Entscheidungsdatum
29.10.2020Norm
AsylG 2005 §57Spruch
W193 1429793-2/4E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Michaela RUSSEGGER-REISENBERGER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX 1995, StA. Afghanistan, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, Alser Straße 20/5, 1090 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.06.2019, Zl. 820261208-190535909, zu Recht:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer stellte am XXXX 2012 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Die Erstbefragung fand am XXXX 2012 statt, die Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: belangte Behörde) fand am 09.03.2012 und am 14.08.2012 statt.
2. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 26.09.2012 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.) und dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt (Spruchpunkt II.). Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 wurde dem Beschwerdeführer eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter bis zum 26.09.2013 erteilt (Spruchpunkt III.).
3. Gegen Spruchpunkt I. des Bescheides wurde vom Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde erhoben.
4. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 23.10.2014, Zl. W224 1429793-1/10E, wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
5. Am 19.08.2013 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 04.09.2013 wurde die befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 bis zum 26.09.2014 verlängert.
6. Am 01.09.2014 stellte der Beschwerdeführer erneut einen Antrag auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 22.09.2014 wurde die befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 bis zum 26.09.2016 verlängert.
7. Am 03.08.2016 stellte der Beschwerdeführer erneut einen Antrag auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 01.09.2016 wurde die befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 bis zum 26.09.2018 verlängert.
8. Am 20.12.2017 wurden dem Beschwerdeführer der Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt EU“ verliehen.
9. Mit angefochtenem Bescheid der belangten Behörde vom 27.06.2019 wurde der dem Beschwerdeführer zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 von Amts wegen aberkannt (Spruchpunkt I.). Es wurde dem Beschwerdeführer kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt (Spruchpunkt II.).
10. Der Beschwerdeführer erhob gegen den Bescheid fristgerecht Beschwerde.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers
Der Beschwerdeführer führt den Namen XXXX und das Geburtsdatum XXXX 1995. Er ist afghanischer Staatsangehöriger und gehört der Volksgruppe der Hazara an. Er ist schiitischer Moslem. Seine Muttersprache ist Dari. Er ist verheiratet. Der Beschwerdeführer wurde in der Provinz Daikundi geboren. Der Beschwerdeführer lebte seit dem fünften Lebensjahr nicht mehr in Afghanistan, sondern in Folge in Iran. In Afghanistan leben keine Familienangehörigen. In Iran leben die Eltern, zwei Brüder sowie ein Onkel des Beschwerdeführers. In Österreich leben die Ehefrau sowie ein Bruder des Beschwerdeführers. Der Beschwerdeführer besuchte ca. drei Jahre lang die Schule in Iran. Der Beschwerdeführer erlernte keinen Beruf. Der Beschwerdeführer arbeitete mehrere Jahre als Erntehelfer in Iran. Seit dem XXXX 2012 hält sich der Beschwerdeführer in Österreich auf. In Österreich hat der Beschwerdeführer am XXXX 2014 die „Neue Mittelschule“ abgeschlossen. Der Beschwerdeführer arbeitet seit dem Jahr 2017 bei einem Lieferservice und ist seit dem Jahr 2019 bei einer Leiharbeitsfirma (Bau, Baunebengewerbe und Holz) angestellt.
Der Beschwerdeführer leidet an einer rheumatischen Erkrankung.
Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.
1.2. Zur Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan unter Berücksichtigung der persönlichen Situation des Beschwerdeführers
Im Bescheid vom 26.09.2012 wurde die Zuerkennung des subsidiären Schutzes im Wesentlichen damit begründet, dass aufgrund der rheumatischen Erkrankung des Beschwerdeführers sowie seines Hautausschlages, den fehlenden familiären Anknüpfungspunkten und der allgemein prekären Lage in Afghanistan nicht ausgeschlossen werden könne, dass der Beschwerdeführer in eine aussichtslose Situation bzw. Lage geraten würde. Die damals bestandene Minderjährigkeit des Beschwerdeführers wurde nicht für die Gewährung des subsidiären Schutzes als entscheidungswesentlich angeführt.
In den Bescheiden vom 04.09.2013, 22.09.2014 und 01.09.2016 wurde die Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung damit begründet, dass die Voraussetzungen für die Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung weiterhin bestehen würden und dem Beschwerdeführer eine Rückkehr nach Afghanistan weiterhin nicht zuzumuten sei.
Im angefochtenen Bescheid vom 27.06.2019 wurde die Aberkennung des subsidiären Schutzes im Wesentlichen damit begründet, dass der Hautausschlag ausgeheilt sei und der Beschwerdeführer nicht mehr unter seiner rheumatischen Erkrankung leiden würde. Zudem sei der Beschwerdeführer seit 01.01.2013 volljährig. Außerdem habe sich die Lage in Afghanistan, insbesondere in Kabul, Herat und Mazar-e Sharif, dahingehend geändert, dass nun Reintegrationsprogramme zur Verfügung stehen würden.
Seit dem Zeitpunkt der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit Bescheid vom 26.09.2012 bzw. den Verlängerungen der befristeten Aufenthaltsberechtigung mit Bescheiden vom 04.09.2013, 22.09.2014 und 01.09.2016 ist keine wesentliche und nachhaltige Änderung der maßgeblichen Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan unter Berücksichtigung der persönlichen Situation des Beschwerdeführers eingetreten.
2. Beweiswürdigung:
Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den Verwaltungsakt sowie in den Gerichtsakt.
2.1. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers
Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen dahingehend übereinstimmenden Angaben vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, vor der belangten Behörde, vor dem Bundesverwaltungsgericht und in der Beschwerde. Die getroffenen Feststellungen zum Namen und zum Geburtsdatum des Beschwerdeführers gelten ausschließlich zur Identifizierung der Person des Beschwerdeführers im Asylverfahren.
Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers, zu seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, seiner Muttersprache, seinem Lebenslauf, seinem Aufwachsen sowie seine familiäre Situation in Afghanistan, in Iran sowie in Österreich, seiner Schul- und fehlenden Berufsausbildung und seiner Berufserfahrung gründen sich auf seinen diesbezüglich schlüssigen und stringenten Angaben. Das Bundesverwaltungsgericht hat keine Veranlassung an diesen im gesamten Verfahren gleich gebliebenen Aussagen des Beschwerdeführers zu zweifeln.
Die Feststellungen zum Gesundheitszustand gründen auf den diesbezüglich glaubhaften Aussagen des Beschwerdeführers im Verfahren, insbesondere bei der belangten Behörde am 26.06.2019, wonach sein Hautausschlag seit 2015 geheilt sei und der Tatsache, dass Rheuma nicht heilbar ist.
Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister.
2.2. Zu den Feststellungen zur Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan unter Berücksichtigung der persönlichen Situation des Beschwerdeführers
Die Feststellungen hinsichtlich der Lage in Afghanistan und einer möglichen Änderung ergeben sich insbesondere aus einem Vergleich der dem Bescheid der belangten Behörde vom 26.09.2012 bzw. den Bescheiden vom 04.09.2013, 22.09.2014 und 01.09.2016 und dem Bescheid der belangten Behörde vom 27.06.2019 zugrundeliegenden Länderberichte, nämlich den damals aktuellsten Feststellungen zu Afghanistan (u.a. Feststellungen zu Afghanistan: Allgemeine Lage vom August 2012, Feststellungen zu Afghanistan: Rückkehrfragen vom August 2012 usw.) bzw. dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan, Gesamtaktualisierung am September 2013, dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan, Gesamtaktualisierung am 28.01.2014 (letzte Kurzinformation eingefügt am 22.09.2014) und dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan, Gesamtaktualisierung am 21.01.2016 (letzte Kurzinformation eingefügt am 29.07.2016) und dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan, Gesamtaktualisierung am 29.06.2018 (letzte Kurzinformation eingefügt am 04.06.2019).
Vergleicht man die allgemeinen sicherheitsrelevanten Vorfälle, so ist ersichtlich, dass sich diese über die Jahre leicht erhöht haben. Vergleicht man die Länderberichte in Bezug auf Kabul, so zeigt sich, dass sich die Sicherheitslage verschlechtert hat und Kabul von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen der Taliban betroffen ist. Die sicherheitsrelevanten Vorfälle haben sich seit der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten erhöht. Auch in der Herkunftsprovinz des Beschwerdeführers Daikundi ist keine wesentliche Veränderung erkennbar. Daikundi gilt, wie auch zum Zeitpunkt der Zuerkennung des subsidiären Schutzes, als relativ friedliche und sichere Provinz. Auch in Bezug auf Herat ist keine wesentliche Veränderung erkennbar. Zwar gilt Herat aktuell als relativ friedliche Provinz, während Herat zu den früheren Zeitpunkten teilweise als schwierig einzuschätzen deklariert wurde, allerdings ist auch ersichtlich, dass sich die Zahl der sicherheitsrelevanten Vorfälle über die Jahre hinweg nicht wesentlich verändert hat. Auch in Bezug auf die Provinz Balkh zeigt sich ein ähnliches Bild. Schon zu den früheren Zeitpunkten wurde im Länderbericht ausgeführt, dass die Hauptstadt Mazar-e Sharif eine Art „Vorzeigeprojekt“ Afghanistans fu?r wichtige ausländische Gäste darstellt und die Provinz Balkh zu den relativ friedlichen Provinzen in Nordafghanistan zählt. Auch im Bereich der Grundversorgung sind keine wesentlichen Verbesserungen erkennbar. Die Arbeitslosenquote ist seit der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten angestiegen. Auch in vielen anderen Bereichen zeigt sich ein sehr ähnliches Bild. Ebenso verhält es sich mit dem Angebot von diversen Unterstützungsnetzwerken (internationale und nationale Rückkehrorganisationen bzw. NGO‘s), sodass - zumindest seit der letztmaligen Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung - nicht von einer wesentlich geänderten Situation für Rückkehrer auszugehen ist. Im Ergebnis ist daher nicht zu erkennen, dass es zu einer nachhaltigen und maßgeblichen Verbesserung der Lage in Afghanistan gekommen ist.
Die Feststellungen hinsichtlich der subjektiven und persönlichen Situation und einer möglichen Änderung erfolgte durch einen Vergleich der individuellen Situation des Beschwerdeführers zum Zeitpunkt der rechtskräftigen Zuerkennung des subsidiären Schutzes und der damit verbundenen Erteilung einer befristeten Aufenthaltsberechtigung bzw. den Zeitpunkten der Verlängerungen einerseits und dem Zeitpunkt des angefochtenen Bescheides bzw. im nunmehrigen Entscheidungszeitpunkt andererseits.
Hinsichtlich der familiären Situation des Beschwerdeführers in Afghanistan ist keine Veränderung eingetreten. Der Beschwerdeführer hat im gesamten Verfahren gleichbleibend angegeben, dass dessen Familie in Iran leben würde. In Afghanistan verfügt der Beschwerdeführer somit nach wie vor über kein soziales Netzwerk.
Wenn die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid anführt, dass der Beschwerdeführer mittlerweile an keinem Hautausschlag mehr leiden würde und dieser zudem auf Grund seiner rheumatischen Erkrankung keine Beeinträchtigungen mehr haben würde, so verkennt die belangte Behörde, dass der Beschwerdeführer nach wie vor an einer rheumatischen Erkrankung leidet und dieser vor der belangten Behörde am 26.06.2019 zudem angegeben hat, dass seine Ellenbogen und seine Knie gelegentlich, wenn auch nur leicht, schmerzen würden. Wenn die belangte Behörde zudem ausführt, dass der Beschwerdeführer aktuell nicht in ärztlicher Behandlung sei und keine Medikamente nehmen würde, so muss dieser entgegengehalten werden, dass der Beschwerdeführer auch zum Zeitpunkt der Zuerkennung des subsidiären Schutzes keine Medikamente im Hinblick auf seine rheumatische Erkrankung genommen hat. Wenn die belangte Behörde anführt, dass der Beschwerdeführer keine maßgeblichen Beeinträchtigungen mehr haben könne, weil dieser einer körperlich anstrengenden Arbeit nachgehe und Sport betreibe, so verkennt die belangte Behörde, dass der Beschwerdeführer auch in Iran, trotz seiner rheumatischen Erkrankung, einer körperlich herausfordernden Arbeit (Erntehelfer) nachgegangen ist und dieser vor der belangten Behörde am 26.06.2019 zudem angeführt hat, dass dieser nur mit maschineller Hilfe schwere Dinge heben könne. Somit ist trotz des geheilten Hautausschlages eine maßgebliche Änderung nicht ersichtlich.
Richtig ist zwar, dass der Beschwerdeführer bei der Zuerkennung des subsidiären Schutzes im Jahr 2012 minderjährig war, während er im Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidung bereits die Volljährigkeit erreicht hatte. Die Begründung des Bescheides der belangten Behörde vom 26.09.2012 gibt allerdings keinen Hinweis darauf, dass die (damalige) Minderjährigkeit des Beschwerdeführers für die Gewährung des subsidiären Schutzes von Bedeutung gewesen wäre. Insofern lässt sich auch nicht ohne Weiteres argumentieren, dass im Zeitpunkt der Aberkennung dieses Status durch die belangte Behörde, dass fortgeschrittene Alter des Beschwerdeführers (und die damit erreichte Volljährigkeit) für sich betrachtet als maßgebliche Änderung der Umstände ins Treffen geführt werden kann. Zudem verkennt die belangte Behörde, dass der Beschwerdeführer zu den Zeitpunkten der Verlängerungen der befristeten Aufenthaltsberechtigung bereits Volljährig war und die belangte Behörde, trotz der Volljährigkeit des Beschwerdeführers, zu dem Schluss gekommen ist, dass diesem eine Rückkehr nicht zugemutet werden könne und somit seit der Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung ohnehin keine wesentliche Änderung eingetreten ist.
Das erkennende Gericht verkennt dabei nicht, dass der Beschwerdeführer sich in Österreich weitergebildet hat und 2014 die „Neue Mittelschule“ abgeschlossen hat und zudem seit 2017 einer Erwerbstätigkeit nachgeht. Im Hinblick auf den Abschluss der „Neuen Mittelschule“ ist anzumerken, dass die belangte Behörde trotz dieser Weiterbildung zweimal die befristete Aufenthaltsberechtigung verlängert hat und diese die Weiterbildung somit entsprechend gewürdigt hat. Im Hinblick auf die Berufserfahrung ist anzumerken, dass der Beschwerdeführer bereits in Iran Berufserfahrung sammeln konnte und aufgrund seiner fehlenden Berufsausbildung auch in Österreich lediglich Hilfsarbeitertätigkeiten ausüben konnte. Weder die Bildung des Beschwerdeführers noch seine Berufserfahrung haben sich sohin im Vergleich zum Zeitpunkt der Zuerkennung des subsidiären Schutzes bzw. der Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung wesentlich verbessert. Zudem gibt die Begründung des Bescheides der belangten Behörde vom 26.09.2012 keinen Hinweis darauf, dass mangelnde Bildung oder mangelnde Berufserfahrung für die Gewährung des subsidiären Schutzes von Bedeutung gewesen wären.
Auch den weiteren Ausführungen der belangten Behörde kann nicht entnommen werden warum es zu einer nachhaltigen und maßgeblichen Änderung der subjektiven bzw. persönlichen Situation des Beschwerdeführers bzw. zu einer Verbesserung der Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan gekommen ist, da diese in ihren weiteren Ausführung weitgehend nur auf die aktuelle Situation abstellt, ohne dabei eine Prüfung dahingehen vorzunehmen, ob in den einzelnen Punkten eine maßgebliche Veränderung seit der Zuerkennung des subsidiären Schutzes bzw. den Verlängerungen der befristeten Aufenthaltsberechtigung stattgefunden hat.
Insgesamt ist somit nicht ersichtlich, dass sich die subjektive und persönliche Situation des Beschwerdeführers, welche zur Zuerkennung des subsidiären Schutzes bzw. zur Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung geführt hat, wesentlich und nachhaltig geändert hat.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
3.1. Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides – Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten
3.1.1. § 9 Asylgesetz 2005 (AsylG) lautet:
„Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten
§ 9. (1) Einem Fremden ist der Status eines subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn
1. die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1) nicht oder nicht mehr vorliegen;
2. er den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen in einem anderen Staat hat oder
3. er die Staatsangehörigkeit eines anderen Staates erlangt hat und eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen neuen Herkunftsstaat keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention oder für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
(2) Ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht schon aus den Gründen des Abs. 1 abzuerkennen, so hat eine Aberkennung auch dann zu erfolgen, wenn
1. einer der in Art. 1 Abschnitt F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe vorliegt;
2. der Fremde eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Republik Österreich darstellt oder
3. der Fremde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt worden ist. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB, BGBl. Nr. 60/1974, entspricht.
In diesen Fällen ist die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und der Feststellung zu verbinden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig ist, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
(3) Ein Verfahren zur Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ist jedenfalls einzuleiten, wenn der Fremde straffällig geworden ist (§ 2 Abs. 3) und das Vorliegen der Voraussetzungen gemäß Abs. 1 oder 2 wahrscheinlich ist.
(4) Die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ist mit dem Entzug der Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu verbinden. Der Fremde hat nach Rechtskraft der Aberkennung Karten, die den Status des subsidiär Schutzberechtigten bestätigen, der Behörde zurückzustellen.“
3.1.2. § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 enthält zwei unterschiedliche Aberkennungstatbestände: Dem Fremden ist der Status eines subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen abzuerkennen, wenn die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1 AsylG 2005) nicht oder nicht mehr vorliegen. Der erste Fall des § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 erfasst die Konstellation, in der der Fremde schon im Zeitpunkt der Zuerkennung von subsidiärem Schutz die dafür notwendigen Voraussetzungen nicht erfüllt hat. § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG 2005 betrifft hingegen jene Konstellationen, in denen die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nachträglich weggefallen sind (VwGH 17.10.2019, Ro 2019/18/0005, mwN).
Die Heranziehung des Tatbestands des § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG 2005 setzt voraus, dass sich der Sachverhalt seit der Zuerkennung des subsidiären Schutzes bzw. der erfolgten Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung nach § 8 Abs. 4 AsylG 2005 (die nur im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen für die Zuerkennung erteilt werden darf) geändert hat (vgl. dazu etwa VwGH 17.10.2019, Ra 2019/18/0353, mwN). Nicht jede Änderung des Sachverhalts rechtfertigt allerdings die Aberkennung des subsidiären Schutzes. Eine maßgebliche Änderung liegt unter Bedachtnahme auf die unionsrechtlichen Vorgaben von Art. 19 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 16 Abs. 2 der Richtlinie 2011/95/EU (Statusrichtlinie) vielmehr nur dann vor, wenn sich die Umstände so wesentlich und nicht nur vorübergehend verändert haben, dass ein Anspruch auf subsidiären Schutz nicht länger besteht (VwGH 17.10.2019, Ro 2019/18/0005).
Als maßgeblich erweist sich, dass gerade in Bezug auf die Frage, ob sich die Umstände, die für die Zuerkennung von subsidiären Schutz von Bedeutung waren, so wesentlich und nicht nur vorübergehend verändert haben, sodass Anspruch auf subsidiären Schutz nicht länger besteht, es regelmäßig nicht allein auf den Eintritt eines einzelnen Ereignisses ankommt. Der Wegfall der Notwendigkeit, auf den Schutz eines anderen Staates angewiesen zu sein, kann sich durchaus auch als Ergebnis unterschiedlicher Entwicklungen von Ereignissen, die sowohl in der Person des Fremden als auch in der in seinem Heimatland gegebenen Situation gelegen sind, darstellen (vgl. in diesem Zusammenhang sowohl die […] Rechtsprechung zu den Leitlinien der Prüfung, ob ein „real risk" der Verletzung des Art. 3 MRK droht, nach der die "die konkrete Einzelsituation des Fremden in ihrer Gesamtheit" zu beurteilen ist bzw. es einer „ganzheitlichen Bewertung" der individuellen Situation des Fremden bedarf) (VwGH 27.05.2019, Ra 2019/14/0153).
Bei einer Beurteilung nach § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG 2005 sind nicht isoliert nur jene Sachverhaltsänderungen zu berücksichtigen, die zeitlich nach der zuletzt erfolgten Bewilligung der Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung eingetreten sind, sondern es dürfen im Rahmen der bei der Beurteilung vorzunehmenden umfassenden Betrachtung bei Hinzutreten neuer Umstände alle für die Entscheidung maßgeblichen Elemente einbezogen werden, selbst wenn sie sich vor der Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung ereignet haben (VwGH 27.05.2019, Ra 2019/14/0153).
3.1.3. Aufgrund der oben getroffenen Feststellung ist keine wesentliche und nachhaltige Änderung der maßgeblichen Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan unter Berücksichtigung der persönlichen Situation des Beschwerdeführers seit dem Zeitpunkt der Zuerkennung des Status des subsidiären Schutzberechtigten bzw. den Zeitpunkten der Verlängerungen der befristeten Aufenthaltsberechtigung eingetreten.
An diesem Ergebnis kann auch eine allenfalls geänderte Rechtsprechung zur Frage der Gewährung von subsidiärem Schutz von gesunden, alleinstehenden, erwachsenen, männlichen afghanischen Staatsangehörigen nichts ändern. Von einer nachträglichen Änderung der Sache ist der Fall zu unterscheiden, in dem der Sachverhalt anders rechtlich beurteilt wird oder (wie gegenständlich auch nicht der Fall) neue Tatsachen oder Beweismittel bekannt werden, die bereits im Zeitpunkt der Erlassung der Entscheidung vorlagen, aber erst später bekannt wurden („nova reperta"). Die schon vor Erlassung der Entscheidung bestehende Sachlage ist von der Rechtskraft des Bescheides erfasst und bindet Gerichte und Behörden, solange diese Entscheidung dem Rechtsbestand angehört (VwGH 09.01.2020, Ra 2019/19/0496, mwN).
Die Voraussetzungen für die amtswegige Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG 2005 - sowie auch gemäß erster Fall leg.cit. - lagen und liegen weiterhin sohin gegenständlich nicht vor.
3.1.4. Der Beschwerde ist daher stattzugeben.
3.2. Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung
Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.
Eine mündliche Verhandlung konnte im Fall des Beschwerdeführers deshalb unterbleiben, weil aus dem Inhalt des dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Verwaltungsakts die Grundlage des bekämpften Bescheides unzweifelhaft nachvollziehbar ist. Es hat sich auch in der Beschwerde kein zusätzlicher Hinweis auf die Notwendigkeit ergeben, den maßgeblichen Sachverhalt mit dem Beschwerdeführer und der belangten Behörde in einer mündlichen Verhandlung zu erörtern.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.
In der Beschwerde findet sich kein Hinweis auf das Bestehen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren und sind solche auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegeben. Die Entscheidung folgt der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.
Schlagworte
Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten Aberkennungstatbestand § 9 Abs. 1 Behebung der Entscheidung Bindungswirkung ersatzlose Behebung individuelle Verhältnisse Rechtskraft Sicherheitslage Versorgungslage wesentliche ÄnderungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W193.1429793.2.00Im RIS seit
22.01.2021Zuletzt aktualisiert am
22.01.2021