TE Vwgh Erkenntnis 1997/6/26 97/18/0182

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Veröffentlicht am 26.06.1997
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
82/02 Gesundheitsrecht allgemein;

Norm

FrG 1993 §18 Abs2 Z1;
FrG 1993 §19;
FrG 1993 §20 Abs1;
SGG §12 Abs1;
SGG §16 Abs1;
VwGG §34 Abs1;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 97/18/0308 97/18/0309 97/18/0310

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Rigler, Dr. Handstanger und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Keller, über die Beschwerde

4. des U, 2. des AG, 3. der BG, sowie 4. der CG, alle in W, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 13. Dezember 1996, Zl. SD 1130/96, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, sowie über die Beschwerden des Zweitbeschwerdeführers, der Drittbeschwerdeführerin und der Viertbeschwerdeführerin betreffend Verletzung der Entscheidungspflicht durch die belangte Behörde,

Spruch

1. den Beschluß gefaßt:

Die Beschwerden des Zweitbeschwerdeführers, der Drittbeschwerdeführerin und der Viertbeschwerdeführerin werden zurückgewiesen.

2. zu Recht erkannt:

Die Beschwerde des Erstbeschwerdeführers wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 13. Dezember 1996 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen von Uruguay, gemäß § 18 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Der Beschwerdeführer sei im Jahr 1976, im Alter von fünf Jahren, zusammen mit seinen Eltern und Geschwistern nach Österreich gekommen und sei hier als Flüchtling anerkannt worden. Am 10. August 1993 sei der Beschwerdeführer vom Landesgericht für Strafsachen Wien wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels gemäß § 12 Abs. 1 sowie § 16 Abs. 1 SGG zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von einem Jahr rechtskräftig verurteilt worden. Dabei habe sich herausgestellt, daß der Beschwerdeführer schon vom Jugendgerichtshof mit Urteil vom 16. April 1991 wegen Suchtgiftbesitzes gemäß § 16 Abs. 1 SGG rechtskräftig (Schuldspruch ohne Strafausspruch) verurteilt worden sei. Auch nach dieser Verurteilung habe der Beschwerdeführer weiterhin Suchtgift besessen und mißbraucht. Ab Februar 1993 habe der Beschwerdeführer dann zusammen mit einem anderen eine größere Heroinmenge erworben, wobei er nur einen geringen Teil für den eigenen Bedarf verwendet und zumindest 50 g Heroin in Verkehr gesetzt habe. Damals sei dem Beschwerdeführer zur Kenntnis gebracht worden, daß eine Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft und weitere fremdenpolizeiliche Maßnahmen angestrebt würden.

Vom Strafbezirksgericht Wien sei der Beschwerdeführer in der Folge am 14. September 1993 (neuerlich) wegen Vergehens gemäß § 16 Abs. 1 SGG rechtskräftig verurteilt worden.

Am 6. April 1994 sei eine Anzeige gegen den Beschwerdeführer wegen Verdachtes des Betruges erfolgt.

Vom Strafbezirksgericht Wien sei der Beschwerdeführer am 19. Juli 1994 wegen fahrlässiger Körperverletzung gemäß § 88 Abs. 1 StGB rechtskräftig verurteilt worden.

Mit Rechtskraft des Bescheides des Bundesasylamtes - Außenstelle Wien vom 13. Dezember 1993 habe der Beschwerdeführer gemäß § 5 Abs. 1 Z. 3 des Asylgesetzes das Asyl verloren. Am 1. August 1996 sei der Beschwerdeführer nach Verbüßung aller Freiheitsstrafen aus der Haft entlassen worden.

Aufgrund der Verurteilungen des Beschwerdeführers sei jedenfalls (in mehrfacher Hinsicht) der Aufenthaltsverbotstatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG gegeben. Das zugrundeliegende Verhalten gefährde ohne jeden Zweifel nicht nur die öffentliche Sicherheit und laufe den im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten öffentlichen Interessen zuwider, sondern lasse auch die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten öffentlichen Interessen, nämlich zum Schutz der Gesundheit und zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen, dringend geboten erscheinen. Damit sei aber ein Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers zulässig.

Aufgrund des langjährigen Aufenthaltes des Beschwerdeführers und seiner Eltern in Österreich - er lebe hier seit seinem fünften Lebensjahr und habe hier eine Lebensgefährtin und zwei Kinder - sei von einem hohen Ausmaß der Integration in Österreich auszugehen, das allerdings in sozialer Hinsicht durch die Verurteilungen relativiert werde. Dessen ungeachtet sei im Hinblick auf die Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität und die ihr innewohnende Wiederholungsgefahr den nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes der Vorrang einzuräumen.

Die Bestimmung des § 20 Abs. 2 FrG stehe der Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht entgegen, weil für die Beurteilung, ob dem Beschwerdeführer vor Verwirklichung des maßgebenden Sachverhaltes die Staatsbürgerschaft im Sinn des § 10 Abs. 1 StbG hätte verliehen werden können, nur der unmittelbar vor der letzten Verurteilung liegende Zeitpunkt maßgebend sei. Nach der ersten Verurteilung habe der Beschwerdeführer aber zufolge der Bestimmung des § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG, wie sich auch später erwiesen habe, keine Gewähr dafür geboten, daß er keine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit bilde. Im Hinblick darauf, daß derzeit nicht gesagt werden könne, ob und wann die Voraussetzungen für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes wegfallen würden, erscheine die Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes gerechtfertigt.

2.1. Gegen diesen Bescheid richteten alle im Spruch genannten Beschwerdeführer Beschwerde gemäß Art. 144 B-VG an den Verfassungsgerichtshof. Dieser Gerichtshof hat mit Beschluß vom 25. Februar 1997, B 303/97, die Behandlung dieser Beschwerde abgelehnt und diese dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten. Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren stellen die Beschwerdeführer den Antrag, den Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

2.2. Weiters erheben der Zweitbeschwerdeführer sowie die Drittbeschwerdeführerin und die Viertbeschwerdeführerin Säumnisbeschwerden, da die belangte Behörde über deren Berufungen gegen den Erstbescheid nicht "innerhalb der sechsmonatigen Frist" erkannt habe.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

A) Zu Punkt 1. des Spruches:

1. Die Beschwerde des Zweitbeschwerdeführers sowie der Drittbeschwerdeführerin und der Viertbeschwerdeführerin gegen den angefochtenen Bescheid ist nicht zulässig.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Beschluß vom 18. Dezember 1996, Zl. 96/18/0243, - auf den gemäß § 43 Abs. 2 und 8 VwGG verwiesen wird - ausgeführt hat, kommt Dritten im Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegenüber einer anderen Person keine Parteistellung zu. Die genannten beschwerdeführenden Parteien konnten durch den allein an den Erstbeschwerdeführer gerichteten und diesem gegenüber erlassenen angefochtenen Bescheid in einem gesetzlich gewährleisteten Recht nicht verletzt werden, weshalb ihre - vom Verfassungsgerichtshof an den Verwaltungsgerichtshof abgetretene - Beschwerde gemäß § 34 Abs. 1 VwGG mangels Berechtigung zur Erhebung ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen war.

2. Der Zweitbeschwerdeführer sowie die Drittbeschwerdeführerin und die Viertbeschwerdeführerin waren auch nicht berechtigt, Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht (Säumnisbeschwerde) nach Art. 132 B-VG zu erheben, weil diese beschwerdeführenden Parteien bislang nicht die oberste Verwaltungsbehörde im Wege eines Antrags auf Übergang der Entscheidungspflicht - vorliegend ist dies der Bundesminister für Inneres als sachlich in Betracht kommende Oberbehörde - angerufen haben (vgl. § 27 VwGG). Daher waren auch die Säumnisbeschwerden gemäß § 34 Abs. 1 VwGG mangels Berechtigung zur Erhebung ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

B) Zu Punkt 2. des Spruches:

1. Auf der Grundlage der insoweit maßgeblichen, in der Beschwerde nicht bestrittenen Sachverhaltsfeststellungen hegt der Verwaltungsgerichtshof gegen die Auffassung der belangten Behörde, daß im Beschwerdefall der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG verwirklicht und die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme (in Ansehung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit) gerechtfertigt seien, keine Bedenken.

2.1. Die Beschwerde wendet im Zusammenhang mit dem Ergebnis der zu Ungunsten des Beschwerdeführers ausgegangenen Interessenabwägung nach den §§ 19 und 20 FrG ein, daß die belangte Behörde den Sachverhalt mangelhaft festgestellt habe. Die Behörde habe die "in der Berufung angebotenen Beweise nicht aufgenommen und nicht erwogen"; hätte die belangte Behörde diese Beweise aufgenommen, hätte sie feststellen können, "daß die Familiengemeinschaft aufrecht ist". Die Behörde habe auch "keine Feststellung dazu getroffen, daß der Beschwerdeführer in Österreich seinen Beruf erlernt" habe und daß er in Österreich "nicht nur eine Lebensgefährtin und zwei Kinder" habe, sondern "mit dieser auch in einem gemeinsamen Haushalt" lebe; sie habe weiters keine Feststellungen darüber getroffen, daß "der Beschwerdeführer sich von der Drogensucht" habe befreien können und daher von ihm keine Gefahr der Suchtgiftkriminalität mehr ausgehe. Aufgrund der mangelhaften Feststellungen habe weder das Ausmaß der Integration des Beschwerdeführers noch das seiner Familienangehörigen abschließend beurteilt werden können. Schließlich sei der Beschwerdeführer "in seinem Recht auf Gehör" verletzt worden.

2.2. Dieses Vorbringen ist nicht zielführend.

Zum einen zeigt die Beschwerde, was die Verletzung des Rechtes auf Gehör anlangt, nicht die Relevanz dieses behaupteten Verfahrensmangels auf. Der Gerichtshof vermag von sich aus eine solche nicht zu erkennen.

Zum anderen handelt es sich bei den von der Beschwerde behaupteten Feststellungsmängeln - selbst wenn diese vorlägen - nicht um wesentliche Verfahrensmängel. Die von der Beschwerde als nicht hinreichend festgestellt bezeichneten Umstände vermögen nämlich die von der Behörde nach §§ 19 und 20 FrG vorgenommene Interessenabwägung nicht zu Gunsten des Beschwerdeführers ausschlagen zu lassen. Die von der Beschwerde behauptete Heilung von der Drogensucht kann an der von der belangten Behörde vorgenommenen Beurteilung, daß die Verhängung des Aufenthaltsverbotes über den Beschwerdeführer im Grunde des § 19 FrG dringend geboten sei, nichts ändern, da dieser Umstand - entgegen der Beschwerde - weder einen Wegfall noch eine wesentliche Minderung der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefahr für die von der Behörde zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Lichte des Art. 8 Abs. 2 MRK ins Treffen geführten öffentlichen Interessen (Schutz der Gesundheit und Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen) bewirkt: Dem Beschwerdeführer liegt nicht nur Suchtgiftbesitz, sondern vor allem auch Suchtgifthandel zur Last, ferner ist der seit seiner (unbestritten im August 1996 erfolgten) Entlassung aus der Strafhaft verstrichene Zeitraum viel zu kurz, um einen Wegfall oder eine wesentliche Minderung dieser Gefahr annehmen zu können. Weiters lassen die von der Beschwerde zum Ausmaß der Integration des Beschwerdeführers im Sinn des § 20 FrG vorgebrachten Umstände, daß der Beschwerdeführer mit seiner Lebensgefährtin in einem gemeinsamen Haushalt bzw. in "aufrechter Familiengemeinschaft" lebe und daß er in Österreich seinen Beruf erlernt habe, den angefochtenen Bescheid schon deswegen nicht als rechtswidrig erkennen, weil nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes selbst eine ansonsten völlige soziale Integration des Fremden bei Suchtgiftdelikten im Hinblick auf deren große Sozialschädlichkeit der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes aus der Sicht des § 20 Abs. 1 FrG nicht entgegensteht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 4. April 1997, Zl. 97/18/0121, mwH).

4. Da bereits der Beschwerdeinhalt erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren - somit auch ohne Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung - als unbegründet abzuweisen.

5. Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1997180182.X00

Im RIS seit

03.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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