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10/07 Verfassungsgerichtshof;Norm
AVG §38;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 97/11/0041Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerden des H in W, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in W, gegen die Bescheide des Militärkommandos Wien 1. vom 9. Dezember 1996, Zl. 21532-1111/91E/96, betreffend Feststellung der Eignung zum Wehrdienst (hg. Zl. 97/11/0034), und 2. vom 22. Jänner 1997, Zl. W/70/13/02/29, betreffend Einberufung zur Ableistung des restlichen Grundwehrdienstes (hg. Zl. 97/11/0041), zu Recht erkannt:
Spruch
Der erstangefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der zweitangefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 25.690,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
1.1. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 9. Dezember 1996 hat die belangte Behörde gemäß § 15 Abs. 1 und § 23 Abs. 2 des Wehrgesetzes 1990 (WG) aus Anlaß einer neuerlichen Stellung des Beschwerdeführers dessen Eignung zum Wehrdienst auf Grund des Beschlusses der Stellungskommission vom 2. Dezember 1996 mit "Tauglich" festgestellt.
1.2. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 22. Jänner 1997 wurde der Beschwerdeführer gemäß § 35 WG zur Ableistung des restlichen Grundwehrdienstes in der Dauer von 7 Monaten und 6 Tagen vom 1. April 1997 an einberufen.
2. In seinen an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerden macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes der angefochtenen Bescheide, zur hg. Zl. 97/11/0034 auch Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, geltend und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung der angefochtenen Bescheide. Die belangte Behörde hat zu der zuletzt genannten hg. Zahl eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung dieser Beschwerde beantragt.
3. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Beschwerden zur gemeinsamen Beratung und Beschlußfassung verbunden und hierüber erwogen:
3.1. Zum angefochtenen "Stellungsbeschluß" vom 9. Dezember 1996 führt der Beschwerdeführer aus, sein in Wahrnehmung der ihm gebotenen Möglichkeit des Parteiengehörs erstattetes Schreiben an die belangte Behörde vom 1. August 1996 wäre als Antrag auf Ergänzung des Ermittlungsverfahrens zu werten gewesen; die Abweisung dieses Antrags stelle einen Verfahrensmangel dar. In dem in Rede stehenden Schreiben führt er - was die Frage der Eignung zum Wehrdienst anlangt - aus:
"2 Gründe gestatten es mir, Sie um etwas Zeit, betr. meiner neuerlichen Einberufung zu bitten.
Da es mir lt. Ihres Schreibens nicht gestattet war, persönlich beim Ltd. Arzt zu erscheinen, ersuche ich Sie dringend um einen Termin und die Erlaubnis, bei diesem vorstellig werden zu dürfen.
Bei meiner Nachstellung wurde ich von 2 Ärzten begutachtet, denen die Meinungen von renommierten Kollegen insofern nicht wichtig war, als sie meinen unbehandelten Kreuzbandriss ignoriert, und mein privates physikalisches Training gegen meine Schmerzen im linken Knie als sinnlos und, Zitat "Tachinierei" abgetan haben.
Der Kreuzbandriss wurde im HSP nicht operativ behandelt, da sich Ihre Ärzte nicht einigen konnten, was denn nun das Problem mit meinem Bein nach dem Unfall wäre, denn dort wurde ich von 3 Ärzten behandelt, die mit 3 verschiedenen Meinungen zum Skalpell greifen wollten, und als ich die Maria Theresien Kaserne verlassen durfte, war ein Eingriff nicht mehr sinnvoll. (Bekanntlich müssen Bänderrisse schnell behandelt werden.)
Jedenfalls habe ich auch schon bei kleinen Belastungen meines Beines, wie auch nach längerem regungslosen Sitzen, bei Temperatur- und Klimaänderungen große Schmerzen im linken Knie.
Aus diesem Grunde bitte ich Sie höflich um Begutachtung durch einen Unfallchirurgen oder einen ähnlich qualifizierten Facharzt, oder um einige Zeit, um den Zustand meines Beines durch Training stabilisieren zu können."
Mit diesem Schreiben bringt der Beschwerdeführer zum Ausdruck, er halte die ihn betreffenden Befunde des Heeresspitales Wien vom 27. Juni 1996 (Interne und Chir. Amb.) für unzutreffend, und er ersucht um einen neuerlichen Termin sowie um Untersuchung durch einen Facharzt. Mit diesem Schreiben hat er die belangte Behörde keinesfalls vor die Situation gestellt, vor Erlassung des angefochtenen Bescheides zur Vermeidung wesentlicher Verfahrensmängel weitere Ermittlungsschritte zu setzen. Der Beschwerdeführer erschöpfte sich in bloßen Behauptungen. Er brachte jedenfalls seinerseits keine Beweismittel bei, die Zweifel an der Richtigkeit der im Stellungsverfahren aufgenommenen und im angefochtenen Bescheid verwerteten Befunde vom 27. Juni 1996 nahelegen würden.
Der Beschwerdeführer macht aber in seinem weiteren Beschwerdevorbringen ausdrücklich die Unvollständigkeit und Unrichtigkeit eines weiteren Untersuchungsbefundes vom 2. Dezember 1996 geltend. Diese Beschwerdebehauptung stellt entgegen der Ansicht der belangten Behörde keine unzulässige Neuerung dar, weil der Beschwerdeführer vor Erlassung des angefochtenen Bescheides offenbar dazu nicht Stellung nehmen konnte. Die belangte Behörde bringt in der Gegenschrift vor, die vom Beschwerdeführer gerügte Mangelhaftigkeit habe bereits dem Untersuchungsbefund vom 11. Juni 1996 angehaftet, der Beschwerdeführer habe sich aber im Stellungsverfahren nicht dazu geäußert. Dieses Vorbringen ist zur Widerlegung der Verfahrensrüge des Beschwerdeführers schon deswegen nicht geeignet, weil es dem Verwaltungsgerichtshof nicht schlüssig erscheint, auf Grund der Befundergebnisse vom 11. Juni 1996 keine Ausnahmen von der Verwendbarkeit anzunehmen (in der Rubrik "Gesundheitsprof.: (Ist-Profil") - und das Stellungsverfahren auszusetzen -, hingegen auf Grund der völlig identen Befundwerte vom 2. Dezember 1996 als Ausnahmen von der Verwendbarkeit "Langes Stehen, Laufen, Springen" anzunehmen und den Beschwerdeführer trotz dieser in ihrer Auswirkung nicht näher konkretisierten Leistungsdefizite für "Tauglich" zu erklären.
Der angefochtene Bescheid war gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
3.2. Diese Aufhebung hat zur Folge, daß der Beschwerdeführer im Lichte des § 42 Abs. 3 VwGG, wonach durch die Aufhebung eines angefochtenen Bescheides die Rechtssache in die Lage zurücktritt, in der sie sich vor Erlassung des angefochtenen Bescheides befunden hatte, im Ergebnis ohne für "Tauglich" erklärt worden zu sein (der ursprüngliche Tauglichkeitsbescheid war wie bereits ausgeführt vor Erlassung des angefochtenen Bescheides ausgesetzt worden, was die Erlassung eines Einberufungsbefehles rechtlich unmöglich gemacht hat (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. März 1997, Zl. 96/11/0331), zur Präsenzdienstleistung einberufen wurde. Dies ist - rückblickend betrachtet - inhaltlich rechtswidrig. Der zweitangefochtene Bescheid war als unmittelbare Folge der Aufhebung des erstangefochtenen Bescheides gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG ebenfalls aufzuheben (vgl. das zu einem in Ansehung der Auswirkung der Aufhebung eines Grundlagenbescheides auf Folgebescheide im Bereich des Krankenanstaltenrechtes ergangene Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. März 1996, Zlen. 93/11/0274, 0280).
4. Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil die Umsatzsteuer im Pauschalsatz für Schriftsatzaufwand nach der zitierten Verordnung bereits enthalten ist und im Fall Zl. 97/11/0041 Stempelgebührenersatz nur im Ausmaß von S 390,-- (S 360,-- für drei Beschwerdeausfertigungen und S 30,-- für eine Ausfertigung des angefochtenen Bescheides) zuzusprechen war.
Schlagworte
Bescheidcharakter Bescheidbegriff Bejahung des Bescheidcharakters Rechtskraft Umfang der Rechtskraftwirkung Allgemein Bindung der BehördeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1997110034.X00Im RIS seit
03.04.2001