TE Bvwg Beschluss 2020/11/16 W158 2190488-5

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Veröffentlicht am 16.11.2020
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Entscheidungsdatum

16.11.2020

Norm

AsylG 2005 §3
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §33

Spruch


W158 2190488-5/2E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Dr. Yoko KUROKI-HASENÖHRL über den Antrag des XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, diese vertreten durch den MigrantInnenverein St. Marx, Pulverturmgasse 4/2/R1, 1090 Wien, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX :

A)

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird gemäß § 33 VwGVG abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang und unstrittiger Sachverhalt:

I.1. Für den minderjährigen Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), einen Staatsangehörigen Afghanistans, wurde durch seine gesetzliche Vertretung nach Einreise ins Bundesgebiet ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt, der vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) nach einem mangelhaften Ermittlungsverfahren mittels Bescheid vollinhaltlich abgewiesen wurde. Zudem wurde kein Aufenthaltstitel erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen, die Zulässigkeit der Abschiebung festgestellt und eine Frist für die freiwillige Ausreise festgesetzt.

Um Wiederholungen zu vermeiden, wird dazu auf die Ausführungen im Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 01.10.2018, W158 2190488-1/5E verwiesen, mit dem dieser Bescheid behoben und die Angelegenheit an das BFA zurückverwiesen wurde.

I.2. Nachdem der BF daraufhin am 08.01.2019 neuerlich vom BFA zu seinen Fluchtgründen einvernommen wurde, wies das BFA den Antrag des BF mit Bescheid vom XXXX , hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ab. Dagegen erkannte es ihm den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu und erteilte ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung. Der Bescheid wurde dem Rechtsvertreter der gesetzlichen Vertreterin des BF, der auch ihr nunmehriger Vertreter ist, am 18.02.2019 persönlich zugestellt.

I.3. Mit Verfahrensanordnung vom 13.02.2019 wurde dem BF amtswegig ein Rechtsberater zur Seite gestellt.

I.4. Gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheids erhob der BF durch seinen Rechtsvertreter mit Schriftsatz vom 14.03.2019 direkt beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde, das diese mit Schreiben vom 25.03.2019 an das BFA weiterleitete, wo die Beschwerde am selben Tag einlangte.

I.5. Das BFA legte die Beschwerde samt dem Verwaltungsakt mit Schreiben vom 27.03.2019, das am 01.04.2019 beim Bundesverwaltungsgericht einlangte, vor.

I.6. Mit Schreiben vom 29.04.2019, dem BF am 03.05.2019 zugestellt, hielt das Bundesverwaltungsgericht dem BF vor, dass und aus welchen Gründen sich die Beschwerde als verspätet darstelle und gewährte ihm eine Frist von zwei Wochen zur Stellungnahme ab Zustellung.

I.7. Am 14.05.2019 wurde dazu insofern Stellung genommen, als zugestanden wurde, dass der Sachverhalt objektiv richtig sei. Es wurde darauf verwiesen, dass gleichzeitig ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt werde.

I.8. Ebenfalls am 14.05.2019 stellte der BF einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, den er direkt beim BFA und beim Bundesverwaltungsgericht einbrachte. Das BFA leitete diesen Antrag am 15.05.2019 an das Bundesverwaltungsgericht weiter.

Begründend wurde zum Antrag auf Wiedereinsetzung ausgeführt, die Beschwerde sei richtigerweise an das BFA adressiert gewesen, irrtümlicherweise sei von einer langjährigen und gewissenhaften Mitarbeiterin jedoch die falsche Faxnummer angewählt worden. Dabei handle es sich um ein allenfalls geringes Verschulden. Ein derartiger Fehler könne zudem selbst bei Bestehen eines hochentwickelten Kontrollsystems nicht mit absoluter Sicherheit vermieden werden. Darüber hinaus wären dem Bundesverwaltungsgericht drei Werktage zur Verfügung gestanden, um die Beschwerde an das BFA weiterzuleiten. Es sei somit auch die verzögerte Weiterleitung durch das Bundesverwaltungsgericht für die Fristversäumnis kausal.

I.9. Mit Bescheid vom 05.09.2019, dem BF am 12.09.2019 zugestellt, wies das BFA den Antrag des BF ab. Dieser Bescheid wurde infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde vom Bundesverwaltungsgericht im Verfahren zu W158 2190488-4 aufgehoben.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

II.1. Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz, BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist, was im gegenständlichen Verfahren nicht der Fall ist.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 idF BGBl. I Nr. 24/2017, geregelt (§ 1 leg.cit.).

§ 1 BFA-VG, BGBl. I Nr. 87/2012, bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem BFA, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.

Gemäß § 3 BFA-G, BGBl. I Nr. 87/2012 idF BGBl. I Nr. 70/2015, obliegt dem BFA die Vollziehung des BFA-VG (Z 1), die Vollziehung des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100 (Z 2), die Vollziehung des 7., 8. und 11. Hauptstückes des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100 (Z 3) und die Vollziehung des Grundversorgungsgesetzes – Bund 2005, BGBl. I Nr. 100 (Z 4).

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG, BGBl. I Nr. 87/2012 idF BGBl. I Nr. 68/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des BFA.

II.2. Zu Spruchpunkt A)

Da der Antrag auf Wiedereinsetzung infolge der Aufhebung des diesen Antrags abweisenden Bescheids des BFA wiederum unerledigt ist, ist die Berechtigung des Antrags durch das zuständige Bundesverwaltungsgericht zu beurteilen (siehe dazu die Ausführungen in W158 2190488-4).

Bei Versäumen der Beschwerdefrist kommt allein § 33 VwGVG und nicht § 71 AVG zur Anwendung. Der Verwaltungsgerichtshof hat allerdings in seiner Rechtsprechung festgehalten, dass grundsätzlich die in der Rechtsprechung zu § 71 AVG entwickelten Grundsätze auf § 33 VwGVG übertragbar sind (VwGH 13.09.2017, Ra 2017/12/0086).

Gemäß § 33 Abs. 1 VwGVG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis – so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat – eine Frist oder eine mündliche Verhandlung versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zu Last liegt, hindert die Bewilligung zur Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Die Behauptungen des Wiedereinsetzungswerbers innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist stecken den Rahmen für die Untersuchung der Frage ab, ob ein Wiedereinsetzungsgrund gegeben. Es ist nicht Sache des Verwaltungsgerichts amtswegig darüber hinausgehende tatsächliche Umstände zu erheben, die einen Wiedereinsetzungsgrund bilden könnten (VwGH 27.08.2020, Ra 2020/21/0310).

Unstrittig wurde die Beschwerde entgegen § 12 VwGVG direkt beim Bundesverwaltungsgericht eingebracht und von diesem erst nach Ablauf der Beschwerdefrist an das BFA weitergeleitet, sodass sich die Beschwerde als verspätet erweist (W158 2190488-3/5E). Der BF hat daher eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erlitten.

Gemäß § 33 Abs. 3 VwGVG ist der Antrag binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses zu stellen. Hier hat der BF durch die Zustellung des Verspätungsvorhalts am 03.05.2019 vom Hindernis erfahren. Der am 14.05.2019 (auch) beim Bundesverwaltungsgericht eingebrachte Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erweist sich daher jedenfalls als rechtzeitig.

Voraussetzung für die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist das Vorliegen eines Wiedereinsetzungsgrundes. Ein solcher ist gegeben, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten und sie daran kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.

Bei der Beurteilung der Frage, ob ein Ereignis unabwendbar ist, kommt es nach der Rechtsprechung (VwGH 24.01.1996, 94/12/0179) auf objektive Umstände an; nämlich darauf, ob das Ereignis auch von einem Durchschnittsmenschen objektiv nicht verhindert werden kann. Ob ein Ereignis unvorhergesehen ist, hängt demgegenüber nach der Rechtsprechung nicht von einer objektiven Durchschnittsbetrachtung, sondern vom konkreten Ablauf der Geschehnisse ab. Unvorhergesehen ist ein Ereignis dann, wenn es von der Partei tatsächlich nicht einberechnet wurde und mit zumutbarer Vorsicht auch nicht vorhergesehen werden konnte (VwGH 03.04.2001, 2000/08/0214).

Ein Verschulden der Partei hindert die Wiedereinsetzung nur dann nicht, wenn es sich dabei lediglich um einen minderen Grad des Versehens handelt. Der Begriff des minderen Grades des Versehens ist als leichte Fahrlässigkeit im Sinn des § 1332 ABGB zu verstehen. Der Wiedereinsetzungswerber darf also nicht auffallend sorglos gehandelt haben, somit die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt nicht in besonders nachlässiger Weise außer Acht gelassen haben (VwGH 01.03.2018, Ra 2017/19/0583). An berufliche und rechtskundige Parteienvertreter ist ein strengerer Maßstab anzulegen als an rechtsunkundige und bisher noch nie an gerichtlichen Verfahren beteiligte Personen (VwGH 31.05.2017, Ra 2017/22/0064).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs trifft das Verschulden eines Parteienvertreters die von diesem vertretene Partei. Dabei stellt ein dem Rechtsvertreter widerfahrenes Ereignis nur dann einen Wiedereinsetzungsgrund für die Partei dar, wenn das Ereignis für den Vertreter selbst unvorhergesehen oder unabwendbar war und es sich nur um einen minderen Grad des Versehens gehandelt hat. Ein Verschulden des Vertreters, das über diesen Grad des Versehens hinausgeht, schließt die Wiedereinsetzung aus. Ein Verschulden anderer Personen – etwa von Kanzleikräften – stellt für den Rechtsvertreter ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis dar, wenn er der ihm zumutbaren und nach der Sachlage gebotenen Überwachungspflicht nachgekommen ist. Dabei wird durch entsprechende Kontrollen dafür zu sorgen sein, dass Unzulänglichkeiten durch menschliches Versagen aller Voraussicht nach auszuschließen sind. Der Vertreter verstößt demnach auch dann gegen die ihm obliegende Sorgfaltspflicht, wenn er weder im Allgemeinen noch im Besonderen (wirksame) Kontrollsysteme vorgesehen hat, die im Fall des Versagens einer Kanzleikraft Fristversäumungen auszuschließen geeignet sind. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass ein Rechtsvertreter rein mechanische Vorgänge, wie die Postaufgabe, grundsätzlich der alleinigen Erledigung seiner Kanzlei überlassen kann, wobei diesbezügliche Fehler durch zuverlässige Kanzleiangestellte zur Wiedereinsetzung führen können, allerdings muss ein entsprechendes Kontrollsystem bestehen, um solche Fehler zu verhindern. Der Verwaltungsgerichtshof hat ferner schon judiziert, dass in einer Rechtsanwaltskanzlei Kontrollen (etwa anhand der Aufgabescheine rekommandierter Sendungen) vorzusehen sind, ob zur Postaufgabe bestimmte Sendungen auch tatsächlich zur Post gegeben und versendet wurden. Die ausdrückliche Anweisung gegenüber den stets zuverlässigen Kanzleimitarbeitern, einen Schriftsatz noch am selben Tag rekommandiert aufzugeben, genügt nicht. Das Fehlen eines diesbezüglichen Kontrollsystems ist gerade in Fällen besonderer Dringlichkeit nicht als minderer Grad des Versehens zu werten (VwGH 25.07.2019, Ra 2017/22/0161 mwN).

Im gegenständlichen Fall ist der BF zwar nicht von einem Rechtsanwalt vertreten gewesen, allerdings von einem Verein, der sich auf die Vertretung von Fremden und Asylwerbern spezialisiert hat (http://www.migrantinnenverein-stmarx.at/index.php/de/unsere-leistungen, Zugriff am 19.10.2020) und dessen Obmann zudem ein emeritierter Rechtsanwalt ist (http://www.migrantinnenverein-stmarx.at/index.php/de/wir-ueber-uns, Zugriff am 19.10.2020). Die vom Verwaltungsgerichtshof an Rechtsanwaltskanzleien gestellten Anforderungen sind daher auch auf den gegenständlichen Fall anwendbar. Zudem erkennt auch der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung, dass auch eine juristische Person im Zusammenhalt mit der Einhaltung von Terminen und Fristen Mindesterfordernisse einer sorgfältigen Organisation gewährleisten muss und diese Organisation, wenn sich das verantwortliche Organ der Unterstützung von Hilfskräften bedient, – im Rahmen der Zumutbarkeit – ein Kontrollsystem erfordert (VwGH 03.09.2018, Ra 2018/01/0370 mH auf 29.10.2015, 2013/07/0102).

Ausgehend von diesen Grundsätzen ist daher die Wiedereinsetzung bei Zugrundelegung des Antragsvorbringens aus den nachstehenden Erwägungen jedenfalls zu versagen:

Im Antrag wurde vorgebracht, einer langjährigen und gewissenhaften Mitarbeiterin, die bereits hunderte Beschwerde nicht nur richtig adressiert, sondern auch an die richtige Einbringungsstelle übermittelt habe, sei insofern ein Irrtum unterlaufen, als die Beschwerde zwar richtigerweise an das BFA andressiert war, von ihr allerdings an das Bundesverwaltungsgericht übermittelt wurde. Dabei handle es sich um ein geringes Verschulden. Da die Faxbestätigung gezeigt habe, dass die Übertragung funktioniert habe, sei auch nicht auffällig gewesen, dass der Schriftsatz an die falsche Behörde geschickt worden sei. Dabei handle es sich um einen Fehler, der auch bei Bestehen eines hochentwickelten Kontrollsystems nicht mit absoluter Sicherheit vermieden werden könne.

Damit wird aber kein wirksames Kontrollsystem im Sinne der oben zitierten Judikatur dargelegt. Nach dem Antragsvorbringen bleibt nämlich völlig unklar, wer die Faxbestätigung kontrolliert hat. Es ist demnach nicht nachvollziehbar, ob dies durch die Mitarbeiterin selbst oder durch den Obmann erfolgte. Das kann aber dahingestellt bleiben, da sich aus dem Antragsvorbringen ergibt, dass offensichtlich lediglich die erfolgreiche Übertragung überprüft wurde. Eine Kontrolle dahingehend, ob der Schriftsatz auch bei der richtigen Behörde eingebracht wurde, fand jedoch offensichtlich nicht statt. Bei einer derartigen Kontrolle der Faxbestätigung durch wen auch immer hätte nämlich jedenfalls auffallen müssen, dass es sich bei der angewählten Faxnummer nicht um die des BFA, sondern des Bundesverwaltungsgerichts handelt. Dies umso mehr, als es sich bei der Faxnummer des Bundesverwaltungsgerichts um eine Nummer mit Wiener Vorwahl handelt, während im gegenständlichen Fall die Beschwerde an das BFA in Niederösterreich zu übermitteln gewesen wäre, sodass bereits anhand der ersten Ziffern auffallen hätte müssen, dass nicht die richtige Nummer gewählt worden sein konnte. Es besteht daher offensichtlich kein Kontrollsystem, dass derartige Fehler verhindert, weswegen nicht von einem minderen Grad des Versehens gesprochen werden kann. Würde ein derartiges Kontrollsystem bestehen, wäre der Fehler sofort aufgefallen und die Beschwerde hätte noch fristgerecht an das BFA übermittelt werden können.

Zudem handelt es sich bei dem Versehen der Mitarbeiterin des Rechtsvertreters auch weder um ein unvorhergesehenes, noch um ein unabwendbares Ereignis, weswegen die Wiedereinsetzung auch daran scheitern muss. Wie bereits ausgeführt, kommt es bei der Beurteilung der Frage, ob ein Ereignis unabwendbar ist nach der Rechtsprechung (VwGH 24.01.1996, 94/12/0179) auf objektive Umstände an; nämlich darauf, ob das Ereignis auch von einem Durchschnittsmenschen objektiv nicht verhindert werden kann. Von einem Durchschnittsmenschen kann die Eingabe einer falschen Faxnummer objektiv jedenfalls verhindert werden.

Ob ein Ereignis unvorhergesehen ist, hängt demgegenüber nach der Rechtsprechung nicht von einer objektiven Durchschnittsbetrachtung, sondern vom konkreten Ablauf der Geschehnisse ab. Unvorhergesehen ist ein Ereignis dann, wenn es von der Partei tatsächlich nicht einberechnet wurde und mit zumutbarer Vorsicht auch nicht vorhergesehen werden konnte (VwGH 03.04.2001, 2000/08/0214). Auch das ist im gegenständlichen Fall nicht gegeben. Es mag zwar sein, dass die Eingabe einer falschen Faxnummer von der Mitarbeiterin nicht einberechnet wurde, mit zumutbarer Vorsicht hätte es jedoch vorhergesehen werden können, zumal auf der Beschwerde die richtige Faxnummer vermerkt ist. Insofern ist der Mitarbeiterin daher auch vorzuwerfen, ein auffallend sorgloses Verhalten an den Tag gelegt zu haben, als sie nicht die auf der Beschwerde vermerkte Nummer wählte, sondern – offenbar eigenständig und entgegen den Anweisungen – eine andere Nummer wählte. Damit wurde aber die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihr nach ihren persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt in besonders nachlässiger Weise außer Acht gelassen. Auch daran muss die Wiedereinsetzung daher jedenfalls scheitern.

Soweit im Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand auch noch geltend gemacht wird, das Bundesverwaltungsgericht hätte noch ausreichend Zeit gehabt, die Beschwerde innerhalb der Beschwerdefrist an das BFA weiterzuleiten, sodass die Beschwerde in diesem Fall rechtzeitig erhoben worden wäre, ist sie einerseits auf den klaren Wortlaut des § 6 AVG, wonach die Weiterleitung ohne unnötigen Aufschub auf Gefahr des Einschreiters zu erfolgen hat, und andererseits auf die dazu ergangene ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs hinzuweisen. Demnach darf die in § 6 AVG normierte Pflicht der unzuständigen Stelle zur Weiterleitung von Schriftstücken an die zuständige Stelle nicht beliebig lange hinausgezögert werden. Wurde die Partei durch eine grundlose extreme Verzögerung der Weiterleitung ihres irrtümlich bei der unzuständigen Stelle eingebrachten Anbringens gehindert, die Frist einzuhalten, stellt das für die Fristversäumung letztlich kausale Fehlverhalten der betreffenden Stelle ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis dar. Diesfalls trifft den Antragsteller an der Versäumung der Frist kein über den minderen Grad des Versehens hinausgehendes Verschulden. Ein Wiedereinsetzungsgrund liegt aber nur dann vor, wenn die Partei durch ein im Nachhinein bekannt gewordenes „krasses Fehlverhalten“ der zur Weiterleitung verpflichteten Stelle an der Einhaltung der Frist gehindert wurde (VwGH 10.09.2018, Ra 2018/19/0331).

Im vorliegenden Fall wurde der Bescheid am Montag, dem 18.02.2019 durch persönliche Übergabe zugestellt. Die vierwöchige Beschwerdefrist (§ 7 Abs. 4 VwGVG) endete daher am Montag, dem 18.03.2019. Die Beschwerde wurde vom Vertreter am Donnerstag, dem 14.03.2019 um 17:40 Uhr und somit nach den Amtsstunden beim Bundesverwaltungsgericht eingebracht. Es blieben dem Bundesverwaltungsgericht daher lediglich zwei Werktage, um die Beschwerde an das BFA innerhalb der Beschwerdefrist weiterzuleiten. Schon angesichts des dem Gericht zuzugestehenden Zeitraumes für eine geschäftsordnungsgemäße Behandlung der Eingabe kann jedenfalls nicht von einer „extremen Verzögerung“ oder von einem „krassen Fehlverhalten“ gesprochen werden. Die aufgetretene Verzögerung bei der Weiterleitung geht daher zu Lasten des BF, der den Schriftsatz bei der falschen Einbringungsstelle eingebracht hat (vgl. VwGH 10.09.2018, Ra 2018/19/0331, wo ein Zeitraum von acht Werktagen nicht als „krasses Fehlverhalten“ beurteilt wurde).

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war daher als unbegründet abzuweisen. Eine Verhandlung konnte nach § 24 Abs. 1 VwGVG unterbleiben, da im alleine maßgeblichen Antrag keine Verhandlung beantragt wurde und eine solche aufgrund der klaren Aktenlage nicht erforderlich ist, zumal vom Antragsvorbringen ausgegangen wurde.

II.3. Zu Spruchpunkt B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Frage, ob das Verwaltungsgericht fallbezogen zu Recht das Vorliegen eines minderen Grades des Versehens verneint hat, ist grundsätzlich keine Rechtsfrage, der über den konkreten Einzelfall hinausgehende Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zukommt. Eine solche Rechtsfrage läge nur dann vor, wenn die Beurteilung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen worden wäre (VwGH 29.05.2020, Ra 2020/05/0058). Da sich die Beurteilung hier innerhalb der vom Höchstgericht vorgegebenen Leitlinien hält, war die Revision nicht zuzulassen.

Schlagworte

Fristversäumung Rechtsmittelfrist Sorgfaltspflicht unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis Verschulden des Vertreters Weiterleitung Wiedereinsetzung Wiedereinsetzungsantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W158.2190488.5.00

Im RIS seit

22.01.2021

Zuletzt aktualisiert am

22.01.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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