TE Vwgh Erkenntnis 1976/3/1 0761/75

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Veröffentlicht am 01.03.1976
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Index

Baurecht - Wien
L37159 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag Wien
L80009 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan Wien
L80409 Altstadterhaltung Ortsbildschutz Wien
L82000 Bauordnung
L82009 Bauordnung Wien
001 Verwaltungsrecht allgemein
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §56
AVG §58 Abs1
AVG §59 Abs1 implizit
AVG §59 implizit
BauO Wr §134 Abs3
BauO Wr §63 Abs1
BauO Wr §64
BauO Wr §70
BauO Wr §77
BauO Wr §80
BauO Wr §80 Abs3
BauO Wr §80 Abs4
BauO Wr §81
BauO Wr §83
BauRallg implizit
VwRallg implizit

Beachte


Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):
0762/75

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Striebl und die Hofräte Dr. Hrdlicka, Dr. Straßmann, Dr. Draxler und Dr. Liska als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Weitzer, über die Beschwerden 1. (Zl. 761/75) des ES und der MS und 2. (Zl. 762/75) der HG, alle in Wien, alle vertreten durch Dr. Erich Urbantschitsch, Rechtsanwalt in Wien XVIII, Gymnasiumstraße 59, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 13. März 1975, Zl. MDR-B XIX-4/75, betreffend eine Baubewilligung (mitbeteiligte Partei: GD in W), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Jeder der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 240,-- insgesamt S 720,--, binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die mitbeteiligte Partei des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens beantragte beim Magistrat der Stadt Wien die Erteilung der Baubewilligung für die Errichtung eines Wohngebäudes auf den Parzellen nn/144 und nn/145 der KG. O. Bei der hierüber am 23. Oktober 1974 abgeführten Bauverhandlung gaben die Beschwerdeführer laut Verhandlungsschrift folgende Erklärung ab: „Einwand wegen Beeinträchtigung des Lichteinfalles, Errichtung eines vierten Hauptgeschoßes und Nichtberücksichtigung der Cottage-Servitut.“

Mit dem Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 3. Dezember 1974 wurde für das Vorhaben gemäß § 70 der Bauordnung für Wien und „in Anwendung des Wiener Garagengesetzes, LGBl. für Wien Nr. 22/57 ....... nach den mit dem Genehmigungsvermerk versehenen Plänen“ die Bewilligung erteilt. Unter einem wurden die „Einwendungen der Anrainer, daß der Lichteinfall auf ihre Liegenschaften beeinträchtigt werde, als im Gesetz nicht begründet abgewiesen“, die „Einwendungen, daß der Neubau vier Hauptgeschoße aufweise, als unzutreffend zurückgewiesen“ und die „Einwendungen, daß die Cottage-Servitut nicht berücksichtigt werde, als privatrechtlich erklärt und die Streitteile auf den Zivilrechtsweg verwiesen“. Der Bescheid wurde gemäß der - auf allen Bescheidausfertigungen angebrachten - Zustellverfügung u. a. der mitbeteiligten Partei „als Bauwerber und Grundeigentümer“ zugestellt.

Die Beschwerdeführer erhoben Berufung. Sie führten im wesentlichen folgendes ins Treffen: Der erstinstanzliche Bescheid führe nicht an, wem die Baubewilligung erteilt werde. Es seien ferner die Einwendungen der Beschwerdeführer in erster Linie auf § 83 der Bauordnung für Wien gegründet worden; der erstinstanzliche Bescheid enthalte diesbezüglich keine präzisen Maß- und Ziffernangaben. Das Wohngebäude sehe ferner ein Terrassengeschoß vor, das - als drittes Stockwerk - hier unzulässig sei. Das Terrassengeschoß widerspreche jedenfalls der ob der gegenständlichen Liegenschaft intabulierten Cottage-Servitut.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Bescheid der Behörde erster Instanz gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 mit der Abänderung bestätigt, daß im Abspruch über die Einwendungen der Anrainer nach den Worten „......., daß der Neubau vier Hauptgeschoße aufweise“, die Worte „als unzutreffend“ zu entfallen haben. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt: Abgesehen davon, daß es für die Wahrnehmung subjektiver öffentlicher Rechte von Anrainern nicht wesentlich sei, wem eine Baubewilligung erteilt werde, sei zunächst aus der Zustellverfügung des erstinstanzlichen Bescheides der Bauwerber namentlich ersichtlich. Auch ergebe sich aus dem Baubewilligungsbescheid, daß die Pläne durch den auf diesen Bescheid bezughabenden Genehmigungsvermerk genügend identifiziert seien. Maß- und Ziffernangaben in der Begründung des Bescheides würden sich im übrigen deshalb erübrigen, weil ja die Konsenspläne, welche einen Bestandteil des Spruches des Bescheides bildeten, mit den zur Beurteilung des Bauvorhabens nötigen Maß- und Ziffernangaben versehen seien. Unter anderem ergebe sich aus den Bauplänen, daß die in Bauklasse II zulässige Gebäudehöhe von 12 m sowie die im Hinblick auf die Breite der H-straße von 22,76 m zulässige fiktive Dachneigung des Terrassengeschoßes nicht überschritten seien. Hingegen stehe den Beschwerdeführern kein Nachbarrecht auf Einhaltung des 45gradigen Lichteinfalls an den gegen den Seitenabstand gerichteten Fronten zu (siehe Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. November 1972, Zl. 789/72). Die im § 80 Abs. 3 der Bauordnung für Wien enthaltene Regelung räume den Nachbarn vielmehr nur das Recht darauf ein, daß keine Dachneigung zugelassen werde, durch welche der 45gradige Lichteinfall auf die Hauptfenster des gegenüberliegenden Hauses beeinträchtigt würde. Dies ergebe sich aus dem Wortlaut der in Rede stehenden Bestimmung und aus § 80 Abs. 2 der Bauordnung für Wien, wonach Nebenfronten gegen Seitenabstände eine der Dachform entsprechende Höhe erhalten dürften. Von der letzteren Möglichkeit mache das Bauvorhaben insofern gar nicht zur Gänze Gebrauch, weil auch gegen die Seitenabstände das Terrassengeschoß zurückgerückt errichtet werde, während es der mitbeteiligten Partei freigestanden wäre, die Nebenfronten der fiktiven Dachform entsprechend ohne Zurückrücken hochzuführen. Zum Vorwurf, das Vorhaben überschreite auch die zulässige Anzahl der Geschoße, sei darauf zu verweisen, daß ein Anspruch des Nachbarn auf Einhaltung der zulässigen Anzahl von Geschoßen dann nicht bestehe, wenn der erlaubte Umriß eines zu errichtenden Gebäudes durch Bestimmungen über die höchstzulässige Gebäudehöhe fixiert sei. Das Vorbringen der Beschwerdeführer, das Terrassengeschoß stelle in Wahrheit ein anzulässiges drittes Stockwerk dar, sei demnach nicht geeignet, die Verletzung ihrer subjektiven öffentlichen Rechte darzutun (siehe auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshof vom 20. November 1972, Zl. 789/72). Was schließlich den Verweis auf die Cottage-Servitut betreffe, sei davon auszugehen, daß diese, soweit ihr öffentlich-rechtliche Natur zugekommen sei, durch die Bauordnung gegenstandslos geworden sei. Soweit die Servitut allerdings privatrechtlicher Natur sei, sei es der Baubehörde verwehrt gewesen, über aus ihr allenfalls resultierende Privatrechte anzusprechen (siehe auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 31. Mai 1955, Zl. 3106/54).

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde und die Gegenschrift der belangten Behörde erwogen:

Die Beschwerdeführer verfolgen in der Beschwerde im wesentlichen den im Berufungsverfahren vertretenen Rechtsstandpunkt. In der Frage, wem die Baubewilligung erteilt worden sei, wird vorgebracht, es sei entgegen der Begründung des angefochtenen Bescheides für die Rechte der Anrainer wesentlich, wer auf den Nachbargrund zu bauen berechtigt sei. Eine Baubewilligung sei nicht ein Papier, das „wie ein Blankowechsel von Hand zu Hand weitergegeben werden darf, bis ein anonymer Letzter schließlich den Wechsel ausfüllt und für sich geltend macht“. Dies aber sei nach der jetzt vorliegenden Fassung der Baubewilligung ohne weiteres möglich.

Das Berufungsvorbringen der Beschwerdeführer war in diesem Punkt in dem Sinne zu verstehen, daß der Bescheid der Behörde erster Instanz die Person des Bauwerbers nicht klar erkennen lasse. Die Behauptung traf nach der Aktenlage nicht zu, weil durch die auch den Beschwerdeführern zur Kenntnis gebrachte Zustellungsverfügung der Adressat der Baubewilligung mit hinreichender Deutlichkeit bestimmt wurde (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Juni 1966, Zl. 516/66). Auf die Frage, wie die Berufungsbehörde die Berufung des Nachbarn gegen einen Bewilligungsbescheid, welcher dem Bewilligungswerber nicht rechtswirksam zugestellt wurde, zu behandeln hätte, war daher nicht einzugehen. Der von den Beschwerdeführern in einer Replik zur Gegenschrift der belangten Behörde dem Verwaltungsgerichtshof mit dem Antrag auf „Berücksichtigung“ zur Kenntnis gebrachte Umstand, daß die Erstbeschwerdeführer (E und MS) „in der Zwischenzeit“ Eigentümer der Parzellen nn/144 und nn/145 geworden seien, „womit, da wir nicht bereit sind, den bekämpften Bau aufzuführen, das ganze Verfahren ad absurdum geführt ist“, ist schon wegen des Neuerungsverbotes im verwaltungsgerichtlichen Verfahren (vgl. § 41 Abs. 1 VwGG 1965) unbeachtlich.

Die Beschwerdeführer bringen ferner vor, es habe schon die Bauordnungsnovelle 1961 der Umgehung der durch die im gegenständlichen Baugebiet vorgeschriebene Bauklasse II bewirkten Begrenzung der Gebäudehöhe mit bloß zwei Stockwerken in der Form, daß das angestrebte (aber unzulässige) dritte Stockwerk einfach als „ausgebautes Dachgeschoß“ oder so ähnlich - hier eben als „Terrassengeschoß“ - bezeichnet werde, einen Riegel vorgeschoben. Der angefochtene Bescheid mißachte den damit bekundeten, klaren Willen des Gesetzgebers. Dies alles werde noch besonders dadurch bedeutsam, daß die belangte Behörde mit der Streichung der Worte „als unzutreffend“ aus dem erstinstanzlichen Bescheid zu erkennen gegeben habe, sich dessen bewußt zu sein, daß der bewilligte Neubau unter Einbezug des Terrassengeschoßes doch vier Hauptgeschoße aufweise. Der Ausweg, den die belangte Behörde aus dieser Situation suche, in dem sie erkläre, dies gehe die Anrainer nichts an, so lange die nach der Bauordnung zulässige Gesamthöhe des Gebäudes eingehalten sei, könne nicht befriedigen. Vor allem fehlten im angefochtenen Bescheid, der keine Maß- und Ziffernangaben enthalte, auch Feststellungen über die tatsächliche Einhaltung der Gebäudehöhe. Der Hinweis des angefochtenen Bescheides auf diesbezügliche Angaben in den Konsensplänen könne nicht genügen, weil sich die berufende Partei mit der belangten Behörde auseinanderzusetzen habe und nicht mit dem Bauwerber, der seinen privaten Standpunkt vertrete.

Im § 63 Abs. 1 der Bauordnung für Wien ist bestimmt, daß dem Gesuch um Baubewilligung u. a. die Baupläne anzuschließen sind. Im § 64 der Bauordnung für Wien wird vorgeschrieben, was die Baupläne zu enthalten haben. Dazu gehören (nach Abs. 2 lit. b) u. a. die Grundrisse sämtlicher Geschoße und die notwendigen Schnitte sowie alle übrigen Angaben, die für die Beurteilung des Vorhabens nach den Vorschriften der Bauordnung notwendig sind. Die Baupläne haben ferner, wie sich aus § 68 Abs. 1 der Bauordnung für Wien ergibt, bei der - im Baubewilligungsverfahren zwingend vorgeschriebenen - Bauverhandlung vorzuliegen.

Diese Vorschriften lassen es auch unter dem Gesichtspunkt der Wahrung der Nachbarrechte im allgemeinen entbehrlich erscheinen, im Baubewilligungsbescheid selbst das Bauvorhaben im einzelnen zu beschreiben. Es liegt daher in der Regel kein Verfahrensmangel vor, wenn der Baubewilligungsbescheid nähere „Maß- und Ziffernangaben“ nicht enthält. Im übrigen konnte der Behauptung der Beschwerdeführer, es hafte dem erstinstanzlichen Bescheid - wegen Fehlens solcher Angaben - ein Begründungsmangel an, nur so weit Bedeutung zukommen, als die Beschwerdeführer dadurch in der Verfolgung eines subjektiven öffentlichen Nachbarrechtes beeinträchtigt waren. Im Vorliegenden Fall haben die Beschwerdeführer die bei der Bauverhandlung abgegebene Erklärung, es sei durch das geplante Gebäude der „Lichteinfall beeinträchtigt“, in ihrer Berufung dahin gehend ausgeführt, daß sich diese Einwendung in erster Linie auf § 83 der Bauordnung für Wien gründe. Aus § 83 der Bauordnung für Wien - in Betracht kommen in diesem Zusammenhang dessen Absätze 2 bis 4 - erwachsen jedoch keine subjektiven öffentlichen Nachbarrechte, weil diese Bestimmungen nur der Sicherung einer ausreichenden Belichtung und Belüftung der neu zu schaffenden Räume dienen (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. März 1969, Slg. N. F. Nr. 7537/A, und vom 20. November 1972, Slg. N. F. Nr. 8317/A). Die Einwendung, es werde der Lichteinfall beeinträchtigt, war aber unter dem Gesichtspunkt der aus den Vorschriften über die Gebäudehöhe erwachsenden subjektiven öffentlichen Nachbarrechte bedeutsam, weil sich gerade die Gebäudehöhe auf die Belichtung der Nachbargrundstücke auszuwirken vermag. In dieser Frage ist die belangte Behörde von der Vorschrift des § 80 der Bauordnung für Wien ausgegangen. Darnach ist die Gebäudehöhe nach der Höhe der Fronten über dem anschließenden Gelände zu bemessen (Abs. 1 erster Satz). Unter Fronten sind die Ansichtsflächen der ein Gebäude nach außen abschließenden Wände (Umfassungswände) zu verstehen (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. Juni 1965, Zl. 468/65). Hauptfront ist die gegen die Verkehrsfläche gerichtete Gebäudefront des Vordergebäudes; alle übrigen Fronten sind Nebenfronten (§ 81 Abs. 3 der Bauordnung für Wien). Nach § 80 Abs. 3 der Bauordnung für Wien darf, wenn die „vorgeschriebene“ - das heißt, wie sich aus dem Zusammenhalt mit den vorhergehenden Bestimmungen ergibt, die nach den §§ 75, 78 und 79 der Bauordnung für Wien zulässige - Gebäudehöhe erreicht ist, die Dachneigung in der Regel den Winkel von 45° nicht überschreiten; nur dort, wo für alle Hauptfenster der gegenüberliegenden Häuser ein Lichteinfall unter einem Winkel von 45° noch gewahrt bleibt, darf die Dachneigung bis zu 60° gegen die Waagrechte betragen. Nach § 80 Abs. 4 der Bauordnung für Wien darf der durch die vorgeschriebene Gebäudehöhe und die Dachneigung (Abs. 3) gebildete Umriß nicht überschritten werden. Aufbauten innerhalb dieses Umrisses sind zuzulassen, wenn das örtliche Stadtbild hiedurch nicht verunziert wird. Im vorliegenden Zusammenhang - die Beschwerdeführer sind Nachbarn an den seitlichen Grundgrenzen -war ferner auf die Vorschrift des § 80 Abs. 2 zweiter Satz der Bauordnung für Wien Bedacht zu nehmen, wonach Nebenfronten gegen Seitenabstände eine der Dachform entsprechende Höhe erhalten können.

Die Nebenfronten dürfen daher, wie sich aus diesen Vorschriften in ihrem Zusammenhang ergibt, in ihrem Abschluß nach oben jenen Umriß nicht überschreiten, welcher durch die zulässige Höhe der Hauptfront und die zulässige Dachneigung gebildet wird; eine bestimmte Dachneigung gegen den Seitenabstand ist nicht einzuhalten (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. November 1972, Slg. Nr. F. Nr. 8317/A). Innerhalb dieses Umrisses ist - unter der Voraussetzung, daß das örtliche Stadtbild nicht verunziert wird, worauf allerdings der Nachbar kein subjektives öffentliches Recht hat (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. Dezember 1954, Slg. Nr. F. Nr. 3600/A) - jede Dachform zugelassen, demnach auch der Abschluß des Gebäudes durch ein „Terrassengeschoß“. Insofern hat die belangte Behörde zutreffend von einer „fiktiven Dachneigung“ gesprochen.

Nach § 75 Abs. 1 der Bauordnung für Wien hat die Gebäudehöhe in der - hier vorgesehenen - Bauklasse II höchstens 12 m zu betragen. Aus den Bauplänen, welche dem Bewilligungsbescheid zugrunde lagen, ist zwar ersichtlich, daß die Höhe des von der mitbeteiligten Partei geplanten Gebäudes - unter Einbeziehung der Ansichtsfläche des obersten Geschoßes - an der Hauptfront ca. 13,80 m beträgt; die Gebäudehöhe hält sich jedoch - zufolge einer entsprechenden Gestaltung des obersten Geschoßes - innerhalb jenes - fiktiven - Umrisses, welcher durch die zulässige Höhe der Hauptfront und die nach § 80 Abs. 3 der Bauordnung für Wien zulässige Dachneigung gebildet wird. Die belangte Behörde hat daher die in den Bauplänen mit hinreichender Deutlichkeit enthaltenen Angaben zutreffend dahin gehend gewürdigt, daß die Gebäudehöhe auch an den Nebenfronten nicht überschritten werde. Angemerkt wird in diesem Zusammenhang, daß im Baubewilligungsbescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 3. Dezember 1974 zum Ausdruck kommt, die Bewilligung werde nach Maßgabe der eingereichten Baupläne erteilt, womit diese mittelbarer Inhalt der Baubewilligung geworden sind.

Auch hinsichtlich der Beurteilung der Einwendung der Beschwerdeführer, es enthalte das geplante Gebäude unzulässigerweise ein „viertes Hauptgeschoß“, folgt der Verwaltungsgerichtshof der Auffassung der belangten Behörde, daß ein Anspruch des Nachbarn auf Einhaltung der zulässigen Anzahl von Geschoßen dann nicht bestehe, wenn der erlaubte Umriß des Gebäudes durch Bestimmungen über die höchstzulässige Gebäudehöhe fixiert sei (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Mai 1963, Slg. N. F. Nr. 6033/A, und vom 20. November 1972, Slg. N. F. Nr. 8317/A). Schon in dem Erkenntnis Slg. N. F. Nr. 6033/A hat der Verwaltungsgerichtshof ferner dargelegt, daß die hiefür maßgebende Rechtslage durch die Bauordnungsnovelle 1961, LGBl. für Wien Nr. 16, keine Änderung erfahren hat.

Soweit die Beschwerdeführer versuchen, aus der - nach dem Beschwerdevorbringen zugunsten des Wiener-Cottagevereines intabulierten Cottage-Servitut Rechte im Baubewilligungsverfahren abzuleiten, verkennen die Beschwerdeführer, daß sowohl im Fall einer Realisierung des Cottage-Gedankens durch eine privatrechtliche Institution (durch Verbücherung einer Servitut für den Wiener Cottage-Verein als Berechtigter) als auch bei einer allfälligen öffentlich-rechtlichen Realisierung (etwa im Falle der Eintragung der Stadt Wien auf Grund von Gemeinderatsdekreten), und zwar im letzteren Falle zufolge der dann eingetretenen Derogation durch das spätere Recht, die Beachtung der verbücherten Baubeschränkungen im Baubewilligungsverfahren durch Versagung der Baubewilligung nicht möglich ist (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 9. Juli 1952, Slg. N. F. Nr. 2613/A, vom 31. Mai 1955, Zl. 3106/54, und vom 20. Mai 1963, Slg. N. F. Nr. 6032/A). Mit der Berufung auf die im Grundbuch zugunsten des Wiener Cottage-Vereines eingetragenen Servitut hat daher die Beschwerdeführerin, wie die belangte Behörde richtig erkannte, eine auf das Zivilrecht gestützte Einwendung erhoben.

Daraus ergibt sich, daß die Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in ihren vor dem Verwaltungsgerichtshof verfolgbaren Rechten nicht verletzt wurden. Die Beschwerden waren daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 als unbegründet abzuweisen.

Der Kostenzuspruch gründet sich auf die Bestimmungen der §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung über die Pauschalierung der Aufwandersätze im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof, BGBl. Nr. 4/1975.

Wien, am 1. März 1976

Schlagworte

Baubewilligung BauRallg6 Bauverfahren (siehe auch Behörden Vorstellung Nachbarrecht Diverses) Parteien BauRallg11/1 Bescheidcharakter Bescheidbegriff Formelle Erfordernisse Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7 Fronten Inhalt des Spruches Diverses Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar Diverses BauRallg5/2 Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv öffentliche Rechte BauRallg5/1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1976:1975000761.X00

Im RIS seit

22.01.2021

Zuletzt aktualisiert am

22.01.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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