TE Bvwg Erkenntnis 2020/11/20 W133 2222189-1

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Veröffentlicht am 20.11.2020
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Entscheidungsdatum

20.11.2020

Norm

Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1
BBG §42
BBG §45
B-VG Art133 Abs4

Spruch


W133 2222189-1/14E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Natascha GRUBER als Vorsitzende und den Richter Mag. Michael SCHWARZGRUBER sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Gerald SOMMERHUBER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , vertreten durch XXXX gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Niederösterreich, vom 21.06.2019, nach Beschwerdevorentscheidung vom 22.07.2019, betreffend die Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in dem Behindertenpass zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird Folge gegeben und die Beschwerdevorentscheidung wie folgt abgeändert:

Dem Antrag des Beschwerdeführers vom 14.02.2019 auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in dem Behindertenpass wird stattgegeben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer ist seit 17.05.2013 Inhaber eines Behindertenpasses mit einem Grad der Behinderung von 50%.

Er stellte am 14.02.2019 Anträge auf Neufestsetzung des Grades seiner Behinderung und Ausstellung eines Parkausweises nach § 29b StVO beim Sozialministeriumservice, Landesstelle Niederösterreich (in der Folge als „belangte Behörde“ bezeichnet), welcher von der belangten Behörde auch als Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ im Behindertenpass gewertet wurde, und legte medizinische Unterlagen vor.

Die belangte Behörde holte in der Folge ein Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin vom 09.05.2019 ein. In diesem wurden auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung die Funktionseinschränkungen nach der Einschätzungsverordnung sechs Leidenspositionen zugeordnet und nach der Einschätzungsverordnung ein Gesamtgrad der Behinderung von 60 von Hundert (v.H.) eingeschätzt. Bezüglich der Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel führte der Gutachter zusammengefasst aus, dass die Benützung eines öffentlichen Verkehrsmittels zumutbar sei.

Die belangte Behörde räumte dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom 09.05.2019 Parteiengehör zu diesem Gutachten ein.

Mit E-Mailnachricht vom 12.06.2019 erhob der Beschwerdeführer Einwendungen gegen die Beurteilung der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel und legte weitere medizinische Befunde vor.

Eine ergänzende Befassung des medizinischen Amtssachverständigen erbrachte keine abweichende Beurteilung (ergänzende gutachterliche Stellungnahme vom 19.06.2019).

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 21.06.2019 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in dem Behindertenpass ab. Begründend stützte sich die belangte Behörde auf die Ergebnisse des Begutachtungsverfahrens, wonach die Voraussetzungen für die beantragte Zusatzeintragung nicht gegeben seien.

Mit E-Mailschreiben vom 14.07.2019 erhob der Beschwerdeführer gegen den Bescheid vom 21.06.2019 fristgerecht eine Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Darin führt er zusammengefasst aus, sein Allgemeinzustand habe sich erheblich verschlechtert, weshalb er einen schriftlichen ärztlichen Befund einer Gerichtssachverständigen beilege. Er habe extreme Schmerzen und Einschränkungen im Halswirbel-, Lendenwirbelsäulen- und Schulterbereich und leide aufgrund einer nicht richtig funktionierenden mechanischen Aortenklappe bei kurzer Belastung unter Atembeschwerden, Herzrhythmusstörungen und Vorhofflimmern. Er ersuche um nochmalige ärztliche Beurteilung.

Die belangte Behörde befasste in der Folge im Rahmen eines Beschwerdevorentscheidungsverfahrens nochmals den Arzt für Allgemeinmedizin, der auch bereits das Sachverständigengutachten vom 09.05.2019 erstattet hatte. In seiner ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 22.07.2019 kommt der Amtssachverständige unverändert zur Beurteilung der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel.

Mit weiterem Bescheid vom 22.07.2019 erließ die belangte Behörde eine Beschwerdevorentscheidung, womit sie die Beschwerde abwies und die Voraussetzungen für die beantragte Zusatzeintragung als nicht gegeben erachtete.

Mit E-Mailschreiben vom 31.07.2019 erhob der Beschwerdeführer neuerlich Einwendungen gegen die getroffene Beurteilung. Die belangte Behörde wertete dieses Schreiben als Vorlageantrag und legte es am 09.08.2019 unter einem mit der Beschwerde und dem Bezug habenden Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht vor. Das Verfahren wurde der hg. Gerichtsabteilung W162 zugeteilt.

Zur Überprüfung des Beschwerdegegenstandes wurden vom Bundesverwaltungsgericht Sachverständigengutachten der Fachrichtungen Orthopädie und Innere Medizin auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung unter Anwendung der Bestimmungen der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen eingeholt. In dem in der Folge erstatteten Sachverständigengutachten der Fachrichtung Orthopädie vom 21.12.2019 kam die Amtssachverständige zusammengefasst zur medizinischen Beurteilung, dass die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel dem Beschwerdeführer zumutbar ist. In dem in weiterer Folge erstatteten Sachverständigengutachten der Fachrichtung Innere Medizin vom 07.09.2020 beurteilte die Fachärztin für Innere Medizin zusammengefasst die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel aufgrund der eingeschränkten cardialen Leistungsbreite und ausgeprägten Atemnot als dem Beschwerdeführer aus medizinischer Sicht nicht mehr zumutbar.

Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 07.09.2020 wurde das gegenständliche Beschwerdeverfahren mit Wirksamkeit vom 08.09.2020 der Gerichtsabteilung W162 abgenommen und der Gerichtsabteilung W133 neu zugeteilt.

Mit Schreiben vom 14.10.2020 räumte das Bundesverwaltungsgericht den Parteien rechtliches Gehör zu den neuen Sachverständigengutachten ein.

Beide Parteien traten den Ergebnissen der Beweisaufnahme nicht entgegen. Mit Schriftsatz der rechtlichen Vertretung vom 24.10.“2019“ (wohl gemeint: 2020) führte der Beschwerdeführer aus, es habe sich aus internistischer Sicht ergeben, dass ihm die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht möglich und zumutbar sei.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.       Feststellungen (Sachverhalt):

Der Beschwerdeführer ist Inhaber eines Behindertenpasses mit einem Grad der Behinderung von 60% und brachte am 14.02.2019 einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ im Behindertenpass bei der belangten Behörde ein.

Er hat seinen Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt im Inland.

Bei dem Beschwerdeführer bestehen – in Bezug auf die beantragte Zusatzeintragung - folgende Gesundheitsschädigungen, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

1)       degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Zustand nach Bandscheibenoperation L4/L5;

2)       Abnützungserscheinungen des Bewegungsapparates, vor allem im Bereich der Schultergelenke;

3)       Mechanischer Re-Aortenklappenersatz 2017, Biologischer Aortenklappenersatz (Stenose) 2015, Präoperativ KHK ausgeschlossen;

4)       Hypertonie;

5)       Chronisch lymphatische Leukämie;

6)       Paroxysmales Vorhofflimmern.

Bei dem Beschwerdeführer liegen keine erheblichen Einschränkungen der Funktionen der oberen und unteren Extremitäten und psychischer, neurologischer und intellektueller Fähigkeiten vor. Es bestehen auch keine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems, hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit.

Bei dem Beschwerdeführer liegen jedoch erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit vor. Aufgrund der cardialen Erkrankung mit Zustand nach Operation einer Aortenklappe 2015 bei Stenose und Re-Operation 2017, sowie der pathologischen Herzrhythmusstörung besteht bei dem Beschwerdeführer eine zunehmende Atemnot bei Belastung. Trotz entsprechender Interventionen kam es bis dato zu keiner wesentlichen Verbesserung der Beschwerdesymptomatik.

Es besteht daher eine erhebliche Einschränkung beim ununterbrochenen Zurücklegen einer Wegstrecke von 300 bis 400m in 10 min.

Zum Ausmaß der Auswirkungen der festgestellten Leidenszustände nach ihrer Art und Schwere auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wird festgestellt:

Das Zurücklegen einer ununterbrochenen Gehstrecke von rund 10 min, entsprechend einer Entfernung von rund 300-400 m, ist aufgrund der erheblichen Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit nicht mehr zumutbar und nicht möglich.

Aufgrund der cardialen Erkrankung mit Zustand nach Operation einer Aortenklappe 2015 bei Stenose und Re-Operation 2017, sowie der pathologischen Herzrhythmusstörung besteht bei dem Beschwerdeführer eine zunehmende Atemnot bei Belastung. Die Gehstrecke wurde bereits in der Rehabilitation 09/2019 mit 200m angegeben und es mussten mehrmals Therapien revidiert werden, da der Beschwerdeführer aufgrund der Atemnot nicht Schritt halten konnte. Trotz entsprechender Interventionen kam es bis dato zu keiner wesentlichen Verbesserung der Beschwerdesymptomatik. Es besteht daher eine Einschränkung beim Zurücklegen einer Wegstrecke von 300 bis 400m in 10 min ohne Pausen.

Im Rahmen der Befundzusammenschau und der internistischen Untersuchung ist somit eine Belastung, wie bereits oben erwähnt, im erforderlichen Ausmaße nicht mehr zumutbar.

Eine Nachuntersuchung ist nicht indiziert, da keine wesentliche Verbesserung der cardialen Leistungsbreite zu erwarten ist. Es handelt sich somit um einen Dauerzustand.

Dem Beschwerdeführer ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel aufgrund dieses Leidenszustandes nicht mehr zumutbar; diesbezüglich wird auf die rechtliche Beurteilung verwiesen.

2.       Beweiswürdigung:

Das Datum der Einbringung des gegenständlichen Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ im Behindertenpass basiert auf dem Akteninhalt.

Die Feststellungen zum Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt des Beschwerdeführers im Inland ergeben sich aus der im Akt aufliegenden Kopie der Meldebestätigung und seinen eigenen Angaben bei der Antragstellung; konkrete Anhaltspunkte dafür, dass er seinen Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt nicht mehr im Inland hätte, sind im Verfahren nicht hervorgekommen. Auch die belangte Behörde ging vom Vorliegen dieser Voraussetzung aus.

Die bestehenden Leidenszustände und die Feststellungen zu den vorliegenden erheblichen Einschränkungen der Belastbarkeit sowie zu den Auswirkungen der festgestellten Leidenszustände nach ihrer Art und Schwere auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel basieren auf den seitens des Bundesverwaltungsgerichts eingeholten Sachverständigengutachten der Fachrichtungen Orthopädie vom 21.12.2019 und insbesondere Innere Medizin vom 07.09.2020 unter Anwendung der Bestimmungen der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen.

Aus diesen Gutachten ergeben sich zweifelsfrei die getroffenen Feststellungen. Die orthopädische Sachverständige beurteilte die Auswirkungen der festgestellten Leidenszustände nach ihrer Art und Schwere auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ausschließlich aus dem Blickwinkel des von ihr zu beurteilenden Fachgebietes der Orthopädie ausdrücklich ohne Berücksichtigung der bestehenden internistischen Leiden, insofern widersprechen sich beide Gutachten in ihren jeweiligen Beurteilungen auch nicht. Auch die Fachärztin für Innere Medizin teilte in ihrem Gutachten in Übereinstimmung mit dem orthopädischen Gutachten die Beurteilung der orthopädischen Sachverständigen, dass die orthopädischen Leiden eine Unzumutbarkeit der Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel nicht rechtfertigen würden, beurteilte jedoch vor dem Hintergrund der internistischen Untersuchungsergebnisse und der vorliegenden klaren Befundlage betreffend die internistischen Funktionseinschränkungen, dass der Beschwerdeführer dauerhaft nicht mehr in der Lage ist, öffentliche Verkehrsmittel zu benützen, da durch die eingeschränkte cardiale Leistungsbreite, im Vordergrund die ausgeprägte Atemnot, wie bereits oben erwähnt und gut dokumentiert aus den Befunden Ergometrie und Echocardiografie (ABl. 58,59) ableitbar, das Zurücklegen einer ununterbrochenen Gehstrecke von rund 10 min, entsprechend einer Entfernung von rund 300-400 m, aufgrund der vorliegenden erheblichen Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit nicht mehr zumutbar und nicht möglich ist.

Die Sachverständigengutachten der Fachrichtungen Orthopädie vom 21.12.2019 und Innere Medizin vom 07.09.2020 sind somit vollständig, widerspruchsfrei und schlüssig nachvollziehbar. Sie wurden von beiden Parteien nicht substantiiert bestritten und werden daher der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegt.

3.       Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A)

Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) BGBl. Nr. 283/1990, idF des BGBl. I Nr. 100/2018, lauten auszugsweise:

„§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.

§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familiennamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

……

§ 46. Die Beschwerdefrist beträgt abweichend von den Vorschriften des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013, sechs Wochen. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung beträgt zwölf Wochen. In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden.

§ 47. Der Bundesminister für Arbeit und Soziales ist ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpaß und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen.“

§ 1 Abs. 4 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013 in der Fassung des BGBl. II Nr. 263/2016, lautet auszugsweise:

„§ 1 ....

(4) Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist jedenfalls einzutragen: 
1. die Art der Behinderung, etwa dass der Inhaber/die Inhaberin des Passes
a)……
b)……
……
2. ......         
3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und         
- erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder         
- erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder         
- erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder         
- eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder         
- eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach Abs. 4 Z 1 lit. b oder d vorliegen.

(5) Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.

(6)......"

Gemäß § 1 Abs. 5 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen bildet die Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in § 1 Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, ein Gutachten eines ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.

Um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, hat die Behörde nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu ermitteln, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt. Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist (vgl. VwGH 23.02.2011, 2007/11/0142, und die dort zitierten Erkenntnisse vom 18.12.2006, 2006/11/0211, und vom 17.11.2009, 2006/11/0178, jeweils mwN.).

Wie im Rahmen der Feststellungen ausgeführt wurde, besteht bei dem Beschwerdeführer aufgrund der cardialen Erkrankung mit Zustand nach Operation einer Aortenklappe 2015 bei Stenose und Re-Operation 2017, sowie der pathologischen Herzrhythmusstörung eine zunehmende Atemnot bei Belastung. Die Gehstrecke wurde bereits in der Rehabilitation 09/2019 mit 200m angegeben und es mussten mehrmals Therapien revidiert werden, da der Beschwerdeführer aufgrund der Atemnot nicht Schritt halten konnte. Trotz entsprechender Interventionen kam es bis dato zu keiner wesentlichen Verbesserung der Beschwerdesymptomatik. Durch die eingeschränkte cardiale Leistungsbreite, im Vordergrund die ausgeprägte Atemnot, gut dokumentiert aus den Befunden Ergometrie und Echocardiografie (ABl. 58,59) ableitbar, ist das Zurücklegen einer ununterbrochenen Gehstrecke von rund 10 min, entsprechend einer Entfernung von rund 300-400 m, aufgrund der vorliegenden erheblichen Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit nicht mehr zumutbar und auch nicht mehr möglich.

Eine Nachuntersuchung ist nicht indiziert, da keine wesentliche Verbesserung der cardialen Leistungsbreite zu erwarten ist.

Dem Beschwerdeführer ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel aufgrund dieses Leidenszustandes dauerhaft nicht mehr zumutbar. Die Voraussetzungen für die Vornahme der beantragten Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ liegen daher zum aktuellen Entscheidungszeitpunkt vor.

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Zu Spruchteil B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden, noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Behindertenpass Sachverständigengutachten Unzumutbarkeit Zusatzeintragung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W133.2222189.1.00

Im RIS seit

22.01.2021

Zuletzt aktualisiert am

22.01.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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