Index
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
AVG §56Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer und den Hofrat Mag. Straßegger sowie die Hofrätin Dr. Koprivnikar als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Friedwagner, über die Revision des K in V, vertreten durch Dr. Hans Gradischnig und Mag. Hannes Gradischnig, Rechtsanwälte in 9500 Villach, Moritschstraße 5/Stiege 1, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Kärnten vom 5. August 2020, KLVwG-275/12/2020, betreffend Übertretung der StVO (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Villach-Land), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Kärnten hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 1. Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom 15. Jänner 2020 wurde der Revisionswerber wegen der Übertretung des § 99 Abs. 1 lit. c iVm. § 5 Abs. 6 StVO schuldig erkannt und über ihn gemäß § 99 Abs. 1 StVO eine Geld- sowie eine Ersatzfreiheitsstrafe verhängt und ein Verfahrenskostenbeitrag gemäß § 64 VStG vorgeschrieben. Der Revisionswerber habe sich am 28. Juni 2019 im LKH V, Unfallerstaufnahme, nach Aufforderung geweigert, sich Blut abnehmen zu lassen, wobei vermutet worden sei, dass er zu einem bestimmten Zeitpunkt am näher angeführten Ort ein bestimmtes Fahrzeug in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt habe. Die Untersuchung der Atemluft auf Alkoholgehalt sei aus in der Person des Revisionswerbers gelegenen Gründen nicht möglich gewesen.
2 2.1. Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde die vom Revisionswerber dagegen erhobene Beschwerde vom Landesverwaltungsgericht Kärnten (LVwG) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung unter Entfall zweier Worte und Konkretisierung der Strafsanktionsnorm abgewiesen (Spruchpunkt I.), dem Revisionswerber ein Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens vorgeschrieben (Spruchpunkt II.) sowie ausgesprochen, dass gegen dieses Erkenntnis eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig sei (Spruchpunkt III.).
3 2.2. Das LVwG stellte fest, der Revisionswerber habe am Tattag um 3:30 Uhr sein Motorrad in V gelenkt, wo es an bestimmter Stelle zu einem Verkehrsunfall und der Revisionswerber zu Sturz gekommen sei. Der Revisionswerber habe fünf Rippenbrüche und einen doppelten Beckenbruch erlitten. Unmittelbar nach dem Verkehrsunfall sei der Revisionswerber mit dem Motorrad nach Hause gefahren. Vor 6:00 Uhr habe er jedoch starke Schmerzen verspürt und telefonisch die Rettung verständigt. Gegen 6:00 Uhr sei bei der Wohnung des Revisionswerbers zunächst eine Polizeistreife mit der Zeugin M eingetroffen, kurze Zeit später auch ein Rettungsfahrzeug. Die Zeugin M habe im Gespräch mit dem Revisionswerber Alkoholgeruch wahrgenommen. Sie habe den Revisionswerber zur Atemluftuntersuchung mittels Alkomaten aufgefordert, die Durchführung dieser Untersuchung sei dem Revisionswerber aufgrund seiner Schmerzen jedoch nicht möglich gewesen. Auch ein Versuch der Messung mittels Alkoholvortestgerät sei fehlgeschlagen. Der Revisionswerber sei dann mit dem Rettungsfahrzeug ins LKH V gebracht worden, die Zeugin M habe die Verkehrsinspektion V über den Vorfall verständigt. In der Unfallerstaufnahme sei der Revisionswerber von der Zeugin P untersucht und ihm in ihrem Auftrag Blut zum Zwecke der Heilbehandlung abgenommen worden. Im Gespräch mit dem Revisionswerber habe die Zeugin P dem Revisionswerber mitgeteilt, dass die Blutabnahme wegen der stationären Aufnahme, seiner Verletzungen und allenfalls deshalb, weil ein Verdacht auf einen Verkehrsunfall mit Alkoholeinfluss bestehen könne, erfolge. Wenige Minuten nach der Blutabnahme sei die Blutprobe um 7:13 Uhr an das Institut für Medizinische und Chemische Labordiagnostik V gesendet worden. Die Blutuntersuchung habe u.a. einen Alkoholgehalt von 0,8 Promille ergeben. Zum Zeitpunkt der Blutabnahme und der Sendung der Blutprobe an das Labor seien keine Polizisten anwesend gewesen, die Zeuginnen J und D seien erst später eingetroffen. Nach dem Eintreffen der Zeugin J habe diese beim Revisionswerber Alkoholgeruch wahrgenommen und ihn zur Durchführung einer Atemluftuntersuchung mittels Alkomat aufgefordert. Diese habe wegen Schmerzen des Revisionswerbers nicht durchgeführt werden können. In weiterer Folge habe die Zeugin J den Revisionswerber zur Blutabnahme aufgefordert. Dieser habe der Revisionswerber zunächst zugestimmt, in weiterer Folge habe der Revisionswerber diese mit den Worten „ich gebe euch kein Blut“ abgelehnt. Der Revisionswerber habe den Zeuginnen mitgeteilt, dass ihm bereits zuvor Blut zu medizinischen Zwecken abgenommen worden sei und dieses Blut auch für die Zwecke des Verwaltungsstrafverfahrens verwendet werden könne. Soweit er von der Zeugin J über die Folgen der Verweigerung der Blutabnahme aufgeklärt worden sei, habe er gesagt, dass ihm dies „egal“ sei.
4 2.3. Das LVwG erläuterte seine Beweiswürdigung und führte in rechtlicher Hinsicht nach Wiedergabe der Rechtsgrundlagen aus, dass eine Atemluftuntersuchung auf Alkohol aus medizinischen Gründen nicht möglich gewesen sei. Sowohl die Zeugin M als auch die Zeugin J hätten Alkoholisierungssymptome beim Revisionswerber festgestellt. Den Revisionswerber habe die Verpflichtung getroffen, eine Blutabnahme durchführen zu lassen. Der Revisionswerber sei dieser Verpflichtung jedoch nicht nachgekommen. Seine Ausführung, das ihm zuvor abgenommene Blut zu verwenden, sei keine konkludente Zustimmung zur Blutabnahme (Verweis auf VwGH 9.10.2007, 2007/02/0176; und VwGH 14.12.2007, 2007/02/0098), weswegen „auch dahingestellt“ bleiben könne, dass er von der Zeugin P auf die „mögliche Verwendung des abgenommenen Bluts zur Feststellung des Blutalkoholgehalts wegen des Verdachts auf einen Verkehrsunfall mit Alkoholeinfluss hingewiesen“ worden sei. Die Blutabnahme zur Heilbehandlung habe mit einer verbotenerweise erlangten Blutprobe nichts zu tun, sie falle auch nicht unter das Verbot zum Zwang der Selbstbezichtigung. Fallbezogen stelle sich jedoch nicht die Frage, ob eine zum Zwecke der Heilbehandlung erfolgte Blutabnahme auch für die Durchführung eines Verwaltungsstrafverfahrens verwendet werden dürfe, wenn die Erlangung einer weiteren Blutprobe nicht möglich gewesen sei, sondern habe der orientierte und ansprechbare Revisionswerber die Durchführung einer faktisch möglichen (weiteren) Blutabnahme explizit verweigert. In diesem Zusammenhang sei darauf zu verweisen, dass die nachträglich - nach einer bis zum Abschluss der Amtshandlung erfolgten Verweigerung - aus medizinischen Gründen ohne Zusammenhang mit der Amtshandlung erfolgte Blutabnahme an der Strafbarkeit des Verhaltens der Verweigerung nichts zu ändern vermöge (Hinweis auf VwGH 20.5.1998, 96/03/0227). Nichts anderes könne für die Verweigerung der Vornahme einer Blutabnahme aber gelten, wenn nicht im Nachhinein, sondern bereits vor der Amtshandlung zu medizinischen Zwecken Blut abgenommen worden sei. § 5 Abs. 8 Z 2 StVO regle den Fall der freiwilligen Blutabnahme und gebe insoweit eine exakte Vorgangsweise vor. Der Gesetzgeber habe vorgesehen, dass das abgenommene Blut auf detailliert festgelegtem Wege einer Auswertung zur Bestimmung des Blutalkoholgehaltes zugeführt werde; es solle dem Vorwurf von Manipulationen in der Sphäre des Betroffenen (aber letztlich auch des Arztes) begegnet und eine damit verbundene Ermittlungstätigkeit vermieden werden (Hinweis auf VwGH 17.3.1999, 99/03/0027). Bei der Blutabnahme zu medizinischen Zwecken seien die Polizistinnen noch nicht anwesend gewesen, weshalb diese ihn erst danach mit einem Arzt „in Verbindung“ hätten bringen können; es sei davon auszugehen, dass diese Blutabnahme freiwillig gewesen sei und daher die Vorgangsweise des § 5 Abs. 8 StVO hätte eingehalten werden müssen. Dies sei jedoch unbestritten nicht der Fall, sei die Auswertung der Blutprobe doch auf direktem Weg im Labor vorgenommen worden. Die Tatsache, dass die Weiterleitung außerhalb der Sphäre des Betroffenen liege, vermöge an der Nichteinhaltung des § 5 Abs. 8 StVO nichts zu ändern; die Frage, ob ein Beweismittel die gesetzlich normierten Voraussetzungen erfülle, sei davon unabhängig, ob und inwieweit es dem Betroffenen möglich sei, auf die Erfüllung dieser Voraussetzungen Einfluss zu nehmen (Hinweis auf VwGH 7.6.2000, 2000/03/0101).
5 2.4. Der Revisionswerber habe aus näheren Gründen schuldhaft gehandelt, die Verwaltungsübertretung sei ihm vorwerfbar. In der Folge begründete das LVwG die Strafbemessung.
6 2.5. Die Revision sei zulässig, weil Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage fehle, ob eine Blutabnahme auch dann als verweigert anzusehen sei, wenn unmittelbar davor eine Blutabnahme zu medizinischen Zwecken erfolgt sei und der Revisionswerber zustimme, diese im Zuge des Verwaltungsstrafverfahrens verwerten zu lassen. Der Wortlaut der §§ 5 Abs. 6 und 5 Abs. 8 StVO sei nicht eindeutig und die Auswertung der aus Gründen der Heilbehandlung erfolgten Blutabnahme auch nicht grundsätzlich verboten.
7 3.1. In der gegen dieses Erkenntnis erhobenen ordentlichen Revision macht der Revisionswerber Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.
8 3.2. Eine Revisionsbeantwortung wurde nicht erstattet.
9 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
10 4.1. Die Revision erweist sich aufgrund der in der Zulässigkeitsbegründung aufgeworfenen Rechtsfrage als zulässig. Die Revision ist auch begründet.
11 4.2. § 5 StVO, BGBl. Nr. 159/1960 idF BGBl. I Nr. 6/2017, lautet auszugsweise:
„§ 5. Besondere Sicherungsmaßnahmen gegen Beeinträchtigung durch Alkohol.
(1) Wer sich in einem durch Alkohol oder Suchtgift beeinträchtigten Zustand befindet, darf ein Fahrzeug weder lenken noch in Betrieb nehmen. Bei einem Alkoholgehalt des Blutes von 0,8 g/l (0,8 Promille) oder darüber oder bei einem Alkoholgehalt der Atemluft von 0,4 mg/l oder darüber gilt der Zustand einer Person jedenfalls als von Alkohol beeinträchtigt.
(1a) [...]
(2) Organe des amtsärztlichen Dienstes oder besonders geschulte und - soweit es sich nicht um Organe der Bundespolizei handelt - von der Behörde hierzu ermächtigte Organe der Straßenaufsicht sind berechtigt, jederzeit die Atemluft von Personen, die ein Fahrzeug lenken, in Betrieb nehmen oder zu lenken oder in Betrieb zu nehmen versuchen, auf Alkoholgehalt zu untersuchen. Sie sind außerdem berechtigt, die Atemluft von Personen,
1. die verdächtig sind, in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand ein Fahrzeug gelenkt zu haben, oder
2. bei denen der Verdacht besteht, dass ihr Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht,
auf Alkoholgehalt zu untersuchen. Wer zu einer Untersuchung der Atemluft aufgefordert wird, hat sich dieser zu unterziehen.
(2a) [...]
(2b) [...]
(3) [...]
(3a) [...]
(4) [...]
(4a) Die Organe der Straßenaufsicht sind weiters berechtigt, Personen, bei denen eine Untersuchung gemäß Abs. 2 aus Gründen, die in der Person des Probanden gelegen sind, nicht möglich war und die verdächtig sind, sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand zu befinden, zu einem im öffentlichen Sanitätsdienst stehenden, bei einer Landespolizeidirektion tätigen, bei einer öffentlichen Krankenanstalt diensthabenden oder im Sinne des § 5a Abs. 4 ausgebildeten und von der Landesregierung hierzu ermächtigten Arzt zur Blutabnahme zum Zweck der Bestimmung des Blutalkoholgehaltes zu bringen.
(5) Die Organe der Straßenaufsicht sind weiters berechtigt, Personen, von denen vermutet werden kann, dass sie sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befinden, zum Zweck der Feststellung des Grades der Beeinträchtigung durch Alkohol zu einem im öffentlichen Sanitätsdienst stehenden, bei einer Landespolizeidirektion tätigen, bei einer öffentlichen Krankenanstalt diensthabenden oder im Sinne des § 5a Abs. 4 ausgebildeten und von der Landesregierung hierzu ermächtigten Arzt zu bringen, sofern eine Untersuchung gemäß Abs. 2
1. keinen den gesetzlichen Grenzwert gemäß Abs. 1 erreichenden Alkoholgehalt ergeben hat oder
2. aus in der Person des Probanden gelegenen Gründen nicht möglich war.
Wer zum Zweck der Feststellung des Grades der Beeinträchtigung durch Alkohol zu einem Arzt gebracht wird, hat sich einer Untersuchung durch diesen zu unterziehen; die genannten Ärzte sind verpflichtet, die Untersuchung durchzuführen.
(6) (Verfassungsbestimmung) An Personen, die gemäß Abs. 4a zu einem Arzt gebracht werden, ist eine Blutabnahme zum Zweck der Bestimmung des Blutalkoholgehaltes vorzunehmen; die Betroffenen haben diese Blutabnahme vornehmen zu lassen.
(8) Ein bei einer öffentlichen Krankenanstalt diensthabender Arzt hat eine Blutabnahme zum Zweck der Bestimmung des Blutalkoholgehaltes vorzunehmen, wenn eine Person
1. zu diesem Zweck zu ihm gebracht wurde oder
2. dies verlangt und angibt, bei ihr habe eine Untersuchung nach Abs. 2 eine Alkoholbeeinträchtigung ergeben.
Der Arzt hat die Blutprobe der nächstgelegenen Polizeidienststelle ohne unnötigen Aufschub zu übermitteln und dieser im Fall der Z 2 Namen, Geburtsdatum und Adresse des Probanden sowie den Zeitpunkt der Blutabnahme bekanntzugeben. Weiters hat der Arzt eine Blutabnahme vorzunehmen, wenn eine Person zu diesem Zweck zu ihm gebracht wurde, weil bei einer Untersuchung (Abs. 9) eine Beeinträchtigung festgestellt wurde, die auf eine Suchtgifteinnahme schließen lässt; die Blutprobe ist der nächstgelegenen Polizeidienststelle ohne unnötigen Aufschub zu übermitteln. Übermittelte Blutproben sind durch ein Institut für gerichtliche Medizin oder eine gleichwertige Einrichtung zu untersuchen. Die Blutprobe darf nicht durch den Probanden selbst übermittelt werden.
[...]“.
12 4.3. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine wesentliche Voraussetzung für die Verbringung des Probanden zu einem Arzt zum Zwecke der Bestimmung des Blutalkoholgehaltes nach § 5 Abs. 4a StVO iVm. Abs. 6 StVO das Vorliegen von Gründen, die in der Person des Probanden gelegen sind und die eine Untersuchung nach § 5 Abs. 2 StVO unmöglich machen (VwGH 18.6.2007, 2007/02/0170; VwGH 16.2.2007, 2006/02/0092).
13 Möglich ist die Untersuchung immer dann, wenn keine gesundheitlichen Gründe dem entgegenstehen, dass der Proband durch Blasen in den Alkomaten ein korrektes Ergebnis zu erzielen vermag. War der Proband aus gesundheitlichen (physischen oder psychischen) Gründen nicht in der Lage, hinsichtlich Blasvolumen, Blaszeit oder Atmung so auszuatmen, dass der Alkomat ein korrektes Ergebnis anzeigt, war die Untersuchung gemäß Abs. 2 aus in der Person des Probanden gelegenen Gründen nicht möglich. Umso mehr gilt dies, wenn das Beblasen des Alkomaten - etwa wegen schwerer Verletzungen oder Bewusstlosigkeit - gar nicht möglich ist.
14 Die Blutuntersuchung ist subsidiär und soll nur dort zum Zug kommen, wo die Durchführung eines Alkotests faktisch nicht möglich ist (vgl. näher VwGH 25.9.2017, Ra 2017/02/0135).
15 Nach der hg. Rechtsprechung hat derjenige, der gemäß § 5 Abs. 2 StVO zu einer Untersuchung der Atemluft aufgefordert wird, umgehend auf die Unmöglichkeit der Ablegung einer Alkoholuntersuchung mittels Alkomat aus medizinischen Gründen hinzuweisen, sodass die Organe der Straßenaufsicht in die Lage versetzt werden, das Vorliegen der Voraussetzungen nach § 5 Abs. 5 Z 2 StVO zu prüfen, bejahendenfalls von der Aufforderung zur Untersuchung der Atemluft Abstand zu nehmen und den Aufgeforderten zum Zwecke der Feststellung des Grades zur Beeinträchtigung durch Alkohol zu einem im öffentlichen Sanitätsdienst stehenden Arzt zu bringen (vgl. VwGH 27.1.2006, 2005/02/0321).
16 4.4. Der Verdacht einer Alkoholbeeinträchtigung muss dabei bei jenem Organ der Straßenaufsicht entstanden sein, der eine Person im Sinne des § 5 Abs. 4a StVO zum Arzt zu bringen beabsichtigt - bzw. den Verdächtigen mit einem Arzt „in Verbindung“ bringt, was ebenso als eine solche „Verbringung“ anzusehen ist (vgl. VwGH 14.1.1994, 93/02/0152) - und zum Zeitpunkt der „Verbringung“ weiterhin aufrecht sein.
17 Maßgeblich ist weiters, dass der Arzt, dem die betreffende Person zwecks Blutabnahme vorgeführt wird, ein im öffentlichen Sanitätsdienst stehender (oder bei einer Landespolizeidirektion tätiger) Arzt bzw. ein diensthabender Arzt einer öffentlichen Krankenanstalt ist. Gemäß § 14 des Krankenanstaltengesetzes des Bundes (KAG) sind unter öffentlichen Krankenanstalten solche der im § 2 Abs. 1 Z 1 bis 5 bezeichneten Arten zu verstehen, denen das Öffentlichkeitsrecht verliehen worden ist (vgl. VwGH 24.5.1995, 93/03/0313).
18 4.5. Im vorliegenden Fall war es dem Revisionswerber nach den unbestrittenen Feststellungen des LVwG aufgrund seiner Verletzungen nicht möglich, einen Alkotest mittels Alkomaten durchzuführen (zu einem Rippenbruch vgl. bereits VwGH 28.1.2016, Ra 2015/11/0087).
19 Die im Revisionsfall einschreitenden Organe der Straßenaufsicht waren daher berechtigt, den Revisionswerber zu einem im öffentlichen Sanitätsdienst stehenden, bei einer Landespolizeidirektion tätigen, bei einer öffentlichen Krankenanstalt diensthabenden oder im Sinne des § 5a Abs. 4 StVO ausgebildeten und von der Landesregierung hierzu ermächtigten Arzt zu bringen (vgl. VwGH 14.1.1987, 85/03/0027, mwN).
20 Die am Wohnort des Revisionswerbers einschreitenden Polizeibeamten forderten den Revisionswerber nach dem Verhandlungsprotokoll zur Blutabnahme auf. Der Revisionswerber wurde in der Folge mit der Rettung in das öffentliche Krankenhaus V gebracht, wo ihm Blut abgenommen wurde.
21 4.6. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann den Tatbestand einer Weigerung im Sinne des § 99 Abs. 1 lit. c StVO jedenfalls nur eine als „vorgeführt“ qualifizierte Person verwirklichen (vgl. VwGH 24.5.1989, 89/02/0031).
22 Dabei kann nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die zur Ablegung eines Alkotestes aufgeforderte Person nicht bestimmen, wo die Untersuchung stattfinden soll. Dies ist vielmehr Sache der Straßenaufsichtsorgane. Sie haben die betreffende Person so rasch wie möglich der Untersuchung zuzuführen, um Verfälschungen und Verschleierungen tunlichst hintanzuhalten. Den Anordnungen der Straßenaufsichtsorgane ist daher zumindest im Rahmen der Zumutbarkeit Folge zu leisten (vgl. VwGH 17.12.1999, 97/02/0505).
23 4.7. Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgesprochen hat, sind weiters keine Feststellungen darüber, wie der behandelnde Arzt Kenntnis erlangt habe, dass er eine Blutabnahme zur Blutalkoholbestimmung vornehmen solle bzw. wer die Blutabnahme gesetzmäßig veranlasst habe, notwendig, sofern das mit der Amtshandlung betraute Straßenaufsichtsorgan nach den Feststellungen bereits zuvor den Verdacht einer Alkoholbeeinträchtigung des Revisionswerbers hatte und jemand in der Folge um die Vornahme einer Blutabnahme ersuchte. Damit wird eine Person nämlich mit einem Arzt im Sinne des § 5 Abs. 4a StVO zum Zweck der Bestimmung des Blutalkoholgehaltes „in Verbindung gebracht“ (vgl. VwGH 5.9.2002, 2002/02/0084), sodass es nicht mehr darauf ankommt, in welch konkreter Form dieser Auftrag innerhalb der Organisation des Krankenhauses den die Blutabnahme durchführenden Arzt erreicht hat (VwGH 6.11.2002, 2000/02/0231).
24 4.8. Eine Zustimmungserklärung zur Blutabnahme kann dabei nach der ständigen hg. Rechtsprechung auch konkludent (§ 863 ABGB) erfolgen, dafür ist aber erforderlich, dass dem Revisionswerber vorher zur Kenntnis gebracht wurde, aus welchem Grunde man ihm Blut abnehmen wolle (vgl. VwGH 6.11.2002, 2000/02/0231).
25 Dies ist vorliegend nach den unbestrittenen Feststellungen des LVwG, wonach die Ärztin den Revisionswerber ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht hat, dass sein Blut „auch“ wegen des Verdachts auf einen Verkehrsunfall mit Alkoholeinfluss abgenommen werde, der Fall. Der Revisionswerber hat sich in der Folge Blut abnehmen lassen und der Blutabnahme auch zur Testung des Alkoholgehaltes damit zugestimmt. Die Hinweise des LVwG auf die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 9. Oktober 2007, 2007/02/0176, und vom 14. Dezember 2007, 2007/02/0098, sind hier nicht einschlägig, weil es im vorliegenden Fall weder darum geht, dass der Revisionswerber ohne die notwendige Aufklärung die Blutabnahme verweigert hätte noch darum, dass der Revisionswerber vorgebracht hätte, er sei bei der Blutabnahme nicht zurechnungsfähig gewesen.
26 4.9. Auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Mai 1998, 96/03/0227, ist im vorliegenden Revisionsfall nicht einschlägig, weil im dortigen Verfahren der Tatbestand der Verweigerung zum Zeitpunkt der nachträglichen Blutabnahme zu medizinischen Zwecken bereits erfüllt war. Eine erst nachträglich stattfindende Blutabnahme vermag nämlich an der Strafbarkeit des bereits gesetzten Verhaltens nichts (mehr) zu ändern.
27 4.10. Die Ausführungen des LVwG, die vorangegangene Blutabnahme des Revisionswerbers sei als eine „freiwillige“ Blutabnahme im Sinne des § 5 Abs. 8 Z 2 StVO zu qualifizieren, deren gesetzlich normierte Vorgangsweise jedoch nicht eingehalten worden sei, erweisen sich als nicht zutreffend: Gemäß § 5 Abs. 8 Z 2 StVO ist nämlich Voraussetzung einer solchen freiwilligen Blutabnahme, dass eine Person „dies verlangt und angibt, bei ihr habe eine Untersuchung nach Abs. 2 eine Alkoholbeeinträchtigung ergeben.“ Keine dieser beiden Voraussetzungen wurde im Revisionsfall durch den Revisionswerber erfüllt: Weder hat er nach den Feststellungen des LVwG von sich aus verlangt, dass ihm Blut abgenommen werde, noch hatte eine Atemluftuntersuchung nach § 5 Abs. 2 StVO eine Alkoholbeeinträchtigung ergeben.
28 Im Übrigen ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine (nur) aus Gründen der Heilbehandlung erfolgte Blutabnahme samt in der Folge stattfindender Auswertung des Blutalkoholgehaltes keine unzulässige Verletzung der körperlichen Integrität und fällt auch nicht unter das Verbot des Zwanges zur Selbstbeschuldigung (vgl. mit weiteren Ausführungen auch zur Übermittlung der aus medizinischen Gründen erfolgten Blutauswertung durch eine Krankenanstalt an die Behörde: VwGH 11.9.2019, Ra 2019/02/0110).
29 5.1. Es trifft daher nicht zu, dass sich der Revisionswerber geweigert hat, eine Blutabnahme zur Ermittlung des Blutalkoholwertes durchführen zu lassen. Der StVO ist nicht zu entnehmen, dass Straßenaufsichtsorgane oder andere Organe der LPD bei der Blutabnahme anwesend sein müssen. Eine Vertauschung des abgenommenen Blutes, weshalb im Revisionsfall eine erneute Blutabnahme hätte erfolgen müssen, wurde im vorliegenden Fall weder behauptet noch festgestellt.
30 5.2. Der Revisionswerber hat daher den ihm angelasteten Tatbestand der Verweigerung nicht erfüllt, weil ihm Blut - mit seiner Zustimmung - auch zum Zwecke der Untersuchung des Alkoholwertes abgenommen worden ist. Indem das LVwG ihn dennoch wegen Verweigerung der Blutabnahme bestraft hat, hat es das Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet. Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
31 6. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 21. Dezember 2020
Schlagworte
Besondere Rechtsgebiete Maßgebende Rechtslage maßgebender SachverhaltEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RO2020020011.J00Im RIS seit
08.02.2021Zuletzt aktualisiert am
08.02.2021