Entscheidungsdatum
16.11.2020Norm
AsylG 2005 §3Spruch
W158 2190488-4/7E
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Yoko KUROKI-HASENÖHRL über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, diese vertreten durch den MigrantInnenverein St. Marx, Pulverturmgasse 4/2/R1, 1090 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 05.09.2019, Zl. XXXX , zu Recht:
A)
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang und unstrittiger Sachverhalt:
I.1. Für den minderjährigen Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), einen Staatsangehörigen Afghanistans, wurde durch seine gesetzliche Vertretung nach Einreise ins Bundesgebiet ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt, der vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) nach einem mangelhaften Ermittlungsverfahren mittels Bescheid vollinhaltlich abgewiesen wurde. Zudem wurde kein Aufenthaltstitel erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen, die Zulässigkeit der Abschiebung festgestellt und eine Frist für die freiwillige Ausreise festgesetzt.
Um Wiederholungen zu vermeiden, wird dazu auf die Ausführungen im Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 01.10.2018, W158 2190488-1/5E verwiesen, mit dem dieser Bescheid behoben und die Angelegenheit an das BFA zurückverwiesen wurde.
I.2. Nachdem der BF daraufhin am 08.01.2019 neuerlich vom BFA zu seinen Fluchtgründen einvernommen wurde, wies das BFA den Antrag des BF mit Bescheid vom XXXX , hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ab. Dagegen erkannte es ihm den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu und erteilte ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung. Der Bescheid wurde dem Rechtsvertreter der gesetzlichen Vertreterin des BF, der auch ihr nunmehriger Vertreter ist, am 18.02.2019 persönlich zugestellt.
I.3. Mit Verfahrensanordnung vom 13.02.2019 wurde dem BF amtswegig ein Rechtsberater zur Seite gestellt.
I.4. Gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheids erhob der BF durch seinen Rechtsvertreter mit Schriftsatz vom 14.03.2019 direkt beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde, das diese mit Schreiben vom 25.03.2019 an das BFA weiterleitete, wo die Beschwerde am selben Tag einlangte.
I.5. Das BFA legte die Beschwerde samt dem Verwaltungsakt mit Schreiben vom 27.03.2019, das am 01.04.2019 beim Bundesverwaltungsgericht einlangte, vor.
I.6. Mit Schreiben vom 29.04.2019, dem BF am 03.05.2019 zugestellt, hielt das Bundesverwaltungsgericht dem BF vor, dass und aus welchen Gründen sich die Beschwerde als verspätet darstelle und gewährte ihm eine Frist von zwei Wochen zur Stellungnahme ab Zustellung.
I.7. Am 14.05.2019 wurde dazu insofern Stellung genommen, als zugestanden wurde, dass der Sachverhalt objektiv richtig sei. Es wurde darauf verwiesen, dass gleichzeitig ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt werde.
I.8. Ebenfalls am 14.05.2019 stellte der BF einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, den er direkt beim BFA und beim Bundesverwaltungsgericht einbrachte. Das BFA leitete diesen Antrag am 15.05.2019 an das Bundesverwaltungsgericht weiter.
Begründend wurde zum Antrag auf Wiedereinsetzung ausgeführt, die Beschwerde sei richtigerweise an das BFA adressiert gewesen, irrtümlicherweise sei von einer langjährigen und gewissenhaften Mitarbeiterin jedoch die falsche Faxnummer angewählt worden. Dabei handle es sich um ein allenfalls geringes Verschulden. Ein derartiger Fehler könne zudem selbst bei Bestehen eines hochentwickelten Kontrollsystems nicht mit absoluter Sicherheit vermieden werden. Darüber hinaus wären dem Bundesverwaltungsgericht drei Werktage zur Verfügung gestanden, um die Beschwerde an das BFA weiterzuleiten. Es sei somit auch die verzögerte Weiterleitung durch das Bundesverwaltungsgericht für die Fristversäumnis kausal.
I.9. Mit nunmehr angefochtenen Bescheid vom 05.09.2019, dem BF am 12.09.2019 zugestellt, wies das BFA den Antrag des BF ab.
I.10. Dagegen richtet sich die gegenständliche Beschwerde vom 10.10.2019, in der beantragt wird, den angefochtenen Bescheid dahin abzuändern, dass dem Antrag auf Wiedereinsetzung stattgegeben werde, allenfalls den Bescheid aufzuheben und zur Ergänzung des Verfahrens an das BFA zurückzuverweisen, allenfalls eine mündliche Beschwerdeverhandlung anzuberaumen, allenfalls festzustellen, dass die Beschwerde gegen den Bescheid vom „27.02.2018“ fristgerecht eingebracht worden sei.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
II.1. Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz, BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist, was im gegenständlichen Verfahren nicht der Fall ist.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 idF BGBl. I Nr. 24/2017, geregelt (§ 1 leg.cit.).
§ 1 BFA-VG, BGBl. I Nr. 87/2012, bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem BFA, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.
Gemäß § 3 BFA-G, BGBl. I Nr. 87/2012 idF BGBl. I Nr. 70/2015, obliegt dem BFA die Vollziehung des BFA-VG (Z 1), die Vollziehung des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100 (Z 2), die Vollziehung des 7., 8. und 11. Hauptstückes des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100 (Z 3) und die Vollziehung des Grundversorgungsgesetzes – Bund 2005, BGBl. I Nr. 100 (Z 4).
Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG, BGBl. I Nr. 87/2012 idF BGBl. I Nr. 68/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des BFA.
II.2. Zu Spruchpunkt A)
Wird die Beschwerdefrist versäumt, ist für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand § 33 VwGVG die maßgebliche Bestimmung und nicht §§ 71, 72 AVG, insbesondere nicht § 71 Abs. 4 AVG, nach dem zur Entscheidung über den Antrag auf Wiedereinsetzung die Behörde berufen ist, bei der die versäumte Handlung vorzunehmen war oder die die versäumte Verhandlung angeordnet oder die unrichtige Rechtsmittelbelehrung erteilt hat, weil es sich um ein Verfahren über eine im VwGVG geregelte Beschwerde handelt (VwGH 05.12.2018, Ra 2018/20/0441; 28.09.2016, Ro 2016/16/0013).
Es kommt daher die Zuständigkeitsregelung des § 33 VwGVG zur Anwendung. Gemäß § 33 Abs. 3 VwGVG ist der Antrag auf Wiedereinsetzung bis zur Vorlage der Beschwerde bei der Behörde, ab Vorlage der Beschwerde beim Verwaltungsgericht binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses zu stellen. Nach § 33 Abs. 4 VwGVG hat bis zur Vorlage die Behörde über den Antrag mit Bescheid, ab Vorlage der Beschwerde das Verwaltungsgericht mit Beschluss zu entscheiden. § 33 Abs. 4 VwGVG kann verfassungskonform nur die Bedeutung zugemessen werden, dass über Wiedereinsetzungsanträge, die bis zur Vorlage der Beschwerde bei der Behörde eingebracht werden, von dieser, und über jene, die ab Vorlage der Beschwerde an das Verwaltungsgericht eingebracht werden, von jenem mit Beschluss zu entscheiden ist (näher VwGH 28.09.2016, Ro 2016/16/0013).
Maßgeblich für die Zuständigkeit zur Entscheidung über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist demnach, ob dieser vor Vorlage der Beschwerde gestellt wurde oder erst danach. Der Begriff der Vorlage der Beschwerde in § 33 Abs. 3 VwGVG stellt auf die Vorlage durch die Behörde ab (VwGH 26.09.2018, Ra 2017/17/0015).
Im gegenständlichen Fall ist die Beschwerdevorlage zum Zeitpunkt der Stellung des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bereits erfolgt gewesen, was dem BF durch den Verspätungsvorhalt durch das Bundesverwaltungsgericht auch bewusst sein musste. Der Antrag wäre daher nach § 33 Abs. 3 VwGVG nur beim Bundesverwaltungsgericht einzubringen gewesen, das in weiterer Folge nach § 33 Abs. 4 VwGVG über den Antrag zu entscheiden gehabt hätte. Die Zuständigkeit zur Entscheidung über den Antrag kommt daher einzig dem Bundesverwaltungsgericht zu, dem BFA kam eine Zuständigkeit nach § 33 Abs. 4 VwGVG seit der Vorlage der Beschwerde dagegen nicht mehr zu.
Hat eine unzuständige Behörde entschieden, so hat das mit Beschwerde angerufene Verwaltungsgericht diese Unzuständigkeit wahrzunehmen und diese Entscheidung zu beheben. Eine anstelle dessen erfolgte Entscheidung des Verwaltungsgerichts in der Sache würde diese mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belasten (VwGH 28.01.2016, Ra 2015/07/0140).
Das Verwaltungsgericht hat die Unzuständigkeit der Behörde nach § 27 VwGVG auch dann von Amts wegen wahrzunehmen, wenn sie – wie hier – in der Beschwerde nicht geltend gemacht wurde. Demzufolge war der angefochtene Bescheid vom Bundesverwaltungsgericht gemäß § 27 VwGVG wegen Rechtswidrigkeit infolge der Unzuständigkeit der belangten Behörde aufzuheben, ohne dass auf das Beschwerdevorbringen weiter einzugehen war. Eine mündliche Verhandlung konnte nach § 24 Abs. 2 Z 1 entfallen, weil bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben ist.
II.3. Zu Spruchpunkt B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Zur hier maßgeblichen Frage der Zuständigkeit besteht einheitliche höchstgerichtliche Rechtsprechung, in deren Rahmen sich diese Entscheidung hält.
Schlagworte
Behebung der Entscheidung Beschwerdevorlage Fristversäumung Rechtswidrigkeit unzuständige Behörde Unzuständigkeit Wiedereinsetzung Wiedereinsetzungsantrag Zuständigkeit BVwGEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W158.2190488.4.00Im RIS seit
22.01.2021Zuletzt aktualisiert am
22.01.2021