn erlassen worden. Am 1.8.2020 habe der Beschwerdeführer sein Arbeitsverhältnis als Friseurlehrling angetreten und wohne derzeit bei seinem Chef. Im Rahmen einer Akteneinsicht habe der Beschwerdeführer auch entdeckt, dass das Bundesamt im Akt, zum Beispiel beim dritten Festnahmeauftrag vom 31.7.2020, festgehalten habe, dass es sich bei der vorherigen Zustelladresse um eine Scheinmeldung gehandelt habe.
Der Bescheid vom 8.7.2020 sei dem Beschwerdeführer bei seiner Einreise noch nicht zugestellt worden, sondern erst am 24.7.2020 und habe daher zuvor keine Rechtswirkungen gegen ihn entfaltet. Das Bundesamt hätte selbst am 18.7.2020 erkannt, dass die Festnahme und weitere Anhaltung in Schubhaft rechtswidrig seien, weshalb der Beschwerdeführer schließlich freigelassen worden sei.
Abschließend wolle der Beschwerdeführer darauf hinweisen, dass er ins Bundesgebiet eingereist sei, um seine Arbeitsstelle in Österreich anzutreten. Als EU-Bürger komme ihm ein Recht auf Niederlassung zu und ihn während der rechtmäßigen Einreise festzunehmen stelle eine grobe Rechtsverletzung dar.
Beantragt wurde, die Festnahme am 18.7.2020 um etwa 8:30 Uhr und die nachfolgende „Schubhaft“ von „9:00 Uhr bis etwa 21:00 Uhr“ für rechtswidrig zu erklären. Weiters wurde Zuspruch des Ersatzes der durch die Beschwerde entstandenen Kosten im gesetzlichen Ausmaß zu Handen seines „gesetzlichen Vertreters“ beantragt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der BF ist rumänischer Staatsangehöriger und somit EWR-Bürger im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 8 FPG.
Der Beschwerdeführer wurde mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 20.7.2017, 25 Hv 78/2016w gemäß §§ 141 Abs. 1, 15 und 127 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von einem Monat verurteilt, kurze Zeit später erfolgte wegen der Vergehen des Diebstahls und der gefährlichen Drohung gemäß §§ 125, 107 Abs. 1, 15 und 109 Abs. 1 StGB mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 04.8.2017, 73 Hv 83/2017k, die nächste Verurteilung zu einer bedingten Freiheitsstrafe von drei Monaten.
Der Beschwerdeführer war bereits zweimal rechtskräftig aus dem Bundesgebiet ausgewiesen worden.
Mit Bescheid vom 8.7.2020, Zl. 1158773300-190908349, erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot (Spruchpunkt I.), erteilte ihm keinen Durchsetzungsaufschub (Spruchpunkt II.) und erkannte einer Beschwerde gegen dieses Aufenthaltsverbot die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt III.). Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer an seiner damaligen - seit 29.1.2020 aufrechten - Meldeadresse durch Hinterlegung zugestellt (Zustellversuch am 9.7.2020, Beginn der Abholfrist am 10.7.2020). Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 13.8.2020, GZ I408 2233874-1/5E, wurde die Beschwerde gegen diesen Bescheid schließlich als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer war erstmals seit 29.1.2020 im Bundesgebiet ordentlich gemeldet. Für den Zeitraum davor lagen nur Meldungen in Polizeianhaltzentren bzw. einer Justizanstalt sowie eine Obdachlosenmeldung in Österreich vor. Die Meldung an jener Adresse bestand bis 8.8.2020.
Im Rahmen seiner Einvernahme am 18.7.2020 erklärte der Beschwerdeführer ausdrücklich, an der seit 29.1.2020 vorliegenden Meldeadresse Unterkunft genommen und dort auch bisher gewohnt zu haben. Zudem habe er bisher nur schwarzgearbeitet.
Am 18.7.2020 wurde der Beschwerdeführer erneut im Bundesgebiet aufgegriffen und gegen ihn in Ausübung verwaltungsbehördlicher Befehlsgewalt gemäß §§ 34 Abs. 5 und 47 Abs. 1 BFA-VG ein Festnahmeauftrag gemäß § 34 abs. 3 Z 3 BFA-VG – geplante Anordnung der Abschiebung erlassen (Verfahrenszahl 200615628). Diesen begründete die belangte Behörde im Wesentlichen damit, dass gegen den Beschwerdeführer ein Auftrag zur Abschiebung (§ 46 FPG) erlassen werden soll.
Daraufhin wurde der Beschwerdeführer um 9:20 Uhr in Verwaltungsverwahrungshaft genommen und noch am selben Tag zur geplanten Verhängung der Schubhaft einvernommen.
Wegen seiner seit 29.1.2020 aufrechten Meldeadresse im Bundesgebiet wurde im Rahmen dieser Einvernahme von der Verhängung der Schubhaft abgesehen. Der Beschwerdeführer bekam einmalig die Möglichkeit, das Bundesgebiet mithilfe des VMÖ zu verlassen und wurde darauf hingewiesen, dass, wenn er dieser Möglichkeit nicht nachkomme, nach Rumänien abgeschoben werde. Nachgefragt erklärte der Beschwerdeführer ausdrücklich, der freiwilligen Ausreise nachkommen zu wollen. Er habe alles verstanden und nichts mehr zu sagen.
In weiterer Folge wurde der Beschwerdeführer wegen Wegfalls des Schubhaftgrundes unmittelbar nach der Einvernahme am 18.7.2020 um 18:40 Uhr aus der Verwaltungsverwahrungshaft entlassen.
2. Beweiswürdigung:
Der oben angeführte Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des Bundesamtes und der vorliegenden Gerichtsakten des Bundesverwaltungsgerichtes, der Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt am 18.7.2020 sowie der Einsichtnahme in die Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung, das Zentrale Melderegister, das Zentrale Fremdenregister und das Strafregister der Republik Österreich.
Weitere Beweise waren wegen Entscheidungsreife nicht mehr aufzunehmen. Von der Durchführung einer Verhandlung konnte daher abgesehen werden.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zuständigkeit
Gemäß Artikel 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) idgF erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden
1. gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit;
2. gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt wegen Rechtswidrigkeit;
3. wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch eine Verwaltungsbehörde;
4. gegen Weisungen gemäß Art. 81a Abs. 4.
Gemäß § 9 Abs. 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.
§ 7 Abs. 1 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr 87/2012 idgF, lautet:
(1) Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet über
1. Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes,
2. Beschwerden gegen Bescheide der Vertretungsbehörden gemäß dem 11. Hauptstück des FPG,
3. Beschwerden gegen Maßnahmen unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt gemäß dem 1. Hauptstück des 2. Teiles des BFA-VG und gemäß dem 7. und 8. Hauptstück des FPG,
4. Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesamtes und
5. Beschwerden gegen Bescheide des Bundesministers für Inneres in Verfahren gemäß §§ 3 Abs. 2 Z 1 bis 6 und 4 Abs. 1 Z 1 und 2
Gemäß § 7 Abs. 2 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der Verwaltungsgerichtshof einer Revision oder der Verfassungsgerichtshof einer Beschwerde gegen ein Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes gemäß Abs. 1 stattgegeben hat.
Für das gegenständliche Verfahren ist sohin das Bundesverwaltungsgericht zuständig.
Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr 33/2013 idgF, geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft. Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Zu A)
Zu Spruchpunkt I. Beschwerde gegen die Festnahme und Anhaltung im Rahmen der Festnahme
1. Gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG hat der Fremde das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist (Z 1), er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde (Z 2), oder gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde (Z 3). Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten gemäß Abs. 1a leg.cit. die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.
Behörde im Inland nach diesem Bundesgesetz ist gemäß § 3 Abs. 1 BFA-VG das Bundesamt mit bundesweiter Zuständigkeit. Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes haben das Bundesamt gemäß § 6 BFA-VG bei der Erfüllung seiner Aufgaben, insbesondere durch Wahrnehmung der ihnen gemäß §§ 36 bis 47 leg.cit. eingeräumten Aufgaben und Befugnisse, zu unterstützen.
Das Bundesamt ist daher betreffend die Festnahme und Anhaltung gemäß § 40 BFA-VG die belangte Behörde (vgl. VwGH 18.01.2017, Ra 2016/18/0335).
2. Gemäß § 40 Abs. 1 BFA-VG sind die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes ermächtigt, einen Fremden zum Zweck der Vorführung vor das Bundesamt festzunehmen, gegen den ein Festnahmeauftrag gemäß § 34 besteht (Z 1), wenn dieser Auflagen gemäß § 56 Abs. 2 oder 71 Abs. 2 FPG verletzt (Z 2) oder der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des sechsten Hauptstückes des FPG fällt (Z 3).
Gemäß § 34 Abs. 3 Z 3 BFA-VG kann ein Festnahmeauftrag gegen einen Fremden auch dann erlassen werden, wenn gegen ihn ein Auftrag zur Abschiebung (§ 46 FPG) erlassen werden soll. Gemäß Abs. 5 leg cit. ergeht ein Festnahmeauftrag in Ausübung verwaltungsbehördlicher Befehlsgewalt; er ist aktenkundig zu machen. Die Anhaltung aufgrund eines Festnahmeauftrages darf 72 Stunden nicht übersteigen und ist nach Durchführung der erforderlichen Verfahrenshandlungen zu beenden.
Gemäß § 46 Abs. 1 FPG sind Fremde, gegen die eine Rückkehrentscheidung, eine Anordnung zur Außerlandesbringung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot durchsetzbar ist, von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Auftrag des Bundesamtes zur Ausreise zur verhalten (Abschiebung), wenn die Überwachung ihrer Ausreise aus Gründen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit notwendig scheint (Z 1), sie ihrer Verpflichtung zur Ausreise nicht zeitgerecht nachgekommen sind (Z 2), aufgrund bestimmter Tatsachen zu befürchten ist, sie würden ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen (Z 3) oder sie einem Einreiseverbot oder Aufenthaltsverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt sind (Z 4).
3. Gemäß § 67 Abs 1 FPG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger zulässig, wenn auf Grund des persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet ist. Das Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können diese Maßnahmen nicht ohne weiteres begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gegen einen EWR-Bürger, der den Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatte, ist zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Gemäß § 67 Abs 2 FPG kann ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden. Bei einer besonders schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit kann das Aufenthaltsverbot gemäß § 67 Abs 3 FPG auch unbefristet erlassen werden, so z.B. bei einer rechtskräftigen Verurteilung zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren (§ 67 Abs 3 Z 1 FPG).
Bei der Erstellung der für jedes Aufenthaltsverbot zu treffenden Gefährdungsprognose ist das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die jeweils maßgebliche Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung oder Bestrafung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen. Bei der nach § 67 Abs 1 FPG zu erstellenden Gefährdungsprognose geht schon aus dem Gesetzeswortlaut klar hervor, dass auf das "persönliche Verhalten" des Fremden abzustellen ist und strafgerichtliche Verurteilungen allein nicht ohne weiteres ein Aufenthaltsverbot begründen können (siehe VwGH 22.08.2019, Ra 2019/21/0091).
Bei der Festsetzung der Dauer des Aufenthaltsverbotes ist gemäß § 67 Abs 4 FPG auf alle für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen, insbesondere auch auf die privaten und familiären Verhältnisse (VwGH 24.05.2016, Ra 2016/21/0075).
4. Mit Bescheid vom 8.7.2020, Zl. 1158773300-190908349, erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot (Spruchpunkt I.), erteilte ihm keinen Durchsetzungsaufschub (Spruchpunkt II.) und erkannte einer Beschwerde gegen dieses Aufenthaltsverbot die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt III.). Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer an seiner damaligen - seit 29.1.2020 aufrechten - Meldeadresse durch Hinterlegung zugestellt (Zustellversuch am 9.7.2020, Beginn der Abholfrist am 10.7.2020). Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 13.8.2020, GZ I408 2233874-1/5E, wurde die Beschwerde gegen diesen Bescheid schließlich als unbegründet abgewiesen.
Festzuhalten ist, dass der Beschwerdeführer im Rahmen seiner Einvernahme zur geplanten Verhängung der Schubhaft am 18.7.2020 ausdrücklich erklärte, an eben dieser Zustelladresse Unterkunft genommen und gewohnt zu haben.
Insgesamt konnte die belangte Behörde im Zeitpunkt der bekämpften Maßnahme am 18.7.2020 (somit acht Tage nach Beginn der Abholfrist) zu Recht von einer rechtswirksamen Zustellung des Bescheides, mit dem über den Beschwerdeführer ein Aufenthaltsverbot verhängt wurde, ausgehen.
Die belangte Behörde sah deshalb von der geplanten Verhängung der Schubhaft ab, weil der Beschwerdeführer – wie er noch am 18.7.2020 selbst bestätigte - an eben dieser Adresse Unterkunft nehmen konnte und sich überdies im Rahmen dieser Einvernahme ausdrücklich zur freiwilligen Ausreise bereit erklärte, sodass – im Gegensatz zum Beschwerdevorbringen – die Freilassung wegen Wegfall des Schubhaftgrundes nicht bedeutet, dass die Festnahme und Anhaltung rechtswidrig gewesen wäre und das Bundesamt dies selbst erkannt und den Beschwerdeführer deshalb freigelassen hätte.
5. Der Beschwerdeführer wurde richtigerweise auf Basis eines Festnahmeauftrages gemäß § 34 Abs. 3 Z 3 festgenommen und am 18.7.2020 von 9:20 Uhr bis 18:40 Uhr in Verwaltungsverwahrungshaft angehalten, sodass auch die Dauer der Anhaltung rechtmäßig ist und keinen Bedenken begegnet, zumal der Beschwerdeführer nach Beendigung seiner Einvernahme unverzüglich entlassen wurde.
Insgesamt war somit die Beschwerde gegen die Festnahme und die Anhaltung im Rahmen der Festnahme abzuweisen.
Zu Spruchpunkt II. (Kostenbegehren):
Der Beschwerdeführer hatte einen Antrag auf Ersatz der Aufwendungen gestellt. Da er im konkreten Fall unterlegene Partei ist, war sein Antrag gemäß § 35 VwGVG abzuweisen.
Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn (Z 1) der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder (Z 2) die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist. Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. Das Verwaltungsgericht kann gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.
Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben, da der Sachverhalt auf Grund der Aktenlage und des Inhaltes der Beschwerde geklärt war und Widersprüchlichkeiten in Bezug auf die für die gegenständliche Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltselemente nicht vorlagen.
Zu B)
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.
Wie der oben dargelegten rechtlichen Beurteilung zu Spruchpunkt I. zu entnehmen ist, warf die Tatsachenlastigkeit des gegenständlichen Falles keine Auslegungsprobleme der anzuwendenden Normen auf, schon gar nicht waren - vor dem Hintergrund der bereits bestehenden Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes - Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen. Die Revision war daher nicht zuzulassen.
Schlagworte
Anhaltung Aufenthaltsverbot Befehls- und Zwangsgewalt Dauer Festnahme Festnahmeauftrag Kostentragung Maßnahmenbeschwerde strafrechtliche VerurteilungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W154.2234443.1.00Im RIS seit
22.01.2021Zuletzt aktualisiert am
22.01.2021