TE Vwgh Beschluss 1997/6/26 97/18/0302

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Veröffentlicht am 26.06.1997
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);

Norm

ABGB §1332;
VwGG §46 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Zeizinger und Dr. Rigler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Keller, über den Antrag der X in Wien, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in Wien, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Behebung von Mängeln der Beschwerde gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 26. August 1996, Zl. SD 920/96, betreffend Ausweisung, den Beschluß gefaßt:

Spruch

Dem Antrag wird nicht stattgegeben.

Begründung

I.

1. Mit hg. Verfügung vom 30. Jänner 1997 wurde die Antragstellerin gemäß § 34 Abs. 2 VwGG aufgefordert, eine weitere Ausfertigung der (zweifach eingebrachten) Beschwerde für den Bundesminister für Inneres beizubringen.

Innerhalb der ihr eingeräumten Frist legte die Antragstellerin als weitere Ausfertigung der Beschwerde die Kopie eines Beschwerdeschriftsatzes vor, die jedoch nicht - auch nicht in Ablichtung - die Unterschrift des als Vertreter der Antragstellerin einschreitenden Rechtsanwaltes aufwies.

Da solcherart die Antragstellerin dem an sie ergangenen Mängelbehebungsauftrag nicht nachkam, wurde das Beschwerdeverfahren gemäß § 33 Abs. 1 VwGG eingestellt (Beschluß vom 13. März 1997, Zl. 97/18/0044).

2. Mit dem vorliegenden - rechtzeitig eingebrachten - Schriftsatz vom 21. Mai 1997 begehrt die Antragstellerin unter gleichzeitiger Nachholung der versäumten Handlung die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Mängelbehebungsfrist.

Begründet wird der Antrag wie folgt: Nach Einlangen des Mängelbehebungsauftrages habe der Vertreter der Antragstellerin "die Eingabe vom 26. Februar 1997" an den Verwaltungsgerichtshof diktiert und daran anschließend seiner Kanzleiangestellten Ernestine H. den Auftrag erteilt, eine weitere Gleichschrift der Beschwerde anzufertigen. Nach Vorlage der genannten Eingabe in der Unterschriftenmappe (gemeinsam mit dem Akt) sei diese vom Vertreter der Antragstellerin unterfertigt worden, wobei er festgestellt habe, daß zwar die mit dem Mängelbehebungsauftrag zurückgestellte Beschwerde, nicht jedoch eine weitere Gleichschrift angeschlossen gewesen sei. Der Vertreter habe daraufhin den Akt an Ernestine H. mit dem Auftrag zurückgestellt, eine weitere Ausfertigung der Beschwerde anzuschließen. Aus im nachhinein nicht mehr feststellbaren Umständen sei die Eingabe dann nicht mehr dem Vertreter vorgelegt, sondern direkt zum Posteingang gelegt worden, wo sie abgefertigt und die Frist im Kanzleikalender gestrichen worden sei. Abgesehen davon habe an diesem Tag - ohne Verschulden der Antragstellerin oder deren Vertreter - ein weiterer (näher dargestellter) Kontrollmechanismus in der Kanzlei des Vertreters versagt.

II.

1. Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, daß sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes trifft das Verschulden des Parteienvertreters die von diesem vertretene Partei. Der Begriff des minderen Grades des Versehens wird als leichte Fahrlässigkeit im Sinne des § 1332 ABGB verstanden. Der Wiedereinsetzungswerber bzw. sein Vertreter darf also nicht auffallend sorglos gehandelt, somit nicht die im Verkehr mit Gerichten und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer acht gelassen haben. Dabei ist an berufliche rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen als an rechtsunkundige oder bisher noch nie an gerichtlichen Verfahren beteiligte Personen (vgl. etwa den Beschluß vom 19. September 1996, Zl. 96/18/0257, mwN).

2. Auf dem Boden dieser Rechtslage ist das Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag nicht geeignet, einen tauglichen Wiedereinsetzungsgrund darzutun. Die unter I.2. wiedergegebene Begründung des Antrages läßt keinen Zweifel daran, daß der Vertreter der Antragstellerin seiner anwaltlichen Sorgfaltspflicht in bezug auf die Kontrolle der Kanzleikraft dahin, ob sie den ihr erteilten Auftrag erfüllt hat, nicht nachgekommen ist. Der Vertreter hätte es nach Unterfertigung des Schriftsatzes zur Mängelbehebung (Eingabe an den Verwaltungsgerichtshof vom 26. Februar 1997) nicht dabei bewenden lassen dürfen, die Kanzleikraft anzuweisen, der Eingabe eine weitere Beschwerdeausfertigung anzuschließen, handelte es sich doch bei dieser Tätigkeit nicht bloß um den technischen Vorgang des Abfertigens von Schriftstücken, der einer verläßlichen Kanzleikraft ohne Beaufsichtigung hätte überlassen werden dürfen (vgl. auch dazu den hg. Beschluß Zl. 96/18/0257). Die dem Vertreter obliegende Überwachungspflicht hätte es vielmehr erfordert, die Kanzleikraft außerdem anzuweisen, nach Herstellung der weiteren Beschwerdeausfertigung ihm diese zur Überprüfung auf ihre Vollständigkeit bzw. zur Unterfertigung vorzulegen. Bei Unterbleiben dieses Versäumnisses und Vorlage der Beschwerdeausfertigung durch die Kanzleikraft hätte es dem Vertreter - in Ausübung der ihm erst zu diesem Zeitpunkt möglichen Vollständigkeitskontrolle - auffallen müssen, daß die von der Kanzleikraft angefertigte Ausfertigung nicht - auch nicht in Ablichtung - unterfertigt war.

3. Was den im Antrag ins Treffen geführten, mittels genereller Weisung des Vertreters in seiner Kanzlei installierten Kontrollmechanismus - der an diesem Tag versagt habe - anlangt, wonach die mit der Postabfertigung betraute verläßliche Kanzleiangestellte Gerlinde Sch. die ausgehenden Poststücke dahingehend zu prüfen habe, ob sie unterfertigt sind, so ist auch dazu darauf hinzuweisen, daß eine solche Prüfungstätigkeit, da außerhalb des bloß technischen Vorganges der Abfertigung gelegen, von der anwaltlichen Sorgfaltspflicht umfaßt ist und daher nicht einer (wenn auch verläßlichen) Kanzleikraft zur selbständigen Wahrnehmung überlassen werden darf.

4. Das Außerachtlassen der vorliegend - wie dargetan - erforderlichen und auch zumutbaren Sorgfalt ist als ein den Grad minderen Versehens überschreitendes Verschulden des Vertreters des Antragstellers zu werten, weshalb dem Wiedereinsetzungsantrag im Grunde des § 46 Abs. 1 VwGG der Erfolg zu versagen war.

5. Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein Abspruch über das Begehren, dem Wiedereinsetzungsantrag aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1997180302.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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