TE Bvwg Erkenntnis 2020/11/19 W281 2224128-1

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Veröffentlicht am 19.11.2020
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Entscheidungsdatum

19.11.2020

Norm

BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §66 Abs1
FPG §66 Abs2
FPG §70 Abs3
NAG §54 Abs1
NAG §54 Abs5 Z1
NAG §54 Abs5 Z4
NAG §55 Abs1
NAG §55 Abs3

Spruch


W281 2224128-1/9E

Schriftliche Ausfertigung des am 21.10.2020 mündlich verkündeten Erkenntnis.

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Rosemarie HALBARTH-KRAWARIK über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. KOSOVO, vertreten durch: ARGE Rechtsberatung gegen den Bescheid des BFA, Regionaldirektion Oberösterreich (BFA-OÖ) vom 03.09.2019, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 21.10.2020, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

1.1. Zur Person und den allgemeinen Lebensumständen

Der BF ist kosovarischer Staatsbürger, am XXXX geboren und heißt XXXX .

Der BF ehelichte am 26.06.2015 die tschechische Staatsbürgerin XXXX (im Folgenden BG, Gattin), vormals XXXX . Am 20.09.2016 beantragte BG die am 26.06.2015 geschlossene Ehe aus alleinigem Verschulden des BF mit der Wirkung zu scheiden, dass sie mit Rechtskraft des Urteils aufgelöst wird. Mit Urteil vom XXXX wurde das Klagebegehren, die am 26.06.2015 geschlossene Ehe aus alleinigem Verschulden des BF zu scheiden, abgewiesen. Eine Versöhnung zwischen BF und BG nach Einleitung des Scheidungsverfahrens gab es nicht.

Mit Urteil vom XXXX wurde die am 26.06.2015 geschlossene Ehe zwischen dem BF und BG geschieden und aufgelöst: Für BG war es die fünfte Ehe, für den BF die zweite Ehe. Der Ehe entstammen keine Kinder. Die eheliche Lebensgemeinschaft ist tiefgreifend und unheilbar zerrüttet und zum damaligen Zeitpunkt die häusliche Gemeinschaft seit mehr als drei Jahren aufgehoben. Die häusliche Gemeinschaft war somit vor - aber jedenfalls spätestens am – 30.04.2016 aufgehoben. Die eheliche Lebensgemeinschaft und häusliche Gemeinschaft endete mit Auszug der Gattin im Februar 2016.

Als der BF im Jänner 2016 nach Österreich zurückkehrte, wohnten in der Ehewohnung die Gattin, der Sohn der Gattin, die Schwiegertochter der Gattin und die Schwester der Gattin. Der BF war zwar grundsätzlich nicht dagegen, dass andere Familienmitglieder der Gattin in der gemeinsamen Wohnung wohnen, er wurde allerdings nie explizit von seiner Gattin nach dem Einverständnis gefragt und wollte mit seiner Gattin alleine wohnen. Der BF wollte sich zu diesem Zeitpunkt und auch nicht danach von seiner Gattin scheiden lassen.

Der BF führte mit BG von Juni 2015 bis Ende September 2015 sowie von 15.01.2016 bis 18.02.2016, als BG aus der Wohnung ausgezogen ist, ein Familienleben: sie wohnten an einer gemeinsamen Adresse, wobei der BF von Juni bis September 2015 etwa 2 bis 3 mal die Woche in der Wohnung nächtigte und sonst bei seinem Arbeitgeber schlief. Es kam etwa 3 mal zum Geschlechtsverkehr.

Der BF hat in Österreich eine Tochter und drei Enkel. Er besucht seine Tochter und die Enkel gelegentlich, vor allem am Wochenende. Hin und wieder holt er auch die jüngste Enkelin von der Schule ab. Es bestehen keine Abhängigkeitsverhältnisse und kein gemeinsamer Haushalt.
Er pflegt keine engen sozialen Kontakte in Österreich. Er hat kaum Freunde. Seine Freizeit verbringt er meistens zu Hause und liest. Er ist sportlich. Er hat Bekanntschaften in der Arbeit geschlossen. Er ist in keinem Verein Mitglied und weder gemeinnützig noch ehrenamtlich tätig. Eine besondere soziale Integration liegt nicht vor.

Er ist gesund und unbescholten. Er verfügt über eine Wohnmöglichkeit. Er ist nicht unterhaltspflichtig.

Er spricht kaum Deutsch. Einfachste Fragen wie er heißt kann er beantworten, ansonsten ist eine Verständigung nur über einen Dolmetscher möglich. Er hat in der Vergangenheit einen Sprachkurs besucht, den er nach einem Monat abgebrochen hat.

1.2. Zum Aufenthalt und Berufstätigkeit

Er hält sich seit 15.01.2016 dauerhaft in Österreich auf.

Zuvor war er ab 2008 immer wieder als Saisonarbeiter für einige Monate in Österreich beschäftigt und aufhältig. Er hatte von 08.04.2012 bis 04.10.2012, von 01.04.2013 bis 15.09.2013, von 29.03.2014 bis 25.09.2014, von 28.03.2015 bis 27.09.2015 und von 11.01.2016 bis 10.05.2016 ein „Visa D“ für die Einreise zwecks Saisonarbeit und aufhältig. Er war unter anderem bei der Firma XXXX beschäftigt.

Am 08.07.2015 stellte er einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zum Zweck „Aufenthaltskarte Angehörige eines EWR- Bürgers“. Ihm wurde von 21.12.2015 bis 21.12.2020 ein Aufenthaltstitel für Angehörige eines EWR Bürgers erteilt.

Von 08.02.2019 bis 18.05.2019 war er bei der Firma XXXX als Arbeiter beschäftigt.

Aktuell ist er seit 07.01.2019 bei der Firma XXXX als Arbeiter beschäftigt. Er verdiente dort im September 2020 1.144,63 netto, und im August 2020 1.351,2, im Juli 2020 1.452,28. Er war bzw. ist dort in folgenden Zeiträumen beschäftigt: 07.01.2019 bis 01.02.2019, 20.05.2015 bis 01.06.2019, 17.06.2019 bis 20.12.2019, 07.01.2020 bis 31.01.2020 und ab 15.06.2020 bis dato.

Er hat in folgenden Zeiten Arbeitslosengeld bezogen: 01.01.2019 bis 03.01.2019, 06.01.2019 bis 06.01.2019, 02.02.2019 bis 07.02.2019, 04.06.2019 bis 16.06.2019, 29.12.2019 bis 06.01.2020 und 02.02.2020 bis 14.06.2020.

1.3. Zu den Beziehungen zum Herkunftsstaat

Im Kosovo leben zwei Söhne, zwei Brüder, eine Schwester und Enkeln und Neffen des BF. Er telefoniert mit ihnen, mit seinen Söhnen etwa alle zwei Tage, und war zu Weihnachten 2018 und Silvester 2018/2019 im Kosovo und auch im Februar oder März 2020 im Kosovo. Wenn er Urlaub hat fährt er in den Kosovo. Mit seinen Brüdern hat er alle ein bis zwei Wochen telefonischen Kontakt.

Er ist im Kosovo aufgewachsen und hat dort gearbeitet.

1.4. Zur Lage im Herkunftsstaat

1.4.1. Der Kosovo gilt als ein sicherer Herkunftsstaat.

Zur Grundversorgung

Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln ist gewährleistet. Das Warenangebot entspricht in der Auswahl (nicht immer in der Qualität) westeuropäischen Standards. Die Sozialhilfe bewegt sich auf niedrigem Niveau. Sozialleistungen reichen zur Befriedigung der Grundbedürfnisse kaum aus. Das wirtschaftliche Überleben sichert in der Regel zum einen der Zusammenhalt der Familien, zum anderen die im Kosovo ausgeprägte zivilgesellschaftliche Solidargemeinschaft. Im Jahr 2017 erhielten 26.111 Familien bzw. 106.649 Personen Sozialhilfe (AA 21.3.2019).

Obwohl das Wirtschaftswachstum des Kosovo in den letzten zehn Jahren besser war als das seiner Nachbarn und weitgehend integrativ, reichte es nicht aus, um genügend formelle Arbeitsplätze, insbesondere für Frauen und Jugendliche, bereitzustellen oder die hohen Arbeitslosenquoten deutlich zu senken. Das Wachstumsmodell stützt sich in hohem Maße auf Überweisungen, um den Binnenkonsum anzukurbeln, hat sich aber in jüngster Zeit auf ein stärker investitions- und exportgetriebenes Wachstum verlagert (WB o.D.).

Die kosovarische Wirtschaft wuchs in der Zeit nach der globalen Finanzkrise beständig über dem Durchschnitt des Westbalkans, wenn auch von einer niedrigen Basis aus. Das Pro-Kopf-BIP stieg von 1.088 US-Dollar im Jahr 2000 auf 4.458 US-Dollar im Jahr 2019. Trotz dieses Anstiegs des Pro-Kopf-Einkommens in den letzten 20 Jahren ist das Kosovo gemessen am Pro-Kopf-BIP nach wie vor das drittteuerste Land in Europa. Das jährliche Wachstum wird auf vier Prozent geschätzt, angetrieben durch den Konsum, sowohl im öffentlichen als auch im privaten Bereich, und durch Dienstleistungsexporte. Das Leistungsbilanzdefizit fiel von 7,6% des BIP im Jahr 2018 auf 5,5% im Jahr 2019, da sich das Importwachstum verlangsamte. Die Erwerbsbeteiligung ist mit durchschnittlich 40,5% der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter im Jahr 2019 nach wie vor chronisch niedrig. Die Arbeitslosenquote sank um 3,9 Prozentpunkte auf 25,7%. Die Staatsverschuldung ist gering, hat aber in den letzten Jahren rasch zugenommen. Die öffentliche und staatlich garantierte Verschuldung wird für Ende 2019 auf 17,7% des BIP geschätzt und ist damit die niedrigste auf dem Westbalkan, was dem Land Raum für die Aufnahme von Krediten zu Vorzugsbedingungen für produktive Investitionen mit einer hohen Rendite bietet. Der von den Banken dominierte Finanzsektor im Kosovo ist gesund und solide. Sowohl Kredite als auch Einlagen nahmen weiter zu (WB 2020).

Die kosovarische Wirtschaft leidet an einer unzureichenden Infrastruktur. Während es in den letzten Jahren zwar deutliche Verbesserungen hinsichtlich der Verkehrsinfrastruktur, v.a. beim Ausbau des Autobahnnetzes gegeben, hat, stellt die instabile Energieversorgung weiterhin ein schwerwiegendes Entwicklungsproblem dar. Problematisch ist auch die politische Instabilität mit häufigen Regierungswechseln und fehlender entwicklungsorientierter Wirtschaftspolitik. Das Wirtschaftssystem weist klare Charakteristika politischer Patronage auf, mit der Dominanz des öffentlichen Sektors. Dazu gehören einerseits die öffentliche Verwaltung, in der - basierend auf einer parteipolitisch motivierten Personalpolitik - extrem hohe Gehälter bezahlt werden, und andererseits ineffiziente, politisch kontrollierte öffentliche Unternehmen bei gleichzeitig schleppend voranschreitender Privatisierung. Hinzu kommt ein schwacher Rechtsstaat mit einer schwachen und politisierten Justiz und Polizei, teils kriegsbedingt noch immer unklaren Eigentumsverhältnissen, der mangelnden auch wirtschaftlichen Kontrolle über Teile des kosovarischen Territoriums, in erster Linie der vier mehrheitlich serbisch bewohnten Gemeinden im Norden, sowie das Problem grassierender, systematischer Korruption (GIZ 3.2020c).

Vor diesem Hintergrund blüht weiterhin ein substantieller informeller Wirtschaftssektor, welcher marktwirtschaftliche Regeln unterläuft, Arbeiterrechte und den Sozialstaat aushöhlt. Die EU-Kommission schätzte 2019 den Anteil der Schattenwirtschaft am Bruttosozialprodukt auf 30%. Das extreme Handelsbilanzdefizit macht Kosovo in hohem Maße von ausländischer Hilfe und Überweisungen abhängig. Der Anteil der informellen Wirtschaftsleistung ist immens – schätzungsweise zwischen 27% und 45%. Weitere Probleme sind die unzureichende Infrastruktur (Energie, Wasser und Verkehr), ungelöste rechtliche Verhältnisse, mangelnde Transparenz, Korruption, Kriminalität, etc. (GIZ 3.2020c).

Kosovos Arbeitslosenquote belief sich laut nationalem Statistikamt im Jahr 2019 auf 25,70% (gegenüber 29,60% im Jahr 2018). Dies ist der geringste Wert, der seit zwanzig Jahren gemessen wurde (CEIC 2.4.2020; vgl. WB 2020). Trotzdem bleibt die Arbeitslosigkeit mit einer Zahl von ca. 130.000 Unbeschäftigten Ende 2019 eines der zentralen Probleme. Der Arbeitsmarkt im Kosovo ist geprägt durch eine niedrige Erwerbsbeteiligung (Beschäftigungsqoute Ende 2019: 30,7%), ein hohes Maß an langfristiger Arbeitslosigkeit (über 70% aller Arbeitslosen) und Jugendarbeitslosigkeit (Jugendarbeitslosigkeitsquote 2019, Q4: 49,1%) sowie durch erhebliche Genderdisparitäten (Frauenbeschäftigungsquote 2016, Q4: 22,4%, gegenüber einer Männerbeschäftigungsquote von 60,2%). Im Kosovo existiert allerdings ein sehr ausgedehnter informeller, nicht von der Statistik erfasster Sektor, welcher z. B. einen Großteil der Frauen umfasst, die in Subsistenzwirtschaften Leistungen im Agrarsektor erbringen. Folgen der Informalität sind Einnahmeeinbußen bei den Sozialabgaben sowie ein Mangel an sozialer und arbeitsrechtlicher Absicherung der Arbeitnehmer. Eine staatliche Arbeitslosenversicherung existiert im Kosovo nicht. Jährlich drängen ungefähr 36.000 junge Arbeitssuchende neu auf den Arbeitsmarkt, von denen nur ein geringer Teil absorbiert werden kann. Für die überwiegende Mehrheit bleibt daher eine der folgenden Optionen: (weiterführende) Aus- und Weiterbildung, Studium, Arbeitslosigkeit, informelle Beschäftigung oder Migration. Etwa ein Drittel aller jungen Kosovaren geht weder einer Schulbildung, Ausbildung oder Beschäftigung nach. Die Arbeitgeber bemängeln, dass der Ausbildungsstand der jungen Kosovaren nicht den Bedürfnissen der Unternehmen nach qualifizierten Arbeitskräfte entspricht. Hieraus resultiert das Paradoxon der Gleichzeitigkeit von hoher Arbeitslosigkeit und unbesetzter Arbeitsstellen. Ein weiteres Problem ist, dass die ökonomischen und sozialen Statistikdaten immer noch unvollständig und Teils von mangelnder Qualität sind, was sowohl die Bewertung der effektiven Wirtschaftsentwicklung beeinträchtigt als auch die wirtschafts- und sozialpolitische Planung (GIZ 3.2020c).

Etwa 18% der kosovarischen Bevölkerung leben in absoluter Armut (täglich verfügbares Einkommen geringer als € 1,72) und 5,2% in extremer Armut (€ 1,20). Obwohl die einzelnen Studien und Armutsberichte nicht direkt vergleichbar sind, gibt es Hinweise dafür, dass sich das Ausmaß der Armut im Kosovo in den letzten zehn Jahren leicht reduziert hat. Armutsgefährdung korreliert stark mit Ethnizität (insbesondere die Gruppen der RAE (Roma, Ashkali, Ägypter) – Minderheiten sind von Armut überproportional stark betroffen), Alter (Kinder), Bildung (Geringqualifizierte), Geographie und Haushaltsgröße (große Familien, sowie Familien mit weiblichem Haushaltsvorstand). Der Lebensstandard ist im Kosovo sehr ungleich verteilt, mit Unterschieden in der durchschnittlichen Lebenserwartung von bis zu 10 Jahren zwischen einzelnen Gemeinden. Ein konsistentes geographisches Muster lässt sich jedoch nicht feststellen. Ein bedeutender Teil der Gesellschaft ist als mehrdimensional arm zu bezeichnen: Neben dem Mangel an pekuniären Ressourcen ist der Zugang zu sozialer Infrastruktur bzw. die Befriedigung grundlegender Bedürfnisse, wie z. B. fließendes Wasser, für viele Menschen begrenzt. Der Anteil der Ausgaben für Lebensmittel und der Ausgaben für Wohnraum an den gesamten Konsumausgaben eines Haushalts liegt im Kosovo im Durchschnitt bei 73%, die Ausgaben für Bildung und Gesundheit entsprechen 4% der gesamten Konsumausgaben. Der Human Development Index für Kosovo liegt laut dem Human Development Report Kosovo 2016 bei 0.741 (2015), was eine deutliche Steigerung gegenüber 2011 (0.713) bedeutet, jedoch einen der niedrigsten Werte in der Region darstellt (GIZ 3.2020b).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (21.3.2019): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Kosovo / Bericht im Hinblick auf die Einstufung der Republik Kosovo als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29 a AsylVfG, https://www.ecoi.net/en/file/local/2005251/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_im_Hinblick_auf_die_Einstufung_der_Republik_Kosovo_als_sicheres_Herkunftsland_im_Sinne_des_%C2%A7_29_a_AsylG_%28Stand_Januar_2019%29%2C_21.03.2019.pdf, Zugriff 6.4.2020

- CEIC-Data – (2.4.2020): Kosovo. Arbeitslosenquote, https://www.ceicdata.com/de/indicator/kosovo/unemployment-rate, Zugriff 10.4.2020

- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2020b): Kosovo - Gesellschaft, https://www.liportal.de/kosovo/gesellschaft/, Zugriff 5.5.2020

- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2020c): Kosovo – Wirtschaft & Entwicklung, https://www.liportal.de/kosovo/wirtschaft-entwicklung/, Zugriff 5.5.2020

- WB – Weltbank (o.D.): The World Bank in Kosovo, https://www.worldbank.org/en/country/kosovo/overview, Zugriff 5.5.2020

Sozialbeihilfen

Die Leistungsgewährung von staatlichen Sozialhilfeleistungen für bedürftige Personen erfolgt auf Grundlage des Gesetzes No. 2003/15. Jede Gemeinde verfügt über ein Zentrum für Soziales. Angehörige der Minderheiten werden zusätzlich von den in jeder Gemeinde eingerichteten Büros für Gemeinschaften und Rückkehrer (Municipal Office for Communities and Return, MOCR) betreut. Die Freizügigkeit wird für Sozialhilfeempfänger nicht eingeschränkt. Für den weiteren Sozialhilfebezug ist in der Kommune des neuen Wohnortes ein entsprechender Antrag zu stellen. Die Sozialhilfe bewegt sich auf niedrigem Niveau. Sozialleistungen reichen zur Befriedigung der Grundbedürfnisse kaum aus. Das wirtschaftliche Überleben sichert in der Regel zum einen der Zusammenhalt der Familien, zum anderen die in Kosovo ausgeprägte zivilgesellschaftliche Solidargemeinschaft. Im Jahr 2017 erhielten 26.111 Familien bzw. 106.649 Personen Sozialhilfe (AA 21.3.2019).

Das Gesetz über die soziale Grundsicherung umfasst zwei Kategorien von Leistungsempfängern. Kategorie I definiert Familien als Leistungsempfänger, in denen alle Familienmitglieder temporär oder dauerhaft dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stehen, z.B. Kinder bis 14 Jahre, Jugendliche bis 18 Jahren, sofern diese in das Bildungssystem integriert sind, Alleinerziehende mit mindestens einem Kind unter 15 Jahren, Personen mit schwerer und dauerhafter Behinderungen über 18 Jahre, ältere Personen über 65 Jahre. Kategorie II umfasst jene Familien, in denen mindestens ein Familienmitglied dem Arbeitsmarkt zur Verfügung steht und in denen mindestens ein Kind jünger als 5 Jahre bzw. ein/e Waise jünger als 15 Jahre versorgt wird. Die Leistungen aus beiden Kategorien sind an strenge Bedürftigkeitsprüfungen gebunden. Die monatliche Unterstützungsleistung variiert von € 50 für eine einzelne Person bis zu maximal € 150 für eine Familie mit sieben oder mehr Mitgliedern, was einer Lohnersatzquote von 11.2% (Einzelperson) entspricht. 2018 empfingen ca. 25.300 Familien mit ca. 103.409 Familienmitgliedern Sozialhilfe, ein Bevölkerungsanteil von 6%. Die Gesamtaufwendungen sind mit ca. € 32.9 Mio. bzw. einem Anteil von 0.5% des BIPs gering. Im Kosovo gibt es zwei spezielle Institutionen, die sich auf die Versorgung von Erwachsene mit psychischen Erkrankungen (in Shtime) bzw. auf die Versorgung älterer Menschen (in Prishtina) spezialisiert haben. Daneben wurden jüngst fünf kommunale Einrichtungen für Menschen mit geistiger Behinderung sowie Einrichtungen für ältere Menschen eröffnet. Die Institutionen in Shtime und Prishtina wurden in der Vergangenheit wiederholt mit Menschenrechtsverletzungen in Verbindung gebracht (GIZ 3.2020b).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (21.3.2019): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Kosovo / Bericht im Hinblick auf die Einstufung der Republik Kosovo als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29 a AsylVfG, https://www.ecoi.net/en/file/local/2005251/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_im_Hinblick_auf_die_Einstufung_der_Republik_Kosovo_als_sicheres_Herkunftsland_im_Sinne_des_%C2%A7_29_a_AsylG_%28Stand_Januar_2019%29%2C_21.03.2019.pdf, Zugriff 7.4.2020

- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2020b): Kosovo - Gesellschaft, https://www.liportal.de/kosovo/gesellschaft/ , Zugriff 17.4.2020

Medizinische Versorgung

Die mangels eines öffentlichen Krankenversicherungssystems weiterhin staatlich finanzierte medizinische Grundversorgung der Bevölkerung ist auf drei Ebenen organisiert: Die erste Ebene umfasst die hausärztliche Grundversorgung, insgesamt 422 Praxen und regionale Gesundheitszentren (GIZ 3.2020b; vgl. AA 21.3.2019). In letzteren werden Patienten durch Ärzte für Allgemeinmedizin sowie durch weitere Fachärzte, wie Ärzte für Pädiatrie, Dermatologie, Ophthalmologen, Gynäkologen und Zahnärzte behandelt. Zur Beseitigung des Personalmangels wurde im Jahr 2017 das Personal der primären Erstversorgung umfangreich aufgestockt. Die ambulant Grundversorgung durch Allgemeinmediziner und andere Fachärzte sowie medizinisches Assistenzpersonal erfolgt in sogenannten Familien-Gesundheitszentren. Diese Gesundheitszentren werden in Verantwortung der jeweiligen Gemeinden betrieben; die Finanzierung der erforderlichen Sachmittel erfolgt durch die Gemeinden, jene der Personalkosten aus staatlichen Mitteln des Gesundheitsministeriums (AA 21.3.2019).

Die staatliche sekundäre Versorgung beinhaltet die ambulante und stationäre Gesundheitsversorgung in den Regionalkrankenhäusern in Ferizaj/Urosevac, Gjakova/Djakovica, Gjilan/Gnjilane, Mitrovica-Nord und -Süd, Peja/Pec, Prizren und Vushtrri/Vucitrn (GIZ 3.2020b; vgl. AA 21.3.2019). Die tertiäre Gesundheitsversorgung wird durch die Universitätsklinik Pristina sowie staatliche Institute gewährleistet, die umfassende, auch komplexe medizinische Dienstleistungen anbieten. Gleichzeitig ist die Universitätsklinik für die sekundäre Gesundheitsversorgung für die Bevölkerung der Region Pristina zuständig und wird dementsprechend stark frequentiert. Die Bettenkapazität zur stationären Behandlung von Patienten in den Krankenhäusern ist ausreichend (AA 21.3.2019).

Die Zahl der lizenzierten privaten Krankenhäuser in Kosovo belief sich 2019 auf 23. Die Nachfrage nach (lebenswichtigen) Medikamenten kann, trotz Verbesserungen in den letzten Jahren, nicht vollständig befriedigt werden, was einen Nährboden für die Entwicklung schwarzer und grauer Märkte bietet. Kosovo und Albanien besitzen die höchste Rate an intra-Krankenhaus-Infektionen im europäischen Vergleich, was insbesondere auf hygienische Probleme zurückzuführen ist. Die medizinische Infrastruktur im Kosovo bleibt trotz erheblicher Investitionen lückenhaft. Zusammen mit dem Mangel an medizinischem Fachwissen führt dies zum Problem, dass bestimmte Krankheiten (z. B. Leukämie, Nierenversagen) im Kosovo nicht behandelt werden können. Ein effizientes Informationsverarbeitungssystem fehlt gänzlich. Die Doppelfunktion von medizinischem Personal, welches gleichzeitig in öffentlichen und privaten Institutionen beschäftigt ist, führt zu substantiellen Interessenkonflikten. Entscheidungen über die Budgetverteilung scheinen zuweilen klar politisch motiviert zu sein und sind kaum evidenzbasiert. Schließlich erschweren die finanziellen Barrieren den Zugang zum Gesundheitssystem, was gravierende Ungleichheiten zur Folge hat. Wohlhabende Patienten fragen in zunehmendem Maße Leistungen privater Anbieter nach und/oder nutzen das Angebot (privater) medizinischer Akteure im Ausland (GIZ 3.2020b).

Bereits im Dezember 2012 wurde ein Gesetz zur Reform des Gesundheitssystems verabschiedet, im April 2014 ergänzend das Gesetz über die Krankenversicherung. Das Krankenversicherungsgesetz sieht eine staatliche, für alle kosovarischen Bürger obligatorische Krankenversicherung vor. Viele Einzelheiten sind aber nach wie vor ungeklärt. Die Implementierung der Krankenversicherung wird deshalb immer wieder verschoben.. Eine sofortige Verbesserung der gesundheitlichen Versorgung nach Einführung des öffentlichen Krankenversicherungssystems wird derzeit als nicht realistisch eingestuft (AA 21.3.2019).

Als Folgen der andauernden Unterfinanzierung der Budgets sind staatlich finanzierte Basismedikamente der Essential Drug List sowie Zytostatika zur Behandlung von Tumorerkrankungen für berechtigte Empfänger nur selten kostenlos erhältlich. In der Realität können staatlicherseits Basis-Medikamente der Essential Drug List nicht regelmäßig und im benötigten Umfang zur Verfügung gestellt werden. Deshalb haben es insbesondere Neuerkrankte schwer, in den Genuss eines kostenlosen Bezugs staatlich finanzierter Medikamente zu kommen. Für Betroffene bleibt in einer solchen Situation nur die Möglichkeit, benötigte Medikamente privat finanziert zu beschaffen. Patienten erhalten vom behandelnden Arzt eine Liste mit benötigten Medikamenten und Verbrauchsmaterialien, die der Patient bzw. ein ihn betreuender Verwandter in einer der vielen Apotheken privat kaufen muss. Lediglich Medikamente für die Behandlung von an TBC oder AIDS erkrankten Patienten gehören wie Insulin zu den regelmäßig kostenlos vom Gesundheitsministerium zur Verfügung gestellten Medikamenten (AA 21.3.2019).

Trotz kontinuierlicher Verbesserungen der meisten Gesundheitsindikatoren bleibt die Gesundheitssituation insgesamt alarmierend. Die Säuglings- und Müttersterblichkeit gehört jeweils zu den höchsten in ganz Europa. Die Immunisierungsrate hat sich jüngst auf über 90% erhöht, bleibt allerdings niedrig unter den RAE-Minderheiten. Das Ausmaß der Umweltverschmutzung sowie der Umgang mit suchtgefährdenden Substanzen, insbesondere Tabak, stellen ein enormes Risiko für die Gesundheit der kosovarischen Bevölkerung dar (GIZ 3.2020b).

In Ermangelung einer universellen Gesundheitsversorgung sind Gemeinschaften von Roma und Ashkali, aufgrund ihrer schwierigen sozio-ökonomischen Lage, besonderen Schwierigkeiten beim Zugang zu Gesundheitsdienstleistungen ausgesetzt. Nur der Zugang zu sehr grundlegenden Dienstleistungen ist kostenlos (EC 29.5.2019).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (21.3.2019): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Kosovo / Bericht im Hinblick auf die Einstufung der Republik Kosovo als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29 a AsylVfG, https://www.ecoi.net/en/file/local/2005251/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_im_Hinblick_auf_die_Einstufung_der_Republik_Kosovo_als_sicheres_Herkunftsland_im_Sinne_des_%C2%A7_29_a_AsylG_%28Stand_Januar_2019%29%2C_21.03.2019.pdf, Zugriff 13.4.2020

- EC - Europäische Kommission (29.5.2019): Kosovo 2019 Report, S33 u. S35, https://ec.europa.eu/neighbourhood-enlargement/sites/near/files/20190529-kosovo-report.pdf, Zugriff 27.11.2019

- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2020b): Kosovo - Gesellschaft, https://www.liportal.de/kosovo/gesellschaft/ , Zugriff 5.5.2020

1.4.2. COVID-19 ist eine durch das Corona-Virus SARS-CoV-2 verursachte Viruserkrankung, die erstmals im Jahr 2019 in Wuhan/China festgestellt wurde und sich seither weltweit verbreitet.

In Österreich gab es mit Stand 20.10.2020 66.611 bestätigte Fälle von mit dem Corona-Virus infizierten Personen und 919 Todesfälle (https://covid19.who.int/region/euro/country/at); im Kosovo wurden zu diesem Zeitpunkt 16.966 Fälle von mit dem Corona-Virus infizierten Personen nachgewiesen, wobei 646 diesbezügliche Todesfälle bestätigt wurden (https://covid19.who.int/region/euro/country/xk).

Nach dem aktuellen Stand verläuft die Viruserkrankung bei ca. 80% der Betroffenen leicht und bei ca. 15% der Betroffenen schwerer, wenn auch nicht lebensbedrohlich. Bei ca. 5% der Betroffenen verläuft die Viruserkrankung derart schwer, dass Lebensgefahr gegeben ist und intensivmedizinische Behandlungsmaßnahmen notwendig sind. Diese sehr schweren Krankheitsverläufe treten am häufigsten in den Risikogruppen der älteren Personen und der Personen mit Vorerkrankungen (wie z.B. Diabetes, Herzkrankheiten, Immunschwächen, etc.) auf.

1.5. Zur Einleitung des Verfahrens

Am 28.12.2018 wurde der BF von der Bezirkshauptmannschaft XXXX (im Folgenden Bezirkshauptmannschaft E) informiert, dass die Voraussetzungen für sein Aufenthaltsrecht gemäß § 54 NAG nicht mehr vorliegen. Am 22.01.2019 wurde von der Bezirkshauptmannschaft E beim Bundesamt eine Prüfung gemäß § 55 Abs. 3 NAG angeregt. Der BF hat die Einleitung des Scheidungsverfahrens der Bezirkshauptmannschaft E nicht gemeldet. Der verfahrensgegenständliche Bescheid wurde am 06.09.2019 erlassen.

2. Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem vorliegenden Akt des Bundesamtes und dem Akt des Bundesverwaltungsgerichtes sowie aus dem von der BF im Rahmen der mündlichen Verhandlung gewonnenen Eindruck. Einsicht genommen wurde in das Melderegister, in das Strafregister sowie in das GVS-Informationssystem, AJ WEB und IZR. Die Feststellungen zur Berufstätigkeit, zum Aufenthalt, zum Aufenthaltstitel und Unbescholtenheit ergeben sich daher auch aus diesen Angaben sowie den Angaben des BF in der mündlichen Verhandlung. Die Feststellungen zum Lohn und der Wohnmöglichkeit ergeben sich aus in der Verhandlung vorgelegten Beilagen (Beilage B. und Beilage C.).

2.1. Zur Person und den Lebensumständen

Die Feststellungen zur Ehe und zur Scheidung sowie dem Familienleben und zum Auszug der Gattin am 18.02.2016 ergeben sich allesamt aus den Urteilen des Bezirksgerichtes XXXX vom XXXX , XXXX (AS 77 bis 83), und XXXX , XXXX (AS 87 bis 88). Diese wurden im Verfahren nicht substantiiert bestritten. Aus dem Urteil vom XXXX ergibt sich, dass die Gattin des BF mit am 20.09.2016 zu Protokoll gegeben Klage die Scheidung beantragt hat (AS 77) und am 18.02.2016 ausgezogen ist (AS 78). Die Feststellung zum Familienleben ergibt sich ebenfalls aus den Angaben des BF und der Ex-Gattin in der mündlichen Verhandlung, in denen der BF angegeben hat, dass er ca. 3 bis 4 Monate mit seiner Ehefrau zusammengelebt habe und dann in den Kosovo gegangen sei (S. 6 der Niederschrift) und die Ex-Gattin hat angegeben, dass der BF „ca. zehnmal zur Wohnung, wo wir gelebt haben“ gekommen sei, aber nur 4-5 Mal dort geschlafen habe und im September oder Oktober 2015 in den Kosovo gefahren sei und sie im Februar 2016 von XXXX weggegangen sei (S. 14 der Niederschrift). Sowohl der BF als auch BG gaben an, nach dem Auszug im Februar 2016 kein Familienleben mehr geführt zu haben. Ein solches wurde nach Februar 2016 auch nicht mehr behauptet. Es war daher festzustellen, dass es zu keiner Versöhnung der Eheleute gekommen ist und die eheliche Lebensgemeinschaft und häusliche Gemeinschaft mit Auszug der Gattin im Februar 2016 geendet hat.

Die Feststellung, dass der BF grundsätzlich nicht dagegen war, dass andere Familienmitglieder der Klägerin in der Ehewohnung wohnten, er aber nie explizit gefragt wurde ergibt sich aus dem Urteil vom XXXX und seiner Verantwortung im Verfahren vor dem Bundesamt und vor dem Bundesverwaltungsgericht. So hat er in der Verhandlung vor dem Bezirksgericht E angegeben, dass als er wieder nach Österreich gekommen sei, in der Wohnung die Schwester der Klägerin, ihr Sohn und die Schwiegertochter gewohnt hätten, der BF aber nicht gefragt worden sei (AS 75). Aus den Feststellungen des Urteils vom XXXX ist zu entnehmen, dass der BF zwar grundsätzlich nicht dagegen war, dass andere Familienmitglieder der Gattin in der gemeinsamen Wohnung wohnen, er allerdings nie explizit von seiner Gattin nach dem Einverständnis gefragt wurde (AS 80). In der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht hat der BF angegeben, dass er zu seiner Exfrau damals gesagt hätte, dass sie die Wohnung nicht verlassen müsse, aber ihre Familie nicht bei ihm wohnen müsse, da es seine Wohnung sei (S. 15 der Niederschrift). Im Verfahren vor dem Bundesamt hat er angegeben, dass er der Gattin gesagt habe, dass er mit ihr alleine leben wolle (AS 31). Tendenziell ist davon auszugehen, dass eine Aussage, die zu einem früheren Zeitpunkt gemacht wurde, und in dem es um das alleinige Verschulden eines Ehepartners in Bezug auf die Scheidung geht, grundsätzlich die Wahrheit gesagt wird und der Ehepartner alles umfangreich vorbringen würde, dass gegen sein Verschulden spricht. Auch spricht die Aussage in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht und vor dem Bundesamt nicht dafür, dass der BF grundsätzlich dagegen war, sondern, geht für das erkennende Gericht aus seiner Aussage vor dem Bundesverwaltungsgericht und dem Bundesamt vorrangig hervor, dass er mit ihr alleine wohnen wollte.

Die Feststellung, dass sich der BF nicht scheiden lassen wollte geht aus seinen Angaben in der Verhandlung hervor (S. 6 der Niederschrift). Er hat auch nicht behauptet, einen diesbezüglichen Antrag gestellt zu haben. Auch sonst ist im Verfahren kein solcher Antrag hervorgekommen. Aus dem Protokoll des Bezirksgerichtes E geht ebenfalls hervor, dass der BF an der Ehe festhalten wollte (AS 75f).

Das Vorhandensein familiärer Anknüpfungspunkte in Österreich wurde vom BF nur in Form seiner Tochter und seiner Enkel behauptet. Er gab letztlich an, über keine richtigen Freundschaften, sondern nur über Arbeitskollegen zu verfügen (S. 10 der Niederschrift). Die Feststellungen zum Kontakt mit seiner Tochter sowie seinem Privatleben und seinem Kontakt zum Herkunftsstaat ergeben sich aus der Einvernahme vor dem Bundesamt und den Angaben in der mündlichen Verhandlung, denen Glauben zu schenken war. So hat der BF auf die Frage, ob er täglich Kontakt mit seiner Tochter habe angegeben, dass er es nicht schaffe, täglich Kontakt mit seiner Tochter zu haben, weil er in der Arbeit sei, er aber regelmäßig am Wochenende Kontakt habe und die Wochenenden meistens zusammenverbracht würden (S. 12 der Niederschrift). Unter der Woche habe er nur Kontakt, wenn sie ihn brauche (S. 12 der Niederschrift). Er hat an anderer Stelle auch angegeben, dass er seine Tochter regelmäßig jedes Wochenende besucht (S. 9 der Niederschrift). Zusätzlich hat er angegeben, dass er seine Enkelin etwa regelmäßig einmal in der Woche, manchmal auch öfters von der Schule abhole, und dies nur, wenn er am Vormittag nicht arbeite und somit in der zweiten Schicht, die von 14:00 bis 22:00 dauere, arbeite (S. 9 der Niederschrift).

Die Angaben der Tochter zur Intensität des Kontaktes weichen von denen des BF ab. So hat die Tochter angegeben, täglich mit ihrem Vater Kontakt zu haben und wenn er frei habe, er nach der Arbeit komme (S. 16 der Niederschrift) sowie ihn zwei bis dreimal die Woche zu sehen (S. 16 der Niederschrift). Dies widerspricht den oben wiedergegebenen äußerst glaubhaften Angaben des BF, der keinen Grund hat, falsche Angaben über den Kontakt mit seiner Tochter und deren Familie zu machen. Zudem hat er auch bei seinem gewöhnlichen Tagesablauf angegeben, dass er arbeite, im wesentlich Spazieren gehe, etwas esse und schlafe und an den Wochenenden seine Tochter besuche (S. 9 der Niederschrift). Diese Angaben stimmen auch mit den Angaben vor dem Bundesamt (AS 32 und AS 33) überein und waren daher insgesamt glaubwürdiger als die Angaben der Tochter.

Es ist auch grundsätzlich davon auszugehen, dass das Vorhandensein und die Verfügbarkeit von Großeltern für Eltern im Rahmen der Betreuung von Kindern eine Erleichterung ist. Der BF hat angegeben, dass er etwa einmal die Woche, falls nötig auch öfter, seine Enkelin von der Schule abhole und dann um 14 Uhr die Nachmittagsschicht antrete (S. 9 und 10 der Niederschrift). Es ist auch nachvollziehbar und geradezu allgemein, dass der BF seiner Tochter dadurch eine Stütze ist, wenn er seine Enkelin einmal in der Woche, allenfalls auch öfter von der Schule abholt und es die Enkelkinder schätzen, wenn ihr Großvater zu Besuch kommt (S. 16 der Niederschrift). Dadurch wird aber keine derartig schützenswerte Intensität des Privatlebens des BF begründet, die eine Ausweisung unzulässig machen würde. Es war aus den Angaben des BF in der Verhandlung keine derartig enge soziale Beziehung oder Abhängigkeiten zu seiner Tochter oder seinen freundschaftlichen Kontakten ableitbar.

Die Feststellung zu den Sprachkenntnissen ergeben sich aus dem in der Verhandlung gewonnen Eindruck. Dem BF war es demnach nicht möglich, einfache Fragen wie was er für Hobbies hat oder was er gerne isst ohne Dolmetscher zu verstehen oder zu beantworten. Einen kurzen Text von der Zeitung Mein Wien vom Juli 2020, Seite 18 betreffend Wasserspielplatz konnte er - akustisch sehr schwer verständlich - vorlesen, er konnte aber anschließend nicht sagen, worum es dabei ging. Der Text bestand dabei aus 13 Wörtern. In der Verhandlung war eine Verständigung praktisch ausschließlich nur über die Dolmetscherin möglich. Es war daher die Feststellung zu treffen, dass der BF kaum Deutsch spricht. Die Feststellungen zum Sprachkurs ergeben sich aus seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung (S. 8 der Niederschrift).

Die Feststellungen zu seiner sozialen Integration, Gesundheit, fehlender Unterhaltsverpflichtung ergeben sich allesamt aus seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung (insbesondere S. 10 und 11 der Niederschrift, die sich mit den Angaben vor dem BFA decken (AS 31 bis 33) und im Verfahren auch nicht bestritten worden. Der BF hat dabei selbst im Verfahren angegeben, nichts Besonderes, außer seiner Arbeit, unternommen zu haben, um sich hier besonders zu integrieren (S. 11 der Niederschrift). Laut Auskunft zum Strafregister ist er unbescholten und die Wohnmöglichkeit ergibt sich aus der vorlegten Beilage B.

2.2. Zum Aufenthalt und der Berufstätigkeit

Die Feststellungen zum dauerhaften Aufenthalt seit 15.01.2016 ergeben sich aus dem Akt (Protokoll des Bezirksgerichtes E, AS 69ff), sowie den Angaben des BF (S. 6 der Niederschrift: „In der Zeit, als wir verheiratet waren bin ich in den Kosovo gegangen“), der Ex-Gattin (S. 14 der Niederschrift, nachdem der BF im September oder Oktober 2015 in den Kosovo gefahren ist und er im Jänner 2016 wiedergekommen ist) und der Tochter des BF (S. 16 der Niederschrift: „Als er mit der Saisonarbeit im September 2015 fertig war, ist er in den Kosovo gegangen.“), und aus diesen Angaben hervorgeht, dass der BF von September 2015 bis etwa Jänner 2016 im Kosovo war. Dabei kehrte der BF nach seinen Angaben und denen seiner Ex-Gattin in den Kosovo zurück, da sein Arbeitsvisum ablief und die benötigten Unterlagen für die Antragstellung eines Aufenthaltstitels noch etwa sechs Wochen gebraucht haben (S. 15 der Niederschrift, aus der sich auch ergibt, dass der BF die Aussage seiner Ex-Gattin bestätigt). Laut Auskunft zum Melderegister, war der BF ab 16.01.2016 wieder in Österreich gemeldet. Auch in der Vergangenheit hat der BF An- und Abmeldungen entsprechend seiner Arbeitsvisa vorgenommen. Es war daher die Feststellung zu treffen, dass sich der BF seit 15.01.2016 dauerhaft in Österreich aufhält.

Die Feststellungen zur Berufstätigkeit und den diesbezüglichen Aufenthalten ergeben sich aus einer Abfrage zum AJ-Web und den damit übereinstimmenden Angaben in der mündlichen Verhandlung sowie einer Abfrage zum Zentralen Melderegister. Der BF gestand in der mündlichen Verhandlung seine Gesundheit (S. 4 und 11 der Niederschrift) ein, woraus sich wiederum die Arbeitsfähigkeit ableiten lässt, welche letztlich durch die in einer Abfrage zum AJ-Web dokumentierte Erwerbstätigkeit für die oben genannten Unternehmen bestätigt wird. Eine weitere berufliche Tätigkeit hat sich im Verfahren nicht ergeben.

2.3. Zu den Beziehungen zum Herkunftsstaat

Die Feststellungen zu den Beziehungen zum Herkunftsstaat ergeben sich aus seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung (S. 10 bis 13 der Niederschrift), die im gesamten Verfahren gleich geblieben sind (vgl. Vernehmung vor dem Bundesamt, AS 32). Zudem hat er in der Verhandlung angegeben, dass die Angaben vor dem Bundesamt richtig waren und kein Bedarf daran besteht, etwas richtig zu stellen (S. 5 der Niederschrift). So hat er in der Verhandlung angegeben, mit seinen Söhnen etwa alle zwei Tage zu telefonieren (S. 10 der Niederschrift) und auf die Frage, wie oft er im Jahr in den Kosovo fährt angegeben, wenn er Urlaub habe in den Kosovo zu fahren (S. 10 der Niederschrift). Dabei schlafe er im Haus, in dem auch seine Söhne wohnen und auch seine Ex-Frau wohne (S. 12 der Niederschrift)). Mit seinen Brüdern telefoniere er alle ein bis zwei Wochen (S. 10 der Niederschrift).

Dass er im Kosovo aufgewachsen ist ergibt sich ebenfalls aus seinen Angaben (S. 5 der Niederschrift) und, dass er dort gearbeitet ergibt sich aus der Aussage, dass in einer Fabrik gearbeitet hat und auch Gelegenheitsjobs nachgegangen ist (S. 7 der Niederschrift).

2.4. Zur Lage im Herkunftsstaat

Die Feststellung, dass der Kosovo ein sicherer Herkunftsstaat ist ergibt sich aus § 1 Z 2 der Herkunftstaten-Verordnung.

Die Feststellungen zur Lage im Kosovo ergeben sich allesamt aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation über Kosovo mit Aktualisierung am 11.05.2020, Beilage ./II der Niederschrift, das als Beweismittel herangezogen wird. Der BF ist diesem nicht konkret substantiiert entgegen getreten. Er hat dazu ausschließlich angegeben „Ich weiß, was dort alles geschrieben steht. Das stimmt alles nicht. Die Realität sieht ganz anders aus.“ (S. 12 der Niederschrift), womit er dem Länderinformationsblatt nicht substantiiert entgegen getreten ist. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln.

2.5. Zur Einleitung des Verfahrens

Die Feststellungen zur Verfahrensdauer ergeben sich aus dem Akt des Bundesamtes und sind unbestritten.

Die Feststellung, dass dem Bundesamt die Anhängigkeit eines Verfahrens erst am 22.01.2019 bekannt war ergibt sich aus Einem E-Mail der Bezirkshauptmannschaft an das Bundesamt (AS 1). Die verständigung de BF vom Verfahren der Bezirkshauptmannschaft erfolgt im Dezember 2018 (AS 3). Im Verfahren sind keine Umstände hervorgekommen und ist auch aus den Akten nicht ersichtlich, dass der BF die Einleitung des Scheidungsverfahrens der Bezirkshauptmannschaft gemeldet hätte. Vor diesem Hintergrund ist auch davon auszugehen, dass das Verfahren schneller eingeleitet und abgeschlossen worden wäre, wenn der BF die Einleitung des Scheidungsverfahrens gemeldet hätte.

3. Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchteil A) Abweisung der Beschwerde

3.1. Die maßgeblichen Bestimmungen lauten auszugsweise:

§ 66 Fremdenpolizeigesetz 2005 lautet auszugsweise:

„Ausweisung

§ 66. (1) EWR-Bürger, Schweizer Bürger und begünstigte Drittstaatsangehörige können ausgewiesen werden, wenn ihnen aus den Gründen des § 55 Abs. 3 NAG das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht nicht oder nicht mehr zukommt, es sei denn, sie sind zur Arbeitssuche eingereist und können nachweisen, dass sie weiterhin Arbeit suchen und begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden; oder sie bereits das Daueraufenthaltsrecht (§§ 53a, 54a NAG) erworben haben; im letzteren Fall ist eine Ausweisung nur zulässig, wenn ihr Aufenthalt eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt.

(2) Soll ein EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigter Drittstaatsangehöriger ausgewiesen werden, hat das Bundesamt insbesondere die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet, sein Alter, seinen Gesundheitszustand, seine familiäre und wirtschaftliche Lage, seine soziale und kulturelle Integration im Bundesgebiet und das Ausmaß seiner Bindung zum Herkunftsstaat zu berücksichtigen.

…“

Die maßgeblichen Bestimmungen des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz lauten auszugsweise:

„Aufenthaltskarten für Angehörige eines EWR-Bürgers

§ 54. (1) Drittstaatsangehörige, die Angehörige von unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgern (§ 51) sind und die in § 52 Abs. 1 Z 1 bis 3 genannten Voraussetzungen erfüllen, sind zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt. Ihnen ist auf Antrag eine Aufenthaltskarte für die Dauer von fünf Jahren oder für die geplante kürzere Aufenthaltsdauer auszustellen. Dieser Antrag ist innerhalb von vier Monaten ab Einreise zu stellen. § 1 Abs. 2 Z 1 gilt nicht.

(5) Das Aufenthaltsrecht der Ehegatten oder eingetragenen Partner, die Drittstaatsangehörige sind, bleibt bei Scheidung oder Aufhebung der Ehe oder Auflösung der eingetragenen Partnerschaft erhalten, wenn sie nachweisen, dass sie die für EWR-Bürger geltenden Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 Z 1 oder 2 erfüllen und

1.die Ehe bis zur Einleitung des gerichtlichen Scheidungs- oder Aufhebungsverfahrens mindestens drei Jahre bestanden hat, davon mindestens ein Jahr im Bundesgebiet;

4. es zur Vermeidung einer besonderen Härte erforderlich ist, insbesondere weil dem Ehegatten oder eingetragenem Partner wegen der Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Interessen ein Festhalten an der Ehe oder eingetragenen Partnerschaft nicht zugemutet werden kann,

(6) Der Angehörige hat diese Umstände, wie insbesondere den Tod oder Wegzug des zusammenführenden EWR-Bürgers, die Scheidung der Ehe oder die Auflösung der eingetragenen Partnerschaft, der Behörde unverzüglich, bekannt zu geben.

…“

„Nichtbestehen, Fortbestand und Überprüfung des Aufenthaltsrechts für mehr als drei Monate

§ 55. (1) EWR-Bürgern und ihren Angehörigen kommt das Aufenthaltsrecht gemäß §§ 51, 52, 53 und 54 zu, solange die dort genannten Voraussetzungen erfüllt sind.

(3) Besteht das Aufenthaltsrecht gemäß §§ 51, 52 und 54 nicht, weil eine Gefährdung aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit vorliegt, die Nachweise nach § 53 Abs. 2 oder § 54 Abs. 2 nicht erbracht werden oder die Voraussetzungen für dieses Aufenthaltsrecht nicht oder nicht mehr vorliegen, hat die Behörde den Betroffenen hievon schriftlich in Kenntnis zu setzen und ihm mitzuteilen, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hinsichtlich einer möglichen Aufenthaltsbeendigung befasst wurde. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ist unverzüglich, spätestens jedoch gleichzeitig mit der Mitteilung an den Antragsteller, zu befassen. Dies gilt nicht in einem Fall gemäß § 54 Abs. 7. Während eines Verfahrens zur Aufenthaltsbeendigung ist der Ablauf der Frist gemäß § 8 VwGVG gehemmt.

…“

§ 9 BFA-VG lautet auszugsweise:

„Schutz des Privat- und Familienlebens

§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1.die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2.das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3.die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4.der Grad der Integration,

5.die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6.die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7.Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8.die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9.die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

…“

3.2. Zur Ausweisung

3.2.1. Als Drittstaatsangehöriger iSd § 2 Abs. 4 Z 10 FPG gilt ein Fremder, der weder EWR-Bürger noch Schweizer Bürger ist.

Als begünstigter Drittstaatsangehöriger gilt gemäß § 2 Abs. 4 Z 11 FPG der Ehegatte, eingetragene Partner, eigene Verwandte und Verwandte des Ehegatten oder eingetragenen Partners eines EWR-Bürgers oder Schweizer Bürgers oder Österreichers, die ihr unionsrechtliches oder das ihnen auf Grund des Freizügigkeitsabkommens EG-Schweiz zukommende Aufenthaltsrecht in Anspruch genommen haben, in gerader absteigender Linie bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres, darüber hinaus, sofern ihnen Unterhalt tatsächlich gewährt wird, sowie eigene Verwandte und Verwandte des Ehegatten oder eingetragenen Partners in gerader aufsteigender Linie, sofern ihnen Unterhalt tatsächlich gewährt wird, insofern dieser Drittstaatsangehörige den unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürger oder Schweizer Bürger, von dem sich seine unionsrechtliche Begünstigung herleitet, begleitet oder ihm nachzieht.

Der BF ist Staatsangehöriger des Kosovo und somit Drittstaatsangehöriger iSd § 2 Abs 4 Z 10 FPG. Durch seine Ehe mit einer tschechischen Staatsangehörigen, somit einer EWR-Bürgerin, die von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht hatte, erlangte er den Status eines begünstigten Drittstaatsangehörigen iSd § 2 Abs. 4 Z 11 FPG und ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht.

Gemäß § 66 Abs. 1 FPG können begünstigte Drittstaatsangehörige ausgewiesen werden, wenn ihnen aus den Gründen des § 55 Abs. 3 NAG das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht nicht oder nicht mehr zukommt. Gemäß § 55 Abs. 3 NAG ist zu prüfen, ob das Aufenthaltsrecht gemäß § 54 FPG nicht mehr besteht, weil die Voraussetzungen für dieses Aufenthaltsrecht nicht oder nicht mehr vorliegen. Gemäß § 54 Abs. 5 NAG bleibt das Aufenthaltsrecht der Ehegatten, die Drittstaatsangehörige sind, bei Scheidung oder Aufhebung der Ehe erhalten, wenn sie nachweisen, dass sie die für EWR-Bürger geltenden Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 Z 1 oder 2 NAG erfüllen und entweder die Ehe bis zur Einleitung des gerichtlichen Scheidungs- oder Aufhebungsverfahrens mindestens drei Jahre bestanden hat, davon mindestens ein Jahr im Bundesgebiet oder es zur Vermeidung einer besonderen Härte erforderlich ist, insbesondere weil dem Ehegatten oder eingetragenem Partner wegen der Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Interessen ein Festhalten an der Ehe oder eingetragenen Partnerschaft nicht zugemutet werden kann.

3.2.1.1. Der BF ist seit 07.01.2019 bei der Firma XXXX als Arbeiter beschäftigt und zur Sozialversicherung angemeldet. Er ist Arbeitnehmer iSd § 51 Abs. 1 Z 1 NAG.

3.2.1.2. Beim „Bestehen einer Ehe“ iSd § 54 Abs. 5 Z 1 NAG kommt es – und das ergibt sich schon aus dem Wesen einer Ehe und der Intention der Regelungen des NAG, insbesondere des § 30 NAG und des 4. Hauptstückes – auf das Führen einer ehelichen Lebensgemeinschaft und grundsätzlich auch einer häuslichen Gemeinschaft und nicht (ausschließlich) auf den Umstand an, dass die Eheleute durch eine „Heiratsurkunde formal verbunden“ sind und die Ehe dadurch „formal“ durch die „Heiratsurkunde“ besteht. Ein formales Band der Ehe reicht nicht aus, um aufenthaltsrechtliche Wirkungen zugunsten des ausländischen Ehegatten abzuleiten (VwGH 08.07.2020, Ra 2019/22/0020).

Der Tatbestand des § 30 Abs. 1 NAG ist ua dann erfüllt, wenn sich der Ehegatte zur Erteilung eines Aufenthaltstitels auf eine Ehe beruft, obwohl kein gemeinsames Familienleben iSd Art. 8 MRK geführt wird. Dabei erfordert § 30 Abs. 1 NAG nicht, dass die Ehe - quasi in Missbrauchsabsicht - zu dem Zweck geschlossen wurde, einen Aufenthaltstitel zu erlangen, sondern dass zum Zeitpunkt der Entscheidung der Behörde oder des VwG kein gemeinsames Familienleben iSd Art. 8 MRK (mehr) geführt wird (vgl. VwGH 20.07.2016, Ra 2016/22/0058).

Die Ehe und somit ein gemeinsames Familienleben müssen daher gemäß § 54 Abs. 5 NAG für die Dauer von drei Jahren bestehen.

3.2.1.3. Die Gattin ist im Februar 2016 aus der ehelichen Wohnung ausgezogen. Die Gattin des BF beantragte am 20.09.2016 mit zur Protokoll gegebener Klage die Scheidung vom BF und leitete damit das Scheidungsverfahren ein. Die Ehe des BF und seiner Gattin, die die Unionsbürgerschaft aufweist und die unionsrechtliche Freizügigkeit in Anspruch genommen hat, weist unter Beachtung des Datums der Eheschließung (26.06.2015) insgesamt eine formale Ehedauer von etwa 15 Monaten bis zur Einleitung des Scheidungsverfahrens auf.

Der BF und die Gattin haben sich nach Einleitung dieses Scheidungsverfahrens nicht wieder versöhnt und kein Eheleben und somit auch kein Familienleben geführt. Die endgültige Scheidung erfolgte mit Urteil vom XXXX , aus dem hervorgeht, dass die eheliche Lebensgemeinschaft tiefgreifend und unheilbar zerrüttet ist und die häusliche Gemeinschaft seit mehr als drei Jahren aufgehoben ist. Die eheliche Lebensgemeinschaft und häusliche Gemeinschaft endete mit Auszug der Gattin im Februar 2016.

Es ist auch unerheblich, ob das eingeleitete Scheidungsverfahren tatsächlich zur Scheidung geführt hat, oder ob die Ehe erst später, durch ein weiteres Verfahren geschieden wurde, da sich der BF und seine Gattin nach Einleitung des Scheidungsverfahrens auch nicht mehr versöhnt haben und kein Familienleben mehr geführt haben.

Die Ehe und somit das Familienleben hat bis zur Einleitung des Scheidungsverfahrens nicht mindestens drei Jahre bestanden.

3.2.1.4. Im Zusammenhang mit der Beurteilung, ob ein besonderer Härtefall iSd. § 54 Abs. 5 Z 4 NAG 2005 vorliegt, ist darauf hinzuweisen, dass die Bedeutung des zeitlichen Elements in § 54 Abs. 5 Z 2 NAG geregelt ist; demnach bedarf es eines Zeitraums von drei Jahren bis zur Einleitung des gerichtlichen Scheidungs- oder Auflösungsverfahrens, damit das Aufenthaltsrecht - unter den weiteren Voraussetzungen des Einleitungssatzes des § 54 Abs. 2 NAG - trotz Scheidung erhalten bleibt (vgl. VwGH 20.08.2020, Ra 2020/21/0292).

Das Vorhandensein von Ausnahmetatbeständen iSd des § 54 Abs. 5 NAG wurde vom BF zudem auch nicht konkret behauptet. Der Wille zur Scheidung ging dabei von der Gattin aus, wobei das Gericht eine Scheidung aus alleinigem Verschulden des BF nicht als gegeben sah. Der BF hat keine Scheidungsklage erhoben, aus der eine Scheidung (aus alleinigem Verschulden der Gattin) ersichtlich wäre um so allenfalls – bei Vorliegen weiterer Voraussetzungen - einen Härtefall geltend zu machen. Ein besonderer Härtefall iSd. § 54 Abs. 5 Z 4 NAG wird mit dem bloßen Hinweis auf ein - sei es auch ausschließliches - Verschulden des anderen Ehepartners an der Scheidung nämlich nicht dargelegt (vgl. VwGH 15.3.2018, Ro 2018/21/0002). Es bedarf daher weiterer Elemente.

Der BF hat angegeben, dass er an dieser Ehe festhalten wollte und mit seiner Frau zusammenwohnen wollte, ihre Familie aber in der Wohnung nicht Wohnen müsse, da er die Miete bezahle. Letztendlich erfolgte die Scheidung mit Beschluss vom XXXX . Seitdem seine Ehefrau im Februar 2016 ausgezogen war, bestand kein Eheleben und somit kein Familienleben mehr.

Allein der Umstand, dass die Ehefrau ausgezogen ist und dadurch gezeigt hat, dass sie an der Ehe nicht mehr festhalten wollte, spätestens jedoch durch die Scheidungsklage im September 2016 ein Festhalten an der Ehe nicht mehr gegeben war oder auch, dass andere Familienmitglieder der Gattin an der gemeinsamen Adresse gewohnt haben, begründet nach der Judikatur des Verwaltungsgerichthofes keinen Härtefall iSd. § 54 Abs. 5 Z 4 NAG (vgl. dazu nochmal VwGH 15.3.2018, Ro 2018/21/0002).

Es kann vor diesem Hintergrund auch dahin gestellt bleiben, ob der BF seiner Gattin explizit gesagt hat, dass er nur mit ihr zusammenwohnen wolle und die Gattin seinem Wunsch nicht folgte, da dieser Umstand keinen Härtefall begründet. Der BF hat im gesamten Verfahren immer angegeben, an der Ehe festhalten zu wollen und keine Scheidung zu wollen. Der BF hat somit nicht einmal behauptet, dass ihm wegen Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Interessen ein Festhalten an der Ehe nicht zugemutet werden konnte und erfüllt auch aus diesem Grund nicht die Voraussetzung des § 54 Abs. 5 Z 4 NAG.

Es liegt somit auch kein Härtefall iSd § 54 Abs. 5 Z 4 NAG vor.

3.2.1.5. In Ermangelung einer mindestens drei Jahre andauernden Ehe sowie - aufgrund der Scheidung wegen tiefgreifender und unheilbarer Zerrüttung sowie der Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft seit mehr als drei Jahren - Bestehens eines Härtefalls liegen keine Ausnahmetatbestände iSd § 54 Abs. 5 NAG vor, weshalb dem BF gemäß § 55 NAG kein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht mehr zukommt.

3.2.2. § 66 FPG enthält zwar die Einschränkung "es sei denn, sie sind zur Arbeitssuche eingereist und können nachweisen, dass sie weiterhin Arbeit suchen und begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden"; diese Einschränkung bezieht sich jedoch nur auf EWR-Bürger (und Schweizer Bürger), die ihr Aufenthaltsrecht im Sinn des § 51 Abs. 1 Z 1 NAG auf ihre Erwerbstätigeneigenschaft stützen können (vgl. zu diesem Zusammenhang VwGH 14.11.2017, Ra 2017/21/0130, Rn 12), nicht aber auch auf Personen wie der BF, die - als Drittstaatsangehörige - ihr Aufenthaltsrecht nur gemäß § 54 NAG von einem EWR-Bürger ableiten und vor diesem rechtlichen Hintergrund auch nicht die Voraussetzung erfüllen können, mit Blick auf den angestrebten Aufenthaltsstatus "zur Arbeitssuche eingereist" zu sein. (vgl. in diesem Zusammenhang VwGH 26.06.2019, Ra 2019/21/0147).

3.2.3. Gemäß 9 Abs. 1 BFA-VG ist eine Ausweisung gemäß § 66 FPG, die in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingreift zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

Bei Beurteilung dieser Frage ist eine gewichtende Gegenüberstellung der öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung mit dem persönlichen Interesse des Fremden an einem weiteren Verbleib in Österreich vorzunehmen. Dieses Interesse nimmt grundsätzlich mit der Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden zu. Die bloße Aufenthaltsdauer ist nicht allein maßgeblich, sondern es ist anhand der jeweiligen Umstände des Einzelfalls vor allem zu prüfen, inwieweit der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit dazu genützt hat, sich sozial und beruflich zu integrieren. Bei der Einschätzung der besagten persönlichen Interessen ist aber auch auf die Auswirkungen, die eine Ausweisung auf die familiären oder sonstigen Bindungen des Fremden hätte, Bedacht zu nehmen (VwGH 15.12.2011, 2010/18/0248; VwGH 15.12.2015, Ra 2015/19/0247).

Nach § 66 Abs. 2 FPG und § 9 BFA-VG ist bei Erlassung einer auf § 66 FPG gestützten Ausweisung eine Abwägung des öffentlichen Interesses an der Beendigung des Aufenthalts des EWR-Bürgers mit dessen Interesse an einem Verbleib in Österreich vorzunehmen, bei der insbesondere die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts im Bundesgebiet, das Alter, der Gesundheitszustand, die familiäre und wirtschaftliche Lage, die soziale und kulturelle Integration im Bundesgebiet und das Ausmaß der Bindungen zum Heimatstaat sowie die Frage der strafgerichtlichen Unbescholtenheit zu berücksichtigen sind. Es ist somit zunächst zu prüfen ob die Ausweisung in das Familienleben und/oder Privatleben des BF eingreift.

3.2.4. Vom Prüfungsumfang des Begriffes des "Familienlebens" in Artikel 8 EMRK ist nicht nur die Kernfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern umfasst.

Als Kriterien für die Beurteilung, ob eine Beziehung im Einzelfall einem Familienleben iSd. Art. 8 EMRK entspricht, kommen tatsächliche Anhaltspunkte in Frage, wie etwa das Vorliegen eines gemeinsamen Haushaltes, die Art und die Dauer der Beziehung sowie das Interesse und die Bindung der Partner aneinander, etwa durch gemeinsame Kinder, oder andere Umstände, wie etwa die Gewährung von Unterhaltsleistungen (EGMR 22.04.1997, X., Y. und Z., Zl. 21830/93; 22.12.2004, Merger u. Cros, Zl. 68864/01). Es kann nämlich nicht von vornherein davon ausgegangen werden, dass zwischen Personen, welche miteinander verwandt sind, immer auch ein ausreichend intensives Familienleben im Sinne des Artikels 8 EMRK besteht, vielmehr ist dies von den jeweils gegebenen Umständen, von der konkreten Lebenssituation abhängig. So ist nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes etwa auch darauf abzustellen, ob die betreffenden Personen zusammengelebt haben, ein gemeinsamer Haushalt vorliegt oder ob sie (finanziell) voneinander abhängig sind (vgl. etwa VwGH 26.01.2006, 2002/20/0423; 08.06.2006, 2003/01/0600; 26.01.2006, 2002/20/0235, worin der Verwaltungsgerichtshof feststellte, dass das Familienleben zwischen Eltern und minderjährigen Kindern nicht automatisch mit Erreichen der Volljähri

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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