TE Bvwg Beschluss 2020/11/4 W161 1423456-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 04.11.2020
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Entscheidungsdatum

04.11.2020

Norm

B-VG Art133 Abs4
FPG §88 Abs2a
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §8 Abs1

Spruch


W161 1423456-2/2E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Monika LASSMANN über die Beschwerde des afghanischen Staatsangehörigen XXXX , geb. XXXX wegen Verletzung der Entscheidungspflicht betreffend den Antrag auf Ausstellung eines Fremdenpasses beschlossen:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 i.V.m. § 8 Abs. 1 VwGVG als unzulässig zurückgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Begründung:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger stellte am 2.8.2011 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

2. Mit Bescheid vom 29.11.2011, Zl. 1108.275-BA E, wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005 (AsylG) ab (Spruchteil I.), erkannte ihm gemäß § 8 Abs. 1 AsylG den Status des subsidiär Schutzberechtigten iVm § 2 abs. 1 Z. 13 AsylG in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan nicht zu (Spruchteil II.) und wies ihn gemäß § 10 Abs. 1 Z. 2 AsylG nach Afghanistan aus (Spruchteil III.).

3. Dagegen erhob der Beschwerdeführer fristgerecht eine Beschwerde.

4. Mit Erkenntnis vom 18.9.2014 GZ W128 1423456-1/46E wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde gegen den Spruchteil I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ab, zuerkannte dem nunmehrigen Beschwerdeführer jedoch den Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan und erteilte ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 18.9.2015.

5. Die befristete Aufenthaltsberechtigung wurde zuletzt mit Bescheid des BFA vom 13.9.2019 bis zum 18.9.2021 verlängert.

6. Am 7.11.2019 stellte der nunmehrige Beschwerdeführer einen Antrag auf Ausstellung eines Fremdenpasses gemäß § 88 Abs. 2a FPG.

7. Am 5.3.2020 wurde dem Beschwerdeführer vom BFA eine Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 28.2.202 durch Hinterlegung rechtmäßig zugestellt. Darin wird ihm mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, seinen Antrag auf Ausstellung eines Fremdenpasses vom 7.11.2019 abzuweisen und wird ihm die Möglichkeit eingeräumt, zum Ergebnis der Beweisaufnahme innerhalb von 2 Wochen ab Zustellung eine schriftliche Stellungnahme abzugeben.

8. Innerhalb der Frist langte keine Stellungnahme des Beschwerdeführers bei der erstinstanzlichen Behörde ein.

9. Mit Bescheid vom 15.5.2020 wies das BFA den Antrag auf Ausstellung eines Fremdenpasses gemäß § 88 Abs. 2a FPG in der geltenden Fassung ab.

Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer gemeinsam mit der Verfahrensanordnung am 20.5.2020 rechtmäßig zugestellt.

10. Am 12.6.2020 brachte der Beschwerdeführer eine Stellungnahme zur beabsichtigten Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Fremdenpasses ein und ersuchte darin und anderem um baldige Antragserledigung.

11. Mit Verbesserungsauftrag vom 22.6.2020 wurde dem Beschwerdeführer mitgeteilt, dass ein Bescheid, mit welchem sein Antrag auf Ausstellung eines Fremdenpasses gemäß § 88 Abs. 2a FPG abgewiesen worden wäre, erlassen und ihm gemeinsam mit der Verfahrensanordnung durch Übernahme laut Poststempel am 20.5.2020 rechtmäßig zugestellt worden wäre.

Die am 12.6.2020 eingelangte Stellungnahme sei in Bezug auf die Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme verspätet eingebracht worden und könne somit nicht mehr gewertet werden. Sollte es sich bei der schriftlichen Eingabe jedoch um eine Beschwerde gegen den Bescheid handeln, werde der Antragsteller gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgefordert, binnen einer Frist von 2 Wochen ab Zustellung dieses Schreibens dies der hiesigen Behörde schriftlich mitzuteilen. Falls es sich um eine Beschwerde und nicht um eine Stellungnahme zum Ergebnis der Beweisaufnahme handle, wäre diese rechtzeitig eingebracht worden und würde eine Beschwerdevorlage an das BVwG erfolgen.

12. Am 14.7.2020 brachte der Beschwerdeführer eine Säumnisbeschwerde gemäß § 130 Abs. 1 Ziffer 3 B-VG iVm mit § 8 VwGVG ein und brachte darin im Wesentlichen vor, aufgrund der Maßnahme zur Eindämmung der Verbreitung von COVID-19 und der damit hergehenden Schließung sämtlicher Beratungsstellen, wäre es dem Beschwerdeführer nicht möglich gewesen, fristgerecht zum Ergebnis der Beweisaufnahme Stellung zu nehmen. Da in weiterer Folge keine Entscheidung getroffen worden wäre, habe der Beschwerdeführer am 12.6.2020 eine Stellungnahme dazu eingebracht.

Die Entscheidungsfrist der Behörde betrage 6 Monate ab Einlangen des Antrags. Die Frist wäre somit mit Ablauf des 7.5.2020 verstrichen. Aufgrund von § 2 Abs. 1 Ziffer 2 COVID-19 VwBG wäre diese Frist für 6 Wochen verlängert worden und habe spätestens mit Ablauf des 18.6.2020 geendet. Die Behörde sei daher seit spätestens 18.6.2020 säumig, weshalb die gegenständliche Beschwerde zulässig sei.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

Der Beschwerdeführer stellte am 7.11.2019 einen Antrag auf Ausstellung eines Fremdenpasses gemäß § 88 Abs. 2a FPG.

Er wurde in der Folge darüber informiert, dass beabsichtigt sei, seinen Antrag auf Ausstellung eines Fremdenpasses vom 7.11.2019 abzuweisen. Eine eingeräumte Möglichkeit zur Abgabe eine Stellungnahme binnen 2 Wochen wurde von ihm nicht fristgerecht wahrgenommen.

Die Behörde erließ bereits sam 15.5.2020 einen abweisenden Bescheid über den Antrag vom 7.11.2019, welcher dem Beschwerdeführer gleichzeitig mit der Verfahrensanordnung postalisch zugestellt wurde.

2. Beweiswürdigung

Aus dem Akteninhalt geht deutlich hervor, dass dem Beschwerdeführer sowohl die Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme, als auch der Bescheid des BFA vom 15.5.2020 sowie der Verbesserungsauftrag nach verspäteter Einbringung einer Stellungnahme jeweils ordnungsgemäß zugestellt wurden.

Der Beschwerdeführer wurde im Verbesserungsauftrag vom 22.6.2020 auch eigens darauf hingewiesen, dass bereits ein Bescheid erlassen worden wäre. Dennoch brachte er in der Folge die gegenständliche Säumnisbeschwerde ein.

3. Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

3.1. Zur Zurückweisung der Säumnisbeschwerden (Spruchpunkt A):

Gemäß § 13 Abs. 1 AVG können, soweit in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, Anträge, Gesuche, Anzeigen, Beschwerden und sonstige Mitteilungen bei der Behörde schriftlich, mündlich oder telefonisch eingebracht werden. Rechtsmittel und Anbringen, die an eine Frist gebunden sind oder durch die der Lauf einer Frist bestimmt wird, sind schriftlich einzubringen. Erscheint die telefonische Einbringung eines Anbringens der Natur der Sache nach nicht tunlich, so kann die Behörde dem Einschreiter auftragen, es innerhalb einer angemessenen Frist schriftlich oder mündlich einzubringen.

Gemäß § 13 Abs. 3 AVG ermächtigen Mängel schriftlicher Anbringen die Behörde nicht zur Zurückweisung. Die Behörde hat vielmehr von Amts wegen unverzüglich deren Behebung zu veranlassen und kann dem Einschreiter die Behebung des Mangels innerhalb einer angemessenen Frist mit der Wirkung auftragen, dass das Anbringen nach fruchtlosem Ablauf dieser Frist zurückgewiesen wird. Wird der Mangel rechtzeitig behoben, so gilt das Anbringen als ursprünglich richtig eingebracht.

Gemäß § 8 Abs. 1 VwGVG kann Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG erhoben werden, wenn die Behörde die Sache nicht innerhalb von sechs Monaten ab Antragstellung entschieden hat.

3.2. Im Detail setzt die Säumnisbeschwerde damit zunächst voraus, dass die Behörde in einem Verwaltungsverfahren, in dem der Beschwerdeführer Partei ist, ihre Entscheidungspflicht verletzt hat (Leeb in Hengstschläger/Leeb, AVG § 8 VwGVG, Rz 5 [Stand 15.02.2017, rdb.at]). Sie bedingt damit, dass die Behörde – i.S.d. § 73 Abs. 1 AVG – zur Erlassung eines Bescheides verpflichtet und damit säumig ist (vgl. VwGH 28.05.2015, Ro 2014/07/0079).

In der Regel bedarf es daher eines Begehrens des Einschreiters, das auf die Erlassung eines Bescheides selbst gerichtet ist. Die Säumnisbeschwerdefrist beginnt nach § 8 Abs. 1 zweiter Satz VwGVG expressis verbis mit dem Zeitpunkt, in dem der Antrag auf Sachentscheidung bei der Stelle eingelangt ist, bei der er einzubringen war (Leeb in Hengstschläger/Leeb, AVG § 8 VwGVG, Rz 6 und 17 [Stand 15.02.2017, rdb.at]).

Die Säumnisbeschwerde ist gemäß § 8 Abs. 1 erster Satz VwGVG zulässig, sobald die dafür vorgesehene Wartefrist abgelaufen ist, ohne dass über den die Entscheidungspflicht begründenden Antrag entschieden worden ist. Sie kann ab diesem Zeitpunkt jederzeit (unbefristet) erhoben werden, solange der Antrag noch offen ist. Dabei ist zu gewärtigen, dass die Säumnis der Behörde durch jede Erledigung des Antrags verhindert oder beendet wird (Leeb in Hengstschläger/Leeb, AVG § 8 VwGVG, Rz 12 [Stand 15.2.2017, rdb.at] mit zahlreichen Hinweisen zur Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes).

Gegenständlich brachte der Beschwerdeführer jedoch seine Säumnisbeschwerde zu einem Zeitpunkt ein, in welchem die Behörde die von ihm beantragte Entscheidung bereits mittels Bescheid erlassen und an den Beschwerdeführer zugestellt hatte.

Der in der Säumnisbeschwerde behauptete Sachverhalt liegt somit nicht vor. Eine Säumnisbeschwerde hätte nur dann Berechtigung gehabt, wenn sie vor Bescheid-Erlassung eingebracht worden wäre.

Die Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht war daher als unzulässig zurückzuweisen.

3.3. Eine mündliche Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 2 VwGVG entfallen, da die Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht zurückzuweisen war.

3.3. Zur Unzulässigkeit der Revision (Spruchpunkt B):

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen – obzitierten - Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Bescheiderlassung Entscheidungspflicht Fremdenpass Reisedokument Säumnisbeschwerde Unzulässigkeit der Beschwerde Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W161.1423456.2.00

Im RIS seit

22.01.2021

Zuletzt aktualisiert am

22.01.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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