TE Bvwg Erkenntnis 2020/11/18 W152 1245254-3

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Veröffentlicht am 18.11.2020
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Entscheidungsdatum

18.11.2020

Norm

AsylG 2005 §54 Abs1 Z1
AsylG 2005 §55 Abs1
AsylG 2005 §58 Abs5
AsylG-DV 2005 §4 Abs1 Z2
B-VG Art133 Abs4
NAG §81 Abs36

Spruch


W152 1245254-3/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Walter KOPP über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Volksrepublik China, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 01.12.2016, Zl. 247049207-160212148, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 21.09.2020 zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß §§ 58 Abs. 5, 54 Abs. 1 Z 1 und 55 Abs. 1 AsylG 2005 iVm § 81 Abs. 36 NAG iVm § 4 Abs. 1 Z 2 AsylG-DV 2005 der Aufenthaltstitel „Aufenthaltsberechtigung plus“ erteilt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG jeweils nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

Der Beschwerdeführer reiste nach seinen Angaben im Jahr 2001 illegal ins Bundesgebiet ein und stellte am 20.03.2003 einen (ersten) Asylantrag.

Dieses Asylverfahren wurde schließlich mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 03.02.2009, GZ. C3 245.254-0/2008/4E, rechtskräftig abgeschlossen, wobei die Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 28.11.2003, Zahl: 03 09.218-BAW, gemäß
§§ 7, 8 AsylG 1997 abgewiesen wurde.

Der Beschwerdeführer stellte am 18.02.2010 einen (weiteren) Antrag auf internationalen Schutz.

Das zuletzt genannte Verfahren wurde schließlich mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 22.03.2010, Zl. C3 245.254-2/2010/2E, rechtskräftig abgeschlossen, wobei die Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 04.03.2010, Zahl: 10 01.502-EAST-Ost, gemäß § 68 Abs. 1 AVG und § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen wurde.

Der Beschwerdeführer stellte in weiterer Folge am 11.02.2016 einen Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK („Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens“).

Weiters stellte der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 10.11.2016 gemäß § 4 Abs. 1 AsylG-DV 2005 einen Antrag auf Heilung eines Mangels im Hinblick auf die Nichtvorlage eines Reisepasses.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Wien, wies mit Bescheid vom 01.12.2016, Zahl: 247049207-160212148, den Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 AsylG 2005 ab und erließ gemäß § 10 Abs. 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gemäß § 52 Abs. 3 FPG eine Rückkehrentscheidung. Gleichzeitig wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung „nach China“ gemäß § 46 FPG zulässig sei. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.

Gegen diesen Bescheid erhob der Antragsteller fristgerecht Beschwerde.

Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Feststellungen (Sachverhalt):

Der strafgerichtlich unbescholtene Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Volksrepublik China, lebt nachweislich seit März 2003 – somit seit mehr als 17 Jahren – ohne Unterbrechung im Bundesgebiet.

Der geschiedene Beschwerdeführer führt seit dem Jahr 2003 eine Beziehung mit der chinesischen Staatsangehörigen XXXX , geb. XXXX , auch XXXX , geb. XXXX , die sich (ebenfalls) in einem (derzeit noch anhängigen) Verfahren zur Erlangung einer Aufenthaltsberechtigung gemäß § 55 AsylG 2005 befindet, in Österreich eine Beziehung.

Der Beschwerdeführer erwarb bereits am 20.05.2015 das ÖSD-Sprachzertifikat A2.

Der Beschwerdeführer verrichtet in seinem Asylheim ( XXXX ) Reinigungstätigkeiten.

Der Beschwerdeführer verfügt nunmehr über einen (aufschiebend bedingten) Dienstvertrag vom 08.09.2020 mit der XXXX , wonach der Beschwerdeführer als Koch mit einem monatlichen Bruttolohn von € 1.500,- beschäftigt werde.

Die Eltern des kinderlosen Beschwerdeführers, der auch keine Geschwister hat, sind bereits verstorben, und er hat keinerlei Kontakte mehr in der Volksrepublik China.

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in die Verwaltungsakten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und durch die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 21.09.2020.

Die Feststellungen (zur Person des Beschwerdeführers) ergeben sich insbesondere aus dem im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung erstatteten glaubwürdigen Vorbringen des Beschwerdeführers, aus der in der Verhandlung erfolgten zeugenschaftlichen Einvernahme der chinesischen Staatsangehörigen XXXX , geb. XXXX , auch XXXX , geb. XXXX , aus der im Verwaltungsakt einliegenden Kopie eines ÖSD-Sprachzertifikates A2 vom 20.05.2015, dem in der Verhandlung vorgelegten (aufschiebend bedingten) Dienstvertrag vom 08.09.2020 und den Einsichtnahmen in das Strafregister (SA), Zentrale Melderegister (ZMR) und Fremdenregister.

Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz, BGBl. I Nr. 10/2013 (BVwGG), entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I 33/2013 idgF (VwGVG), geregelt
(§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, unberührt.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991, BGBl. 51/1991 (AVG), mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 (BAO), des Agrarverfahrensgesetzes, BGBl. Nr. 173/1950 (AgrVG), und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984, BGBl. Nr. 29/1984 (DVG), und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu Spruchpunkt A):

Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung plus“ zu erteilen, wenn dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist (Z 1) und der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 ASVG) erreicht wird (Z 2). Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist gemäß Abs. 2 eine „Aufenthaltsberechtigung“ zu erteilen.

Gemäß § 58 Abs. 5 AsylG 2005 sind Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 bis 57 sowie auf Verlängerung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 persönlich beim Bundesamt zu stellen. Soweit der Antragsteller nicht selbst handlungsfähig ist, hat den Antrag sein gesetzlicher Vertreter einzubringen.

§ 9 Abs. 2 BFA-VG idgF lautet:
„(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1.       die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2.       das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3.       die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4.       der Grad der Integration,

5.       die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6.       die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7.       Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8.       die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9.       die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.“

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts ist gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Zu den in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) zu Art. 8 EMRK entwickelten Grundsätzen zählt unter anderem auch, dass das durch
Art. 8 EMRK gewährleistete Recht auf Achtung des Familienlebens, das Vorhandensein einer „Familie“ voraussetzt.

Der Begriff des „Familienlebens“ in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten, sondern auch entferntere verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine gewisse Intensität erreichen. Als Kriterien hiefür kommen etwa das Vorliegen eines gemeinsamen Haushaltes oder die Gewährung von Unterhaltsleistungen in Betracht. In der bisherigen Spruchpraxis der Straßburger Instanzen wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; s auch
EKMR 07.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern
(EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Onkel und Tante und Neffen bzw. Nichten (EKMR 19.07.1968, 31110/67, Yb 11, 494(518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 05.07.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1998, 761; Rosenmayer,
ZfV 1988, 1). Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde auch von der Kommission auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215).

Art. 8 EMRK macht zwischen ehelicher und nichtehelicher Familie keinen Unterschied
(EGMR 13.06.1979, 6833/74, Marckx gg Belgien, Z 31; EGMR 27.10.1994, 18535/91, Kroon und andere gg die Niederlande). Familienleben ist jedoch nicht auf Beziehungen beschränkt, die auf einer Ehe beruhen (EGMR 26.05.1994, 16.969/90, Keegan vs Irland, EGMR 13.07.2000, 25.735/94, Elsholz gg Deutschland) und umfasst daher auch eheähnliche Lebensgemeinschaften zwischen Mann und Frau.

Bei der Prüfung der Zulässigkeit von Ausweisungen und dem damit verbundenen Eingriff in das Privat- und Familienleben hat eine Einzelfallprüfung zu erfolgen, die sich nicht in der formelhaften Abwägung iSd Art. 8 EMRK erschöpfen darf, sondern auf die individuelle Lebenssituation des von der Ausweisung Betroffenen eingehen muss. Wie der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 29.09.2007, B328/07, dargelegt hat, lassen sich aus der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes eine Vielzahl von Kriterien ableiten, die bei der gebotenen Interessensabwägung zu beachten sind. Dazu zählen vor allem die Aufenthaltsdauer, die an keine fixen zeitlichen Vorgaben geknüpft ist (EGMR vom 31.01.2006, 50.435/99), das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (EGMR vom 28.05.1985, 9214/80, 9473/81, 9474/81 ua.) und dessen Intensität (EGMR vom 02.08.2001, 54.273/00), der Grad der Integration, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schul- oder Berufsausbildung, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert (EGMR vom 04.10.2001, 43.359/98 ua.), die Bindung zum Heimatstaat, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, aber auch Verstöße gegen das Einwanderungsrecht und die Erfordernisse der öffentlichen Ordnung (EGMR vom 24.11.1998, 40.447/98 ua.) und die Frage, ob das Privat- und Familienleben zu einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren (EGMR vom 24.11.1998, 40.447/98 ua.).

Bei einem mehr als zehn Jahre dauernden inländischen Aufenthalt des Fremden ist regelmäßig von einem Überwiegen der persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich auszugehen. Nur dann, wenn der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit überhaupt nicht genützt hat, um sich sozial und beruflich zu integrieren, wurden etwa Aufenthaltsbeendigungen ausnahmsweise auch nach so langem Inlandsaufenthalt noch für verhältnismäßig angesehen. Diese Rechtsprechung zu Art. 8 EMRK ist auch für die Erteilung von Aufenthaltstiteln relevant (VwGH 26.02.2015, Ra 2015/22/0025; VwGH 19.11.2014, 2013/22/0270). Auch in Fällen, in den die Aufenthaltsdauer knapp unter zehn Jahren lag, hat der VwGH eine entsprechende Berücksichtigung dieser langen Aufenthaltsdauer gefordert (VwGH 16.12.2014, 2012/22/0169; VwGH 09.09.2014,, 2013/22/0247; VwGH 30.07.2014, 2013/22/0226). Im Fall, dass ein insgesamt mehr als zehnjähriger Inlandsaufenthalt für einige Monate unterbrochen war, legte der VwGH seine Judikatur zum regelmäßigen Überwiegen der persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich bei einem mehr als zehnjährigen Inlandaufenthalt des Fremden zugrunde (VwGH 26.03.2015, Ra 2014/22/0078 bis 0082).

Gemäß § 8 Abs. 1 der AsylG-DV 2005 sind folgende Urkunden und Nachweise – unbeschadet weiterer Urkunden und Nachweise nach den Abs. 2 und 3 leg.cit. – im amtswegigen Verfahren zur Erteilung eines Aufenthaltstitels (§ 3) beizubringen oder dem Antrag auf Ausstellung eines Aufenthaltstitels (§ 3) anzuschließen: 1. gültiges Reisedokument ( § 2 Abs. 1 Z 2 und 3 NAG); 2. Geburtsurkunde oder ein dieser gleichzuhaltendes Dokument; 3. Lichtbild des Antragstellers gemäß § 5; 4. erforderlichenfalls Heiratsurkunde, Urkunde über die Ehescheidung, Partnerschaftsurkunde, Urkunde über die Auflösung der eingetragenen Partnerschaft, Urkunde über die die Annahme an Kindesstatt, Nachweis oder Urkunde über das Verwandschaftsverhältnis, Sterbeurkunde.

§ 2 Abs. 1 Z 2 NAG definiert als ein Reisedokument einen Reisepass, Passersatz oder ein sonstiges durch Bundesgesetz, Verordnung oder auf Grund zwischenstaatlicher Vereinbarungen für Reisen anerkanntes Dokument.

Gemäß § 4 Abs. 1 AsylG-DV 2005 kann die Behörde auf begründeten Antrag von Drittstaatsangehörigen die Heilung eines Mangels nach § 8 und § 58 Abs. 5, 6 und 12 AsylG 2005 zulassen: 1. im Fall eines unbegleiteten Minderjährigen zur Wahrung des Kindeswohls, 2. zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK oder 3. im Fall der Nichtvorlage erforderlicher Urkunden oder Nachweise, wenn deren Beschaffung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.

Beabsichtigt die Behörde den Antrag nach Abs. 1 zurück- oder abzuweisen, so hat die Behörde darüber gemäß Abs. 2 im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.

Da der strafgerichtlich unbescholtene Beschwerdeführer jedenfalls nachweislich bereits seit März 2003 – somit seit mehr als 17 Jahren – ohne Unterbrechung in Österreich lebt, der Beschwerdeführer bereits das Sprachzertifikat A2 erwarb und über einen (aufschiebend bedingten) Dienstvertrag verfügt, weshalb im vorliegenden Fall nicht davon gesprochen werden kann, dass er die in Österreich verbrachte Zeit für seine Integration überhaupt nicht genützt habe, der Beschwerdeführer keinen Bezug zum Herkunftsstaat (mehr) aufweist, wobei die Interessen des Beschwerdeführers insbesondere angesichts der bereits sehr langen Aufenthaltsdauer im Bundesgebiet – wobei er während dieses (gesamten) Aufenthaltes eine Beziehung mit einer chinesischen Staatsangehörigen, die sich in einem Verfahren zur Erlangung einer Aufenthaltsberechtigung gemäß § 55 AsylG 2005 befindet, führt – somit die öffentlichen Interessen überwiegen, wird dem Beschwerdeführer der (beantragte) Aufenthaltstitel aus den Gründen des Art. 8 EMRK erteilt.

Im Hinblick auf die obigen Ausführungen war die Heilung des Mangels der Nichtvorlage von Urkunden gemäß § 4 Abs. 1 Z 2 AsylG-DV 2005 zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK zuzulassen.

Der Beschwerdeführer erfüllt somit jedenfalls die Voraussetzung des
§ 55 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005.

Gemäß § 81 Abs. 36 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG) gilt das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 IntG als erfüllt, wenn Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 68/2017 vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 68/2017 erfüllt haben oder von der Erfüllung ausgenommen waren. Die §§ 7 bis 16 Integrationsgesetz, BGBl. I Nr. 68/2017, mit Ausnahme vom § 13 Abs. 2 traten mit 01.10.2017 in Kraft.

Das Modul 1 der Integrationsvereinbarung war gemäß § 14a Abs. 4 NAG idF vor dem Bundesgesetz, BGBl. I Nr. 68/2017 erfüllt, wenn der Drittstaatsangehörige einen Deutsch-Integrationskurs besucht und einen Nachweis des Österreichischen Integrationsfonds über den erfolgreichen Abschluss des Deutsch-Integrationskurses vorlegt (Z 1), einen allgemein anerkannten Nachweis über ausreichende Deutschkenntnisse gemäß § 14 Abs. 2 Z 1 NAG vorlegt (Z 2), über einen Schulabschluss verfügt, der der allgemeinen Universitätsreife im Sinne des § 64 Abs. 1 des Universitätsgesetzes 2002, BGBl. I 120, oder einem Abschluss einer berufsbildenden mittleren Schule entspricht (Z 3) oder einen Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte” gemäß § 41 Abs. 1 oder 2 NAG besitzt (Z 4).

Gemäß § 54 Abs. 1 AsylG 2005 werden Drittstaatsangehörigen folgende Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt:

1. „Aufenthaltsberechtigung plus", die zu einem Aufenthalt im Bundesgebiet und zur Ausübung einer selbständigen und unselbständigen Erwerbstätigkeit gemäß
§ 17 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG), BGBl. Nr. 218/1975 berechtigt;

2. „Aufenthaltsberechtigung", die zu einem Aufenthalt im Bundesgebiet und zur Ausübung einer selbständigen und einer unselbständigen Erwerbstätigkeit, für die eine entsprechende Berechtigung nach dem AuslBG Voraussetzung ist, berechtigt;

3. „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz", die zu einem Aufenthalt im Bundesgebiet und zur Ausübung einer selbständigen und einer unselbständigen Erwerbstätigkeit, für die eine entsprechende Berechtigung nach dem AuslBG Voraussetzung ist, berechtigt.

Gemäß Abs. 2 leg. cit. sind diese Aufenthaltstitel für die Dauer von zwölf Monaten beginnend mit dem Ausstellungsdatum auszustellen.

Da der Beschwerdeführer das Sprachzertifikat A2 bereits am 20.05.2015, somit vor dem maßgeblichen 01.10.2017 erwarb, erfüllt dieser (auch) die Voraussetzung gemäß
§ 55 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 iVm § 81 Abs. 36 NAG zur Erteilung einer „Aufenthaltsberechtigung plus“, weshalb ihm somit gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 der Aufenthaltstitel „Aufenthaltsberechtigung plus“ zu erteilen ist.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat des Beschwerdeführer den Aufenthaltstitel gemäß § 58 AsylG 2005 auszufolgen. Der Aufenthaltstitel gilt gemäß § 54 Abs. 2 AsylG 2005 zwölf Monate lang, beginnend mit dem Ausstellungsdatum.

Zu Spruchpunkt B):

Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, BGBl. Nr. 1985/10 idgF (VwGG), hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung; die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Schließlich liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Hiebei wird einerseits auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf die Eindeutigkeit der Rechtslage und andererseits darauf verwiesen, dass der gegenständliche Fall ohnedies maßgeblich auf der Tatsachenebene zu beurteilen war.

Aufgrund der Deutschkenntnisse des Beschwerdeführers war die Übersetzung des Spruches und der Rechtsmittelbelehrung iSd § 12 Abs. 1 BFA-VG idgF entbehrlich.

Schlagworte

Aufenthaltsberechtigung plus Aufenthaltsdauer Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK Deutschkenntnisse Heilung Integration Interessenabwägung Privat- und Familienleben Urkundenvorlage

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W152.1245254.3.00

Im RIS seit

22.01.2021

Zuletzt aktualisiert am

22.01.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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