Entscheidungsdatum
17.11.2020Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W242 2191936-4/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. HEUMAYR als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX geb. XXXX Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, Wien 9., Alser Straße 20, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , zu Recht:
A.) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B.) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I.) Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Afghanistans, stellte nach seiner Einreise in das Bundesgebiet am XXXX 2015 einen ersten Antrag auf internationalen Schutz, wobei er bei seiner Erstbefragung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes zu seinen Fluchtgründen angab, dass die Lage in Afghanistan nicht gut und dort Krieg sei. Es würden die IS-Truppen gegen die Taliban kämpfen. Diese würden die Zivilisten in Afghanistan bekämpfen.
Im Rahmen seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl brachte er am 11.01.2018 zu seinen Fluchtgründen vor, dass er aufgrund seiner Arbeitslosigkeit Soldat geworden wäre. Er sei von der Regierung mit fünfzig anderen Soldaten in die Provinz Badakhschan geschickt worden, wo er gegen die Taliban hätte kämpfen müssen. Er wäre dort ca. einen Monat lang gewesen und hätte gesehen, dass viele Soldaten getötet worden wären. Die Taliban hätten dort 30 Soldaten geköpft und hätte er dann Angst bekommen. Nach seiner Flucht nach Kabul wäre er rund einen Monat lang wieder als Soldat arbeiten gegangen. Seine Flucht hätte keine Konsequenzen gehabt und hätte er dann frei bekommen. Er wäre nach Hause gegangen, wo er mit seiner Frau über seine Probleme gesprochen und sich danach zur Flucht aus Afghanistan entschlossen hätte.
Der erste Asylantrag wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, GZ XXXX , vom XXXX 2018 abgewiesen.
Der Beschwerdeführer erhob fristgerecht gegen diesen Bescheid Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.
Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts, GZ XXXX , vom XXXX 2019 abgewiesen. Festgestellt wurde unter anderem, dass
Die gegen dieses Erkenntnis erhobene Revision wurde durch den Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss, GZ. Ra 2019/14/0141-5, vom XXXX 2019 zurückgewiesen.
Am XXXX 2019 stellte der Beschwerdeführer einen zweiten Antrag auf internationalen Schutz im Bundesgebiet. Dieser wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX 2019 gemäß § 68 Abs. 1 AVG in Hinblick auf die Zuerkennung von internationalen und subsidiären Schutz zurückgewiesen. Gleichzeitig wurde die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung nach § 57 AsylG versagt, eine Rückkehrentscheidung nach § 52 Abs. 2 Z 2 FPG und § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG erlassen, festgestellt, dass die Abschiebung nach Afghanistan gemäß § 52 Abs. 9 FPG zulässig sei, keine Frist zur freiwilligen Ausreise eingeräumt und ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen. Diese unbekämpft gebliebene Entscheidung erwuchs am 28.12.2019 in Rechtskraft. Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes nach § 12a Abs. 2 AsylG wurde durch Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts, GZ. XXXX , vom XXXX 2019 für rechtmäßig erklärt.
Am XXXX 2020 stellte der Beschwerdeführer den gegenständlichen zweiten Folgeantrag und gab bei der noch am selben Tag durchgeführten Erstbefragung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes zu seinen Fluchtgründen zu Protokoll, dass er zwei Jahre beim Militär gewesen wäre. Nach zwei Jahren hätte er kämpfen sollen und hätte ihm seine Mutter zur Flucht geraten. Sein Vertrag beim Militär sollte jedoch vier Jahre dauern und hätte er nach zwei Jahren fristlos gekündigt. Er fürchte jetzt im Falle einer Rückkehr eingesperrt zu werden. Hinzu komme seine Furcht vor den Taliban.
Am 18.05.2020 wurde der Beschwerdeführer in Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari niederschriftlich einvernommen, wobei er zusammengefasst angab, dass er bei seiner Erstbefragung die Wahrheit angegeben hätte und nichts ergänzen möchte. In der Zwischenzeit sei der Kontakt zu seinem in Linz lebenden Bruder weniger geworden wäre, da er in einige Zeit in Frankreich gewesen wäre. Es würde aber regelmäßiger, telefonischer Kontakt bestehen. Mit seiner Freundin würde er regelmäßig telefonieren, wobei er sie aber seit seiner Ankunft in Thalham nicht persönlich gesehen hätte. An der Beziehung hätte sich nicht geändert. Er möchte sie zwar heiraten, jedoch würde das ohne Dokumente nicht gehen. Er hätte seine Fluchtgründe bereits im Erstverfahren genannt, halte diese aufrecht und hätte eigentlich keine weiteren Fluchtgründe, es sei denn, er würde etwas frei erfinden. Er sei seit fünf Jahren in Österreich und hätte er diese Jahre vergeudet, da er – wie auch in Frankreich – nicht bleiben dürfe. Mehr hätte er nicht mehr zu sagen.
Am 27.05.2020 wurde der Beschwerdeführer erneut vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich einvernommen, wobei im Beisein einer Rechtsberatung und eines Dolmetschers für die Sprache Dari mittels mündlich verkündetem Bescheid der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 2 AsylG aufgehoben wurde. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts, GZ. XXXX , vom XXXX 2020, wurde die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes für rechtmäßig erklärt.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom XXXX 2020 wurde der zweite Folgeantrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigen gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl führte begründend aus, dass der Beschwerdeführer seine Gründe aus dem ersten Asylverfahren aufrecht gehalten und er keine weiteren Gründe vorgebracht hätte. Der nunmehr vorgebrachte Sachverhalt würde sich mit dem ursprünglichen Sachverhalt decken. Das neue Vorbringen würde sich auf ein bereits rechtskräftig als unglaubwürdig qualifiziertes Vorbringen stützen, weshalb ein neuer objektiver asylrelevanter Sachverhalt nicht vorliegen würde. Enge familiäre und private Bindungen würden im Inland nicht bestehen.
Gegen diesen Bescheid wurde innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben. Der Beschwerdeführer verwies vollinhaltlich auf alle am 18.05.2020 vorgebrachten Gründe und führte aus, dass er aus den vorgebrachten Änderungen in Afghanistan begründete Furcht um sein Leben und seine Unversehrtheit hätte.
Zur Lage in Afghanistan wurde im angefochtenen Bescheid durch die belangte Behörde festgestellt. (Die durch das Bundesverwaltungsgericht gekürzt wiedergegebenen Länderinformationen werden festgestellt und der Entscheidung zu Grunde gelegt):
„Länderspezifische Anmerkungen
COVID-19:
Stand 21.7.2020
Das genaue Ausmaß der COVID-19-Krise in Afghanistan ist unbekannt. Die hier gesammelten Informationen sollen die Lage zu COVID-19 in Afghanistan zum Zeitpunkt der Berichtserstellung wiedergeben. Diese Informationen werden in regelmäßigen Abständen aktualisiert.
Aktueller Stand der COVID-19 Krise in Afghanistan
Berichten zufolge, haben sich in Afghanistan mehr als 35.000 Menschen mit COVID-19 angesteckt (WHO 20.7.2020; vgl. JHU 20.7.2020, OCHA 16.7.2020), mehr als 1.280 sind daran gestorben. Aufgrund der begrenzten Ressourcen des öffentlichen Gesundheitswesens und der begrenzten Testkapazitäten sowie des Fehlens eines nationalen Sterberegisters werden bestätigte Fälle von und Todesfälle durch COVID-19 in Afghanistan wahrscheinlich insgesamt zu wenig gemeldet (OCHA 16.7.2020; vgl. DS 19.7.2020). 10 Prozent der insgesamt bestätigten COVID-19-Fälle entfallen auf das Gesundheitspersonal. Kabul ist hinsichtlich der bestätigten Fälle nach wie vor der am stärksten betroffene Teil des Landes, gefolgt von den Provinzen Herat, Balkh, Nangarhar und Kandahar (OCHA 15.7.2020). Beamte in der Provinz Herat sagten, dass der Strom afghanischer Flüchtlinge, die aus dem Iran zurückkehren, und die Nachlässigkeit der Menschen, die Gesundheitsrichtlinien zu befolgen, die Möglichkeit einer neuen Welle des Virus erhöht haben, und dass diese in einigen Gebieten bereits begonnen hätte (TN 14.7.2020). Am 18.7.2020 wurde mit 60 neuen COVID-19 Fällen der niedrigste tägliche Anstieg seit drei Monaten verzeichnet – wobei an diesem Tag landesweit nur 194 Tests durchgeführt wurden (AnA 18.7.2020).
Krankenhäuser und Kliniken berichten weiterhin über Probleme bei der Aufrechterhaltung oder Erweiterung der Kapazität ihrer Einrichtungen zur Behandlung von Patienten mit COVID-19. Diese Herausforderungen stehen im Zusammenhang mit der Bereitstellung von persönlicher Schutzausrüstung (PSA), Testkits und medizinischem Material sowie mit der begrenzten Anzahl geschulter Mitarbeiter - noch verschärft durch die Zahl des erkrankten Gesundheitspersonals. Es besteht nach wie vor ein dringender Bedarf an mehr Laborequipment sowie an der Stärkung der personellen Kapazitäten und der operativen Unterstützung (OCHA 16.7.2020, vgl. BBC-News 30.6.2020).
Maßnahmen der afghanischen Regierung und internationale Hilfe
Die landesweiten Sperrmaßnahmen der Regierung Afghanistans bleiben in Kraft. Universitäten und Schulen bleiben weiterhin geschlossen (OCHA 8.7.2020; vgl. RA KBL 16.7.2020). Die Regierung Afghanistans gab am 6.6.2020 bekannt, dass sie die landesweite Abriegelung um drei weitere Monate verlängern und neue Gesundheitsrichtlinien für die Bürger herausgeben werde. Darüber hinaus hat die Regierung die Schließung von Schulen um weitere drei Monate bis Ende August verlängert (OCHA 8.7.2020).
Berichten zufolge werden die Vorgaben der Regierung nicht befolgt, und die Durchsetzung war nachsichtig (OCHA 16.7.2020, vgl. TN 12.7.2020). Die Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung des Virus unterscheiden sich weiterhin von Provinz zu Provinz, in denen die lokalen Behörden über die Umsetzung der Maßnahmen entscheiden. Zwar behindern die Sperrmaßnahmen der Provinzen weiterhin periodisch die Bewegung der humanitären Helfer, doch hat sich die Situation in den letzten Wochen deutlich verbessert, und es wurden weniger Behinderungen gemeldet (OCHA 15.7.2020).
Einwohner Kabuls und eine Reihe von Ärzten stellten am 18.7.2020 die Art und Weise in Frage, wie das afghanische Gesundheitsministerium (MoPH) mit der Ausbreitung der COVID-19-Pandemie im Land umgegangen ist, und sagten, das Gesundheitsministerium habe es trotz massiver internationaler Gelder versäumt, richtig auf die Pandemie zu reagieren (TN 18.7.2020). Es gibt Berichte wonach die Bürger angeben, dass sie ihr Vertrauen in öffentliche Krankenhäuser verloren haben und niemand mehr in öffentliche Krankenhäuser geht, um Tests oder Behandlungen durchzuführen (TN 12.7.2020).
Beamte des afghanischen Gesundheitsministeriums erklärten, dass die Zahl der aktiven Fälle von COVID-19 in den Städten zurückgegangen ist, die Pandemie in den Dörfern und in den abgelegenen Regionen des Landes jedoch zunimmt. Der Gesundheitsminister gab an, dass 500 Beatmungsgeräte aus Deutschland angekauft wurden und 106 davon in den Provinzen verteilt werden würden (TN 18.7.2020).
Am Samstag den 18.7.2020 kündete die afghanische Regierung den Start des Dastarkhan-e-Milli-Programms als Teil ihrer Bemühungen an, Haushalten inmitten der COVID-19-Pandemie zu helfen, die sich in wirtschaftlicher Not befinden. Auf der Grundlage des Programms will die Regierung in der ersten Phase 86 Millionen Dollar und dann in der zweiten Phase 158 Millionen Dollar bereitstellen, um Menschen im ganzen Land mit Nahrungsmitteln zu versorgen. Die erste Phase soll über 1,7 Millionen Familien in 13.000 Dörfern in 34 Provinzen des Landes abdecken (TN 18.7.2020; vgl. Mangalorean 19.7.2020).
Die Weltbank genehmigte am 15.7.2020 einen Zuschuss in Höhe von 200 Millionen US-Dollar, um Afghanistan dabei zu unterstützen, die Auswirkungen von COVID-19 zu mildern und gefährdeten Menschen und Unternehmen Hilfe zu leisten (WB 10.7.2020; vgl. AN 10.7.2020).
Auszugsweise Lage in den Provinzen Afghanistans
Dieselben Maßnahmen – nämlich Einschränkungen und Begrenzungen der täglichen Aktivitäten, des Geschäftslebens und des gesellschaftlichen Lebens – werden in allen folgend angeführten Provinzen durchgeführt. Die Regierung hat eine Reihe verbindlicher gesundheitlicher und sozialer Distanzierungsmaßnahmen eingeführt, wie z.B. das obligatorische Tragen von Gesichtsmasken an öffentlichen Orten, das Einhalten eines Sicherheitsabstandes von zwei Metern in der Öffentlichkeit und ein Verbot von Versammlungen mit mehr als zehn Personen. Öffentliche und touristische Plätze, Parks, Sportanlagen, Schulen, Universitäten und Bildungseinrichtungen sind geschlossen; die Dienstzeiten im privaten und öffentlichen Sektor sind auf 6 Stunden pro Tag beschränkt und die Beschäftigten werden in zwei ungerade und gerade Tagesschichten eingeteilt (RA KBL 16.7.2020; vgl. OCHA 8.7.2020).
Die meisten Hotels, Teehäuser und ähnliche Orte sind aufgrund der COVID-19 Maßnahmen geschlossen, es sei denn, sie wurden geheim und unbemerkt von staatlichen Stellen geöffnet (RA KBL 16.7.2020; vgl. OCHA 8.7.2020).
In der Provinz Kabul gibt es zwei öffentliche Krankenhäuser die COVID-19 Patienten behandeln mit 200 bzw. 100 Betten. Aufgrund der hohen Anzahl von COVID-19-Fällen im Land und der unzureichenden Kapazität der öffentlichen Krankenhäuser hat die Regierung kürzlich auch privaten Krankenhäusern die Behandlung von COVID-19-Patienten gestattet. Kabul sieht sich aufgrund von Regen- und Schneemangel, einer boomenden Bevölkerung und verschwenderischem Wasserverbrauch mit Wasserknappheit konfrontiert. Außerdem leben immer noch rund 12 Prozent der Menschen in Kabul unter der Armutsgrenze, was bedeutet, dass oftmals ein erschwerter Zugang zu Wasser besteht (RA KBL 16.7.2020; WHO o.D).
In der Provinz Balkh gibt es ein Krankenhaus, welches COVID-19 Patienten behandelt und über 200 Betten verfügt. Es gibt Berichte, dass die Bewohner einiger Distrikte der Provinz mit Wasserknappheit zu kämpfen hatten. Darüber hinaus hatten die Menschen in einigen Distrikten Schwierigkeiten mit dem Zugang zu ausreichender Nahrung, insbesondere im Zuge der COVID-19-Pandemie (RA KBL 16.7.2020).
In der Provinz Herat gibt es zwei Krankenhäuser die COVID-19 Patienten behandeln. Ein staatliches öffentliches Krankenhaus mit 100 Betten, das vor kurzem speziell für COVID-19-Patienten gebaut wurde (RA KBL 16.7.2020; vgl. TN 19.3.2020) und ein Krankenhaus mit 300 Betten, das von einem örtlichen Geschäftsmann in einem umgebauten Hotel zur Behandlung von COVID-19-Patienten eingerichtet wurde (RA KBL 16.7.2020; vgl. TN 4.5.2020). Es gibt Berichte, dass 47,6 Prozent der Menschen in Herat unter der Armutsgrenze leben, was bedeutet, dass oft ein erschwerter Zugang zu sauberem Trinkwasser und Nahrung haben, insbesondere im Zuge der Quarantäne aufgrund von COVID-19, durch die die meisten Tagelöhner arbeitslos blieben (RA KBL 16.7.2020; vgl. UNICEF 19.4.2020).
In der Provinz Daikundi gibt es ein Krankenhaus für COVID-19-Patienten mit 50 Betten. Es gibt jedoch keine Auswertungsmöglichkeiten für COVID-19-Tests – es werden Proben entnommen und zur Laboruntersuchung nach Kabul gebracht. Es dauert Tage, bis ihre Ergebnisse von Kabul nach Daikundi gebracht werden. Es gibt Berichte, dass 90 Prozent der Menschen in Daikundi unter der Armutsgrenze leben und dass etwa 60 Prozent der Menschen in der Provinz stark von Ernährungsunsicherheit betroffen sind (RA KBL 16.7.2020).
In der Provinz Samangan gibt es ebenso ein Krankenhaus für COVID-19-Patienten mit 50 Betten. Wie auch in der Provinz Daikundi müssen Proben nach Kabul zur Testung geschickt werden. Eine unzureichende Wasserversorgung ist eine der größten Herausforderungen für die Bevölkerung. Nur 20 Prozent der Haushalte haben Zugang zu sauberem Trinkwasser (RA KBL 16.7.2020).
Wirtschaftliche Lage in Afghanistan
Verschiedene COVID-19-Modelle zeigen, dass der Höhepunkt des COVID-19-Ausbruchs in Afghanistan zwischen Ende Juli und Anfang August erwartet wird, was schwerwiegende Auswirkungen auf die Wirtschaft Afghanistans und das Wohlergehen der Bevölkerung haben wird (OCHA 16.7.2020). Es herrscht weiterhin Besorgnis seitens humanitärer Helfer, über die Auswirkungen ausgedehnter Sperrmaßnahmen auf die am stärksten gefährdeten Menschen – insbesondere auf Menschen mit Behinderungen und Familien – die auf Gelegenheitsarbeit angewiesen sind und denen alternative Einkommensquellen fehlen (OCHA 15.7.2020). Der Marktbeobachtung des World Food Programme (WFP) zufolge ist der durchschnittliche Weizenmehlpreis zwischen dem 14. März und dem 15. Juli um 12 Prozent gestiegen, während die Kosten für Hülsenfrüchte, Zucker, Speiseöl und Reis (minderwertige Qualität) im gleichen Zeitraum um 20 – 31 Prozent gestiegen sind (WFP 15.7.2020, OCHA 15.7.2020). Einem Bericht der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der UNO (FAO) und des Ministeriums für Landwirtschaft, Bewässerung und Viehzucht (MAIL) zufolge sind über 20 Prozent der befragten Bauern nicht in der Lage, ihre nächste Ernte anzubauen, wobei der fehlende Zugang zu landwirtschaftlichen Betriebsmitteln und die COVID-19-Beschränkungen als Schlüsselfaktoren genannt werden. Darüber hinaus sind die meisten Weizen-, Obst-, Gemüse- und Milchverarbeitungsbetriebe derzeit nur teilweise oder gar nicht ausgelastet, wobei die COVID-19-Beschränkungen als ein Hauptgrund für die Reduzierung der Betriebe genannt werden. Die große Mehrheit der Händler berichtete von gestiegenen Preisen für Weizen, frische Lebensmittel, Schafe/Ziegen, Rinder und Transport im Vergleich zur gleichen Zeit des Vorjahres. Frischwarenhändler auf Provinz- und nationaler Ebene sahen sich im Vergleich zu Händlern auf Distriktebene mit mehr Einschränkungen konfrontiert, während die große Mehrheit der Händler laut dem Bericht von teilweisen Marktschließungen aufgrund von COVID-19 berichtete (FAO 16.4.2020; vgl. OCHA 16.7.2020; vgl. WB 10.7.2020).
Am 19.7.2020 erfolgte die erste Lieferung afghanischer Waren in zwei Lastwagen nach Indien, nachdem Pakistan die Wiederaufnahme afghanischer Exporte nach Indien angekündigt hatte um den Transithandel zu erleichtern. Am 12.7.2020 öffnete Pakistan auch die Grenzübergänge Angor Ada und Dand-e-Patan in den Provinzen Paktia und Paktika für afghanische Waren, fast zwei Wochen nachdem es die Grenzübergänge Spin Boldak, Torkham und Ghulam Khan geöffnet hatte (TN 20.7.2020).
Einreise und Bewegungsfreiheit
Die Türkei hat, nachdem internationale Flüge ab 11.6.2020 wieder nach und nach aufgenommen wurden, am 19.7.2020 wegen der COVID-19-Pandemie Flüge in den Iran und nach Afghanistan bis auf weiteres ausgesetzt, wie das Ministerium für Verkehr und Infrastruktur mitteilte (TN 20.7.2020; vgl. AnA 19.7.2020, DS 19.7.2020).
Bestimmte öffentliche Verkehrsmittel wie Busse, die mehr als vier Passagiere befördern, dürfen nicht verkehren. Obwohl sich die Regierung nicht dazu geäußert hat, die Reisebeschränkungen für die Bürger aufzuheben, um die Ausbreitung von COVID-19 zu verhindern, hat sich der Verkehr in den Städten wieder normalisiert, und Restaurants und Parks sind wieder geöffnet (TN 12.7.2020).
Quellen:
- AnA – Andolu Agency (19.7.2020): Turkey suspends Iran and Afghanistan flights, https://www.aa.com.tr/en/middle-east/turkey-suspends-iran-and-afghanistan-flights-/1915627, Zugriff 20.7.2020
- AnA – Andolu Agency (18.7.2020): Afghanistan: Virus cases hit low as testing declines, https://www.aa.com.tr/en/asia-pacific/afghanistan-virus-cases-hit-low-as-testing-declines/1914895, Zugriff 20.7.2020
- Arab News (10.7.2020): Coronavirus-hit Afghanistan gets $200 million World Bank grant, https://www.arabnews.com/node/1702656/world, Zugriff 20.7.2020
- BBC – News (30.6.2020): Coronavirus overwhelms hospitals in war-ravaged Afghanistan, https://www.bbc.com/news/world-asia-53198785, Zugriff 20.7.2020
- DS – Daily Sabah (19.7.2020): Turkey suspends flights to Iran, Afghanistan amid COVID-19 outbreak, https://www.dailysabah.com/business/transportation/turkey-suspends-flights-to-iran-afghanistan-amid-covid-19-outbreak, Zugriff 20.7.2020
- FAO - Food and Agriculture Organization of the United Nations (16.7.2020): Afghanistan Revised humanitarian response Coronavirus disease 2019 (COVID-19) May–December 2020, https://reliefweb.int/report/afghanistan/afghanistan-revised-humanitarian-response-coronavirus-disease-2019-covid-19-may, Zugriff 20.7.2020
- JHU - John Hopkins Universität (20.7.2020): COVID-19 Dashboard by the Center for Systems Science and Engineering (CSSE) at Johns Hopkins University (JHU), https://coronavirus.jhu.edu/map.html, Zugriff 20.7.2020
- Mangalorean (19.7.2020): Afghanistan launches new COVID-19 relief package, https://www.mangalorean.com/afghanistan-launches-new-covid-19-relief-package/, Zugriff 20.7.2020
- OCHA - United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (16.7.2020): Strategic Situation Report COVID-19, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/Afghanistan%20-%20Strategic%20Situation%20Report%20-%20COVID-19%2C%20No.%2062%20%2816%20July%202020%29.pdf, Zugriff 20.7.2020
- OCHA - United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (15.7.2020): COVID-19 Multi-Sectoral Response Operational Situation Report, 15 July 2020, https://www.humanitarianresponse.info/sites/www.humanitarianresponse.info/files/documents/files/operational_sitrep_covid-19_15_july_2020.pdf, Zugriff 20.7.2020
- OCHA – United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (8.7.2020): Afghanistan: COVID-19 Multi-Sectoral Response Operational Situation Report, 8 July 2020, https://reliefweb.int/report/afghanistan/afghanistan-covid-19-multi-sectoral-response-operational-situation-report-8-july, Zugriff 20.7.2020
- PT – Pakistan Today (17.9.2020): Trade with Afghanistan increased 25pc despite Covid-19, NA told, https://profit.pakistantoday.com.pk/2020/07/17/trade-with-afghanistan-increased-25pc-despite-covid-19-na-told/, Zugriff 20.7.2020
- RA KBL – Rechtsanwalt in Kabul (16.7.2020): Antwortschreiben, per Mail
- TN – Tolonews (19.7.2020): Afghan Goods Enter India Through Wagah Border, https://tolonews.com/business/afghan-goods-enter-india-through-wagah-border, Zugriff 20.7.2020
- TN – Tolonews (18.7.2020a): Afghan Govt Launches New COVID-19 Relief Package, https://tolonews.com/afghanistan/afghan-govt-launches-new-covid-19-relief-package, Zugriff 20.7.2020
- TN – Tolonews (18.7.2020b): Health Ministry’s COVID-19 Strategy Questioned, https://tolonews.com/health/health-ministry%E2%80%99s-covid-19-strategy-questioned, Zugriff 20.7.2020
- TN – Tolonews (12.7.2020): Afghanistan Faces Catastrophe if Health Measures Not Heeded: AIMA, https://tolonews.com/health/afghanistan-faces-catastrophe-if-health-measures-not-heeded-aima, Zugriff 20.7.2020
- TN – Tolonews (14.7.2020): Herat Health Dept Warns of Second Wave of COVID-19, https://tolonews.com/afghanistan/herat-health-dept-warns-second-wave-covid-19, Zugriff 20.7.2020
- TN – Tolonews (20.7.2020): Turkey Suspends Flights to Afghanistan and Iran, https://tolonews.com/business/turkey-suspends-flights-afghanistan-and-iran, Zugriff 20.7.2020
- TN – Tolo News (5.4.2020): 300-Bed Hospital Opened for COVID-19 Patients in Herat, https://tolonews.com/health/300-bed-hospital-opened-covid-19-patients-herat, Zugriff 20.7.2020
- TN – Tolo News (19.3.2020): Govt Builds 100-Bed Hospital in Herat for COVID-19 Patients, https://tolonews.com/health/govt-builds-100-bed-hospital-herat-covid-19-patients, Zugriff 20.7.2020
- WB – World Bank (10.7.2020): World Bank: $200 Million for Afghanistan to Protect People, Support Businesses Amid COVID-19, https://reliefweb.int/report/afghanistan/world-bank-200-million-afghanistan-protect-people-support-businesses-amid-covid, Zugriff 20.7.2020
- WFP – World Food Programme (15.7.2020): Afghanistan: Countrywide Weekly Market Price Bulletin, Issue 9 (Covering 2nd week of July 2020), https://reliefweb.int/report/afghanistan/afghanistan-countrywide-weekly-market-price-bulletin-issue-9-covering-2nd-week, Zugriff 15.7.2020
- WFP – World Food Programme (5.2020): WFP Afghanistan Country Brief May 2020, https://docs.wfp.org/api/documents/WFP-0000116792/download/, Zugriff 20.7.2020
- WHO – World Health Organization (20.7.2020): Coronavirus disease (COVID-19) Dashboard, https://covid19.who.int/?gclid=EAIaIQobChMIjryr5qHb6gIVkakYCh3mbwOQEAAYASABEgIpyPD_BwE, Zugriff 20.7.2020
- WHO – World Health Organization (o.D.): Afghanistan - Hospital and laboratory services http://www.emro.who.int/afg/programmes/hospital-and-laboratory-services.html, Zugriff 20.7.2020
- UNICEF (19.4.2020): Female-headed households bear the brunt of Covid-19 as livelihood gaps increase, https://www.unicef.org/afghanistan/stories/female-headed-households-bear-brunt-covid-19-livelihood-gaps-increase, Zugriff 20.7.2020
Stand 29.6.2020
Das genaue Ausmaß der COVID-19-Krise in Afghanistan ist unbekannt. Die hier gesammelten Informationen sollen die Lage zu COVID-19 in Afghanistan zum Zeitpunkt der Berichtserstellung wiedergeben. Diese Informationen werden in regelmäßigen Abständen aktualisiert.
Berichten zufolge, haben sich mehr als 30.000 Menschen in Afghanistan mit COVID-19 angesteckt (WP 25.5.2020; vgl. JHU 26.6.2020), mehr als 670 sind daran gestorben. Dem Gesundheitsministerium zufolge, liegen die tatsächlichen Zahlen viel höher; auch bestünde dem Ministerium zufolge die Möglichkeit, dass in den kommenden Monaten landesweit bis zu 26 Millionen Menschen mit dem Virus infiziert werden könnten, womit die Zahl der Todesopfer 100.000 übersteigen könnte. Die COVID-19 Testraten sind extrem niedrig in Afghanistan: weniger als 0,2% der Bevölkerung – rund 64.900 Menschen von geschätzten 37,6 Millionen Einwohnern – wurden bis jetzt auf COVID-19 getestet (WP 25.6.2020).
In vier der 34 Provinzen Afghanistans – Nangahar, Ghazni, Logar und Kunduz – hat sich unter den Sicherheitskräften COVID-19 ausgebreitet. In manchen Einheiten wird eine Infektionsrate von 60-90% vermutet. Dadurch steht weniger Personal bei Operationen und/oder zur Aufnahme des Dienstes auf Außenposten zur Verfügung (WP 25.6.2020).
In Afghanistan sind landesweit derzeit Mobilität, soziale und geschäftliche Aktivitäten sowie Regierungsdienste eingeschränkt. In den größeren Städten wie z.B. Kabul, Kandahar, Mazar-e Sharif, Jalalabad, Parwan usw. wird auf diese Maßnahmen stärker geachtet und dementsprechend kontrolliert. Verboten sind zudem auch Großveranstaltungen – Regierungsveranstaltungen, Hochzeitsfeiern, Sportveranstaltungen – bei denen mehr als zehn Personen zusammenkommen würden (RA KBL 19.6.2020). In der Öffentlichkeit ist die Bevölkerung verpflichtet einen Nasen-Mund-Schutz zu tragen (AJ 8.6.2020).
Wirksame Maßnahmen der Regierung zur Bekämpfung von COVID-19 scheinen derzeit auf keiner Ebene möglich zu sein: der afghanischen Regierung zufolge, lebt 52% der Bevölkerung in Armut, während 45% in Ernährungsunsicherheit lebt (AF 24.6.2020). Dem Lockdown folge zu leisten, "social distancing" zu betreiben und zuhause zu bleiben ist daher für viele keine Option, da viele Afghan/innen arbeiten müssen, um ihre Familien versorgen zu können (AJ 8.6.2020).
Gesellschaftliche Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19 Auswirkungen
In Kabul, hat sich aus der COVID-19-Krise heraus ein "Solidaritätsprogramm" entwickelt, welches später in anderen Provinzen repliziert wurde. Eine afghanische Tageszeitung rief Hausbesitzer dazu auf, jenen ihrer Mieter/innen, die Miete zu reduzieren oder zu erlassen, die aufgrund der Ausgangsbeschränkungen nicht arbeiten konnten. Viele Hausbesitzer folgten dem Aufruf (AF 24.6.2020).
Bei der Spendenaktion „Kocha Ba Kocha“ kamen junge Freiwillige zusammen, um auf die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie zu reagieren, indem sie Spenden für bedürftige Familien sammelten und ihnen kostenlos Nahrungsmittel zur Verfügung stellten. In einem weiteren Fall startete eine Privatbank eine Spendenkampagne, durch die 10.000 Haushalte in Kabul und andere Provinzen monatlich mit Lebensmitteln versorgt wurden. Außerdem initiierte die afghanische Regierung das sogenannte „kostenlose Brot“-Programm; bei dem bedürftige Familien – ausgewählt durch Gemeindeälteste – rund einen Monat lang mit kostenlosem Brot versorgt werden (AF 24.6.2020). In dem mehrphasigen Projekt, erhält täglich jede Person innerhalb einer Familie zwei Stück des traditionellen Brots, von einer Bäckerei in der Nähe ihres Wohnortes (TN 15.6.2020). Die Regierung kündigte kürzlich an, das Programm um einen weiteren Monat zu verlängern (AF 24.6.2020; vgl. TN 15.6.2020). Beispielsweise beklagten sich bedürftige Familien in der Provinz Jawzjan über Korruption im Rahmen dieses Projektes (TN 20.5.2020).
Weitere Maßnahmen der afghanischen Regierung
Schulen und Universitäten sind nach aktuellem Stand bis September 2020 geschlossen (AJ 8.6.2020; vgl. RA KBL 19.6.2020). Über Fernlernprogramme, via Internet, Radio und Fernsehen soll der traditionelle Unterricht im Klassenzimmer vorerst weiterhin ersetzen werden (AJ 8.6.2020). Fernlehre funktioniert jedoch nur bei wenigen Studierenden. Zum Einen können sich viele Familien weder Internet noch die dafür benötigten Geräte leisten und zum Anderem schränkt eine hohe Analphabetenzahl unter den Eltern in Afghanistan diese dabei ein, ihren Kindern beim Lernen behilflich sein zu können (HRW 18.6.2020).
Die großen Reisebeschränkungen wurden mittlerweile aufgehoben; die Bevölkerung kann nun in alle Provinzen reisen(RA KBL 19.6.2020). Afghanistan hat mit 24.6.2020 den internationalen Flugverkehr mit einem Turkish Airlines-Flug von Kabul nach Istanbul wieder aufgenommen; wobei der Flugplan aufgrund von Restriktionen auf vier Flüge pro Woche beschränkt wird (AnA 24.6.2020). Emirates, eine staatliche Fluglinie der Vereinigten Arabischen Emirate, hat mit 25.6.2020 Flüge zwischen Afghanistan und Dubai wieder aufgenommen (AnA 24.6.2020; vgl. GN 9.6.2020). Zwei afghanische Fluggesellschaften Ariana Airlines und der lokale private Betreiber Kam Air haben ebenso Flüge ins Ausland wieder aufgenommen (AnA 24.6.2020). Bei Reisen mit dem Flugzeug sind grundlegende COVID-19-Schutzmaßnahmen erforderlich (RA KBL 19.6.2020). Wird hingegen die Reise mit dem Auto angetreten, so sind keine weiteren Maßnahmen erforderlich. Zwischen den Städten Afghanistans verkehren Busse. Grundlegende Schutzmaßnahmen nach COVID-19 werden von der Regierung zwar empfohlen – manchmal werden diese nicht vollständig umgesetzt (RA KBL 19.6.2020).
Seit 1.1.2020 beträgt die Anzahl zurückgekehrter Personen aus dem Iran und Pakistan: 339.742; 337.871 Personen aus dem Iran (247.082 spontane Rückkehrer/innen und 90.789 wurden abgeschoben) und 1.871 Personen aus Pakistan (1.805 spontane Rückkehrer/innen und 66 Personen wurden abgeschoben) (UNHCR 20.6.2020).
Situation in der Grenzregion und Rückkehr aus Pakistan
Die Grenze zu Pakistan war fast drei Monate lang aufgrund der COVID-19-Pandemie gesperrt. Mit 22.6.2020 erhielt Pakistan an drei Grenzübergängen erste Exporte aus Afghanistan: frisches Obst und Gemüse wurde über die Grenzübergänge Torkham, Chaman und Ghulam Khan nach Pakistan exportiert. Im Hinblick auf COVID-19 wurden Standardarbeitsanweisungen (SOPs – standard operating procedures) für den grenzüberschreitenden Handel angewandt (XI 23.6.2020). Der bilaterale Handel soll an sechs Tagen der Woche betrieben werden, während an Samstagen diese Grenzübergänge für Fußgänger reserviert sind (XI 23.6.2020; vgl. UNHCR 20.6.2020); in der Praxis wurde der Fußgängerverkehr jedoch häufiger zugelassen (UNHCR 20.6.2020).
Pakistanischen Behörden zufolge waren die zwei Grenzübergänge Torkham und Chaman auf Ansuchen Afghanistans und aus humanitären Gründen bereits früher für den Transithandel sowie Exporte nach Afghanistan geöffnet worden (XI 23.6.2020).
Situation in der Grenzregion und Rückkehr aus dem Iran
Die Anzahl aus dem Iran abgeschobener Afghanen ist im Vergleich zum Monat Mai stark gestiegen. Berichten zufolge haben die Lockerungen der Mobilitätsmaßnahmen dazu geführt, dass viele Afghanen mithilfe von Schmugglern in den Iran ausreisen. UNHCR zufolge, gaben Interviewpartner/innen an, kürzlich in den Iran eingereist zu sein, aber von der Polizei verhaftet und sofort nach Afghanistan abgeschoben worden zu sein (UNHCR 20.6.2020).
Quellen:
AF - Asia Foundation (24.6.2020): Afghanistan’s Covid-19 Bargain, https://asiafoundation.org/2020/06/24/afghanistans-covid-19-bargain/, Zugriff 26.6.2020
AJ - al-Jazeera (8.6.2020): Afghan schools, universities to remain closed until September, https://www.aljazeera.com/news/2020/06/afghan-schools-universities-remain-closed-september-200608062711582.html, Zugriff 26.6.2020
AnA – Andolu Agency (24.6.2020): Afghanistan resumes international flights amid COVID-19, https://www.aa.com.tr/en/asia-pacific/afghanistan-resumes-international-flights-amid-covid-19/1888176, Zugriff 26.6.2020
GN – Gulf News (9.6.2020): COVID-19: Emirates to resume regular passenger flights to Kabul from June 25, https://gulfnews.com/uae/covid-19-emirates-to-resume-regular-passenger-flights-to-kabul-from-june-25-1.71950323, Zugriff 26.6.2020
HRW - Human Rights Watch (18.6.2020): School Closures Hurt Even More in Afghanistan, https://www.hrw.org/news/2020/06/18/school-closures-hurt-even-more-afghanistan, Zugriff 26.6.2020
JHU -John Hopkins Universität (26.6.2020): COVID-19 Dashboard by the Center for Systems Science and Engineering (CSSE) at Johns Hopkins University (JHU), https://coronavirus.jhu.edu/map.html, Zugriff 26.6.2020
RA KBL – Rechtsanwalt in Kabul (19.6.2020): Antwortschreiben per Mail, liegt bei der Staatendokumentation auf.
TN – Tolonews (15.6.2020): Govt Will Resume Bread Distribution: Palace, https://tolonews.com/afghanistan/govt-will-resume-bread-distribution-palace, Zugriff 29.6.2020
TN – Tolonews (15.6.2020): Poor Claim ‘Unjust’ Bread Distribution in Jawzjan, https://tolonews.com/afghanistan/poor-claim-%E2%80%98unjust%E2%80%99-bread-distribution-jawzjan, Zugriff 29.6.2020
UNHCR – (20.6.2020): Border Monitoring Update COVID-19 Response 14-20 June 2020, https://data2.unhcr.org/en/documents/download/77302, Zugriff 26.6.2020
WHO – World Health Organization (25.3.2020): Coronavirus disease 2019 (COVID-19) Situation Report –65, https://www.who.int/docs/default-source/coronaviruse/situation-reports/20200325-sitrep-65-covid-19.pdf?sfvrsn=2b74edd8_2, Zugriff 16.4.2020
WP - Washington Post (25.6.2020): Coronavirus sweeps through Afghanistan’s security forces, https://www.washingtonpost.com/world/asia_pacific/afghanistan-coronavirus-security-forces-military/2020/06/24/0063c828-b4e2-11ea-9a1d-d3db1cbe07ce_story.html, Zugriff 26.6.2020
XI – Xinhua (23.6.2020): Pakistan receives 1st Afghan export since COVID-19 pandemic, http://www.xinhuanet.com/english/2020-06/23/c_139159139.htm, Zugriff 26.6.2020
Stand: 18.5.2020
Das genaue Ausmaß der COVID-19-Krise in Afghanistan ist unbekannt. Die hier gesammelten Informationen sollen die Lage zu COVID-19 in Afghanistan zum Zeitpunkt der Berichtserstellung wiedergeben. Diese Informationen werden in regelmäßigen Abständen aktualisiert.
In 30 der 34 Provinzen Afghanistans wurden mittlerweile COVID-19-Fälle registriert (NYT 22.4.2020). Nachbarländer von Afghanistan, wie China, Iran und Pakistan, zählen zu jenen Ländern, die von COVID-19 besonders betroffen waren bzw. nach wie vor sind. Dennoch ist die Anzahl, der mit COVID-19 infizierten Personen relativ niedrig (AnA 21.4.2020). COVID-19 Verdachtsfälle können in Afghanistan aufgrund von Kapazitätsproblem bei Tests nicht überprüft werden – was von afghanischer Seite bestätigt wird (DW 22.4.2020; vgl. QA 16.4.2020; NYT 22.4.2020; ARZ KBL 7.5.2020). Auch wird die Dunkelziffer von afghanischen Beamten höher geschätzt (WP 20.4.2020). In Afghanistan können derzeit täglich 500 bis 700 Personen getestet werden. Diese Kapazitäten sollen in den kommenden Wochen auf 2.000 Personen täglich erhöht werden (WP 20.4.2020). Die Regierung bemüht sich noch weitere Testkits zu besorgen – was Angesicht der derzeitigen Nachfrage weltweit, eine Herausforderung ist (DW 22.4.2020).
Landesweit können – mit Hilfe der Vereinten Nationen – in acht Einrichtungen COVID-19-Testungen durchgeführt werden (WP 20.4.2020). Auch haben begrenzte Laborkapazitäten und -ausrüstung einige Einrichtungen dazu gezwungen Testungen vorübergehend einzustellen (WP 20.4.2020). Unter anderem können COVID-19-Verdachtsfälle in Einrichtungen folgender Provinzen überprüft werden: Kabul, Herat, Nangarhar (TN 30.3.2020) und Kandahar. COVID-19 Proben aus angrenzenden Provinzen wie Helmand, Uruzgan und Zabul werden ebenso an die Einrichtung in Kandahar übermittelt (TN 7.4.2020a).
Jahrzehntelange Konflikte in Afghanistan machen das Land anfällig für den Ausbruch von Krankheiten: nach wie vor ist Polio dort endemisch (als eines von drei Ländern weltweit) (WP 20.4.2020) außerdem ist das Gesundheitssystem fragil (AnA 21.4.2020; vgl. QA 16.4.2020; ARZ KBL 7.5.2020). Beispielsweise mangelt es an adäquaten Medikamenten für Patient/innen, die an COVID-19 erkrankt sind. Jedoch sind die wenigen Medikamente, die hierfür zur Verfügung stehen, kostenfrei (ARZ KBL 7.5.2020). Der landesweite Mangel an COVID-19-Testkits sowie an Isolations- und Behandlungseinrichtungen verdeutlichen diese Herausforderung (AnA 21.4.2020; vgl. ARZ KBL 7.5.2020). Landesweit stehen 10.400 Krankenhausbetten (BBC 9.4.2020) und 300 Beatmungsgeräte zur Verfügung (TN 8.4.2020; vgl. DW 22.4.2020; QA 16.4.2020). 300 weitere Beatmungsgeräte plant die afghanische Regierung zu besorgen. Weiters mangelt es an geschultem Personal, um diese medizinischen Geräte in Afghanistan zu bedienen und zu warten (DW 22.4.2020; vgl. ARZ KBL 7.5.2020). Engpässe bestehen bei den PPE (personal protective equipment), persönlichen Schutzausrüstungen für medizinisches Personal; außerdem wird mehr fachliches Personal benötigt, um Patient/innen auf den Intensivstationen zu betreuen (ARZ KBL 7.5.2020).
Aufgrund der Nähe zum Iran gilt die Stadt Herat als der COVID-19-Hotspot Afghanistans (DW 22.4.2020; vgl. NYT 22.4.2020); dort wurde nämlich die höchste Anzahl bestätigter COVID-19-Fälle registriert (TN 7.4.2020b; vgl. DW 22.4.2020). Auch hat sich dort die Anzahl positiver Fälle unter dem Gesundheitspersonal verstärkt. Mitarbeiter/innen des Gesundheitswesens berichten von fehlender Schutzausrüstung – die Provinzdirektion bestätigte dies und erklärtes mit langwierigen Beschaffungsprozessen (TN 7.4.2020b). Betten, Schutzausrüstungen, Beatmungsgeräte und Medikamente wurden bereits bestellt – jedoch ist unklar, wann die Krankenhäuser diese Dinge tatsächlich erhalten werden (NYT 22.4.2020). Die Provinz Herat verfügt über drei Gesundheitseinrichtungen für COVID-19-Patient/innen. Zwei davon wurden erst vor kurzem errichtet; diese sind für Patient/innen mit leichten Symptomen bzw. Verdachtsfällen des COVID-19 bestimmt. Patient/innen mit schweren Symptomen hingegen, werden in das Regionalkrankenhaus von Herat, welches einige Kilometer vom Zentrum der Provinz entfernt liegt, eingeliefert (TN 7.4.2020b). In Hokerat wird die Anzahl der Beatmungsgeräte auf nur 10 bis 12 Stück geschätzt (BBC 9.4.2020; vgl. TN 8.4.2020).
Beispiele für Maßnahmen der afghanischen Regierung
Eine Reihe afghanischer Städte wurde abgesperrt (WP 20.4.2020), wie z.B. Kabul, Herat und Kandahar (TG 1.4.2020a). Zusätzlich wurde der öffentliche und kommerzielle Verkehr zwischen den Provinzen gestoppt (WP 20.4.2020). Beispielsweise dürfen sich in der Stadt Kabul nur noch medizinisches Personal, Bäcker, Journalist/innen, (Nahrungsmittel)Verkäufer/innen und Beschäftigte im Telekommunikationsbereich bewegen. Der Kabuler Bürgermeister warnte vor "harten Maßnahmen" der Regierung, die ergriffen werden, sollten sich die Einwohner/innen in Kabul nicht an die Anordnungen halten, unnötige Bewegungen innerhalb der Stadt zu stoppen. Die Sicherheitskräfte sind beauftragt zu handeln, um die Beschränkung umzusetzen (TN 9.4.2020a).
Mehr als die Hälfte der afghanischen Bevölkerung lebt unterhalb der Armutsgrenze (WP 22.4.2020): Aufgrund der Maßnahmen sorgen sich zehntausende Tagelöhner in Kabul und Herat um ihre Existenz. UNICEF zufolge, arbeiten allein in Kabul mindestens 60.000 Kinder, um das Familieneinkommen zu ersetzen (TG 1.4.2020). Offiziellen Schätzungen zufolge können z.B. in Herat-Stadt 150.000 Tagelöhner aufgrund des Lockdowns nicht arbeiten und haben somit kein Einkommen. Weil es in Herat an Ressourcen mangelt, um Hunderttausende zu ernähren, nimmt die Bevölkerung die Bedrohung durch das Virus nicht ernst. Zwar hat die Bevölkerung anfangs großzügig gespendet, aber auch diese Spenden werden weniger, nachdem die langfristigen wirtschaftlichen Auswirkungen auf Unternehmen sichtbar werden (NYT 22.4.2020).
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und die International Organization for Migration (IOM) unterstützen das afghanische Ministerium für öffentliche Gesundheit (MOPH) (WHO MIT 10.5.2020; vgl. IOM 11.5.2020); die WHO übt eine beratende Funktion aus und unterstützt die afghanische Regierung in vier unterschiedlichen Bereichen während der COVID-19-Krise (WHO MIT 10.5.2020): 1. Koordination; 2. Kommunikation innerhalb der Gemeinschaften 3. Monitoring (durch eigens dafür eingerichtete Einheiten – speziell was die Situation von Rückkehrer/innen an den Grenzübergängen und deren weitere Bewegungen betrifft) und 4. Kontrollen an Einreisepunkten – an den 4 internationalen Flughäfen sowie 13 Grenzübergängen werden medizinische Kontroll- und Überwachungsaktivitäten durchgeführt (WHO MIT 10.5.2020; vgl. IOM 11.5.2020).
Taliban und COVID-19
Ein Talibansprecher verlautbarte, dass die Taliban den Konflikt pausieren könnten, um Gesundheitsbehörden zu erlauben, in einem von ihnen kontrollierten Gebiet zu arbeiten, wenn COVID-19 dort ausbrechen sollte (TN 2.4.2020; vgl. TD 2.4.2020). In der nördlichen Provinz Kunduz, hätten die Taliban eine Gesundheitskommision gegründet, die direkt in den Gemeinden das öffentliche Bewusstsein hinsichtlich des Virus stärkt. Auch sollen Quarantänezentren eingerichtet worden sein, in denen COVID-19-Verdachtsfälle untergebracht wurden. Die Taliban hätten sowohl Schutzhandschuhe, als auch Masken und Broschüren verteilt; auch würden sie jene, die aus anderen Gebieten kommen, auf COVID-19 testen (TD 2.4.2020). Auch in anderen Gebieten des Landes, wie in Baghlan, wird die Bevölkerung im Rahmen einer Informationsveranstaltung in der Moschee über COVID-19 informiert. Wie in der Provinz Kunduz, versorgen die Taliban die Menschen mit (Schutz)material, helfen Entwicklungshelfern dabei zu jenen zu gelangen, die in Taliban kontrollierten Gebieten leben und bieten sichere Wege zu Hilfsorganisationen, an (UD 13.3.2020).
Der Umgang der Taliban mit der jetzigen Ausnahmesituation wirft ein Schlaglicht auf den Modus Operandi der Truppe. Um sich die Afghanen in den von ihnen kontrollierten Gebieten gewogen zu halten, setzen die Taliban auf Volksnähe. Durch die Präsenz vor Ort machten die Islamisten das Manko wett, dass sie kein Geld hätten, um COVID-19 medizinisch viel entgegenzusetzen: Die Taliban können Prävention betreiben, behandeln können sie Erkrankte nicht (NZZ 7.4.2020).
Aktuelle Informationen zu Rückkehrprojekten
IOM Österreich unterstützt auch derzeit Rückkehrer/innen im Rahmen der freiwilligen Rückkehr. Aufgrund des stark reduzierten Flugbetriebs ist die Rückkehr seit April 2020 nur in sehr wenige Länder tatsächlich möglich. Neben der Reiseorganisation bietet IOM Österreich dabei, wie bekannt, Unterstützung bei der Ausreise am Flughafen Wien Schwechat an (IOM AUT 18.5.2020).
IOM Österreich bietet derzeit, aufgrund der COVID-19-Lage, folgende Aktivitäten an:
• Qualitätssicherung in der Rückkehrberatung (Erarbeitung von Leitfäden und Trainings)
• Unterstützung bei der freiwilligen Rückkehr und Reintegration im Rahmen der vorhandenen Möglichkeiten (Virtuelle Beratung, Austausch mit Rückkehrberatungseinrichtungen und Behörden, Monitoring der Reisemöglichkeiten) (IOM AUT 18.5.2020).
Das Projekt RESTART III – Unterstützung des österreichischen Rückkehrsystems und der Reintegration freiwilliger Rückkehrer/innen in Afghanistan“ wird bereits umgesetzt. Derzeit arbeiten die österreichischen IOM-Mitarbeiter/innen vorwiegend an der ersten Komponente (Unterstützung des österreichischen Rückkehrsystems) und erarbeiten Leitfäden und Trainingsinhalte. Die Unterstützung der freiwilligen Rückkehr nach Afghanistan ist derzeit aufgrund fehlender Flugverbindungen nicht möglich. IOM beobachtet die Situation und steht diesbezüglich in engem Austausch mit den zuständigen Rückkehrberatungseinrichtungen und den österreichischen Behörden (IOM AUT 18.5.2020)
Mit Stand 18.5.2020, sind im laufenden Jahr bereits 19 Projektteilnehmer/innen nach Afghanistan zurückgekehrt. Mit ihnen, als auch mit potenziellen Projektteilnehmer/innen, welche sich noch in Österreich befinden, steht IOM Österreich in Kontakt und bietet Beratung/Information über virtuelle Kommunikationswege an (IOM AUT 18.5.2020).
Informationen von IOM Kabul zufolge, sind IOM-Rückkehrprojekte mit Stand 13.5.2020 auch weiterhin in Afghanistan operativ (IOM KBL 13.5.2020).
Quellen:
• AnA – Andalous (21.4.2020): COVID-19 rips through fragile Afghan health system, https://www.aa.com.tr/en/asia-pacific/covid-19-rips-through-fragile-afghan-health-system-/1812821, Zugriff 23.4.2020
• ARZ KBL – Arzt in Kabul (7.5.2020): Antwortschreiben per E-Mail; liegt bei der Staatendokumentation auf.
• BBC (9.4.2020): Coronavirus: The porous borders where the virus cannot be controlled, https://www.bbc.com/news/world-asia-52210479, Zugriff 9.4.2020
• DW – Deutsche Welle (22.4.2020): Coronavirus: Tough times ahead as Afghanistan struggles to manage pandemic, https://www.dw.com/en/coronavirus-tough-times-ahead-as-afghanistan-struggles-to-manage-pandemic/a-53207173, Zugriff 23.4.2020
• IOM AUT – International Organization for Migration in Austria (27.3.2020): Antwortschreiben per E-Mail.
• IOM KBL – International Organization for Migration Kabul Chapter (13.5.2020): Antwortschreiben per E-Mail.
• IOM – International Organization for Migration (11.5.2020): Return of Undocumented Afghans - Weekly Situation Report (03-09 May 2020), https://afghanistan.iom.int/sites/default/files/Reports/iom_afghanistan-return_of_undocumented_afghans-_situation_report_03-09_may_2020.pdf, Zugriff 13.5.2020
• NYT – New York Times (22.4.2020): Afghanistan’s Next War, https://www.nytimes.com/interactive/2020/04/22/magazine/afghanistan-coronavirus.html?searchResultPosition=3, Zugriff 24.4.2020
• NZZ – Neue Züricher Zeitung (7.4.2020): Die Taliban, dein Freund und Helfer, https://www.nzz.ch/international/afghanistan-die-taliban-betreiben-corona-praevention-ld.1550115, Zugriff 9.4.2020
• TG – The Guardian (1.4.2020): 'No profit, no food': lockdown in Kabul prompts hunger fears, https://www.theguardian.com/global-development/2020/apr/01/no-profit-no-food-lockdown-in-kabul-prompts-hunger-fears, Zugriff 2.4.2020
• TG – The Guardian (1.4.2020a): Afghanistan braces for coronavirus surge as migrants pour back from Iran, https://www.theguardian.com/global-development/2020/apr/01/afghanistan-braces-for-coronavirus-surge-as-migrants-pour-back-from-iran, Zugriff 2.4.2020
• TN – Tolonews (9.4.2020): 40 New COVID-19 Cases in Afghanistan, Total 484, https://tolonews.com/health/40-new-covid-19-cases-afghanistan-total-484, Zugriff 9.4.2020
• TN – Tolonews (9.4.2020a): Andarabi: All Kabul Roads Will be Blocked, https://tolonews.com/afghanistan/andarabi-all-kabul-roads-will-be-blocked, Zugriff 9.4.2020
• TN – Tolonews (8.4.2020): Only '300' Ventilators in Afghanistan to Treat COVID-19: MoPH, https://tolonews.com/index.php/afghanistan/only-300-ventilators-afghanistan-treat-covid-19-moph, Zugriff 9.4.2020
• TN – Tolonews (8.4.2020a): Kabul Clinic Shut Down After Doctor Dies from COVID-19, https://tolonews.com/index.php/health/amiri-medical-complex%E2%80%99s-activities-suspended-health-ministry, Zugriff 9.4.2020
• TN – Tolonews (7.4.2020): Number of COVID-19 Cases in Afghanistan: 367, https://tolonews.com/health/number-covid-19-cases-afghanistan-367, Zugriff 8.4.2020
• TN – Tolonews (7.4.2020a): Coronavirus Testing Lab Opens in Kandahar: Officials, https://tolonews.com/health/coronavirus-testing-lab-opens-kandahar-officials, Zugriff 8.4.2020
• TN – Tolonews (7.4.2020b): 41 Health Workers Test Positive for Coronavirus in Herat, https://tolonews.com/afghanistan/41-health-workers-test-positive-coronavirus-herat, Zugriff 8.4.2020
• UD – Undark (2.4.2020): With Taliban Help, Afghanistan Girds for a Virus, https://undark.org/2020/04/02/afghanistan-covid-19/, Zugriff 8.4.2020
• WHO MIT – Mitarbeiter der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in Mazar-e Sharif (10.5.2020): Antwortschreiben per E-Mail; liegt bei der Staatendokumentation auf.
• WP – Washington Post (20.4.2020): More than a dozen staff members in Afghanistan’s presidential palace test positive for coronavirus, https://www.washingtonpost.com/world/asia_pacific/afghanistan-coronavirus-presidential-palace/2020/04/20/5836a856-8308-11ea-81a3-9690c9881111_story.html, Zugriff 24.4.2020
0. Vergleichende Länderkundliche Analyse (VLA) i.S. §3 Abs 4a AsylG
Erläuterung
Bei der Erstellung des vorliegenden LIB wurde die im §3 Abs 4a AsylG festgeschriebene Aufgabe der Staatendokumentation zur Analyse „wesentlicher, dauerhafter Veränderungen der spezifischen, insbesondere politischen Verhältnisse, die für die Furcht vor Verfolgung maßgeblich sind“, berücksichtigt. Hierbei wurden die im vorliegenden LIB verwendeten Informationen mit jenen im vorhergehenden LIB abgeglichen und auf relevante, im o.g. Gesetz definierte Verbesserungen hin untersucht.
Als den oben definierten Spezifikationen genügend eingeschätzte Verbesserungen wurden einer durch Qualitätssicherung abgesicherten Methode zur Feststellung eines tatsächlichen Vorliegens einer maßgeblichen Verbesserung zugeführt (siehe Methodologie der Staatendokumentation, Abschnitt II). Wurde hernach ein tatsächliches Vorliegen einer Verbesserung i.S. des Gesetzes festgestellt, erfolgte zusätzlich die Erstellung einer entsprechenden Analyse der Staatendokumentation (siehe Methodologie der Staatendokumentation, Abschnitt IV) zur betroffenen Thematik.
Verbesserung i.S. §3 Abs 4a AsylG
Titel LIB-Abschnitt
Ein Vergleich der Informationen zu asylrelevanten Themengebieten im vorliegenden LIB mit jenen des vormals aktuellen LIB hat ergeben, dass es zu keinem wie im §3 Abs 4a AsylG beschriebenen Verbesserungen in Afghanistan gekommen ist.
1. Politische Lage
Letzte Änderung: 18.5.2020
Afghanistan ist ein Zentralstaat mit 34 Provinzen, die in Distrikte gegliedert sind (AA 15.4.2019). Auf einer Fläche von ca. 632.000 Quadratkilometern (CIA 24.5.2019) leben ca. 32 Millionen Menschen (CSO 2019).
Im Jahr 2004 wurde die neue Verfassung angenommen (BFA 7.2016; vgl. Casolino 2011), die vorsieht, dass kein Gesetz gegen die Grundsätze und Bestimmungen des Islam verstoßen darf und alle Bürgerinnen und Bürger Afghanistans, Mann wie Frau, gleiche Rechte und Pflichten vor dem Gesetz haben (BFA 3.2014; vgl. Casolino 2011, MPI 27.1.2004).
Die Verfassung der islamischen Republik Afghanistan sieht vor, dass der Präsident der Republik direkt vom Volk gewählt wird und sein Mandat fünf Jahre beträgt (Casolino 2011). Implizit schreibt die Verfassung dem Präsidenten auch die Führung der Exekutive zu (AAN 13.2.2015) und die Provinzvorsteher, sowie andere wichtige Verwaltungsbeamte, werden direkt vom Präsidenten ernannt und sind diesem rechenschaftspflichtig. Viele werden aufgrund persönlicher Beziehungen ausgewählt (EC 18.5.2019).
Die ursprünglich für den 20. April 2019 vorgesehene Präsidentschaftswahl wurde mehrfach verschoben, da die Wahlbehörden auf eine landesweite Wahl so kurz nach der Parlamentswahl im Oktober 2018 nicht vorbereitet waren. Der Oberste Gerichtshof Afghanistans konnte die Herausforderungen für die Wahlkommission nachvollziehen und verlängerte die Amtszeit von Präsident Ashraf Ghani bis zu der auf den 28.9.2019 verschobenen Präsidentschaftswahl (DZ 21.4.2019). Die unabhängige afghanische Wahlkommission (Afghanistan’s Independent Election Commission) hat mehr als vier Monate nach der Präsidentschaftswahl in Afghanistan Mohammed Ashraf Ghani zum Sieger erklärt (DW 18.2.2020). Der amtierende Präsident erhielt 50,64% der Stimmen, wie die Kommission verlautbarte (DW 18.2.2020; vgl. REU 25.2.2020; UNGASC 17.3.2020). Da Ghani im ersten Durchgang die Präsidentschaftswahl bereits gewonnen hat, ist keine Stichwahl mehr notwendig (DW 18.2.2020). CEO bzw. Regierungsgeschäftsführer Abdullah Abdullah, kam den Resultaten zufolge auf 39,52% (DW 18.2.2020; vgl. REU 25.2.2020). Die Präsidentenwahl hatte am 28. September stattgefunden. Nach monatelangem, erbittertem Streit um die Richtigkeit von Hunderttausenden von Stimmen waren nur noch 1,8 Millionen Wahlzettel berücksichtigt worden. Hingegen lag die Zahl der registrierten Wähler bei 9,6 Millionen. Afghanistan hat eine geschätzte Bevölkerung von 35 Millionen Einwohnern (DW 18.2.2020).
Wochenlang stritten der amtierende Präsident Ashraf Ghani und sein ehemaliger Regierungsgeschäftsführer Abdullah Abdullah um die Macht in Kabul und darum wer die Präsidentschaftswahl im vergangenen September gewonnen hatte. Abdullah Abdullah beschuldigte die Wahlbehörden, Ghani begünstigt zu haben, und anerkannte das Resultat nicht (NZZ 20.4.2020). Am 9.3.2020 ließen sich sowohl Ghani als auch Abdullah als Präsident vereidigen (NZZ 20.4.2020; vgl. TN 16.4.2020). Nach monatelanger politischer Krise (DP 17.5.2020; vgl. TN 11.5.2020), einigten sich der afghanische Präsident Ashraf Ghani und Abdullah Abdullah auf eine Machtteilung: Abdullah wird die Friedensgespräche mit den Taliban leiten und Mitglieder seines Wahlkampfteams werden ins Regierungskabinett aufgenommen (DP 17.5.2020; vgl. BBC 17.5.2020; DW 17.5.2020).
Anm.: Weitere Details zur Machtteilungsvereinbarung sind zum Zeitpunkt der Aktualisierung noch nicht bekannt (Stand: 18.5.2020) und werden zu einem späteren Zeitpunkt bekannt gegeben (BBC 17.5.2020).
Präsidentschafts- und Parlamentswahlen
Die afghanische Nationalversammlung ist die höchste legislative Institution des Landes und agiert im Namen des gesamten afghanischen Volkes (Casolino 2011). Sie besteht aus zwei Kammern: dem Unterhaus oder Volksvertretung (Wolesi Jirga) mit 250 Abgeordneten (für 5 Jahre gewählt), sowie dem Oberhaus oder Ältestenrat (Meschrano Jirga) mit 102 Abgeordneten (AA 15.4.2019).
Das Oberhaus setzt sich laut Verfassung zu je einem Drittel aus Vertretern der Provinz- und Distrikträte zusammen. Das letzte Drittel der Senatoren wird durch den Präsidenten bestimmt (AA 15.4.2019). Die Hälfte der vom Präsidenten entsandten Senatoren müssen Frauen sein. Weiters vergibt der Präsident zwei Sitze für die nomadischen Kutschi und zwei weitere an behinderte Personen. Auch ist de facto ein Sitz für einen Vertreter der Hindu- bzw. Sikh-Gemeinschaft reserviert (USDOS 13.3.2019).
Die Sitze im Unterhaus verteilen sich proportional zur Bevölkerungszahl auf die 34 Provinzen. Verfassungsgemäß sind für Frauen 68 Sitze, für die Minderheit der Kutschi zehn Sitze und für Vertreter der Hindu- bzw. Sikh-Gemeinschaft ein Sitz reserviert (AAN 22.1.2017; vgl. USDOS 13.3.2019, Casolino 201