TE OGH 2020/12/10 5Ob114/20f

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Veröffentlicht am 10.12.2020
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann, den Hofrat Mag. Wurzer, die Hofrätin Mag. Malesich und den Hofrat Mag. Painsi als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G***** GesmbH, *****, vertreten durch Dr. Michael Brunner, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei H***** GesmbH, *****, vertreten durch Dr. Martin Wandl & Dr. Wolfgang Krempl, Rechtsanwaltspartnerschaft, St. Pölten, sowie der Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Partei G-T*****-GmbH, *****, vertreten durch Dr. Christian Reiter, Rechtsanwalt in St. Pölten, wegen 126.101,63 EUR sA und Feststellung (Streitwert 5.000 EUR), über die außerordentliche Revision der Klägerin gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 24. April 2020, GZ 1 R 44/20b-61, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

         Die Nebenintervenientin hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1]       1.1. Die dreijährige Verjährungsfrist des § 1489 ABGB beginnt mit Kenntnis von Schaden und Schädiger zu laufen. Der Ersatzpflichtige muss sowohl den Schaden als auch den Ersatzpflichtigen so weit kennen, dass eine Klage mit Aussicht auf Erfolg erhoben werden kann (RIS-Justiz RS0034524). Der den Anspruch begründende Sachverhalt muss dem Geschädigten zwar nicht in allen Einzelheiten, aber doch so weit bekannt sein, dass er in der Lage ist, das zur Begründung seines Ersatzanspruchs erforderliche Sachvorbringen konkret zu erstatten (RS0034366). Um mit Erfolg Klage erheben zu können, benötigt der Geschädigte sohin bei der Verschuldenshaftung Kenntnis von der Schadensursache (RS0034951), dem maßgeblichen Kausalzusammenhang (RS0034366) und dem Verschulden des Schädigers (RS0034322). Bloße Mutmaßungen über die Möglichkeit der angeführten Umstände reichen nicht aus. Dementsprechend beginnt die Verjährungszeit nicht zu laufen, wenn der Geschädigte als fachunkundiger Laie keinen Einblick in diese Umstände hat (RS0034603).

[2]       1.2. Der Geschädigte darf sich allerdings nicht einfach passiv verhalten (RS0065360 [T7, T8]), wenn er die für die erfolgversprechende Anspruchsverfolgung notwendigen Voraussetzungen ohne nennenswerte Mühe in Erfahrung bringen kann (RS0034335); andernfalls ist jener Zeitpunkt für die Kenntnisnahme (und sohin die Verjährungszeit) maßgeblich, in welchem dem Geschädigten die Voraussetzungen bei angemessener Erkundigung zuteil geworden wären (RS0034327).

[3]       1.3. Diese Erkundigungsobliegenheit darf nicht überspannt werden. Ausnahmsweise kann aber, sofern eine Verbesserung des Wissensstands nur so möglich und dem Geschädigten das Kostenrisiko zumutbar ist, auch die Einholung eines Sachverständigengutachtens als Erkundigungsobliegenheit des Geschädigten angesehen werden (RS0113916 [T4]). An fachkundige Personen ist dabei ein strengerer Maßstab anzulegen (RS0034327 [T41]; RS0034603 [T29]).

[4]       2.1. Nach ständiger Rechtsprechung kommt es bei der Frage des Ausmaßes der Erkundigungspflicht des Geschädigten über den die Verjährungsfrist auslösenden Sachverhalt immer auf die Umstände des Einzelfalls an (RS0113916), sodass in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage in der Qualität des § 502 ZPO vorliegt. Daran ändert der Umstand nichts, dass im hier zu beurteilenden Fall die Verjährung von Ansprüchen aus mangelhafter Ausführung eines Bauwerkvertrags zu beurteilen sind, weil auch in diesem Fall die Frage der Kenntnis iSd § 1489 ABGB nicht nach anderen Kriterien als sonst zu prüfen ist (RS0113916 [T6]).

[5]            2.2. Eine solche Einzelfallentscheidung ist vom Obersten Gerichtshof nur dann überprüfbar, wenn eine aus Gründen der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung durch die Vorinstanzen vorliegt. Das ist hier nicht der Fall. Das Berufungsgericht hielt die Einholung eines Sachverständigengutachtens spätestens zu dem Zeitpunkt für geboten, als auch die Klägerin angesichts der sich laufend vergrößernden Schäden an der Fassade einen von der Beklagten zu verantwortenden Baumangel vermutete. Nach seinem – nicht zu beanstandenden (vgl RS0118891) – Verständnis der Urteilsfeststellungen war dies spätestens bei der Eigentümerversammlung am 21. 5. 2014 der Fall. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Klägerin als gewerbliche Bauherrin (4 Ob 92/19m) habe damit ausreichend Veranlassung gehabt, sich durch weitere Nachforschungen genügend Klarheit für eine Klagseinbringung zu verschaffen, hält sich im Rahmen der Rechtsprechung zur Erkundigungsobliegenheit des Geschädigten.

[6]       3.1. Im Zusammenhang mit der auf ungerechtfertigte Bereicherung gestützten Rückforderung des Entgelts für im Jahr 2010 durchgeführte Sanierungsarbeiten stellt sich die Frage der Verjährung nicht.

[7]       3.2. Das Berufungsgericht verwies auf die Behauptungs- und Beweislast des Bereicherungsgläubigers für die Rechtsgrundlosigkeit der Leistung (vgl RS0033564) und verneinte den Anspruch schon mangels Vorliegens des Anspruchsgrundes. Voraussetzung der Kondiktion nach § 1431 ABGB ist nach ständiger Rechtsprechung eine Vermögensverschiebung durch Leistung, das Fehlen eines die Vermögensverschiebung rechtfertigenden Grundes und die Schutzwürdigkeit des Leistenden wegen eines Irrtums (RS0033599; RS0014891; RS0033607). Erfolgte eine Leistung im Rahmen eines Vertrags, war sie nicht rechtsgrundlos und kann daher nicht nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen zurückverlangt werden (RS0033585; RS0020022).

[8]            3.3. Im vorliegenden Fall hatte die Zahlung des Entgelts nach den Feststellungen ihre Rechtsgrundlage in einem (jedenfalls schlüssig) abgeschlossenen Werkvertrag. Dass und warum dieser Werkvertrag nicht weiterhin aufrecht ist, hat die Klägerin weder schlüssig dargestellt noch ergibt es sich aus dem festgestellten Sachverhalt. Schon deshalb scheidet eine Kondiktion aus.

[9]       4.1. Die außerordentliche Revision der Klägerin ist daher mangels erheblicher Rechtsfragen unzulässig und zurückzuweisen.

[10]     4.2. Die vor Zustellung der Mitteilung nach § 508a Abs 2 Satz 1 ZPO erstattete Revisionsbeantwortung der Nebenintervenientin war nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig, für sie gebührt daher kein Kostenersatz (RS0043690 [T6, T7]).

Textnummer

E130348

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2020:0050OB00114.20F.1210.000

Im RIS seit

21.01.2021

Zuletzt aktualisiert am

21.01.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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