TE Bvwg Beschluss 2020/11/3 W161 2184670-2

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Veröffentlicht am 03.11.2020
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Entscheidungsdatum

03.11.2020

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §32 Abs1 Z2

Spruch


W161 2184670-2/3E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Dr. Monika LASSMANN als Einzelrichterin über den Antrag vonXXXX XXXX XXXX , geboren am XXXX alias XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch RAe Teufer-Peyrl, Hennerbichler GesbR, in 4240 Freistadt, vom 08.05.2020 auf Wiederaufnahme des mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 20.05.2019, GZ W161 2184670-1/12E, rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahrens:

A)

Der Antrag wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.


Text


Begründung:

I. Verfahrensgang:

1. Der Antragsteller, ein Staatsangehöriger Afghanistans brachte am 20.07.2015 nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet erstmals einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich ein.

Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) vom 18.12.2017, Zl. 1078840108-150896686, ebenso abgewiesen wie der Antrag auf Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Heimatstaat Afghanistan, eine Aufenthaltsberechtigung aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde nicht erteilt, eine Rückkehrentscheidung wurde erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei. Weiters wurde eine 14-tägige Frist zur freiwilligen Ausreise eingeräumt.

2. Die dagegen fristgerecht erhobene eine Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 20.05.2019 nach einer mündlichen Verhandlung zu GZ W161 2184670-1/12E als unbegründet abgewiesen wurde und ist dieses Erkenntnis in Rechtskraft erwachsen.

Die Behandlung einer beim Verfassungsgerichtshof eingebrachten Beschwerde wurde mit Beschluss des VfGH vom 03.09.2019 abgelehnt und die Beschwerde zur Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof abgetreten. Mit Beschluss des VwGH vom 11.12.2019 wurde die Revision zurückgewiesen.

3. In weiterer Folge begab sich der Antragsteller nach Frankreich, wo er am 14.01.2020 einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz stellte.

4. Am 21.02.2020 wurde der Antragsteller im Rahmen eines Verfahrens nach der Dublin III-VO von Frankreich nach Österreich rücküberstellt und brachte im Bundesgebiet am 21.02.2020 abermals einen Antrag auf internationalen Schutz (Folgeantrag), ein.

Hiezu gab er in der Erstbefragung befragt nach seinen Gründen für eine neuerliche Asylantragstellung an: „Ich halte alle meine alten Fluchtgründe vollinhaltlich aufrecht. Es gibt keine neuen Gründe. Auf Grund meiner alten Fluchtgründe kann ich nicht nach Afghanistan zurück.“

Bei seiner Einvernahme vor dem Bundesamt nannte er dann als neuen Fluchtgrund seine Konversion zum Christentum.

5. Mit Schriftsatz vom 08.05.2020 brachte der Antragsteller den gegenständlichen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens beim Bundesverwaltungsgericht ein. Begründend wird ausgeführt, dass gemäß § 31 Abs. 1 Z 2 VwGVG neue Beweismittel hervorgekommen seien, die im Verfahren ohne Verschulden des Antragstellers nicht geltend gemacht werden hätten können und die ein im Hauptinhalt des Spruches anders lautendes Erkenntnis herbeigeführt hätten. Der BF habe im Verfahren zahlreiche Unterlagen vorgelegt, aus denen sich nachweislich ergebe, dass er als Security Officer am Flughafen Kabul für ein privates Sicherheitsunternehmen gearbeitet habe. Das Sicherheitsunternehmen sei mehrmals umfirmiert geworden und habe die Firma zunächst XXXX , dann XXXX und zuletzt XXXX geheißen. Das ausländische Sicherheitsunternehmen sei unter anderem für die Sicherheit von internationalen Flughäfen in Krisengebieten zuständig und würden ausländische Fachkräfte ua. nach Afghanistan entsendet werden, welche dort die Sicherheitsstrukturen aufbauen und die damit verbundenen Kontrollen mit afghanischen Mitarbeitern, die in Schulungen zum Security Officer (für unterschiedliche Bereiche wie Airfield, Aircraft Search, Personenkontrolle, Gepäckkontrolle etc.) ausgebildet werden würden. Ein Security Officer – wie auch der Antragsteller einer gewesen sei – habe Zugang zu den sicherheitsempfindlichsten Bereichen des Flughafens. Dem Antragteller sei es nach langen Bemühungen gelungen, Kontakt mit seinem Vorgesetzten aufzunehmen ( XXXX zuständig für die Einteilung der Schichten am Flughafen Kabul). Dieser habe dem BF eine Bestätigung vom 25.04.2020 (Beilage 1) betreffend die Anstellung des Antragstellers am Flughafen Kabul, Schichtpläne von April 2011 (Beilagen 2-4) sowie ein Foto des Antragstellers (Beilage 5) übermittelt. Weiters habe er mit XXXX (einem Projekt und Aviation Security Manager der International Civil Aviation Organisation beim Flughafen Kabul) Kontakt 0aufnehmen können und habe dieser ihm eine Bestätigung vom 04.05.2020 geschickt, wonach der Antragsteller von Februar 2010 bis Juni 2015 am internationalen Flughafen Kabul beschäftigt gewesen sei (Beilage 6). Weiters sei dem Antragsteller vom derzeit in Frankreich lebenden XXXX , welcher ebenfalls einer der ausländischen Manager der XXXX in Afghanistan gewesen sei, seine „Confirmation of Employment“ samt Foto des XXXX vom 05.05.2019 übermitteln worden (Beilage 10). Dazu würden drei weitere Fotos vorgelegt werden (Beilagen 7-9). Aus diesen Bestätigungen ergebe sich, dass der BF tatsächlich am Flughafen Kabul in unterschiedlichen Bereichen als Security Officer gearbeitet habe und seine damaligen Angaben der Wahrheit entsprechen würden. Auch werde die Einvernahme des XXXX und des XXXX als Zeugen beantragt. Das Bundesverwaltungsgericht habe jegliche Ermittlungstätigkeit sowie ein ordentliches Ermittlungsverfahren unterlassen. Da die erkennende Richterin - für den Antragsteller unvorhersehbar - von dem für das BFA glaubwürdigen Sachverhalt abgewichen sei, wäre es erforderlich gewesen, dem Antragsteller zur Vorlage weiterer Urkunden zum Beweis seiner Tätigkeit am Flughafen aufzutragen. Dadurch sei ihm die Möglichkeit genommen worden, zu den bereits vorgelegten Unterlagen noch weitere Dokumente einzuholen bzw. vorzulegen oder Erklärungen abzugeben. Die Richterin habe auch keine Fragen zu den im Verfahren vorgelegten Unterlagen gestellt oder ihm die Möglichkeit zur Erklärung eingeräumt. Für den Antragsteller sei nicht erkennbar gewesen, dass die vorgelegten Beweismittel lapidar als Fälschungen abgetan werden würde. Die nunmehr hervorgekommenen Unterlagen würden die Arbeit des BF für ausländische (westliche und amerikanische) Firmen bestätigen und würden die Taliban dem Antragsteller aufgrund der Arbeit mit Ausländern eine politische Gesinnung unterstellen, welche zu einer wohlbegründeten Furcht vor Verfolgung führe. Auch sei der BF bei einer Rückkehr dem realen Risiko einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt. Es sei ihm daher Asyl oder subsidiärer Schutz zu gewähren.

6. Mit Bescheid des BFA vom 02.07.2020 wurde der Folgeantrag des Antragstellers hinsichtlich des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass dessen Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei und dass gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe (Spruchpunkt VI.). Zudem wurde ein befristetes Einreiseverbot gemäß § 53 Abs. 1 iVm § Abs. 2 FPG für die Dauer von zwei Jahren erlassen (Spruchpunkt VII.) und dem Antragsteller die Unterkunftnahme in der XXXX aufgetragen (Spruchpunkt VIII.).

7. Gegen diesen Bescheid brachte der Antragsteller in vollem Umfang fristgerecht Beschwerde ein und wurde der Beschwerde mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 24.07.2020, Zl.: W165 2184670-3, gemäß § 17 Abs. 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt und die Revision für nicht zulässig erklärt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Antragsteller, ein männlicher Staatsangehöriger Afghanistans stellte am 20.07.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich, welcher mit Bescheid des BFA vom 18.12.2017 abgewiesen wurde. Es wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und seine Abschiebung nach Afghanistan für zulässig erklärt.

Die dagegen erhobene Beschwerde des Antragstellers wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 20.05.2019, Zl. W161 2184670-1, als unbegründet abgewiesen und ist dieses Erkenntnis in Rechtskraft erwachsen. Die Behandlung einer beim Verfassungsgerichtshof eingebrachten Beschwerde wurde mit Beschluss des VfGH vom 03.09.2019 abgelehnt und die Beschwerde zur Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof abgetreten. Mit Beschluss des VwGH vom 11.12.2019 wurde die Revision zurückgewiesen.

Der Antragsteller begab sich in weiter Folge nach Frankreich, wo er am 14.01.2020 einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz stellte.

Am 21.02.2020 wurde der Antragsteller im Rahmen eines Verfahrens nach der Dublin III-VO von Frankreich nach Österreich rücküberstellt und brachte im Bundesgebiet am 21.02.2020 abermals einen Antrag auf internationalen Schutz (Folgeantrag), ein, welcher mit Bescheid des BFA vom 02.07.2020 wegen entschiedener Sache zurückgewiesen wurde. Es wurde eine mit einem Einreiseverbot verbundene Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig ist. Zudem wurde ihm die Unterkunftnahme in einer bestimmten Einrichtung des Bundes angeordnet.

Der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 24.07.2020 die aufschiebende Wirkung zuerkannt. Über den Folgeantrag hat das Bundesverwaltungsgericht bis dato noch nicht entschieden.

Mit Schreiben vom 08.05.2020 beantragte der Antragsteller die Wiederaufnahme des Verfahrens, wobei er zahlreiche Dokumente vorlegte, welche bestätigen würden, dass er tatsächlich Security Officer am Flughafen Kabul gewesen sei.

2. Beweiswürdigung:

Beweise wurden erhoben durch die Einsichtnahme in die Verwaltungs- und Gerichtsakten (W161 2184670-1, W161 2184670-2 und W165 2184670-3) sowie durch Einsicht der mit dem Wiederaufnahmeantrag vorgelegten Dokumente bzw. Bestätigungen.

Der festgestellte Sachverhalt in Bezug auf den bisherigen Verfahrensgang steht aufgrund der außer Zweifel stehenden Aktenlage fest.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist. Mit Fuchs (in Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren, 2013, § 32 VwGVG, Anm 13) ist der Systematik des VwGVG folgend anzunehmen, dass sämtliche Entscheidungen über Wiederaufnahmeanträge - als selbstständige Entscheidungen - in Beschlussform zu erfolgen haben (ebenso Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahren der Verwaltungsgerichte2, 2017, § 32 VwGVG K 29).

Zu A) Abweisung des Wiederaufnahmeantrags:

3.2. Gemäß § 32 Abs 1 Z 2 VwGVG ist einem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Erkenntnis des Verwaltungsgerichts abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich ein im Hauptinhalt des Spruchs anders lautendes Erkenntnis herbeigeführt hätten.

Gemäß § 17 VwGVG ist der IV. Teil des AVG, und somit die Bestimmung über die Wiederaufnahme gemäß § 69 AVG, nicht auf Verfahren vor den Verwaltungsgerichten anwendbar. Die Wiederaufnahmegründe des § 32 Abs. 1 VwGVG sind jedoch denjenigen des § 69 Abs. 1 AVG nachgebildet. Es kann daher auf das bisherige Verständnis zu diesen Wiederaufnahmegründe zurückgegriffen werden (VwGH vom 31.08.2015, Ro 2015/11/0012). Die zu § 69 Abs. 1 Z 2 AVG ergangene Judikatur zur Wiederaufnahme ist auf den nahezu wortgleichen § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG übertragbar (VwGH vom 08.08.2017, Ra 2017/19/0120).

Der Antrag auf Wiederaufnahme ist gemäß § 32 Abs. 2 VwGVG binnen zwei Wochen beim Verwaltungsgericht einzubringen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antragsteller von dem Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat, wenn dies jedoch nach der Verkündung des mündlichen Erkenntnisses und vor Zustellung der schriftlichen Ausfertigung geschehen ist, erst mit diesem Zeitpunkt. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Erkenntnisses kann der Antrag auf Wiederaufnahme nicht mehr gestellt werden. Die Umstände, aus welchen sich die Einhaltung der gesetzlichen Frist ergibt, sind vom Antragsteller glaubhaft zu machen.

Da es im Verfahren über einen Wiederaufnahmeantrag um eine Durchbrechung des Grundsatzes der Rechtskraft geht, sind die Prozessvoraussetzungen streng zu prüfen (VwGH vom 24.09.2014, 2012/03/0165).

Neue Tatsachen und neue Beweismittel:

Nach § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG 2014 rechtfertigen neu hervorgekommene Tatsachen und Beweismittel (also solche, die bereits zur Zeit des früheren Verfahrens bestanden haben, aber erst später bekannt wurden) - bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen - eine Wiederaufnahme des Verfahrens, wenn sie die Richtigkeit des angenommenen Sachverhalts in einem wesentlichen Punkt als zweifelhaft erscheinen lassen; gleiches gilt für neu entstandene Beweismittel, sofern sie sich auf "alte" - d.h. nicht erst nach Abschluss des wiederaufzunehmenden Verfahrens entstandene - Tatsachen beziehen (vgl. VwGH vom 8. September 2015, Ra 2014/18/0089, mwN).

Bei Sachverhaltsänderungen, die nach der Entscheidung eingetreten sind, ist kein Antrag auf Wiederaufnahme, sondern ein neuer Antrag zu stellen, weil in diesem Fall einem auf der Basis des geänderten Sachverhaltes gestellten Antrag die Rechtskraft bereits erlassener Bescheide nicht entgegensteht (VwGH vom 08.08.2017, Ra 2017/19/0120).

Tatsachen sind Geschehnisse im Seinsbereich, auch wenn es sich um "innere Vorgänge" handelt (VwGH vom 15.12.1994, 93/09/0434). Es muss sich um mit dem Sachverhalt des abgeschlossenen Verfahrens zusammenhängende tatsächliche Umstände, wie etwa Zustände, Vorgänge, Beziehungen oder Eigenschaften handeln, deren Berücksichtigung voraussichtlich zu einem anderen als dem vom rechtskräftigen Bescheid zum Ausdruck gebrachten Ergebnis geführt hätte.

Bereits im wiederaufzunehmenden Verfahren geltend gemachte Tatsachen können keinesfalls einen Wiederaufnahmegrund iSd § 32 VwGVG begründen. Dies gilt auch für Vorbringen, die im Wesentlichen nur eine Wiederholung von bereits während des ersten Verwaltungsverfahrens vorgebrachten Umständen oder eine Bekämpfung der von der Behörde vorgenommenen Beweiswürdigung enthalten (VwGH vom 29.05.2008, 2007/07/0040; VwGH vom 24.02.2011, 2010/09/0198).

Neu entstandene Tatsachen ("nova causa superveniens"), also Änderungen des Sachverhalts nach Abschluss des Verfahrens, erübrigen eine Wiederaufnahme des Verfahrens. Bei Sachverhaltsänderungen, die nach der Entscheidung über einen Asylantrag eingetreten sind, ist kein Antrag auf Wiederaufnahme, sondern ein neuer Antrag (auf internationalen Schutz) zu stellen (vgl dazu VwGH 17.02.2006, 2006/18/0031; 07.04.2000, 96/19/2240, 20.06.2001, 95/08/0036; 18.12.1996, 95/20/0672; 25. 11. 1994, 94/19/0145; 25.10.1994, 93/08/0123; 19.02.1992, 90/12/0224 ua).

Mit „Beweismittel“ iSd §32 VwGVG sind Mittel zur Herbeiführung eines Urteils über Tatsachen gemeint. Grundsätzlich gilt für Beweismittel das Gleiche wie für Tatsachen, nämlich, dass sie nur dann einen Wiederaufnahmegrund darstellen, wenn sie schon bei Abschluss des vorangegangenen Verfahrens bestanden haben, aber nicht bekannt waren und daher – ohne Verschulden der Partei – nicht geltend gemacht werden konnten. Sind sie nach Abschluss des Verfahrens (neu) entstanden, erfüllen sie die Voraussetzungen des Wiederaufnahmegrundes nicht.

Es ist Sache des Wiederaufnahmewerbers darzutun, dass die von ihm behaupteten neuen Tatsachen oder Beweismittel im Verwaltungsverfahren ohne sein Verschulden nicht geltend gemacht werden konnten (VwGH vom 24.06.20152012/10/0243).

Nach der ausdrücklichen Anordnung in § 32 Abs 1 Z 2 VwGVG stellen neu hervorgekommene Tatsachen oder Beweise nur dann einen Grund für die Wiederaufnahme des Verfahrens dar, wenn sie allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich eine im Hauptinhalt des Spruches anders lautende Entscheidung herbeigeführt hätten. Es muss sich also um neu hervorgekommene Tatsachen oder Beweismittel handeln, die den Sachverhalt betreffen und die, wenn sie schon im wiederaufzunehmenden Verfahren berücksichtigt worden wären, zu einer anderen Feststellung des Sachverhalts und voraussichtlich zu einer im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Entscheidung geführt hätten (VwGH vom 18.01.2017, Ra 2016/18/0197; VwGH vom 24.09.2014, 2012/03/0165).

Tauglich ist ein Beweismittel als Wiederaufnahmegrund (ungeachtet des Erfordernisses der Neuheit) also nur dann, wenn es nach seinem objektiven Inhalt und unvorgreiflich der Bewertung seiner Glaubwürdigkeit die abstrakte Eignung besitzt, jene Tatsachen in Zweifel zu ziehen, auf welche das BVwG entweder die den Gegenstand des Wiederaufnahmeverfahrens bildende Entscheidung oder zumindest die zum Ergebnis dieser Entscheidung führende Beweiswürdigung tragend gestützt hat (vgl. VwGH vom 19. April 2007, 2004/09/0159).

Unter Berücksichtigung der zitierten maßgeblichen Judikatur bedeutet dies für den gegenständlichen Wiederaufnahmeantrag Folgendes:

Der gegenständliche Antrag zielt darauf ab, das mit dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 20.05.2019 rechtskräftig abgeschlossene vorangegangenen Verfahren wiederaufzunehmen.

Das Bundesverwaltungsgericht hat im rechtskräftigen Erkenntnis vom 20.05.2019 die Abweisung des Asylantrages darauf gestützt, dass der Antragsteller keine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung iSd GFK glaubhaft machen konnte. Das Fluchtvorbringen des BF, wonach er am Flughafen Kabul als Security Officer gearbeitet hätte und unbekannte Personen bzw. die Taliban ihn zwingen hätten wollen, eine Bombe auf das Flughafengelände zu transportieren, wurde für nicht glaubhaft befunden. Ebenso ging das erkennende Gericht nicht davon aus, dass die vom Antragsteller vorgelegten Unterlagen (diverse Ausweise, Empfehlungsschreiben, Zertifikate und Bestätigungen) echt sind.

Der Wiederaufnahmewerber bringt in seinem Wiederaufnahmeantrag nunmehr zahlreiche Unterlagen in Vorlage, die beweisen sollen, dass er tatsächlich am Flughafen in Kabul als Security Officer gearbeitet habe, sein damaliges Vorbringen nunmehr als glaubhaft zu beurteilen sei und diese neuen Umstände eine anders lautende Entscheidung – konkret die Zuerkennung des Asylstatus bzw. den Status des subsidiär Schutzberechtigten – herbeigeführt hätte.

Zur Rechtzeitigkeit des Antrages auf Wiederaufnahme ist zunächst darauf hinzuweisen, dass in dem von einem Rechtsanwalt verfassten Wiederaufnahmeantrag lediglich Ausführungen bezüglich der 3jährigen absoluten Frist gemacht werden. Ausgehend davon, dass die vom BF vorgelegten Bestätigungen (Beilage 1 und 6) mit 25.04.2020 und 04.05.2020 datiert sind und der BF diese Bestätigungen nach Österreich geschickt bekommen hat und somit erst dann Kenntnis davon erlangt hat, wird zugunsten des Antragstellers davon ausgegangen, dass der mit 08.05.2020 datierte und am 13.05.2020 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangte Antrag rechtzeitig iSd § 32 Abs. 2 VwGVG war.

Der Antrag auf Wiederaufnahme erweist sich aber als nicht berechtigt.

Zu den vorgelegten Beweismitteln im Detail:

Die vorgelegten Bestätigungen, also jene des XXXX , datiert mit 25.04.2020 (Beilage 1) sowie jene des XXXX datiert mit 04.05.2020 (Beilage 6), stellen zwar grundsätzlich „neu entstandene“ Beweismittel dar; laut der Rechtsprechung des VwGH kann eine spätere Erklärung eines (potentiellen) Zeugen an sich geeignet sein, um zur Wiederaufnahme des Verfahrens zu führen (VwGH vom 14.11.2102, 2010/08/0165, VwGH vom 8. September 2015, Ra 2014/18/0089).

Für das erkennende Gericht ist diesbezüglich aber zunächst nicht verständlich, weshalb der Antragsteller diese beiden Bestätigungen nicht schon in seinem ersten Asylverfahren vorlegen konnte oder die beiden Personen als Zeugen benannte. Im Wiederaufnahmeantrag wurden auch keine substantiierten Ausführungen dazu gemacht, dass der Antragsteller die Beweismittel im Verfahren ohne sein Verschulden nicht habe vorlegen können. Vielmehr wurde lediglich darauf hingewiesen, dass das erkennende Gericht – für den Antragsteller – unvorhersehbar von den Ausführungen des Bescheides abgewichen sei.

Dazu ist aber darauf hinzuweisen, dass das Bundesverwaltungsgericht nicht an die Ausführungen der belangten Behörde gebunden ist, sondern sich nach der Durchführung einer mündlichen Verhandlung selbst ein Bild über die Glaubwürdigkeit der Angaben eines Asylwerbers machen kann/muss. Hinzu kommt, dass der Antragsteller während des gesamten Asylverfahrens weder den Namen XXXX , noch den Namen XXXX erwähnte, sondern sprach er selbst nur von einem Operation Manager namens XXXX (AS 133, S. 6 Verhandlungsprotokoll). Weiters wird in dem Schreiben des XXXX (Beilage 6) ausgeführt, dass dieser Project/Security Manager am Flughafen Kabul von Jänner 2009 bis Dezember 2012 gewesen sei. Wie XXXX dann nunmehr bestätigen solle, dass der Antragsteller von Februar 2010 bis Juni 2015 am Flughaften Kabul gearbeitet habe, obwohl XXXX laut seinen eigenen Angaben in dem Schreiben aber offenbar selbst gar nicht mehr dort gewesen sei, erschließt sich dem erkennenden Gericht nicht.

Aber auch die vorgelegte Bestätigung des XXXX (Beilage 1) ist nicht geeignet, eine anderslautende Entscheidung herbeizuführen, zumal darin zwar ausgeführt wird, dass der Antragsteller für die Firmen XXXX sowie XXXX gearbeitet habe, der Antragsteller selbst jedoch in seinem Asylverfahren aber stets angab, zuerst für die Firma XXXX , dann für die Firma XXXX und zuletzt für die Firma XXXX gearbeitet zu haben. Der nunmehr namhaft gemachte Zeuge XXXX weiß sohin offenbar gar nicht über die genauen Tätigkeiten des Antragstellers Bescheid, weshalb für das erkennende Gericht deshalb nicht ersichtlich ist, wie dieser Zeuge fundierte Angaben zur Tätigkeit des Antragstellers am Flughafen Kabul machen soll.

Diese beiden Beweismittel können daher weder alleine, noch in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens eine anderslautende Entscheidung herbeiführen, zumal sich der Antragsteller schon in seinem Asylverfahren in zahlreiche Widersprüche verstrickte, schon die damals vorgelegten Unterlagen betreffend seine Tätigkeit am Flughafen Kabul nicht mit seinen Angaben in Einklang zu bringen waren und deshalb auch die nunmehr vorgelegten Bestätigungen von angeblichen Zeugen nicht geeignet sind, die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes zu entkräften.

Die zusätzlich vorgelegten Schichtpläne aus dem Jahr 2011 (Beilagen 2-4) stellen zwar grundsätzlich (sofern es sich überhaupt um echte Unterlagen handelt) „nova reperta“ dar, aber auch hierbei ist für das erkennende Gericht zunächst nicht verständlich, weshalb der Antragsteller diese Unterlagen nicht schon in seinem Asylverfahren in Vorlage bringen konnte. Abgesehen davon, ist auf den Ausdrucken weder einer der genannten Firmen ( XXXX ), noch das Symbol oder der Name des Flughafens Kabul ersichtlich. Dass der Wiederaufnahmewerber tatsächlich für eine der genannten Firmen bzw. am Flughafen Kabul gearbeitet hat, kann mit diesen Ausdrucken daher nicht unter Beweis gestellt werden und ist abermals darauf hinzuweisen, dass aufgrund der im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht und im Erkenntnis wiedergegebenen Widersprüche und Unstimmigkeiten hinsichtlich seiner Tätigkeit am Flughafen, ein anderer Verfahrensausgang nicht denkbar ist.

Aus der weiters vorgelegten „Confirmation of Employment“, des XXXX , welche mit 05.05.2019 datiert ist (Beilage 10) steht zwar geschrieben, dass diese Person von 08.11.2012 bis 05.02.2019 für die Firma XXXX bzw. am internationalen Flughafen in Kabul gearbeitet hat, inwiefern dieses Schreiben aber die Tätigkeit des Antragstellers am Flughafen Kabul bestätigen sollte, erschließt sich dem erkennenden Gericht nicht, zumal der Antragsteller in diesem Schreiben mit keinem einzigen Wort erwähnt wird. Abgesehen davon, ist der vollständigkeitshalber auch darauf hinzuweisen, dass das Logo bzw. der Stempel der Firma XXXX auf der „Confirmation of Employment“ gänzlich anders aussieht als auf den im Asylverfahren vorgelegten Unterlagen des Antragstellers (AS 173 und 179). Zwar wurden mit dem Wiederaufnahmeantrag noch weitere Fotos (Beilage 7 und 9) vorgelegt, auf welchen unter anderem XXXX sowie ein weiterer Mitarbeiter des Flughafens namens XXXX abgebildet sein sollen, jedoch können weder die darauf abgebildeten Personen, noch das Datum an dem das Foto gemacht wurde, eruiert werden. Auch der Antragsteller selbst ist auf diesen Fotos nicht abgebildet. Inwiefern diese beiden Fotos dazu geeignet sein sollen, die Tätigkeit des Antragstellers am Flughafen Kabul nachzuweisen bzw. die Beweiswürdigung des rechtskräftigen Erkenntnisses zu widerlegen und einen anderen Verfahrensausgang herbeizuführen, erschließt sich dem erkennenden Gericht gänzlich nicht.

Hinsichtlich der vorgelegten Fotos des Antragstellers (Beilage 5 und zweites Fotos auf Beilage 8) ist darauf hinzuweisen, dass selbst damit nicht bewiesen wird, dass der Antragsteller am Flughafen Kabul gearbeitet hat. Es kann weder verifiziert werden, wo und wann das Foto aufgenommen wurde, noch ob es sich bei der Person am Foto tatsächlich um den Antragsteller handelt. Unabhängig davon, ist auf den Fotos kein Flughafengelände abgebildet und trägt die als Antragsteller bezeichnete Person auf den Fotos auch keine Uniform, welche sie eindeutig als Mitarbeiter des Flughafens ausweisen würde.

Letztlich wurde das vorgelegte Foto (erstes Foto auf Beilage 8) schon im Zuge des Asylverfahrens in Vorlage gebracht (AS 203). Dieses wurde damit bereits im Rahmen der Beweiswürdigung in die Beurteilung miteinbezogen und kann schon aus diesem Grund nicht als neues Beweismittel im Wiederaufnahmeantrag geltend gemacht werden.

Die vorgelegten Beweismittel stellen daher keine taugliche Grundlage dafür dar, die Beweiswürdigung des rechtskräftigen Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes bzw. die rechtliche Würdigung, der Wiederaufnahmewerber unterliege in Afghanistan keiner asylrelevanten Verfolgung iSd GFK bzw. die Nichterteilung des subsidiären Schutzes in Zweifel zu ziehen. Wären die nun vorgelegten Beweismittel daher bereits zum Zeitpunkt der Entscheidung durch das Bundesverwaltungsgericht vorgelegen, hätten diese keine andere rechtliche Würdigung erfahren.

Vollständigkeitshalber wird schließlich noch darauf hingewiesen, dass selbst für den Fall, dass der Antragsteller tatsächlich am Flughafen Kabul gearbeitet hätte – wovon das erkennende Gericht jedoch nicht ausgeht – keine andere Entscheidung herbeigeführt werden könnte, zumal sich der Antragsteller nicht nur zu seinen Angaben betreffend seine Tätigkeit als Security-Mitarbeiter am Flughafen Kabul in massive Widersprüche bzw. Ungereimtheiten verstrickte, sondern auch – wie in der Beweiswürdigung des rechtskräftigen Erkenntnis ersichtlich ist – seine Schilderungen betreffend die Bedrohung durch unbekannte Teilnehmer/Taliban massiv widersprüchlich und daher nicht glaubwürdig waren.

Aus all diesen Gründen besteht für die vorgelegten Unterlagen keine Eignung, eine andere, allenfalls günstigere Entscheidung zugunsten des Wiederaufnahmewerbers herbeizuführen. Es lagen daher im Sinn der oben zitierten Judikatur keine Gründe vor, dem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens stattzugeben.

3.3. Unterbleiben der mündlichen Verhandlung

Da der Sachverhalt aus der Aktenlage geklärt schien und es sich bei der Einordnung, ob die Eignung eines vorgebrachten Wiederaufnahmegrundes vorliegt, um eine Rechtsfrage handelt (VwGH 19.04.2007, 2004/09/0159), konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm. § 24 VwGVG die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben (VwGH 28.05.2014, Ra 2014/220/0017).

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Beweismittel Glaubwürdigkeit Tauglichkeit Wiederaufnahme Wiederaufnahmeantrag Wiederaufnahmegrund

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W161.2184670.2.00

Im RIS seit

22.01.2021

Zuletzt aktualisiert am

22.01.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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