Entscheidungsdatum
20.11.2020Norm
AsylG 2005 §54Spruch
W192 2235711-1/4E
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Ruso als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Serbien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.08.2020, Zahl: 1249841306-191068861, zu Recht erkannt:
A) In Erledigung der Beschwerde wird ausgesprochen, dass eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG 2005 i.d.g.F. iVm § 9 Abs. 3 BFA-VG i.d.g.F. auf Dauer unzulässig ist. Gemäß §§ 54 und 55 Abs. 1 AsylG 2005 i.d.g.F. wird XXXX der Aufenthaltstitel „Aufenthaltsberechtigung“ für die Dauer von 12 Monaten erteilt.
B) Die ordentliche Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang
1. Die Beschwerdeführerin, eine serbische Staatsangehörige, stellte am 21.10.2019 unter Verwendung des hierfür vorgesehenen Formulars beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einen Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK und legte diesem diverse Unterlagen bei.
Mit Schreiben vom 28.10.2019 verständigte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Beschwerdeführerin über die beabsichtigte Erteilung eines Aufenthaltstitels und forderte diese zur Vorlage von geeigneten Unterlagen zum Nachweis ihrer Identität sowie eines Rechtsanspruchs auf eine ortsübliche Unterkunft auf.
Am 30.12.2019 legte die Beschwerdeführerin dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eine Kopie ihres serbischen Reisepasses sowie ihrer serbischen Geburtsurkunde und eine Bestätigung der über die Buchung eines Deutschkurses vor.
Am 24.07.2020 langte ein Schreiben des bevollmächtigten Vertreters der Beschwerdeführerin beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein.
Mit Schreiben des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.07.2020 wurde die Beschwerdeführerin zur Abgabe einer Stellungnahme zu ihren persönlichen und familiären Verhältnissen aufgefordert.
In einer am 06.08.2020 eingebrachten schriftlichen Stellungnahme führte der bevollmächtigte Vertreter der Beschwerdeführerin zusammengefasst aus, die Beschwerdeführerin sei seit 2019 durchgehend in Österreich; ihre Kernfamilie (Ex-Ehegatte und zwei gemeinsame minderjährige Kinder) hielten sich rechtmäßig hier auf und die Beschwerdeführerin lebe mit diesen in einem gemeinsamen Haushalt, sodass eine schutzwürdige familiäre Beziehung vorliege. Da die Kinder der Beschwerdeführerin in Österreich zur Schule gingen, würde eine Verweigerung eines Aufenthaltsrechts eine Verletzung des Kindeswohls begründen. Die Eltern und Geschwister der Beschwerdeführerin würden in Serbien leben, sie habe bislang keinen Deutschkurs abgeschlossen
2. Mit dem im Spruch genannten Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I.), erließ gegen diese gemäß § 10 Abs. 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 3 FPG (Spruchpunkt II.), traf gemäß § 52 Abs. 9 FPG die Feststellung, dass die Abschiebung der Beschwerdeführerin „nach “ gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.) und gewährte dieser gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG eine 14-tägige Frist für die freiwillige Ausreise ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).
Begründend wurde ausgeführt, die Beschwerdeführerin habe das Vorliegen eines schützenswerten Familien- und Privatlebens nicht dargelegt. Der Beschwerdeführerin wäre es möglich und zumutbar, von ihrem Herkunftsstaat Serbien aus einen regulären Aufenthaltstitel nach den Bestimmungen des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes zu erlangen. Diese sei rund neun Monate in Österreich aufhältig gewesen, ohne sich um die Erlangung eines rechtmäßigen Aufenthalts zu kümmern. Da ihr geschiedener Ehemann und die beiden gemeinsamen Kinder, welche zudem in Serbien aufgewachsen wären, ebenfalls die serbische Staatsbürgerschaft besitzen würden, wäre ihnen eine gemeinsame Ausreise nach Serbien möglich. Angesichts der Umgehung des NAG sei trotz des Bestehens familiärer Anknüpfungspunkte von maßgeblichen öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung auszugehen. Angesichts des erst kurzen Aufenthalts sei auch unter Berücksichtigung des vorgelegten arbeitsrechtlichen Vorvertrags nicht davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin bereits ein schützenswertes Privatleben im Bundesgebiet begründet hätte. Diese habe nach wie vor enge Bindungen an ihr Heimatland, wo sie sich bis vor kurzem aufgehalten hätte. Der Ausspruch einer Rückkehrentscheidung erweise sich demnach als zulässig, zumal es der Beschwerdeführerin nicht verwehrt sei, bei Erfüllung der Voraussetzungen des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes ins Bundesgebiet zurückzukehren. Da eine relevante Gefahrenlage nicht vorliege, sei die Zulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat festzustellen gewesen.
4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die durch bevollmächtigten Vertreter der Beschwerdeführerin am 23.09.2020 fristgerecht erhobene Beschwerde. Begründend wurde ausgeführt, die Beschwerdeführerin lebe seit 30.01.2019 in einer gemeinsamen Wohnung mit ihren minderjährigen Töchtern und ihrem Ex-Ehegatten, welche allesamt rechtmäßig in Österreich aufhältig wären. Die Beschwerdeführerin habe sich sprachlich und gesellschaftlich integriert und einen arbeitsrechtlichen Vorvertrag erlangt. Die belangte Behörde habe es unterlassen, sich einen persönlichen Eindruck zu verschaffen und das Ermittlungsverfahren mangelhaft durchgeführt. Entgegen den Erwägungen im angefochtenen Bescheid habe die Beschwerdeführerin als Ex-Ehegattin kein Aufenthaltsrecht nach § 46 Abs. 1 Z 1 NAG, da diese nicht als Familienangehörige im Sinne des NAG gelte. Die bevorstehende Hochzeit mit ihrem Ex-Ehegatten beweise jedoch das Bestehen einer intensiven Beziehung zu diesem. Der künftige Ehegatte finanziere derzeit die gesamte Familie; die emotionale und finanzielle sowie sonstige Unterstützung sei gegeben. Die Töchter seien minderjährig und bräuchten beide Elternteile. Eine Aufenthaltsbeendigung würde in das Kindeswohl der beiden Töchter eingreifen und es wäre zu ermitteln gewesen, in wie weit diesen eine Übersiedlung in den Herkunftsstaat der Eltern zugemutet werden könne.
5. Mit Eingabe vom 22.10.2020 übermittelte der bevollmächtigte Vertreter der Beschwerdeführerin eine Bestätigung über den Termin für eine A1-Integrationsprüfung im September 2019, eine österreichische Heiratsurkunde vom 02.10.2020, Kopien der e-cards sowie der aktuellen Aufenthaltstitel der minderjährigen Töchter, eine Kopie des Aufenthaltstitels des Ehegatten, eine Meldebestätigung sowie einen vom Ehegatten abgeschlossenen Mietvertrag über eine Wohnung mit einer Nutzfläche von 68,05 m2.
Am 27.10.2020 wurde ein Zeugnis über eine bestandene Integrationsprüfung auf dem Niveau A1 übermittelt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die Beschwerdeführerin ist eine volljährige Staatsangehörige Serbiens, welche am 31.01.2019 einen Hauptwohnsitz im Bundesgebiet begründete, der bis zum 12.04.2019 bestand. Am 30.07.2019 begründete die Beschwerdeführerin neuerlich einen Hauptwohnsitz im Bundesgebiet, welcher bis dato vorliegt.
Am 21.10.2019 stellte diese beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK.
Die Beschwerdeführerin lebt seit dem 30.07.2019 in einem gemeinsamen Haushalt mit ihren beiden minderjährigen Töchtern und deren Vater. Dem (damaligen Ex-) Ehegatten der Beschwerdeführerin wurde erstmals ein vom 19.01.2018 bis 18.01.2019 gültiger Aufenthaltstitel als Familienangehöriger erteilt, welcher am 19.01.2019 um ein weiteres Jahr verlängert wurde. Am 19.01.2020 wurde dem Genannten der Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot-Karte Plus“ mit einjähriger Gültigkeitsdauer erteilt.
Die beiden in den Jahren 2011 und 2014 geborenen Töchter der Beschwerdeführerin und ihres Ehegatten sind ebenfalls serbische Staatsangehörige, haben seit 30.07.2019 einen Hauptwohnsitz im Bundesgebiet, sind derzeit auf der Grundlage von am 23.09.2020 (gemäß § 46 Abs. 1 Z 2 NAG) ausgestellten Aufenthaltstiteln „Rot-Weiß-Rot-Karte Plus“ mit einer Gültigkeitsdauer bis 23.09.2021 rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig und besuchen die Volksschule bzw. die Vorschule im Bundesgebiet.
Am 02.10.2020 schloss die Beschwerdeführerin neuerlich die standesamtliche Ehe mit ihrem Ex-Ehegatten und Vater der gemeinsamen Kinder.
Die von der Beschwerdeführerin, ihrem Ehemann und ihren Töchtern bewohnte Wohnung wurde von ihrem Ehemann unbefristet angemietet und weist eine Nutzfläche von 68 m2 auf. Der Lebensunterhalt der Beschwerdeführerin, ihrer Kinder und ihres Ehegatten wird derzeit durch den Ehegatten finanziert, welcher eine Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet ausübt.
Die Beschwerdeführerin ist strafgerichtlich unbescholten. Sie ist gesund und arbeitsfähig.
Die Beschwerdeführerin hat im September 2020 eine Integrationsprüfung auf dem Niveau A1 absolviert und einen arbeitsrechtlichen Vorvertrag über eine Beschäftigung in einem Reinigungsunternehmen im Ausmaß von 30 Wochenstunden mit einem Grundgehalt von EUR 1.261,- brutto in Vorlage gebracht.
Die Beschwerdeführerin ist in Serbien aufgewachsen, wo sie den Großteil ihres Lebens verbrachte. Sie brachte keine Befürchtungen einer ihr in Serbien drohenden Grundrechtsverletzung oder sonstigen Notlage vor. Die Eltern und Geschwister der Beschwerdeführerin leben unverändert in Serbien.
2. Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich aus dem Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes und des Gerichtsaktes.
Die Feststellungen zu Identität, Familienstand und Staatsangehörigkeit der Beschwerdeführerin beruhen auf den in Vorlage gebrachten identitätsbezeugenden Dokumenten, insbesondere ihrem serbischen Reisepass, ihrer österreichischen Heiratsurkunde sowie den Geburtsurkunden der minderjährigen Töchter, in Zusammenschau mit ihren dahingehenden Angaben. Der Aufenthaltsstatus ihres Ehemannes und ihrer minderjährigen Töchter ergibt sich aus den in Vorlage gebrachten Kopien der Aufenthaltstitel in Übereinstimmung mit den personenbezogenen Eintragungen im Zentralen Fremdenregister. Die Dauer des Aufenthalts der Beschwerdeführerin, ihres Ehegatten und ihrer Töchter ergibt sich aus den im zentralen Melderegister ersichtlichen Hauptwohnsitzmeldungen. Mangels Vorliegen von vollständigen Reisepasskopien konnten die genauen Aufenthaltszeiträume der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet im Zeitraum bis 30.07.2019 (seither liegt ein durchgehender Aufenthalt vor) nicht festgestellt werden, sodass diese sich an den im ZMR ersichtlichen Zeiten der Hauptwohnsitzmeldung orientieren.
Der Schulbesuch der minderjährigen Töchter ergibt sich aus den darüber vorgelegten Bestätigungen. Die Feststellungen über den vorhandenen Arbeitsvorvertrag sowie die Absolvierung einer Integrationsprüfung ergeben sich aus der Vorlage der entsprechenden Unterlagen. Die Feststellungen zu den Wohnverhältnissen der Beschwerdeführerin und ihrer Familie resultieren aus der Vorlage ihres Mietvertrages. Die Erwerbstätigkeit des Ehegatten resultiert aus dem Vorbringen der Beschwerdeführerin und dem vorgelegten Dienstzettel.
Die Feststellungen zu den familiären und privaten Bindungen der Beschwerdeführerin in Österreich folgen den Ausführungen der Beschwerdeführerin im Verfahren, den in Vorlage gebrachten Unterlagen sowie den in der Beschwerde unbestritten gebliebenen Feststellungen im angefochtenen Bescheid. Die Unbescholtenheit der Beschwerdeführerin ergibt sich aus dem Strafregister.
Anhaltspunkte für Erkrankungen oder gesundheitliche Einschränkungen der Arbeitsfähigkeit der 28-jährigen Beschwerdeführerin sind nicht zutage getreten.
Die Beschwerdeführerin hat im Verfahren keine Befürchtungen im Hinblick auf eine Rückkehr in ihren Herkunftsstaat geäußert und ist in der Beschwerde den Feststellungen zum Nichtvorliegen eines bei Abschiebung drohenden Eingriffs in ihre körperliche Unversehrtheit oder existenzbedrohenden Notlage nicht entgegengetreten. Die Feststellungen zu ihren Sprachkenntnissen und familiären Bezugspersonen im Herkunftsstaat ergeben sich aus ihren Angaben.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
§ 1 BFA-VG, BGBl I 2012/87 idF BGBl I 2013/144 bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.
§ 16 Abs. 6 und § 18 Abs. 7 BFA-VG bestimmen für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, dass §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden sind.
3.2. Zu A) Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung sowie Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK (§ 55 AsylG 2005):
3.2.1. Das AsylG 2005 regelt in seinem 7. Hauptstück die Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen sowie das Verfahren zur Erteilung derselben. Die darin enthaltenen Bestimmungen lauten auszugsweise:
„Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK
§ 55. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine ‚Aufenthaltsberechtigung plus‘ zu erteilen, wenn
1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und
2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG) erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. I Nr. 189/1955) erreicht wird.
(2) Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist eine ‚Aufenthaltsberechtigung‘ zu erteilen.
[…]
Antragstellung und amtswegiges Verfahren
§ 58. (1) Das Bundesamt hat die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 von Amts wegen zu prüfen, wenn
1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,
2. der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,
3. einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt,
4. einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird oder
5. ein Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt.
(2) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 ist von Amts wegen zu prüfen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wird.
(3) – (6) […]
(7) Wird einem Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 stattgegeben, so ist dem Fremden der Aufenthaltstitel auszufolgen. Abs. 11 gilt.
(8) Wird ein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 zurück- oder abgewiesen, so hat das Bundesamt darüber im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.
(9) Ein Antrag auf einen Aufenthaltstitel nach diesem Hauptstück ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn der Drittstaatsangehörige
1. sich in einem Verfahren nach dem NAG befindet,
2. bereits über ein Aufenthaltsrecht nach diesem Bundesgesetz oder dem NAG verfügt oder
3. gemäß § 95 FPG über einen Lichtbildausweis für Träger von Privilegien und Immunitäten verfügt oder gemäß § 24 FPG zur Ausübung einer bloß vorübergehenden Erwerbstätigkeit berechtigt ist
soweit dieses Bundesgesetz nicht anderes bestimmt. Dies gilt auch im Falle des gleichzeitigen Stellens mehrerer Anträge.
(10) Anträge gemäß § 55 sind als unzulässig zurückzuweisen, wenn gegen den Antragsteller eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen wurde und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, nicht hervorgeht. Anträge gemäß §§ 56 und 57, die einem bereits rechtskräftig erledigten Antrag (Folgeantrag) oder einer rechtskräftigen Entscheidung nachfolgen, sind als unzulässig zurückzuweisen, wenn aus dem begründeten Antragsvorbringen ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht hervorkommt.
(11) Kommt der Drittstaatsangehörige seiner allgemeinen Mitwirkungspflicht im erforderlichen Ausmaß, insbesondere im Hinblick auf die Ermittlung und Überprüfung erkennungsdienstlicher Daten, nicht nach, ist
1. das Verfahren zur Ausfolgung des von Amts wegen zu erteilenden Aufenthaltstitels (Abs. 4) ohne weiteres einzustellen oder
2. der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zurückzuweisen.
Über diesen Umstand ist der Drittstaatsangehörige zu belehren.
(12) Aufenthaltstitel dürfen Drittstaatsangehörigen, die das 14. Lebensjahr vollendet haben, nur persönlich ausgefolgt werden. Aufenthaltstitel für unmündige Minderjährige dürfen nur an deren gesetzlichen Vertreter ausgefolgt werden. Anlässlich der Ausfolgung ist der Drittstaatsangehörige nachweislich über die befristete Gültigkeitsdauer, die Unzulässigkeit eines Zweckwechsels, die Nichtverlängerbarkeit der Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 und 56 und die anschließende Möglichkeit einen Aufenthaltstitel nach dem NAG zu erlangen, zu belehren.
(13) Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 bis 57 begründen kein Aufenthalts- oder Bleiberecht. Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 stehen der Erlassung und Durchführung aufenthaltsbeendender Maßnahmen nicht entgegen. Sie können daher in Verfahren nach dem 7. und 8. Hauptstück des FPG keine aufschiebende Wirkung entfalten. Bei Anträgen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 hat das Bundesamt bis zur rechtskräftigen Entscheidung über diesen Antrag jedoch mit der Durchführung der einer Rückkehrentscheidung umsetzenden Abschiebung zuzuwarten, wenn
1. ein Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung erst nach einer Antragstellung gemäß § 56 eingeleitet wurde und
2. die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 wahrscheinlich ist, wofür die Voraussetzungen des § 56 Abs. 1 Z 1, 2 und 3 jedenfalls vorzuliegen haben.
(14)[…]“
Die maßgeblichen Bestimmungen des 7. und 8. Hauptstücks des FPG lauten:
„Rückkehrentscheidung
§ 52. (1) – (2) […]
(3) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG 2005 zurück- oder abgewiesen wird.
(4)-(8) […]
(9) Mit der Rückkehrentscheidung ist gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.
(10) – (11) […]“
§ 9 BFA-VG lautet wie folgt:
„§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.
(4) – (6) [...]“
3.2.2. Voraussetzung für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 ist, dass dies zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG iSd Art. 8 EMRK geboten ist (vgl. VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101).
3.2.2.1. Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.
Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffs; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Ausweisung – nunmehr Rückkehrentscheidung – nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden (und seiner Familie) schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.
Die Verhältnismäßigkeit einer Rückkehrentscheidung ist dann gegeben, wenn der Konventionsstaat bei seiner aufenthaltsbeendenden Maßnahme einen gerechten Ausgleich zwischen dem Interesse des Fremden auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens einerseits und dem staatlichen Interesse auf Verteidigung der öffentlichen Ordnung andererseits, also dem Interesse des Einzelnen und jenem der Gemeinschaft als Ganzes gefunden hat. Dabei variiert der Ermessensspielraum des Staates je nach den Umständen des Einzelfalles und muss in einer nachvollziehbaren Verhältnismäßigkeitsprüfung in Form einer Interessenabwägung erfolgen.
Bei dieser Interessenabwägung sind – wie in § 9 Abs. 2 BFA-VG unter Berücksichtigung der Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ausdrücklich normiert wird – die oben genannten Kriterien zu berücksichtigen (vgl. VfSlg. 18.224/2007; VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479; 26.01.2006, 2002/20/0423).
Unter dem „Privatleben“ sind nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen eines Menschen zu verstehen (vgl. EGMR 15.01.2007, Sisojeva ua. gegen Lettland, Appl. 60654/00). In diesem Zusammenhang kommt dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu.
Für den Aspekt des Privatlebens spielt zunächst der verstrichene Zeitraum im Aufenthaltsstaat eine zentrale Rolle, wobei die bisherige Rechtsprechung keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessenabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt (vgl. dazu Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art 8 MRK, ÖJZ 2007, 852 ff). Die zeitliche Komponente ist insofern wesentlich, als – abseits familiärer Umstände – eine von Art. 8 EMRK geschützte Integration erst nach einigen Jahren im Aufenthaltsstaat anzunehmen ist (vgl. Thym, EuGRZ 2006, 541). Der Verwaltungsgerichtshof geht in seinem Erkenntnis vom 26.06.2007, 2007/01/0479, davon aus, dass „der Aufenthalt im Bundesgebiet in der Dauer von drei Jahren [...] jedenfalls nicht so lange ist, dass daraus eine rechtlich relevante Bindung zum Aufenthaltsstaat abgeleitet werden könnte“. Darüber hinaus hat der Verwaltungsgerichthof bereits mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die durchzuführende Interessenabwägung zukommt (vgl. VwGH 30.7.2015, Ra 2014/22/0055, mwH).
3.2.2.2. Die Beschwerdeführerin führt im Bundesgebiet ein gemeinsames Familienleben mit ihrem Ehemann und ihren beiden gemeinsamen minderjährigen Kindern, welche sich seit ihrer Geburt in ihrer Obhut befinden. Infolge der Scheidung vom Kindesvater im Mai 2017 kam der Beschwerdeführerin die Obsorge für die beiden minderjährigen Töchter alleine zu. Der Beschwerdeführerin kommt nunmehr gemeinsam mit dem Kindesvater die Obsorge für ihre Kinder im Alter von acht und sechs Jahren zu, die auf die Betreuung und Pflege durch die Beschwerdeführerin angewiesen sind. Der Ehemann und die beiden minderjährigen Töchter der Beschwerdeführerin sind ebenfalls serbische Staatsangehörige, welche sich auf Grundlage von ihnen zuletzt mit einer Gültigkeitsdauer bis 18.01.2021 respektive 23.09.2021 erteilten „Rot-Weiß-Rot-Karten Plus“ rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten. Bereits das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat das grundsätzliche Bestehen schützenswerter familiärer Beziehungen zwischen der Beschwerdeführerin, ihrem Ehemann und den beiden gemeinsamen minderjährigen Töchtern nicht angezweifelt.
Eine Trennung von Familienangehörigen, mit denen ein gemeinsames Familienleben im Herkunftsland nicht zumutbar ist, ist im Ergebnis nur dann gerechtfertigt, wenn dem öffentlichen Interesse an der Vornahme einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme insgesamt ein sehr großes Gewicht beizumessen ist, wie etwa bei Straffälligkeit des Fremden oder bei einer von Anfang an beabsichtigten Umgehung der Regeln über den Familiennachzug (vgl. VwGH 23.3.2017, Ra 2016/21/0199, mwN [Trennung von einem österreichischen Ehepartner]; 23.2.2017, Ra 2016/21/0235 [Trennung von der in Österreich asylberechtigten Ehefrau und asylberechtigten minderjährigen Kindern]; 24.9.2019, Ra 2019/20/0446).
Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits wiederholt ausgesprochen, dass bei der Interessenabwägung auch auf das Wohl der Kinder Bedacht zu nehmen ist (VwGH 13.11.2018, Ra 2018/21/0205 bis 0210) und fehlenden Bindungen von Minderjährigen zum Herkunftsstaat bei der vorzunehmenden Gesamtabwägung großes Gewicht zukomme (VwGH 30.8.2017, Ra 2017/18/0070).
Fallgegenständlich ist festzuhalten, dass die beiden Töchter der Beschwerdeführerin im Alter von acht und sechs Jahren in Österreich die Volksschule bzw. Vorschule besuchen und sich in einem laufenden Schuljahr befinden. Der Ehemann der Beschwerdeführerin hat einen unbefristeten Mietvertrag über eine für einen gemeinsamen Haushalt aller vier Familienmitglieder geeignete Wohnung abgeschlossen und kommt derzeit durch seine im Bundesgebiet ausgeübte Erwerbstätigkeit für den Lebensunterhalt aller Familienmitglieder auf. Da demnach der Ehemann und die minderjährigen Töchter der Beschwerdeführerin trotz ihres erst vergleichsweise kurzen Aufenthalts im Bundesgebiet verankert sind, kann die im angefochtenen Bescheid dargelegte Möglichkeit einer gemeinsamen Rückkehr aller Familienmitglieder nach Serbien und dortige Fortführung des Familienlebens nicht als zumutbar erachtet werden. Gleichermaßen ist auch der im angefochtenen Bescheid dargelegte Verweis auf die Möglichkeit einer vorübergehenden Rückkehr der Beschwerdeführerin in den Herkunftsstaat und dortige Erlangung eines Aufenthaltstitels nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz im konkreten Einzelfall als nicht verhältnismäßig zu erachten, da zwar die beiden minderjährigen Töchter grundsätzlich weiterhin im Haushalt des Vaters im Bundesgebiet betreut werden und dadurch den Schulbesuch im Bundesgebiet fortsetzen könnten, jedoch ist festzuhalten, dass auch eine vorübergehende Trennung von der Kindesmutter nicht dem Kindeswohl der sechs- und achtjährigen Mädchen, welche sich gegenwärtig in einem für sie noch vergleichsweise neuen Land und sprachlichen Umfeld in das Schulleben eingewöhnen, entspricht, zumal auch deren Betreuung bei einem Verbleib der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet unter Berücksichtigung der Vollzeitbeschäftigung des Kindesvaters jedenfalls unkomplizierter gewährleistet ist. Angesichts der nötigen persönlichen Betreuung der Kinder im Alter von sechs und acht Jahren kann der Verweis auf die Möglichkeit der Aufrechterhaltung des Kontakts durch Telefon und Internet sowie wechselseitige Besuche gegenständlich nicht als ausreichend erachtet werden.
Festzuhalten ist, dass das Familienleben zwischen der Beschwerdeführerin und ihren minderjährigen Kindern sowie zu ihrem Ehemann und Vater der Kinder nicht zu einem Zeitpunkt entstand, als sich die Beschwerdeführerin der Unsicherheit ihres Aufenthalts bewusst sein musste, sondern bereits im Herkunftsstaat begründet worden war. Soweit die Behörde darauf verweist, dass sich die Beschwerdeführerin rund neun Monate illegal im Bundesgebiet aufgehalten hätte, bevor sie versuchte, durch den gegenständlichen Antrag gemäß § 55 AsylG 2005 die Erlangung eines Aufenthaltstitels in einem regulären Verfahren nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz zu umgehen (vgl. Seite 48 des angefochtenen Bescheides), so kann dem nicht ohne Weiteres gefolgt werden. Die Beschwerdeführerin ist als serbische Staatsbürgerin mit einem gültigen biometrischen Reisedokument grundsätzlich zum visumfreien Aufenthalt im Schengenraum in einem Zeitraum von 90 Tagen innerhalb von 180 Tagen berechtigt. Diese war zunächst für den Zeitraum von 30.01.2019 bis 12.04.2019 mit einem Hauptwohnsitz im Bundesgebiet gemeldet; eine neuerliche Hauptwohnsitzmeldung bestand ab dem 30.07.2019, wobei am 21.10.2019 der gegenständliche Antrag gemäß § 55 AsylG 2005 eingebracht wurde. Die dargestellten Zeiten der Hauptwohnsitzmeldung korrespondieren grundsätzlich mit der Dauer eines erlaubten visumfreien Aufenthalts, wobei der Versuch, einen längerfristigen Aufenthalt zu legalisieren, durch Stellung des gegenständlichen Antrags gemäß § 55 AsylG 2005 grundsätzlich vor Ablauf der visumfreien Aufenthaltsdauer unternommen wurde. In der Beschwerde wurde zudem erklärend ausgeführt, dass der Beschwerdeführerin die Erlangung eines Aufenthaltstitels zur Familienzusammenführung nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (§ 46 NAG) zum damaligen Zeitpunkt mangels Erfüllung des Familienangehörigenbegriffs im Verhältnis zu ihrem nunmehrigen Ehegatten nicht möglich gewesen wäre. Fallgegenständlich ist demnach kein Fall zu erkennen, in dem eine Missbrauchsabsicht bzw. beabsichtigte Umgehung der Voraussetzungen nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz evident ist, wie dies etwa in Fällen einer illegalen Einreise und rechtsmissbräuchlicher Stellung eines Antrags auf internationalen Schutz zur Verwirklichung eines Wunsches nach Familienzusammenführung der Fall sein kann. Die Beschwerdeführerin hat grundsätzlich im verfahrenseinleitenden Antrag offen gelegt, zu welchem Zweck – nämlich zur Aufrechterhaltung der familiären Beziehung mit ihren beiden minderjährigen Kinder und deren Vater – sie den Aufenthalt beabsichtigt und einen Antrag gewählt, welcher für solche Zwecke grundsätzlich vorgesehen ist. Es ist demnach nicht zu erkennen, dass die Beschwerdeführerin durch die Stellung des gegenständlichen Antrags von Anfang an beabsichtigte, das nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz vorgesehene Verfahren in rechtsmissbräuchlicher Absicht zu umgehen.
Die Beschwerdeführerin ist unbescholten, bestreitet ihren Lebensunterhalt im Bundesgebiet unabhängig von staatlichen Unterstützungsleistungen, sie hat die deutsche Sprache grundlegend erlernt, eine Integrationsprüfung auf dem Niveau A1 bestanden und ihre Bereitschaft zur Integration und künftigen Teilnahme am Erwerbsleben betont. Letzteres unterstrich sie durch die Vorlage eines im Juli 2020 abgeschlossenen arbeitsrechtlichen Vorvertrages. Eine aus einem Aufenthalt ihrer Person im Bundesgebiet resultierende Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit war nicht zu erkennen. Insofern sind keine maßgeblichen öffentlichen Interessen zu erkennen, welche einen Eingriff in das Recht auf Familienleben der Beschwerdeführerin rechtfertigen würden.
3.2.3. Wie dargelegt, ist das Interesse der Beschwerdeführerin an der Aufrechterhaltung des Familienlebens als schützenswert anzusehen und überwiegt im konkreten Einzelfall die in Art. 8 Abs. 2 EMRK angeführten öffentlichen Interessen. Daher liegen die Voraussetzungen für eine Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Artikel 8 EMRK gemäß § 55 AsylG 2005 fallgegenständlich vor. Es beruhen die drohenden Verletzungen des Privat- und Familienlebens auf Umständen, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind.
3.2.4. Das Modul 1 der Integrationsvereinbarung ist gemäß § 9 Abs. 4 Integrationsgesetz (IntG), idgF, erfüllt, wenn der Drittstaatsangehörige
1. einen Nachweis des Österreichischen Integrationsfonds über die erfolgreiche Absolvierung der Integrationsprüfung gemäß § 11 vorlegt,
2. einen gleichwertigen Nachweis gemäß § 11 Abs. 4 über die erfolgreiche Absolvierung der Integrationsprüfung vorlegt,
3. über einen Schulabschluss verfügt, der der allgemeinen Universitätsreife im Sinne des § 64 Abs. 1 Universitätsgesetz 2002, BGBl. I Nr. 120/2002, oder einem Abschluss einer berufsbildenden mittleren Schule entspricht,
4. einen Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte“ gemäß § 41 Abs. 1 oder 2 NAG besitzt oder
5. als Inhaber eines Aufenthaltstitels „Niederlassungsbewilligung – Künstler“ gemäß § 43a NAG eine künstlerische Tätigkeit in einer der unter § 2 Abs. 1 Z 1 bis 3 Kunstförderungsgesetz, BGBl. I Nr. 146/1988, genannten Kunstsparte ausübt; bei Zweifeln über das Vorliegen einer solchen Tätigkeit ist eine diesbezügliche Stellungnahme des zuständigen Bundesministers einzuholen.
Das Modul 2 der Integrationsvereinbarung ist gemäß § 10 Abs. 2 IntG als erfüllt anzusehen, wenn der Drittstaatsangehörige
1. einen Nachweis des Österreichischen Integrationsfonds über die erfolgreiche Absolvierung der Integrationsprüfung gemäß § 12 vorlegt,
2. (Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. III Z 18, BGBl. I Nr. 41/2019)
3. minderjährig ist und im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht eine Primarschule (§ 3 Abs. 3 Schulorganisationsgesetz (SchOG), BGBl. Nr. 242/1962) besucht oder im vorangegangenen Semester besucht hat,
4. minderjährig ist und im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht eine Sekundarschule (§ 3 Abs. 4 SchOG) besucht und die positive Beurteilung im Unterrichtsgegenstand „Deutsch“ durch das zuletzt ausgestellte Jahreszeugnis oder die zuletzt ausgestellte Schulnachricht nachweist,
5. einen mindestens fünfjährigen Besuch einer Pflichtschule in Österreich nachweist und das Unterrichtsfach „Deutsch“ positiv abgeschlossen hat oder das Unterrichtsfach „Deutsch“ auf dem Niveau der 9. Schulstufe positiv abgeschlossen hat oder eine positive Beurteilung im Prüfungsgebiet „Deutsch – Kommunikation und Gesellschaft“ im Rahmen der Pflichtschulabschluss-Prüfung gemäß Pflichtschulabschluss-Prüfungs-Gesetz, BGBl. I Nr. 72/2012 nachweist,
6. einen positiven Abschluss im Unterrichtsfach „Deutsch“ nach zumindest vierjährigem Unterricht in der deutschen Sprache an einer ausländischen Sekundarschule nachweist,
7. über eine Lehrabschlussprüfung gemäß dem Berufsausbildungsgesetz, BGBl. Nr. 142/1969, oder eine Facharbeiterprüfung gemäß den Land- und forstwirtschaftlichen Berufsausbildungsgesetzen der Länder verfügt oder
8. mindestens zwei Jahre an einer postsekundären Bildungseinrichtung inskribiert war, ein Studienfach mit Unterrichtssprache Deutsch belegt hat und in diesem einen entsprechenden Studienerfolg im Umfang von mindestens 32 ECTS-Anrechnungspunkten (16 Semesterstunden) nachweist bzw. über einen entsprechenden postsekundären Studienabschluss verfügt.
In seinem Erkenntnis vom 04.08.2016, Ra 2016/210203, betonte der Verwaltungsgerichtshof, dass hinsichtlich der Beurteilung der Erfüllung des Moduls 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a NAG (nunmehr §§ 9 ff Integrationsgesetz) eine formalistische Sichtweise anzuwenden sei und die Vorlage eines der in § 9 der Integrationsvereinbarungs-Verordnung (aF) aufgezählten Zertifikate nicht im Rahmen der freien Beweiswürdigung ersetzt werden könne.
Die Beschwerdeführerin hat keinen formellen Nachweis über eine Erfüllung des Moduls 1 der Integrationsvereinbarung oder ein aktuelles Einkommen über der Geringfügigkeitsgrenze erbracht, weshalb dieser eine „Aufenthaltsberechtigung“ nach § 55 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 AsylG 2005 zu erteilen war.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
3.3. Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht.
Eine mündliche Verhandlung kann unterbleiben, wenn der für die rechtliche Beurteilung entscheidungsrelevante Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben wurde und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweist. Eine mündliche Verhandlung ist bei konkretem sachverhaltsbezogenem Vorbringen des Beschwerdeführers vor dem VwG durchzuführen (VwGH 30.6.2015, Ra 2015/06/0050, mwN). Eine mündliche Verhandlung ist ebenfalls durchzuführen zur mündlichen Erörterung von nach der Aktenlage strittigen Rechtsfragen zwischen den Parteien und dem Gericht (VwGH 30.9.2015, Ra 2015/06/0007, mwN) sowie auch vor einer ergänzenden Beweiswürdigung durch das VwG (VwGH 16.2.2017, Ra 2016/05/0038). § 21 Abs. 7 BFA-VG erlaubt andererseits das Unterbleiben einer Verhandlung, wenn - wie im vorliegenden Fall - deren Durchführung in der Beschwerde ausdrücklich beantragt wurde, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint (VwGH 23.11.2016, Ra 2016/04/0085; 22.1.2015, Ra 2014/21/0052 ua). Diese Regelung steht im Einklang mit Art 47 Abs. 2 GRC (VwGH 25.2.2016, Ra 2016/21/0022).
Die vorgenannten Kriterien treffen in diesem Fall zu, zumal der maßgebliche Sachverhalt bereits im angefochtenen Bescheid festgestellt wurde. Da unter Berücksichtigung der nach Erlassung des angefochtenen Bescheides erfolgten Eheschließung der Beschwerdeführerin sowie der Verlängerung der Aufenthaltsberechtigungen ihres Ehemannes und ihrer beiden minderjährigen Töchter bereits aufgrund der Aktenlage feststand, dass eine Rückkehrentscheidung im Hinblick auf die familiäre Bindung der Beschwerdeführerin zu ihren im Bundesgebiet aufenthaltsberechtigten Kindern und ihrem Ehemann unzulässig ist, konnte auch insofern die zusätzliche Verschaffung eines persönlichen Eindrucks unterbleiben.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.
Schlagworte
Aufenthaltsberechtigung Deutschkenntnisse Familienleben Integration Interessenabwägung Privat- und Familienleben Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig VorvertragEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W192.2235711.1.00Im RIS seit
22.01.2021Zuletzt aktualisiert am
22.01.2021