Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AZG §19;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 97/11/0040Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des K in G, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in W, gegen die Bescheide des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom 19. Dezember 1996, Zl. UVS 30.13-133+134/95-58, betreffend Übertretungen des Arbeitszeitgesetzes (hg. Zl. 97/11/0039), und vom 29. Jänner 1997, Zl. UVS 30.13-133+134/95-65, betreffend Bescheidberichtigung (hg. Zl. 97/11/0040), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Graz vom 21. August 1995 wurde der Beschwerdeführer in seiner Eigenschaft als handelsrechtlicher Geschäftsführer der Steiermärkischen Krankenanstalten-Gesellschaft m.b.H. (KAGES) mit dem Sitz in Graz schuldig erkannt, es verwaltungsstrafrechtlich zu verantworten zu haben, daß sich im April 1994 im Landeskrankenhaus X in Ansehung von insgesamt 71 Arbeitnehmern der Gesellschaft Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz (AZG) ereignet hätten, und zwar in 71 Fällen Überschreitungen der höchstzulässigen Tagesarbeitszeit und in 56 Fällen Überschreitungen der höchstzulässigen Wochenarbeitszeit. Der Beschwerdeführer habe dadurch 126 Übertretungen des AZG in Verbindung mit einem nach Datum und Geschäftszahl bestimmten Bescheid des Arbeitsinspektorates Graz begangen. Über ihn wurden 126 Geldstrafen (Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt.
Mit dem erstangefochtenen Bescheid wurde der vom Beschwerdeführer dagegen erhobenen Berufung in Ansehung von 13 Übertretungen (8 Überschreitungen der höchstzulässigen Tagesarbeitszeit und 5 Überschreitungen der höchstzulässigen Wochenarbeitszeit) keine Folge gegeben und das Straferkenntnis bestätigt. Im übrigen wurde das Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt. Dem Beschwerdeführer wurde die Entrichtung eines Beitrages zu den Kosten des Berufungsverfahrens im Ausmaß von 20 % der Summe der bestätigten Geldstrafen vorgeschrieben.
Mit dem zweitangefochtenen Bescheid wurde der erstangefochtene Bescheid gemäß § 62 Abs. 4 AVG dahin berichtigt, daß in den Spruch ein Satz eingefügt wurde, wonach sich der Beitrag zu den Kosten des erstinstanzlichen Verwaltungsstrafverfahrens auf 10 % der bestätigten Geldstrafen verringere.
In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes der angefochtenen Bescheide geltend und beantragt deren kostenpflichtige Aufhebung. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem nach § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat erwogen:
1. Vorauszuschicken ist, daß die mit dem erstangefochtenen Bescheid (im Hinblick auf das hg. Erkenntnis vom 6. August 1996, Zl. 95/11/0322 u.a.) verfügte Einstellung jene Verwaltungsstrafverfahren betrifft, in denen es sich um Arbeitszeitüberschreitungen durch Ärzte und Diplomiertes Krankenpflegepersonal handelt. Bei den Arbeitnehmern, hinsichtlich deren Arbeitszeitüberschreitungen die Bestrafungen des Beschwerdeführers bestätigt wurden, handelt es sich hingegen um "OP-Gehilfen".
"OP-Gehilfen" zählen zum Sanitätshilfsdienst im Sinne des Krankenpflegegesetzes (KrpflG - vgl. dessen § 44 lit. c i.V.m. § 51 lit. c). Die Ausbildung zum Operationsgehilfen hat in Kursen zu erfolgen (§ 45 Abs. 1). Diese Kurse können nur in Verbindung mit Krankenanstalten eingerichtet werden (§ 45 Abs. 2). Für die Einrichtung und Abhaltung der Kurse ist der Bedarf maßgebend (§ 45 Abs. 4). Dies bedarf der Bewilligung des Landeshauptmannes (§ 45 Abs. 5). Für Operationsgehilfen ist ein Mindestalter von 17 Jahren vorgesehen (§ 45 Abs. 6 zweiter Satz). Die Kosten sind von der veranstaltenden Stelle zu tragen (§ 46 Abs. 1). Die Kurse haben mindestens 130 und höchstens 210 Unterrichtsstunden zu umfassen (§ 47 Abs. 1). Aus den ersten drei Sätzen des § 52 Abs. 7 ergibt sich ferner, daß die Berufsausübung eines Operationsgehilfen schon vor der Absolvierung der Ausbildung begonnen werden darf.
Daraus ergibt sich, daß Operationsgehilfen mit Ärzten und dem Diplomierten Krankenpflegepersonal, hinsichtlich derer im zitierten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 6. August 1996 sowie in dem den Beschwerdeführer in seiner Eigenschaft als handelsrechtlicher Geschäftsführer der KAGES betreffenden Erkenntnis vom 1. Oktober 1996, Zl. 96/11/0046, zugestanden wurde, daß es im Bereich des Möglichen liegt, daß sie für die KAGES nicht (in ausreichendem Ausmaß) für eine Anstellung zur Verfügung stehen, nicht vergleichbar sind. Operationsgehilfen bedürfen lediglich einer verhältnismäßig kurzen Ausbildung. Diese ist im übrigen bei Bedarf von der Krankenanstalt (richtig wohl vom Krankenanstaltenträger) einzurichten. Es erscheint daher dem Verwaltungsgerichtshof nicht plausibel, daß es dem Beschwerdeführer a priori unmöglich gewesen sein soll, Operationsgehilfen in einem zur Entsprechung der arbeitszeitrechtlichen Vorschriften erforderlichen Ausmaß anzustellen und auszubilden. Der Personalmangel, der nach den Beschwerdeausführungen die Ursache für die Verstöße gegen das AZG sei, wäre demnach u.a. vom Beschwerdeführer in seiner Organfunktion zu vertreten. Die Möglichkeit der Annahme eines übergesetzlichen Notstandes bzw. einer rechtfertigenden Pflichtenkollision scheidet im vorliegenden Zusammenhang aus.
2. Der Beschwerdeführer macht ferner geltend, daß es sich bei den als Arbeitszeiten angegebenen zeitlichen Größen nicht zur Gänze um Arbeitszeit, sondern teilweise um bloße "Anwesenheitsbereitschaft" gehandelt habe. Während dieser habe die Arbeitnehmer keine Arbeitsverpflichtung getroffen, sondern sie hätten sich in ihre Zimmer zurückziehen, sich ausruhen und essen können; nur für Notfälle hätten sie zur Verfügung stehen müssen.
Die belangte Behörde hat dieses bereits als Beschuldigtenverantwortung im Verwaltungsstrafverfahren vorgebrachte Argument im wesentlichen mit dem Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 2. November 1991, Zl. 91/19/0248-0250, abgetan. Sie ist damit im Recht. Der Verwaltungsgerichtshof hat in diesem Erkenntnis zur Unterscheidung zwischen der zur Arbeitszeit zählenden Arbeitsbereitschaft und der nicht unter diesen Begriff fallenden Rufbereitschaft im wesentlichen darauf abgestellt, daß bei ersterer die Arbeitnehmer keine Möglichkeit hätten, ihren Aufenthalt frei zu wählen; sie wären - zum Unterschied von der Rufbereitschaft - verpflichtet, sich in bestimmten Räumlichkeiten bzw. Gebäuden aufzuhalten. Diese Verpflichtung zur Anwesenheit am Dienstort, die laut Vorbringen des Beschwerdeführers auch in Ansehung der Operationsgehilfen gegeben war, bewirkt, daß es sich zur Gänze um Arbeitszeit im Sinne des AZG gehandelt hat.
3. Der Beschwerdeführer behauptet, insofern einer Doppelbestrafung ausgesetzt zu sein, als er in Ansehung einzelner Arbeitnehmer sowohl wegen Überschreitung der höchstzulässigen Wochenarbeitszeit, als auch für die an einzelnen Tagen dieser Wochen gegebenen Überschreitungen der höchstzulässigen Tagesarbeitszeiten bestraft worden sei.
Damit verkennt er, daß es sich bei der Überschreitung von höchstzulässigen Wochenarbeitszeiten und der Überschreitung von höchstzulässigen Tagesarbeitszeiten (auch) in dieser Woche um voneinander zu unterscheidende Verstöße gegen das Gesetz handelt. Diese Verstöße stehen zueinander jedenfalls nicht im Verhältnis, daß die Begehung des einen Verstoßes notwendigerweise den anderen Verstoß in sich schlösse. So sind - wie sich auch aus dem angefochtenen Bescheid ergibt - Überschreitungen der Tagesarbeitszeiten ohne Überschreitung der Wochenarbeitszeit in der betreffenden Woche möglich. Es handelt sich daher in Ansehung der Überschreitungen der Tagesarbeitszeit und der Wochenarbeitszeit um "verschiedene selbständige Taten" im Sinne des § 22 Abs. 1 VStG).
4. Der Beschwerdeführer behauptet ferner, daß die über ihn verhängten Strafen unangemessen hoch seien. Diesem Vorwurf ist entgegenzuhalten, daß die verhängten Strafen S 1.000,-- je Übertretung betragen, somit im untersten Bereich des Strafrahmens nach § 28 Abs. 1 AZG angesiedelt sind. Die belangte Behörde hat daher im Ergebnis - ungeachtet der von ihr gegebenen Begründung - keineswegs das Vorliegen von Milderungsgründen, sehr wohl aber das Vorliegen von Erschwerungsgründen ausgeschlossen. Ein im Zusammenhang mit der Strafbemessung gegebener Ermessensfehler ist für den Verwaltungsgerichtshof nicht erkennbar.
5. Was den zweitangefochtenen Bescheid betrifft, enthält die Beschwerde keine besonderen Ausführungen. Vor dem Hintergrund des Umstandes, daß der Beschwerdeführer durch den zweitangefochtenen Bescheid gegenüber der Urfassung des erstangefochtenen Bescheides bessergestellt wurde, vermag der Verwaltungsgerichtshof keine Verletzung von Rechten des Beschwerdeführers durch diesen Bescheid zu erblicken.
6. Die Beschwerde erweist sich insgesamt als unbegründet. Sie war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Von der beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.
Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1997110039.X00Im RIS seit
03.04.2001