TE Bvwg Erkenntnis 2020/11/4 W161 2141872-2

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Veröffentlicht am 04.11.2020
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Entscheidungsdatum

04.11.2020

Norm

AsylG 2005 §9 Abs1
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §33 Abs1
VwGVG §7 Abs4

Spruch


W161 2141872-2/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Monika LASSMANN als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch RAe Dr. Martin DELLASEGA, Dr. Max KAPFERER, 6020 Innsbruck, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.02.2020, Zl. 1051132110/180385535/AWE

A)

1. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 29.01.2010 wird gemäß § 33 Abs.1 VwGVG als unbegründet abgewiesen.

2. Die Beschwerde wird als verspätet zurückgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 02.02.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) wies mit Bescheid vom 27.10.2016, Zl., den Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ab. Dem BF wurde jedoch der Status des subsidiär Schutzberechtigten bis 27.10.2017 zuerkannt und ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 27.10.2017 erteilt. Gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides (Asyl) brachte der BF fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde ein.

3. Am 22.08.2017 stellte der BF beim BFA einen Antrag auf Verlängerung der subsidiären Schutzberechtigung, welche ihm mit Bescheid des BFA vom 26.09.2017, Zl.15-1051132110/150123920 bis zum 27.10.2019 erteilt wurde.

4. Mit Protokollsvermerk und gekürzter Urteilsausfertigung des Landesgerichtes XXXX vom 16.05.2018, Zl.: XXXX , wurde der BF wegen der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 1. und 2. Fall SMG, der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 8. Deliktsfall und Abs. 4 Z 1 SMG sowie der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 7. Deliktsfall und Abs. 4 Z 1 SMG zu einer Geldstrafe in der Höhe von 300 Tagessätzen (insgesamt 1.500 EUR), im Uneinbringlichkeitsfall 150 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, verurteilt.

5. Nach Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung am 07.05.2019 wurde die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des Bescheides vom 27.10.2016 mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 04.06.2019 zu GZ W169 2141872-1/9E, als unbegründet abgewiesen.

6. Am 05.09.2019 stellte der BF erneut einen Antrag auf Verlängerung der subsidiären Schutzberechtigung.

7. Nach Einleitung eines Aberkennungsverfahrens und Durchführung einer Einvernahme durch das BFA am 17.10.2019 wurde dem BF mit verfahrensgegenständlichem Bescheid des BFA vom 11.11.2019, Zl.: 15-1051132110-180385535, der ihm mit Bescheid vom 27.10.2016, Zl.: 15-1051132110/150123920 zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 AsylG 2005 von Amts wegen aberkannt (Spruchpunkt I.). Die ihm mit Bescheid vom 27.10.2016 erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter wurde ihm gemäß § 9 Abs. 4 AsylG entzogen (Spruchpunkt II.) und ihm ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 5 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 4 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkt V.). In Spruchpunkt VI. wurde die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt. Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 FPG wurde gegen den BF ein auf Dauer von 3 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.). In Spruchpunkt VIII. wurde der Antrag vom 05.09.2019 auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG abgewiesen.

8. Mit Verfahrensanordnung vom 11.11.2019 wurde dem BF die ARGE Rechtsberatung – Diakonie und Volkshilfe amtswegig als Rechtsberatungseinrichtung für ein etwaiges Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zur Seite gestellt.

9. Am 14.11.2019 wurde versucht, den Bescheid dem BF an seiner aufrechten Meldeadresse in der XXXX , mittels RSa-Brief zuzustellen. Vom Zustellorgan wurde eine Verständigung über die Hinterlegung in die Abgabeeinrichtung eingelegt. Folglich wurde der Bescheid dem BF am 15.11.2019 (Beginn der Abholfrist) durch Hinterlegung zugestellt. Der Bescheid wurde vom BF nicht behoben und vom Postamt an das BFA rückübermittelt. Am 06.12.2019 langte beim BFA das RSa-Kuvert mit dem Vermerk „nicht behoben“ ein.

10. Am 03.01.2020 beauftragte das BFA die Landespolizeidirektion Tirol mit einer Hauserhebung, um abzuklären, ob der BF an der angegebenen Adresse noch wohnhaft sei.

11. Der BF erschien am 16.01.2020 persönlich vor dem BFA, wobei im Zuge dessen eine niederschriftliche Einvernahme zur Klärung der Meldeadresse bzw. zur Zustellung des Aberkennungsbescheides mit dem BF durchgeführt wurde.

Der BF gab an, keinen Vertreter oder Zustellbevollmächtigen zu haben. Er wohne seit etwa einem Jahr in dieser Wohnung, aber habe es wegen der Anmeldung mit dem Vermieter einige Probleme gegeben und daher sei ihm dies erst am 23.10.2019 möglich gewesen. Sein Briefkasten befinde sich beim Hauseingang. Er gehe 6 Tage die Woche arbeiten und schaue jeden Tag in der Früh nach, ob er Post erhalten habe. Er habe auch schon Briefe von seiner Bank erhalten, jedoch keinen Bescheid vom BFA. Da ihm in der letzten Einvernahme beim BFA am 17.10.2019 ein Bescheid angekündigt worden sei und er diesen noch nicht erhalten habe, habe er im Parteienverkehr vorgesprochen.

Befragt, ob er jemals eine Benachrichtigung der Post in seinem Briefkasten vorgefunden habe, wonach ein Brief zur Abholung beim Postamt für ihn bereitliege, gab der BF an, dass er viel Werbung bzw. Zeitungen bekomme und er bist jetzt 3 Briefe seiner Bank erhalten habe. Eine Benachrichtigung der Post, dass ein Schriftstück für ihn hinterlegt sei, habe er bis jetzt noch nie erhalten. Auf die Frage, wer Zugang zu diesem Briefkasten habe, führte der BF aus, dass er mit einem Herrn namens XXXX zusammenwohne. Es gäbe einen Briefkastenschlüssel, welcher neben der Wohnungstür hänge. Er gehe früher als XXXX zur Arbeit, daher hole meistens er die Post. Sollte Post von XXXX dabei sein, dann lege er sie ihm aufs Bett. So funktioniere es auch umgekehrt.

In weiterer Folge wurde der BF über die Zustellung des Bescheides durch Hinterlegung am 15.11.2019 sowie die inzwischen eingetretene Rechtskraft des Bescheides mit 14.12.2019 aufgeklärt. Dem BF wurde der Bescheid übergeben und wurde er darüber in Kenntnis gesetzt, dass er sich an seine Rechtsberatung bezüglich eines Antrages auf Wiedereinsetzung wenden könne.

Abschließend beteuerte der BF erneut, keinen Bescheid erhalten zu haben bzw. man ihn auch anrufen hätte können, da er bei der letzten Einvernahme seine Telefonnummer hinterlegt habe und es für ihn kein Problem gewesen wäre, vor seinem Arbeitsbeginn vorbeizukommen um den Bescheid entgegenzunehmen.

12. Das in Auftrag gegebene Erhebungsersuchen wurde durch das BFA in weiterer Folge storniert.

13. Am 29.01.2020 stellte der BF zunächst durch seine gewillkürten Rechtsvertreter einen Antrag auf Wiedereinsetzung und brachte gleichzeitig eine Beschwerde ein.

Zum Antrag auf Wiedereinsetzung wurde ausgeführt, dass der BF seit 23.10.2019 mit XXXX in einer Mietwohnung in einem 4-stöckigen Haus in der XXXX gemeldet sei. Es befinde sich für alle Wohnungen des Hauses ein versperrbarer Postkasten mit mehreren Einwurffächern im Parterre des Hauses. Auf das zu seiner Wohnung gehörende Einwurffach hätten nur der BF und sein Mitbewohner Zugriff. Abwechselnd würden beide regelmäßig und täglich am Morgen das Postfach leeren. Weder der BF, noch sein Mitbewohner hätten seit 23.10.2019 eine Hinterlegungsbenachrichtigung der Post erhalten. Da der BF am 17.10.2019 eine mündliche Einvernahme beim BFA gehabt habe, habe er eine behördliche Verständigung erwartet, weswegen er besonders sorgfältig und gewissenhaft das Postfach kontrolliert habe. Obwohl der BF und sein Mitbewohner in Erwartung der behördlichen Entscheidung täglich den Briefkasten kontrolliert hätten, habe er weder vor dem 15.11.2019, noch an den Tagen danach eine gelbe Verständigung über die Hinterlegung eines Bescheides im Briefkasten vorgefunden. Der BF sei Vollzeit berufstätig und sei er – als es ihm berufsbedingt möglich gewesen sei – am 16.01.2020 persönlich zum BFA gegangen, um sich betreffend seine Entscheidung zu erkundigen, da seine Firma eine Bestätigung über die Verlängerung des Aufenthaltstitels benötigen würde. Danach habe der BF einen Besprechungstermin bei seinen Vertretern vereinbart und sie mit der Erhebung der Schriftsätze beauftragt. Die Gründe zur Bewilligung des Antrages auf Wiedereinsetzung würden vorliegen, da der BF zum Zeitpunkt der Hinterlegung des Bescheides gemeinsam mit seinem Mitbewohner abwechselnd täglich seinen Briefkasten kontrolliert habe, sie aber keine gelbe Verständigung über die Hinterlegung vorgefunden hätten. Der BF habe keinen Einfluss darauf, dass die Verständigung in einen Briefkasten hinterlegt werde. Bei dem Wohnhaus handle es sich um ein Mehrparteienhaus mit zahlreichen Wohnungen, welche alle ihre Briefkästen im Parterre hätten. Er habe daher durch ein für ihn unvorhersehbares und unabwendbares Ereignis keine Kenntnis von der Hinterlegung erhalten und daher innerhalb offener Frist keine Beschwerde erhoben. Da der BF den Briefkasten mit seinem Namen beschriftet habe und der Briefkasten täglich entleert worden sei, jedoch am 15.11.2019 und in den darauffolgenden Tagen keine gelbe Verständigung über die Hinterlegung vorgefunden habe, treffe ihn kein bzw. nur ein geringfügiges Verschulden daran, dass er von dieser Hinterlegung keine Kenntnis erlangt habe. Erst bei seiner Vorsprache beim BFA am 16.01.2020 habe er Kenntnis von der Hinterlegung des Bescheides am 15.11.2019 erhalten. Das Hindernis, welches ihn an der fristgerechten Beschwerde gehindert habe, sei sohin erst am 16.01.2020 weggefallen und sei der am 29.01.2020 gestellte Antrag auf Wiedereinsetzung daher binnen der 2wöchigen Frist rechtzeitig gestellt worden. Abschließend wurde beantragt, dem Antrag auf Wiedereinsetzung die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Dem Antrag wurde eine Eidesstattliche Erklärung des Mitbewohners des BF, datiert mit 28.01.2020, angeschlossen, worin dieser bestätigt, dass er mit dem BF seit 23.10.2019 in der genannten Wohnung wohne und sie regelmäßig bzw. täglich abwechselnd den Postkasten im Parterre des Hauses leeren würden. Er habe - wenn er den Postkasten entleert habe - keine Hinterlegungsbescheinigung der Post im Briefkasten vorgefunden

14. Am 30.01.2020 langte eine weitere von der ARGE Rechtberatung, Diakonie Flüchtlingsdienst verfasste Beschwerde, in eventu ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sowie ein Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ein, welche als Ergänzung der Anträge vom 29.01.2020 zu sehen ist.

Begründend wurde ausgeführt, dass der BF am 16.01.2020 die Rechtsberatung aufgesucht und geschildert habe, weder einen Bescheid, noch eine Hinterlegungsbestätigung bekommen zu haben, er aber regelmäßig seinen Postkasten kontrolliere. Der BF habe vom Zustellversuch des BFA sohin nichts gewusst. Er kontrolliere sein Postfach täglich, da ihm bewusst sei, wie wichtig die Zustellung behördlicher Schriftstücke sei. Er habe am 15.11.2019 jedoch keinen gelben Zettel vorgefunden, sondern erst bei der persönlichen Nachfrage beim BFA von der rechtskräftigen Entscheidung bzw. dem Zustellversuch erfahren. Der BF sei seit dem 23.10.2019 in der XXXX gemeldet. Unverzüglich nach der Anmeldung sei er persönlich mit seinem Lohnzettel und dem neuen Meldezettel zum BFA gegangen, um seine neue Meldeadresse bekanntzugeben und den Lohnzettel abzugeben. Er habe sich wiederkehrend beim BFA, als auch bei der Diakonie über seinen Verfahrensstand erkundigt. Es sei daher evident, dass der BF äußerst gewissenhaft sei und ihm bewusst gewesen sei, dass er behördliche Post bekommen werde. Dass es Schwierigkeiten bei der Zustellung seitens der Post im Haus des BF gäbe, werde auch dadurch bestätigt, dass die Diakonie im November versucht habe, dem BF einen Brief zuzustellen, welcher mit dem Vermerk „Empfänger unbekannt“ am 03.12.2019 an die Diakonie retourniert worden sei. Dies, obwohl der BF nach wie vor an seiner Wohnadresse gemeldet sei und sich dort aufgehalten habe. Laut der Rechtsprechung des VwGH sei die Hinterlegungsanzeige unabdingbare Voraussetzung einer Zustellung durch Hinterlegung und liege ein Zustellmangel vor, wenn eine Partei diesen nicht erhalten habe. Komme es im Verfahren zu Zustellmängel, so sei die Zustellung dennoch bewirkt, wenn das Dokument dem Empfänger tatsächlich zukomme. Gegenständlich sei der Bescheid dem BF am 16.01.2020 tatsächlich zugekommen und habe an diesem Tag die vierwöchige Beschwerdefrist zu laufen begonnen. Sollte die Behörde dennoch von einer ordnungsgemäßen Zustellung ausgehen, so werde in eventu der Antrag auf Wiedereinsetzung gestellt. Der BF habe weder auffallend sorglos gehandelt, noch sei es in seiner Macht gelegen früher eine Beschwerde zu erheben. Er habe durchgängig regelmäßig den Briefkasten entleert und sämtliche sich in diesem befindlichen Dokument mit der erforderlichen Sorgfalt durchgesehen. An der Unkenntnis des Zustellversuches sei ihm kein Verschulden anzulasten. Er habe sich auch wiederholt und regelmäßig bei der Diakonie und der Behörde nach seinem Bescheid erkundigt, sodass offenbar nicht von einem sorglosen Verhalten ausgegangen werden kann. Auch die zweiwöchige Frist zur Erhebung des Wiedereinsetzungsantrages sei gewahrt, da der BF am 16.01.2020 von der Erlassung des Bescheides erfahren habe.

Es wurde eine Vollmacht der Diakonie, datiert mit 20.01.2020, angeschlossen.

15. Mit Beschwerdevorentscheidung des BFA vom 14.02.2020, Zl. 1051132110/180385535/BVE wurden die Beschwerden vom 29. und 30.01.2020 gegen den Bescheid vom 11.11.2019 gemäß § 14 Abs. 1 iVm § 7 Abs. 4 Satz 1 Z 1 VwGVG als verspätet zurückgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass der Bescheid dem BF mit Wirkung vom 15.11.2019 durch Hinterlegung zugestellt worden sei, die Beschwerdefrist ungenützt verstrichen sei und der Bescheid daher mit 14.12.2019 in Rechtskraft erwachsen sei. Die eingebrachten Beschwerden seien deshalb als verspätetet zurückzuweisen.

16. Mit Bescheid des BFA vom 14.02.2020 wurden die Anträge auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 29. und 30.01.2020 gemäß § 71 Abs. 1 AVG abgewiesen (Spruchpunkt I.) und den Wiedereinsetzungsanträgen gemäß § 71 Abs. 6 AVG die aufschiebende Wirkung zuerkannt (Spruchpunkt II.)

Begründend wurde ausgeführt, dass der BF laut ZMR sowohl beim Zustellversuch, als auch danach bis zum jetzigen Zeitpunkt in der XXXX , gemeldet sei. Der BF habe auch selbst in seiner Einvernahme am 16.01.2020 angegeben, dass er seit ca. einem Jahr in der Wohnung lebe und jeden Tag in den Briefkasten schauen würde bzw. dort auch Briefe seiner Bank erhalten hätte. Aus dem vom zuständigen Post-Organ befüllten und abgestempelten Zustellnachweis für Rückschein-A-Zustellungen (öffentliche Urkunde) ergebe sich, dass am 14.11.2019 tatsächlich ein Zustellversuch erfolgt sei, eine Verständigung über die Hinterlegung in die Abgabeeinrichtung eingelegt worden sei und der Bescheid am 15.11.2019 bei der Zustellbasis hinterlegt worden sei. Es sei nicht verständlich, wieso das Zustellorgan zwar auf dem Zustellnachweis die Einlage der Verständigung in die Abgabeeinrichtung explizit vermerkt habe, dies dann aber tatsächlich nicht tun sollte. Hätte das Zustellorgan auf die Einlage gänzlich vergessen, so sei nach der allgemeinen Lebenserfahrung nicht nachvollziehbar, weshalb nur das Einlegen, nicht aber auf den Vermerk im Zustellnachweis vergessen werden sollte. Hinsichtlich des Wiedereinsetzungsantrages der Diakonie sei anzumerken, dass diese die Verfahrensanordnung am 11.11.2019 nachweislich erhalten habe und den dortigen rechtskundigen Organen daher bekannt sein müsste, dass sich eine Entscheidung des BFA in Abfertigung bzw. Zustellung befinde. Laut den Ausführungen im Wiedereinsetzungsantrag habe sich der BF laufend bei der Diakonie betreffend den Verfahrensstand erkundigt, weshalb nicht nachvollziehbar sei, weshalb der BF dann erst am 16.01.2020 – sohin zwei Monate nach Verständigung durch die Verfahrensanordnung – beim BFA vorgesprochen habe. Die Behauptung, wonach eine Sendung der Diakonie an die Adresse des BF nicht zugestellt werden habe können und dann als „Empfänger unbekannt“ retourniert worden sei, sei unbelegt geblieben. Soweit der Wiedereinsetzungsantrag der gewillkürten Vertreter auf den Inhalt der eidesstaatlichen Erklärung des Mitbewohners des BF verweise, so handle es sich dabei um eine bloße Behauptung, die sich auch nur auf jeden zweiten Tag beziehe. Es sei auch kein Grund ersichtlich, weshalb ein Zustellorgan, das in keinster Weise vom Verfahren betroffen sei, die Verständigung über die Hinterlegung zwar behaupte, diese aber nicht durchführe. Die Behauptung des BF, wonach eine Verständigung über die Hinterlegung des Zustellstückes nie erfolgt sei, könne daher nur als Schutzbehauptung gewertet werden. Die Glaubhaftmachung eines Wiedereinsetzungsgrundes sei daher nicht gelungen. Bei zumutbarer Aufmerksamkeit hätte der BF die Einlage einer Verständigung bzw. die Hinterlegung eines Bescheides erwarten und innerhalb der vierwöchigen Beschwerdefrist aktiv werden können. Dies auch, weil der BF gewusst habe, dass eine Aberkennung von der Behörde geprüft werde und der BF im laufenden Verfahren aufgefordert worden sei, der Meldepflicht nachzukommen. Wenn es stimme, dass sich der BF laufend bei der Diakonie nach seinem Verfahrensstand erkundigt habe, dann wäre von einem sorgfältigen Durchschnittsmenschen zu erwarten, dass er sich in einem angemessenen Zeitraum an die Behörde wendet oder durch die Rechtsberatung nachfragen lässt und dies nicht erst Monate später geschieht. Es könne daher nicht davon ausgegangen werden, dass dem BF kein oder nur ein minderes Versehen treffe.

17. Mit Verfahrensanordnung des BFA vom 17.02.2020 wurde dem BF die ARGE Rechtsberatung – Diakonie und Volkshilfe amtswegig als Rechtsberatungseinrichtung für ein etwaiges Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zur Seite gestellt.

18. Mit Schreiben vom 19.02.2020 teilte die Diakonie mit, dass die vorgelegte Vertretungs- und Zustellvollmacht vom 20.01.2020 zurückgelegt werde.

19. Mit Schriftsatz seiner gewillkürten Rechtsvertretung vom 27.02.2020 stellte der BF gegen die Beschwerdevorentscheidung des BFA vom 14.02.2020 fristgerecht einen Vorlageantrag, in welchem im Wesentlichen die Ausführungen des Wiedereinsetzungsantrages vom 29.01.2020 wiederholt wurden.

20. Am 11.03.2020 brachte der BF durch seine Rechtsvertretung fristgerecht eine Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des BFA vom 14.02.2020 ein. Als Beschwerdegründe werden Mangelhaftigkeit des Verfahrens und inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend gemacht. Es wird erneut darauf hingewiesen, dass der BF bzw. sein Mitbewohner zwar sorgfältig und täglich ihren Briefkasten entleert hätten, sich darin aber keine gelbe Verständigung über die Hinterlegung des Bescheides befunden habe. Wenn die belangte Behörde ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren geführt hätte, dann hätte festgestellt werden müssen, dass es in einem Mehrparteienhaus mit derart vielen Briefkästen durchaus möglich sei, dass ein Brief bzw. eine Verständigung falsch eingeworfen werde. Wenn der Briefträger einen Brief bzw. eine Verständigung falsch einwerfe und der BF keine Kenntnis vom Zustellversuch erlangen konnte, stelle dies ein unvorhersehbares Ereignis dar, an welchem dem BF kein Verschulden treffe. Zusätzlich zur regelmäßigen Entleerung des Briefkastens kann vom BF nicht verlangt werden, dass auch alle übrigen Parteien des Hauses regelmäßig nach Post für ihn befragt werden. Die belangte Behörde hätte daher die Wiedereinsetzung bewilligen müssen.

21. Die Beschwerdevorentscheidung, die Beschwerde und der zugehörige Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 18.03.2020 vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der unter Punkt I. beschriebene Verfahrensgang wird als Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende Feststellungen getroffen:

Mit Bescheid des BFA vom 11.11.2019, Zl.: 15-1051132110-180385535, wurde dem BF der ihm mit Bescheid vom 27.10.2016 zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt und eine mit einem dreijährigen Einreiseverbot verbundene Rückkehrentscheidung erlassen.

Mit Verfahrensanordnung vom 11.11.2019 wurde dem BF gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG die ARGE Rechtsberatung – Diakonie und Volkshilfe amtswegig als Rechtsberatungseinrichtung für ein etwaiges Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zur Seite gestellt. Aufgrund dieser übermittelten Verfahrensanordnung erlangte die ARGE Rechtsberatung – Diakonie und Volkshilfe Kenntnis von dem gegen den BF erlassenen Bescheid.

Die Zustellung des Bescheides wurde durch das BFA am 11.11.2019 an die Meldeadresse des BF, XXXX , mittels RSa-Brief durch die Post veranlasst. Nach erfolgtem Zustellversuch am 14.11.2019 wurde der Bescheid zur Abholung beim Postamt hinterlegt (Beginn der Abholfrist: 15.11.2019). Die Verständigung über die Zustellung wurde im Briefkasten des BF eingelegt. Der Bescheid wurde beim Postamt mindestens zwei Wochen zur Abholung bereitgehalten, vom BF aber nicht behoben und daher wieder an die belangte Behörde rückübermittelt, wo er am 06.12.2019 einlangte.

Die vierwöchige Rechtsmittelfrist, auf die in der Rechtsmittelbelehrung des Bescheides in den Sprachen Deutsch und Dari hingewiesen wurde, endete mit Ablauf des 13.12.2019, vier Wochen nach der durch Hinterlegung erfolgten Zustellung.

Der BF suchte am 16.01.2020 das BFA auf und wurde ihm der Bescheid an diesem Tag persönlich ausgefolgt. Daraufhin suchte der BF einen gewillkürten Rechtsvertreter und die ihm zugewiesene Rechtsberaterorganisation auf.

Die am 29.01.2020 durch den gewillkürten Rechtsvertreter sowie die am 30.01.2020 durch die Rechtsberaterorganisation eingebrachten Beschwerden erweisen sich als verspätet.

Es konnte nicht festgestellt werden, dass der BF durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Rechtsmittelfrist einzuhalten und dass ihn kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens an der Versäumung der Frist trifft.

2. Beweiswürdigung:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der Verwaltungsakten des BFA und der vorliegenden Gerichtsakten des Bundesverwaltungsgerichtes.

Die Feststellung zu dem gegen den BF am 11.11.2019 erlassenen Bescheid ergibt sich unstrittig aus dem Verwaltungsakt.

Die Feststellung zur ordnungsgemäßen Zustellung des Bescheides durch Hinterlegung und dazu, dass die Hinterlegungsanzeige in die Abgabeeinrichtung eingelegt wurde, ergibt sich aus dem im Akt einliegenden ausgefüllten Rückschein (AS 4). Zusätzlich wurde ein Auszug aus dem Zentralen Melderegister eingeholt, aus dem hervorgeht, dass der BF zum Zeitpunkt der Zustellung nur an der Adresse XXXX gemeldet war. Der BF gab in seiner Einvernahme vor dem BFA am 16.01.2020 selbst an, dass er seit ca. einem Jahr in der Wohnung an der genannten Adresse – gemeinsam mit einem Mitbewohner – wohne (AS 285). Auch aus der vom Rechtsvertreter des BF vorgelegten Eidesstattlichen Erklärung des Mitbewohners geht eindeutig hervor, dass der BF im Zeitraum der Zustellung an der genannten Adresse wohnhaft war (AS 355).

Der BF hat kein substantiiertes Vorbringen erstattet, das den Feststellungen zur ordnungsgemäßen Zustellung entgegenstehen würde. Zur Begründung der Rechtzeitigkeit der verspätet erhobenen Beschwerden wurde im Wesentlichen lediglich ausgeführt, dass keine Hinterlegungsanzeige (gelber Zettel) in den Briefkasten des BF eingelegt worden sei und somit die Zustellung nicht ordnungsgemäß erfolgt sei.

Wie in der rechtlichen Beurteilung auszuführen sein wird, geht dieses Vorbringen jedoch ins Leere, weil der dem Akt inneliegende RSa-Rückschein als Zustellschein eine öffentliche Urkunde darstellt und als solche den vollen Beweis liefert, dass der darin beurkundete Zustellvorgang auch eingehalten wurde. Das Vorbringen, demzufolge der BF in einem Wohnblock lebe und es sein könne, dass der Abholschein in einem anderen Postkasten gelandet sei, ist alleine nicht geeignet, die Beweiskraft des vom Zusteller unterzeichneten Rückscheines in Zweifel zu ziehen, zumal in der Adresszeile auch die Wohnungsnummer (Top XXXX ) angeführt war. Zudem wurde im Wiedereinsetzungsantrag seiner gewillkürten Vertretung auch ausgeführt, dass der BF den Briefkasten mit seinem Namen beschriftet habe und gab der BF in seiner Einvernahme vor dem BFA sogar selbst an, Briefe seiner Bank zugestellt bekommen zu haben. Es wurden keinerlei Beweise zur Untermauerung dieser Behauptung vorgelegt, wie etwa eine Bestätigung der Post oder der Hausverwaltung über bekannte Schwierigkeiten bei der Zustellung von RSa-Sendungen im entsprechenden Wohnobjekt.

Es steht für das Bundesverwaltungsgericht daher zweifelsfrei fest, dass im Zuge des Zustellvorganges am 14.11.2019 eine Hinterlegungsanzeige in die Abgabeeinrichtung des BF eingelegt wurde und der Bescheid danach zur Abholung beim zuständigen Postamt bereitlag. Der Bescheid ist somit mit Beginn der Abholfrist, laut dem unzweifelhaften Rückschein dem 15.11.2019 (AS 4), durch Hinterlegung ordnungsgemäß zugestellt worden.

Unter Zugrundelegung des Zustelldatums waren die entsprechenden Feststellungen zu Beginn und Ende der vierwöchigen Beschwerdefrist zu treffen.

Dass der BF nicht durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Rechtsmittelfrist einzuhalten, ergibt sich aus den Ausführungen in den Wiedereinsetzungsanträgen und den folgenden Erwägungen:

Als Grund für die begehrte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass dem BF keine Hinterlegungsanzeige in den Briefkasten gelegt worden sei. Weder der BF selbst, noch sein Mitbewohner, welche beide Zugang zum Briefkasten im Parterre hätten und abwechselnd bzw. täglich am Morgen den Briefkasten entleeren sowie kontrollieren würden, hätten nie einen gelben Zettel erhalten. Erst als der BF dann am 16.01.2020 zum BFA gegangen sei, habe er dann erfahren, dass er einen Bescheid erhalten habe.

Wie zuvor ausgeführt, war das Vorbringen des BF nicht geeignet, die behauptete unterbliebene Verständigung von der Hinterlegung des Bescheides glaubhaft zu machen.

Der BF hat auch nicht mit der gebotenen Sorgfalt gehandelt, zumal am 17.10.2019 eine Einvernahme bezüglich der Aberkennung des subsidiären Schutzes stattfand und der BF schon aus diesem Grund damit rechnen musste, dass er zeitnah bzw. in unmittelbarer Zukunft einen Bescheid erhalten werde. Dem BF wurden in der Einvernahme beim BFA auch die Folgen einer Aberkennung des subsidiären Schutzes (Rückkehr in den Herkunftsstaat Afghanistan) erklärt, weshalb dem BF bei lebensnaher Betrachtung auch vor diesem Hintergrund der Ernst der Lage hätte bewusst sein müssen. Weiters wurde dem BF in der Einvernahme die Möglichkeit eingeräumt, eine Stellungnahme zu den Länderberichten zu Afghanistan einzubringen und hätte sich der BF schon dafür die Hilfe eines Rechtsberaters in Anspruch nehmen können. Dem kam der BF aber nicht nach, sondern ließ er die Frist – ohne Einbringung einer Stellungnahme – verstreichen. Darüber hinaus wurde der BF während des laufenden Verfahrens vom BFA wiederholt auf seine Mitwirkungspflichten (Meldepflicht) hingewiesen und hat er diese schon mehrmals verletzt. Auch dieses Verhalten lässt auf ein mangelndes Pflichtbewusstsein des BF schließen.

In Zusammenschau ist daher nicht ersichtlich, dass dem BF kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens an der Versäumung der Frist träfe und war die entsprechende Feststellung zu treffen.

3. Rechtliche Beurteilung:

zu A):

3.1      Zur Abweisung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand:

3.1.1   Gemäß § 33 Abs. 1 VwGVG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist oder eine mündliche Verhandlung versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung zur Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung bereits festgehalten, dass grundsätzlich die in der Rechtsprechung zu § 71 AVG entwickelten Grundsätze auf § 33 VsGVG übertragbar sind (vgl. VwGH vom 25.11.2015, Ra 2015/06/0113 sowie VwGH vom 30.05.2017, Ra 2017/19/0113).

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Vorliegen von Wiedereinsetzungsgründen nur in jenem Rahmen zu untersuchen, der durch die Behauptungen des Wiedereinsetzungswerbers gesteckt wird (vgl.etwa VwSlg. 11.312/A sowie VwGH vom 21.05.1997, Zl. 96/21/0574). Den Antragsteller trifft somit die Obliegenheit, im Antrag konkret jenes unvorhergesehene oder unabwendbare Ereignis zu beschreiben, das ihn an der Einhaltung der Frist gehindert hat. Es ist daher ausschließlich das Vorbringen des Beschwerdeführers bzw. Wiedereinsetzungswerbers in seinem Antrag vom 29.01.2020, ergänzt durch das Vorbringen am 30.01.2020, auf seine Tauglichkeit als Weidereinsetzungsgrund zu prüfen.

Der Bescheid des BFA vom 11.11.2019, Zl.: 15-1051132110-180385535, wurde dem BF durch Hinterlegung zugestellt. Der erste Tag der Abholfrist war der 15.11.2020.

Gemäß § 17 Abs. 3 Zustellgesetz gilt die Zustellung bei hinterlegten Dokumenten mit dem ersten Tag der Abholfrist als bewirkt, sodass gegenständlich von einer rechtswirksamen Zustellung des Bescheides am 15.11.2019 auszugehen ist. Die vierwöchige Beschwerdefrist endete demnach mit Ablauf des 13.12.2010, weshalb die am 29.01.2020 und 30.01.2020 eingebrachten Beschwerden verspätet erfolgten.

3.1.2   Voraussetzung für die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist das Vorliegen eines Wiedereinsetzungsgrundes. Ein solcher ist gegeben, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten und sie daran kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.

Bei der Beurteilung der Frage, ob ein Ereignis unabwendbar ist, kommt es nach der Rechtsprechung (VwGH 24.01.1996, 94/12/0179) auf objektive Umstände an; nämlich darauf, ob das Ereignis auch von einem Durchschnittsmenschen objektiv nicht verhindert werden kann. Ob ein Ereignis unvorhergesehen ist, hängt demgegenüber nach der Rechtsprechung nicht von einer objektiven Durchschnittsbetrachtung, sondern vom konkreten Ablauf der Geschehnisse ab. Unvorhergesehen ist ein Ereignis dann, wenn es von der Partei tatsächlich nicht einberechnet wurde und mit zumutbarer Vorsicht auch nicht vorhergesehen werden konnte (VwGH 03.04.2001, 2000/08/0214).

Ein Verschulden der Partei hindert die Wiedereinsetzung nur dann nicht, wenn es sich dabei lediglich um einen minderen Grad des Versehens (leichte Fahrlässigkeit) handelt. Der Begriff des minderen Grades des Versehens ist als leichte Fahrlässigkeit im Sinne des § 1332 ABGB zu verstehen. Eine solche liegt dann vor, wenn der Partei ein Fehler unterläuft, der gelegentlich auch einer sorgfältigen Person unterlaufen kann (VwGH 20.06.2002, 2002/20/0230), wobei an einen rechtskundigen Parteienvertreter ein höherer Sorgfaltsmaßstab anzulegen ist (VwGH 22.01.2003, 2002/04/0136). Der Wiedereinsetzungswerber bzw. sein Vertreter darf also nicht auffallend sorglos gehandelt haben, somit die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt nicht in besonders nachlässiger Weise außer Acht gelassen haben (vgl. VwGH 29.01.2014, 2001/20/0425).

Der geltend gemachte Wiedereinsetzungsgrund muss bereits im Wiedereinsetzungsantrag bezeichnet und sein Vorliegen glaubhaft gemacht werden. Die Partei muss also jene Umstände, durch die sie an der Vornahme der Prozesshandlung gehindert wurde, konkret beschreiben. Glaubhaftmachung bedeutet, dass die Partei Beweismittel anbieten muss, durch die die Wahrscheinlichkeit des Vorliegens des Wiedereinsetzungsgrundes dargetan wird. Es ist allein das Vorliegen des geltend gemachten Wiedereinsetzungsgrundes zu prüfen. Eine amtswegige Prüfung, ob allenfalls weitere Gründe für eine Wiedereinsetzung vorliegen, ist nicht vorgesehen. Nach Ablauf der Frist für den Wiedereinsetzungsantrag kann der geltend gemachte Wiedereinsetzungsgrund auch nicht mehr ausgewechselt werden (VwGH 25.02.2003, 2002/10/0223).

Reine Behauptungen betreffend das Vorliegen des Wiedereinsetzungsgrundes reichen demgemäß nicht aus. Die Partei, welche die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt, hat alle Umstände, die den Wiedereinsetzungsantrag begründen, glaubhaft darzulegen und bereits im Antrag taugliche Bescheinigungsmittel zu ihrer Glaubhaftmachung anzuführen (VwGH 21. 3. 1997, 97/02/0093; 25. 2. 2003, 2002/10/2002). Ziel der Glaubhaftmachung ist, bei der Behörde die Überzeugung der Wahrscheinlichkeit der vorgebrachten Tatsache hervorzurufen, dh die Behörde muss zur Ansicht gelangt sein, die Tatsachenbehauptung sei wahrscheinlich für wahr zu halten (VfSlg 17.159/2004; Bernárd, ZfV 1981, 131). Der Antragsteller hat - allenfalls durch die Beibringung tauglicher Bescheinigungsmittel - auch glaubhaft zu machen, dass zwischen dem die Wiedereinsetzung begründenden Ereignis und der Fristversäumnis ein Kausalzusammenhang besteht (vgl Stoll, BAO III 2975) (Hengstschläger/Leeb, AVG § 71 Rz 116).

Behauptet ein Wiedereinsetzungswerber, von einem ihn betreffenden Schriftstück oder einer Hinterlegungsanzeige keine Kenntnis erlangt zu haben, hat er detaillierte sachverhaltsbezogene Vorbringen darüber zu machen, was er üblicherweise unternimmt, um dies zu vermeiden (VwGH 21. 12. 1999, 97/19/0217; 4. 2. 2000, 97/19/1484; 2. 10. 2000, 98/19/0198). Das alleinige Vorbringen, keine Hinterlegungsanzeige vorgefunden zu haben, reicht demzufolge nicht aus (vgl VwGH 21. 11. 2001, 2001/08/0011). Es sind vielmehr jene Umstände aus dem persönlichen Lebensbereich des Wiedereinsetzungswerbers darzulegen, aus denen sich konkrete Anhaltspunkte dafür erkennen lassen, dass dieser von einem in seine Gewahrsame gelangten Poststück aus bestimmten, keine auffallende Sorglosigkeit begründenden Umständen keine Kenntnis erlangen konnte (VwGH 20. 1. 1998, 97/08/0545). Insbesondere können hier Angaben darüber, wie viele Personen Zugang zur Hausbrieffachanlage hatten, wer die Entleerung derselben besorgte bzw wie oft eine solche Entleerung erfolgte, notwendig sein (VwGH 21. 12. 1999, 97/19/0217; 4. 2. 2000, 97/19/1484; 2. 10. 2000, 98/19/0198).

Die "Unerklärlichkeit" des Verschwindens eines durch Einwurf in einen verschlossenen Hausbriefkasten in seine Gewahrsame gelangten amtlichen Schriftstücks geht zu Lasten des Wiedereinsetzungswerbers, dh die bloße Unaufklärbarkeit der Gründe für die Unkenntnis vom Zustellvorgang reicht für eine Wiedereinsetzung nicht aus (VwGH 20. 1. 1998, 97/08/0545; 21. 9. 1999, 97/18/0418). Der von der Behörde anzulegende Sorgfaltsmaßstab darf allerdings auch nicht überspannt werden. Den konkreten Vorgang, wie es etwa zur Entfernung einer Hinterlegungsanzeige gekommen ist, wird eine Partei nämlich nur in den seltensten Fällen bescheinigen können. Sie wird sich, abgesehen von der Behauptung des Fehlens der Hinterlegungsanzeige in der Post, auf die Darlegung von Umständen beschränken müssen, welche die Entfernung der Hinterlegungsanzeige als nicht unwahrscheinlich erscheinen lassen (VwGH 19. 4. 1994, 94/11/0053).

3.1.3. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurde im Wesentlichen damit begründet, dass dem BF keine Hinterlegungsanzeige (gelber Zettel) in den Briefkasten gelegt worden sei.

Der BF bzw. sein Mitbewohner würden abwechselnd bzw. täglich am Morgan ihr Postfach kontrollieren, hätten jedoch nie einen „gelben Zettel“ vorgefunden. Erst als der BF am 16.01.2020 persönlich beim BFA vorstellig geworden sei, habe er von der Erlassung des Bescheides bzw. dessen Rechtskraft erfahren.

Das Vorbringen zu Gründen für die Wiedereinsetzung erschöpft sich damit in - nicht hinreichenden - Behauptungen (vgl. VwGH 21. 3. 1997, 97/02/0093; 25. 2. 2003, 2002/10/2002). Der BF hat keine Umstände, die einen Wiedereinsetzungsantrag begründen könnten, glaubhaft dargelegt.

Er hat im Antrag auf Wiedereinsetzung keine Bescheinigungsmittel bezeichnet und auch sonst nicht glaubhaft gemacht, inwiefern die Hinterlegungsanzeige "verschwinden" hätte können. Insoweit der BF eine Eidesstattliche Erklärung seines Mitbewohners in Vorlage brachte, worin dieser bestätige, dass auch er keinen „gelben Zettel“ vorgefunden habe, so ist darauf hinzuweisen, dass der Mitbewohner laut seinen Angaben bzw. der Aussagen des BF selbst nur jeden zweiten Tag den Postkasten kontrolliere und somit auch damit keine taugliche Erklärung bzw. Beweis für das Verschwinden der Hinterlegungsanzeige erbracht werden konnte.

Nach den Beurkundungen des Zustellorgans erfolgte ein Zustellversuch des angefochtenen Bescheides am 14.11.2019. Da der BF nicht angetroffen werden konnte, wurde laut Rückschein eine Verständigung über die Hinterlegung in die Abgabeeinrichtung eingelegt.

Bei dem genannten Rückschein handelt es sich als Zustellschein um eine öffentliche Urkunde, die die Vermutung der Richtigkeit und Vollständigkeit für sich hat, dass die Zustellung den Angaben auf dem Zustellschein entsprechend erfolgt ist. Diese Vermutung ist widerlegbar. Behauptet jemand, es lägen Zustellmängel vor, so hat er diese Behauptung entsprechend zu begründen und Beweise dafür anzuführen, welche die im Gesetz aufgestellte Vermutung zu widerlegen geeignet erscheinen lassen (VwGH 08.09.2015, Ra 2015/02/0156; 11.11.2015, Ra 2015/04/0086, je mwN). Dazu bedarf es jedoch konkreter Darlegungen und eines entsprechenden Beweisanbotes (vgl. etwa VwGH 27.07.2007, 2006/10/0040; 21.07.2011, 2007/18/0827 mwN).

Das Vorbringen, demzufolge der BF in einem Wohnblock lebe und es möglich sei, dass der Abholschein in einem anderen Postkasten gelandet sei, vermag die Beurkundung des Zustellvorgangs nicht zu widerlegen, zumal in der Adresszeile auch die Türnummer des BF ( XXXX ) angeführt war und somit eine Verwechslung der Abgabeeinrichtung unwahrscheinlich ist, selbst wenn es sich um eine Wohnanlage mit vielen Einheiten handeln sollte. Auch wurde im Wiedereinsetzungsantrag explizit ausgeführt, dass der BF den Briefkasten mit seinem Namen beschriftet habe bzw. er Briefe von seiner Bank erhalten habe. Auch vor diesem Hintergrund ist eine Verwechslung der Abgabestelle durch das Zustellorgan äußerst unwahrscheinlich. Es wurden keinerlei Beweise zur Glaubhaftmachung dieser Behauptung vorgelegt, wie beispielsweise eine Bestätigung der Post oder der Hausverwaltung über allfällige, das Wohnhaus des BF betreffende offenkundige Schwierigkeiten bei der Zustellung von RSa-Sendungen.

Insoweit die Rechtsberaterorganisation - Diakonie und Volkshilfe in ihrem Schriftsatz vom 30.01.2020 ausführte, dass im Wohnobjekt des BF Probleme bei der Zustellung bekannt seien und eine Zustellung der Diakonie von November 2019 an den BF mit dem Vermerk „Empfänger unbekannt“ am 03.12.2019 zurückgesendet worden sei, so ist dies lediglich eine unglaubwürdige Behauptung, welche mangels Vorlage des retournierten Schriftstückes nicht verifiziert werden konnte.

Die "Unerklärlichkeit" des behaupteten Verschwindens der Hinterlegungsanzeige geht daher zu Lasten des BF (vgl. VwGH 20. 1. 1998, 97/08/0545; 21. 9. 1999, 97/18/0418). Dem Konkretisierungsgebot des VwGH entsprach der Wiedereinsetzungsantrag nicht. Das alleinige Vorbringen, keine Hinterlegungsanzeige vorgefunden zu haben, reicht für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht aus (vgl. VwGH 21. 11. 2001, 2001/08/0011.)

Wie in der Beweiswürdigung bereits dargelegt wurde, handelte der BF auch nicht mit der gebotenen Sorgfalt, zumal er am 17.10.2019 beim BFA eine Einvernahme bezüglich der Aberkennung des subsidiären Schutzes hatte und der BF schon aus diesem Grund damit rechnen musste, dass er zeitnah bzw. in unmittelbarer Zukunft einen Bescheid erhalten werde. Dem BF wurden in der Einvernahme beim BFA auch die Folgen einer Aberkennung des subsidiären Schutzes (Rückkehr in den Herkunftsstaat Afghanistan) erklärt, weshalb dem BF bei lebensnaher Betrachtung auch vor diesem Hintergrund der Ernst der Lage hätte bewusst sein müssen. Weiters wurde dem BF in der Einvernahme die Möglichkeit eingeräumt, eine Stellungnahme zu den Länderberichten zu Afghanistan einzubringen und hätte der BF schon dafür die Hilfe eines Rechtsberaters in Anspruch nehmen können. Dem kam der BF aber nicht nach, sondern ließ er die Frist – ohne Einbringung einer Stellungnahme – verstreichen. Darüber hinaus wurde der BF während des laufenden Verfahrens vom BFA wiederholt auf seine Mitwirkungspflichten (Meldepflicht) hingewiesen und hat er diese schon mehrmals verletzt. Auch dieses Verhalten lässt auf ein mangelndes Pflichtbewusstsein des BF schließen.

Vollständigkeitshalber ist aber auch darauf hinzuweisen, dass die Rechtsberaterorganisation – Diakonie und Volkshilfe vom BFA am 11.11.2019 mittels Verfahrensanordnung gemäß § 52 BFA-VG bezüglich der Bestellung einer kostenlosen Rechtsberatung für das Beschwerdeverfahren in Kenntnis gesetzt wurde. Der Rechtsberaterorganisation – in welcher auf fremdenrechtliche Verfahren spezialisierte (juristische) Mitarbeiter beschäftigt sind – musste sohin klar sein, dass die Erlassung eines Bescheides vom BFA bereits erfolgte bzw. unmittelbar bevorsteht. Die Rechtsberaterorganisation führte in ihrem Schriftsatz vom 30.01.2020 auch aus, dass der BF sich regelmäßig bei der Diakonie bzw. beim BFA nach seinem Verfahrensstand erkundigt habe. Sollten diese Angaben der Wahrheit entsprechen – wovon das erkennende Gericht jedoch nicht ausgeht – dann ist jedenfalls nicht nachvollziehbar, weshalb der BF erst am 16.01.2020 – sohin über zwei Monate nach Erlassung des Bescheides – beim BFA vorstellig wurde und erst an diesem Tag vom Bescheid erfahren haben sollte.

Das Verhalten des BF ist somit deutlich über dem tolerierbaren Grad des Verschuldens einzustufen und konnte der BF die Einhaltung des erforderlichen Sorgfaltsmaßstabes nicht glaubhaft machen.

Die belangte Behörde ging daher im Ergebnis zutreffend davon aus, dass der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abzuweisen war. Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.

3.2      Zur Zurückweisung der Beschwerde wegen Verspätung:

3.2.1   Gemäß § 7 Abs. 4 VwGVG beträgt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid einer Behörde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG vier Wochen. Sie beginnt in den Fällen des Art. 132 Abs. 1 Z 1 B-VG (= Parteibeschwerde) dann, wenn der Bescheid dem Beschwerdeführer zugestellt wurde, mit dem Tag der Zustellung.

Gemäß § 32 Abs. 2 AVG enden Fristen, die nach Wochen, Monaten oder Jahren bestimmt sind, mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, der durch seine Benennung oder Zahl dem Tag entspricht, an dem die Frist begonnen hat. Beginn und Lauf einer Frist werden gemäß § 33 Abs. 1 AVG durch Samstage, Sonntage oder gesetzliche Feiertage nicht behindert.

Bei der Frist zur Einbringung der Beschwerde handelt es sich um eine durch Gesetz festgesetzte Frist, die nicht verlängerbar ist (§ 33 Abs. 4 AVG). Sie ist eine prozessuale (formelle) Frist, sodass die Tage des Postlaufes nicht einzurechnen sind (§ 33 Abs. 3 AVG).

Gemäß § 21 AVG sind Zustellungen nach dem Zustellgesetz (ZustG) vorzunehmen.

Gemäß § 21 ZustG dürfen dem Empfänger zu eigenen Handen zuzustellende Sendungen nicht an einen Ersatzempfänger zugestellt werden.

Kann das Dokument an der Abgabestelle nicht zugestellt werden und hat der Zusteller Grund zur Annahme, dass sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 regelmäßig an der Abgabestelle aufhält, so ist das Dokument im Falle der Zustellung durch den Zustelldienst bei seiner zuständigen Geschäftsstelle, in allen anderen Fällen aber beim zuständigen Gemeindeamt oder bei der Behörde, wenn sie sich in derselben Gemeinde befindet, zu hinterlegen (§ 17 Abs. 1 ZustG).

Von der Hinterlegung ist der Empfänger schriftlich zu verständigen. Die Verständigung ist in die für die Abgabestelle bestimmte Abgabeeinrichtung (Briefkasten, Hausbrieffach oder Briefeinwurf) einzulegen, an der Abgabestelle zurückzulassen oder, wenn dies nicht möglich ist, an der Eingangstüre (Wohnungs-, Haus-, Gartentüre) anzubringen (§ 17 Abs. 2 ZustG). Das hinterlegte Dokument ist mindestens zwei Wochen zur Abholung bereitzuhalten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Dokument erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Dokumente gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt (§ 17 Abs. 3 ZustG). Die im Wege der Hinterlegung vorgenommene Zustellung ist auch dann gültig, wenn die im Abs. 2 genannte Verständigung beschädigt oder entfernt wurde. (§ 17 Abs. 4 ZustG)

Die Zustellung ist vom Zusteller auf dem Zustellnachweis (Zustellschein, Rückschein) zu beurkunden (§ 22 Abs. 1 ZustG).

3.2.2   Nach den Beurkundungen des Zustellorgans erfolgte ein Zustellversuch des angefochtenen Bescheides am 14.11.2019. Da der BF nicht angetroffen werden konnte, wurde eine Verständigung über die Hinterlegung in die Abgabeeinrichtung eingelegt. Weiters ist dem Rückschein zu entnehmen, dass die Hinterlegung des Schriftstücks beim Postamt XXXX erfolgte und der Beginn der Abholfrist mit 15.11.2019 vermerkt wurde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits wiederholt festgehalten, dass es sich beim Postrückschein im Sinne des § 22 ZustG um eine öffentliche Urkunde handelt, die nach § 47 AVG iVm § 292 ZPO die Vermutung der Richtigkeit und Vollständigkeit für sich hat. Nach dieser Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist diese Vermutung zwar widerlegbar, wobei die gegenteilige Behauptung entsprechend zu begründen ist und Beweise dafür anzuführen sind, die die vom Gesetz aufgestellte Vermutung zu widerlegen geeignet erscheinen lassen. Demnach ist die reine Behauptung, dass eine Hinterlegungsanzeige nicht vorgefunden worden sei, nicht ausreichend, die Angabe des Postzustellers im Rückschein, es sei eine solche Anzeige im Hausbrieffach des Empfängers eingelegt worden, zu entkräften (vgl. VwGH 08.09.2015, Ra 2015/02/0156; 11.11.2015, Ra 2015/04/0086, je mwN).

Wie bereits dargelegt wurde, waren die Ausführungen des BF nicht geeignet, die behaupteten Zustellmängel zu beweisen. Die bloße Behauptung, dem BF sei keine Verständigung über die Hinterlegung des Bescheides zugekommen, vermag die Beurkundung des Zustellvorgangs nicht zu widerlegen. In Zusammenschau ist dem BF der Gegenbeweis der inhaltlichen Unrichtigkeit der Angaben auf dem Zustellschein nicht gelungen.

Darüber hinaus kommt die Bestimmung des § 17 Abs. 4 ZustG zur Anwendung, wonach die im Wege der Hinterlegung vorgenommene Zustellung auch dann gültig wäre, wenn die Verständigung beschädigt oder entfernt worden sein sollte.

Somit ist davon auszugehen, dass die laut Beurkundung des Zustellorgans am 14.11.2019 in die Abgabeeinrichtung eingelegte Verständigung über die Hinterlegung des angefochtenen Bescheides in die Gewahrsame des BF gelangt ist. Der genannte Bescheid gilt mit dem ersten Tag der Abholungsfrist am 15.11.2019 als zugestellt.

3.2.3   Der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zufolge hat vor einer Zurückweisung eines Rechtsmittels wegen Verspätung entweder von Amts wegen überprüft zu werden, ob ein Zustellmangel unterlaufen ist, oder es ist der Partei die Verspätung ihres Rechtsmittels vorzuhalten. Wird ohne vorangegangenen Vorhalt von einer Verspätung des Rechtsmittels ausgegangen, ist das Risiko einer Entscheidungsbehebung zu tragen (vgl. VwGH 11.03.2016, Ra 2015/06/0088 mwN).

Zwar wurde dem BF kein Verspätungsvorhalt übermittelt, doch hat das BFA am 14.02.2020 eine Beschwerdevorentscheidung erlassen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 276 BAO alt (idF vor BGBl. I Nr. 14/2013) können die in einer Berufungsvorentscheidung erstmals getroffenen Sachverhaltsfeststellungen, denen der Abgabepflichtige nicht entgegentritt, als richtig angesehen werden, weil einer Berufungsvorentscheidung auch die Wirkung eines Vorhaltes zukommt. Im Hinblick auf die Wirkung der Berufungsvorentscheidung als Vorhalt ist es demnach Sache der Partei, sich im Vorlageantrag mit dem Ergebnis dieser Ermittlungen auseinander zu setzen und die daraus gewonnenen Feststellungen zu widerlegen (vgl. etwa VwGH 23.05.1996, 94/15/0024; 28.05.2008, 2006/15/0125, je mwH).

Nach Ansicht des erkennenden Gerichtes ist diese Rechtsprechung auf Beschwerdevorentscheidungen iSd § 14 VwGVG insofern übertragbar, als auch ihnen die Wirkung eines Vorhaltes zukommt.

Mit der Begründung der Beschwerdevorentscheidung wurde dem BF die Versäumung der Rechtsmittelfrist vorgehalten. Obwohl er mit der Verspätung der von ihm eingebrachten Beschwerde konfrontiert wurde, erstattete der BF (auch) im Vorlageantrag kein substantiiertes Vorbringen zur Rechtzeitigkeit der Beschwerde.

3.2.4   Da der angefochtene Bescheid dem BF am 15.11.2019 rechtswirksam zugestellt wurde, endete die Frist für die Erhebung der Beschwerde mit Ablauf des 13.12.2019. Die am 29.02.2020 und am 30.01.2020 eingebrachtem Beschwerden erweisen sich somit als verspätet.

Der angefochtene Bescheid enthält auch eine der Rechtslage entsprechende Rechtsmittelbelehrung sowie eine Übersetzung der Rechtsmittelbelehrung in einer dem BF verständlichen Sprache.

Die Beschwerdevorentscheidung war daher zu bestätigen und die Beschwerde spruchgemäß zurückzuweisen.

Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Beschwerdevorbringen ist dem Bundesverwaltungsgericht aufgrund der Verspätung verwehrt (vgl. VwGH 16.11.2005, 2004/08/0117).

Gemäß § 24 Abs.2 Z.1 VwGVG kann die mündliche Verhandlung entfallen, wenn die Beschwerde zurückzuweisen ist.  

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Im gegenständlichen Fall wurde keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen. Die vorliegende Entscheidung basiert auf den oben genannten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes.

Schlagworte

Fristversäumung Hinterlegung Meldepflicht Mitwirkungspflicht Rechtsmittelfrist Sorgfaltspflicht Verschulden Verspätung Wiedereinsetzung Wiedereinsetzungsantrag Zurückweisung Zustellung Zustellung durch Hinterlegung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W161.2141872.2.00

Im RIS seit

22.01.2021

Zuletzt aktualisiert am

22.01.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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