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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
BFA-VG 2014 §9Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth, den Hofrat Mag. Eder und die Hofrätin Mag. Rossmeisel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kieslich, in der Rechtssache der Revision des N A E in G, geboren am 24. Dezember 1999, vertreten durch die Kocher & Bucher Rechtsanwälte OG in 8010 Graz, Friedrichgasse 31, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 8. Juli 2020, W162 2177702-1/19E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Afghanistans, stellte am 21. Jänner 2016 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), den er zusammengefasst mit einer drohenden Zwangsrekrutierung durch Mitglieder der Taliban begründete.
2 Mit Bescheid vom 6. November 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl diesen Antrag ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei, und legte eine Frist von 14 Tagen für die freiwillige Ausreise fest.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers nach Durchführung einer Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
4 Der Revisionswerber erhob gegen dieses Erkenntnis Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluss vom 22. September 2020, E 2663/2020-5, die Behandlung derselben ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
5 In der Folge wurde die gegenständliche Revision eingebracht.
6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
9 Der Revisionswerber bringt zunächst vor, das Bundesverwaltungsgericht habe zu Unrecht sein Fluchtvorbringen als nicht glaubwürdig erachtet.
10 Der Verwaltungsgerichtshof ist nach ständiger Rechtsprechung als Rechtsinstanz tätig und im Allgemeinen nicht zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Einzelfall berufen. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtsicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat. Der - zur Rechtskontrolle berufene - Verwaltungsgerichtshof ist nicht berechtigt, eine Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichtes mit der Begründung zu verwerfen, dass auch ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre (vgl. VwGH 14.10.2020, Ra 2020/20/0343, mwN).
11 Dass die Beweiswürdigung des Bundesverwaltungsgerichts mit einem derart gravierenden Mangel behaftet wäre, zeigt die Revision nicht auf. Das Bundesverwaltungsgericht hat sich nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, in der es sich einen persönlichen Eindruck vom Revisionswerber verschaffen konnte, in einer auf den Einzelfall Bedacht nehmenden Beweiswürdigung mit desssen Vorbringen zu den Gründen seiner Flucht in nicht unschlüssiger Weise auseinandergesetzt. Dem Fluchtvorbringen des Revisionswerbers hat das Bundesverwaltungsgericht unter mehreren Gesichtspunkten die Glaubwürdigkeit abgesprochen und aufgezeigt, welche Aspekte im Einzelnen nach Ansicht des Gerichtes gegen eine tatsächlich drohende Verfolgung sprächen.
12 Soweit der Revisionswerber unzureichende Erhebungen aktueller und einschlägiger Länderberichte zur Sicherheits-, Gefährdungs- und Versorgungslage in den Städten Herat und Mazar-e Sharif und zur dortigen Situation der COVID-19-Pandemie behauptet, macht er einen Verfahrensmangel geltend. Werden Verfahrensmängel - wie hier Ermittlungs- und Begründungsmängel - als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, so muss auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für die Revisionswerberin günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden. Dies setzt voraus, dass - auf das Wesentliche zusammengefasst - jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des behaupteten Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben hätten (vgl. VwGH 23.10.2020, Ra 2020/20/0359, mwN). Mit ihrem pauschalen und nicht fallbezogen auf die konkrete Situation des Revisionswerbers bezogenen Vorbringen wird die Revision diesen Anforderungen nicht gerecht.
13 Das Bundesverwaltungsgericht traf gegenständlich Feststellungen zur Anzahl der (mit Stand 8. Juli 2020) in Afghanistan mit dem SARS-CoV-2 infizierten Personen und zu den auf eine Erkrankung an COVID-19 zurückzuführenden Todesfällen sowie zum Verlauf einer solchen Erkrankung und zu den Risikogruppen, bei denen am häufigsten schwere Krankheitsverläufe auftreten könnten. Zudem hielt es mit näherer Begründung fest, dass der Revisionswerber zu keiner dieser Risikogruppen zähle.
14 Die Revision, die den Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichtes - insbesondere in Bezug auf die Versorgungslage in Afghanistan allgemein und im Besonderen in den vom Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung näher als innerstaatliche Fluchtalternativen geprüften Städten Mazar-e Sharif und Herat - nicht konkret entgegentritt, legt nicht dar, dass dem jungen, gesunden, arbeitsfähigen Revisionswerber - ungeachtet einer angespannten wirtschaftlichen Lage - eine Ansiedlung in den genannten Städten unter Berücksichtigung der dortigen aktuellen Lage sowie der persönlichen Umstände nicht zumutbar wäre. In der Revision wird auch nicht fallbezogen und konkret den Revisionswerber betreffend aufgezeigt, welche ergänzenden Feststellungen zu der ihn aufgrund der COVID-19-Pandemie erwartenden Situation in den als innerstaatliche Fluchtalternativen herangezogenen afghanischen Städten zu treffen gewesen wären.
15 Soweit die Revision im Zusammenhang mit der im Rahmen der Erlassung der Rückkehrentscheidung nach § 9 BFA-Verfahrensgesetz vorgenommenen Interessenabwägung vorbingt, das Bundesverwaltungsgericht habe die Integrationsbemühungen des Revisionswerbers - nämlich dessen Deutsch- und Integrationskurse, Empfehlungsschreiben, die Beziehung zu einer asylberechtigten syrischen Staatsangehörigen sowie dessen Bekanntenkreis im Bundesgebiet - nicht hinreichend berücksichtigt, ist zunächst festzuhalten, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel ist (vgl. VwGH 7.9.2020, Ra 2020/20/0297, mwN).
16 Das Bundesverwaltungsgericht hat im Rahmen der Interessenabwägung die im konkreten Fall entscheidungswesentlichen Umstände berücksichtigt. Mit der Beziehung des Revisionswerbers, seinem Freundes- und Bekanntenkreis sowie den von ihm besuchten Deutsch- und Integrationskursen hat sich das Bundesverwaltungsgericht ausreichend auseinandergesetzt. In Bezug auf die vorgebrachten Empfehlungsschreiben vermag die Revision die Relevanz für das Verfahrensergebnis nicht aufzeigen. Dass die Beurteilung des Bundesverwaltungsgerichts unvertretbar wäre, zeigt die Revision nicht auf.
17 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 18. Dezember 2020
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020200384.L00Im RIS seit
08.02.2021Zuletzt aktualisiert am
08.02.2021