TE Vwgh Beschluss 2020/12/22 Ra 2020/11/0215

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Veröffentlicht am 22.12.2020
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
40/01 Verwaltungsverfahren
90/02 Führerscheingesetz

Norm

AVG §38
FSG 1997 §24 Abs4
VwGVG 2014 §17
VwRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schick und den Hofrat Dr. Grünstäudl sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Gnilsen, über die Revision des W S in L, vertreten durch Dr. Johann Postlmayr, Rechtsanwalt in 5230 Mattighofen, Stadtplatz 6, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 5. Oktober 2020, Zl. LVwG-651841/2/MZ, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Linz-Land), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 2. Oktober 2019 wurde der Revisionswerber (in teilweiser Bestätigung und teilweiser Abänderung des Bescheides der belangten Behörde vom 5. Juni 2019) gemäß § 24 Abs. 4 FSG verpflichtet, binnen sechs Wochen eine fachärztliche psychiatrische Stellungnahme betreffend seine gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen näher bezeichneter Klassen beizubringen.

2        Nach der (zusammengefassten) Begründung dieses Erkenntnisses bestünden begründete Bedenken gegen die gesundheitliche Eignung des Revisionswerbers zum Lenken von Kraftfahrzeugen, weil dieser einerseits drei aktenkundige Alkoholdelikte innerhalb von zwölf Jahren begangen habe, bei ihm bereits im Jahr 2011 ein „C2-Abusus“ diagnostiziert worden sei und der medizinische Sachverständige in der Verhandlung vom 17. September 2019 auch angesichts der hohen Atemalkoholkonzentration des Revisionswerbers (1,03 mg/l) beim letzten Alkoholdelikt im Mai 2018 (bei dem der Revisionswerber einen Verkehrsunfall mit Sachschaden verursacht habe) die Kriterien eines schädlichen Alkoholgebrauchs als erfüllt gesehen und (ebenso wie die Amtsärztin aufgrund der Untersuchung des Revisionswerbers vom 5. Juni 2019) eine psychiatrische Stellungnahme für die Beurteilung der gesundheitlichen Eignung des Revisionswerbers für erforderlich erachtet habe. Außerdem sei die Beibringung einer psychiatrischen Stellungnahme durch den Revisionswerber auch gemäß § 14 Abs. 5 FSG-GV geboten.

3        Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber die (zur hg. Zl. Ra 2019/11/0203 anhängige) außerordentliche Revision, der mit hg. Beschluss vom 18. Dezember 2019 die aufschiebende Wirkung nicht zuerkannt wurde.

4        Mit Bescheid der belangten Behörde vom 4. August 2020 wurde die Lenkberechtigung des Revisionswerbers für die Klassen AM und B bis zur Beibringung der für die Erstattung des amtsärztlichen Gutachtens erforderlichen psychiatrischen Stellungnahme gemäß § 24 Abs. 4 FSG („gerechnet ab Rechtskraft dieses Bescheides“) entzogen.

Weiters wurde unter Hinweis auf § 29 Abs. 3 FSG ausgesprochen, dass der Revisionswerber seinen Führerschein nach Rechtkraft dieses Bescheides der Führerscheinbehörde abzuliefern habe und in der Begründung ausgeführt, dass er die ihm aufgetragene psychiatrische Stellungnahme bislang nicht beigebracht habe.

5        Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 5. Oktober 2020 wies das Verwaltungsgericht die gegen den Bescheid vom 4. August 2020 erhobene Beschwerde ab (dies mit der Maßgabe, dass die im Spruch dieses Bescheides enthaltenen Wortfolgen „gerechnet ab Rechtskraft dieses Bescheides“ und „nach Rechtkraft dieses Bescheides“ entfallen). Gleichzeitig wurde gemäß § 25a VwGG ausgesprochen, dass eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei.

6        Begründend wird im angefochtenen Erkenntnis festgestellt, der Revisionswerber habe dem rechtskräftigen Auftrag im Erkenntnis vom 2. Oktober 2019 betreffend Vorlage einer psychiatrischen Stellungnahme „bis zum heutigen Zeitpunkt“ nicht entsprochen, sodass seine Lenkberechtigung gemäß § 24 Abs. 4 letzter Satz FSG zu entziehen gewesen sei.

7        Was die in der Beschwerde beantragte Aussetzung des Verfahrens bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichthofes über die Revision gegen das eingangs genannte Erkenntnis vom 2. Oktober 2019 anlange, so biete § 34 VwGVG keine Möglichkeit dafür. Die Durchführung einer Verhandlung habe mangels strittiger Tatsachen entfallen können (Hinweis auf hg. Judikatur). Die vorgenommene Anpassung des Spruches des Bescheides vom 4. August 2020 sei „aufgrund der Unterschiede des behördlichen und des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens notwendig“ gewesen.

8        Gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts vom 5. Oktober 2020 richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

9        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

10       Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

11       Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof ausschließlich im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen (VwGH 27.4.2020, Ra 2019/11/0045, mwN). Dem Erfordernis einer gesonderten Zulässigkeitsbegründung wird insbesondere nicht schon durch nähere Ausführungen zur behaupteten Rechtswidrigkeit der bekämpften Entscheidung (§ 28 Abs. 1 Z 5 VwGG) oder zu den Rechten, in denen sich der Revisionswerber verletzt erachtet (§ 28 Abs. 1 Z 4 VwGG), Genüge getan (vgl. aus vielen die Beschlüsse VwGH 23.3.2017, Ra 2017/11/0014, und VwGH 1.9.2017, Ra 2017/11/0225, jeweils mwN).

12       Leistet der Besitzer der Lenkberechtigung innerhalb der festgesetzten Frist einem rechtskräftigen Bescheid mit der Aufforderung, sich amtsärztlich untersuchen zu lassen, die zur Erstattung des amtsärztlichen Gutachtens erforderlichen Befunde zu erbringen oder die Fahrprüfung neuerlich abzulegen, keine Folge, ist ihm die Lenkberechtigung bis zur Befolgung der Anordnung zu entziehen (§ 24 Abs. 4 letzter Satz FSG).

13       Im Zulässigkeitsvorbringen der Revision wird nicht in Frage gestellt, dass im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses eine rechtskräftige Aufforderung des Revisionswerbers (Erkenntnis des Verwaltungsgerichts vom 2. Oktober 2019) zur Beibringung einer psychiatrischen Stellungnahme bestand und auch nicht konkret behauptet, dass der Revisionswerber dieser Aufforderung im genannten Zeitpunkt bereits entsprochen hätte.

14       Soweit die Revision daher in diesem Zusammenhang eine Abweichung von näher zitierter hg. Judikatur zur Begründungspflicht einwendet, weil eine Beweiswürdigung zur Feststellung betreffend die nicht vorgelegte psychiatrische Stellungnahme fehle, zeigt sie die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels nicht auf.

15       Indem daher das Verwaltungsgericht (entgegen dem Zulässigkeitsvorbringen der Revision) im Zeitpunkt seiner Entscheidung von einem geklärten Sachverhalt iSd § 24 Abs. 4 VwGVG ausging und - in Übereinstimmung mit der hg. Judikatur (vgl. etwa VwGH 2.10.2015, Ra 2015/11/0041, Pkt. 2.4.) - von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung absah, ist es von der hg. Rechtsprechung nicht abgewichen.

16       Auch mit dem weiteren Vorbringen zur Zulässigkeit der Revision wird keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme:

17       Der Einwand des Revisionswerbers, seine Rechtsposition werde durch die im angefochtenen Erkenntnis vorgenommene Spruchänderung ohne ausreichende Begründung verschlechtert, weil mit dem angefochtenen Erkenntnis eine (nach näher zitierter Judikatur rechtswidrige) rückwirkende Entziehung der Lenkberechtigung erfolge, ist schon vom Ansatz unzutreffend und vermag eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht aufzuzeigen:

18       Durch die Streichung der im obgenannten Bescheid vom 4. August 2020 enthaltenen Wortfolgen „gerechnet ab Rechtskraft dieses Bescheides“ und „nach Rechtkraft dieses Bescheides“ wurde nämlich nicht verfügt, dass die gegenständliche (Formal-)Entziehung der Lenkberechtigung bereits mit der Erlassung des letztgenannten Bescheides rechtswirksam wurde.

19       Wenn der in Rede stehende Bescheid die Beifügung enthielt, die Entziehung der Lenkberechtigung erfolge „ab Rechtskraft“, so handelt es sich dabei um eine nicht notwendige, weil aus dem Wesen der Rechtskraft automatisch resultierende Anordnung (sofern die Rechtsvorschriften nicht ausdrücklich anderes anordnen), sodass auch die Beseitigung dieser Wortfolge durch das Verwaltungsgericht zu keinem Rechtsnachteil für den Revisionswerber (insbesondere zu keiner rückwirkenden Entziehung der Lenkberechtigung) führt.

20       Die Revision bringt zur Zulässigkeit vor, das Verwaltungsgericht habe den Antrag auf Aussetzung des Beschwerdeverfahrens gegen den Bescheid vom 4. August 2020 lediglich - und gleichzeitig unzutreffend - mit § 34 VwGVG und der dort vorgesehenen sechsmonatigen Entscheidungsfrist des Verwaltungsgerichts begründet, weil diese Entscheidungsfrist (nach näher zitierter hg. Judikatur) im Falle der Aussetzung des Verfahrens ohnedies suspendiert sei. Vielmehr hätte das Verwaltungsgericht das Beschwerdeverfahren gemäß § 11 (richtig: § 17) VwGVG iVm § 38 AVG aussetzen müssen.

21       Eine Rechtsfrage, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, wird mit diesem Vorbringen nicht aufgeworfen, weil der Erfolg der Revision nicht davon „abhängt“ (iSd. letztgenannten Bestimmung), die vom Revisionswerber beantragte Aussetzung des Beschwerdeverfahrens gemäß § 38 zweiter Satz AVG zu beurteilen, zumal auch diese Bestimmung keine zielführende Rechtsgrundlage für den Antrag des Revisionswerbers bildet:

22       § 38 zweiter Satz AVG eröffnet nämlich die Möglichkeit der Aussetzung des Verfahrens nur bis zur - rechtskräftigen - Entscheidung der Vorfrage (vgl. aus vielen VwGH 23.5.2017, Ra 2016/10/0148, mwN, und VwGH 26.11.2015, Ro 2015/07/0018, mit Verweis auf 24.4.2001, 2001/11/0101). Fallbezogen wurde die Frage, ob die Aufforderung zur Beibringung einer psychiatrischen Stellungnahme rechtmäßig war, bereits vom Verwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 2. Oktober 2019 rechtskräftig entschieden, woran die Erhebung der zur hg. Zl. Ra 2019/11/0203 protokollierten Revision nichts änderte (vgl. erneut VwGH Ro 2015/07/0018 und Ra 2016/10/0148, mwN). Daher kam eine Aussetzung des Beschwerdeverfahrens - bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes über die gegen das letztzitierte Erkenntnis erhobene Revision - gemäß § 38 AVG von vornherein nicht in Betracht.

23       Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 22. Dezember 2020

Schlagworte

Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020110215.L00

Im RIS seit

09.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

09.02.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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