Entscheidungsdatum
14.10.2020Index
40/01 VerwaltungsverfahrenNorm
VStG §22 Abs1Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seinen Richter Mag. Wostri über die Beschwerde des Herrn A. B. gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den ... Bezirk, vom 12.09.2020, Zl. MBA/..., betreffend Arbeitslosenversicherungsgesetz (AIVG), zu Recht e r k a n n t:
I. Das Straferkenntnis wird aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 VStG eingestellt.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer vorgeworfen, er habe vorsätzlich Leistungen der Arbeitslosenversicherung in Anspruch genommen ohne dazu berechtigt zu sein, da er zumindest am 10.6.2020 bei einer Firma in der Tankreinigung beschäftigt war und er zugleich Leistungen nach dem AlVG bezog, ohne die Aufnahme der Arbeitstätigkeit dem zuständigen Arbeitsmarktservice mitzuteilen.
Die maßgeblichen Bestimmungen des Arbeitslosenversicherungsgesetzes 1977 – AlVG lauten wie folgt:
„Anzeigen
§ 50. (1) Wer Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung bezieht, ist verpflichtet, die Aufnahme einer Tätigkeit gemäß § 12 Abs. 3 unverzüglich der zuständigen regionalen Geschäftsstelle anzuzeigen. Darüber hinaus ist jede andere für das Fortbestehen und das Ausmaß des Anspruches maßgebende Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Arbeitslosen sowie jede Wohnungsänderung der regionalen Geschäftsstelle ohne Verzug, spätestens jedoch binnen einer Woche seit dem Eintritt des Ereignisses anzuzeigen. Bei Bezug von Arbeitslosengeld gemäß § 18 Abs. 5 trifft die Anzeigepflicht auch den Träger der Einrichtung. Bei Bezug von Weiterbildungsgeld oder Bildungsteilzeitgeld trifft die Anzeigepflicht auch den Arbeitgeber.
(2) Die regionale Geschäftsstelle ist berechtigt, das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen durch zweckdienliche Erhebungen zu überprüfen.“
„Strafbestimmungen(1) Sofern die Tat weder den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, noch nach anderen Verwaltungsstrafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe von 200 Euro bis zu 2 000 Euro, im Wiederholungsfall von 400 Euro bis zu 4 000 Euro zu bestrafen, wer als Dienstgeber oder dessen Beauftragter die Ausstellung der im § 46 Abs. 4 vorgesehenen Bestätigungen grundlos verweigert, in diesen Bestätigungen wissentlich unwahre Angaben macht oder der ihm nach § 69 Abs. 2 obliegenden Auskunftspflicht nicht nachkommt.
(2) Sofern die Tat weder den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, noch nach anderen Verwaltungsstrafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe von 200 Euro bis zu 2 000 Euro, im Wiederholungsfall von 400 Euro bis zu 4 000 Euro zu bestrafen, wer vorsätzlich Leistungen der Arbeitslosenversicherung in Anspruch nimmt oder genießt, ohne dazu berechtigt zu sein, oder zu solchen Missbräuchen anstiftet oder Hilfe leistet.
(3) Sofern die Tat weder den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, noch nach anderen Verwaltungsstrafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe von 200 Euro bis zu 2 000 Euro, im Wiederholungsfall von 400 Euro bis zu 4 000 Euro zu bestrafen, wer vorsätzlich unwahre Angaben zur Erreichung eines besonderen Entgeltschutzes nach Teilzeitbeschäftigungen macht. Dies gilt jedoch nicht, wenn die unwahren Angaben im Rahmen eines Anspruchsverlustes gemäß § 10 Abs. 2 berücksichtigt wurden.“
§ 22 Abs. 1 VStG sieht vor, dass eine Tat als Verwaltungsübertretung nur dann strafbar ist, wenn sie nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt § 22 Abs. 1 VStG ausschließlich auf die "Tat" ab. Dass die Verwaltungsstrafnorm gegebenenfalls eine andere Schutzrichtung aufweist als die gerichtliche Strafnorm, ändert an der Subsidiarität nichts. § 22 Abs. 1 VStG stellt nur darauf ab, dass die Tat auch den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet; auf die tatsächliche Einleitung (oder gar den Abschluss) eines Strafverfahrens kommt es daher nicht an. Auch die Frage, ob der Beschuldigte die Tat verschuldet hat oder ein Entschuldigungsgrund in Betracht zu ziehen ist, ist für die Subsidiarität der Verwaltungsstrafdrohung nicht entscheidend.
Gemäß § 146 StGB („Betrug“) ist strafgerichtlich mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu belangen, wer mit dem Vorsatz, durch das Verhalten des Getäuschten sich oder einen Dritten zu Unrecht zu bereichern, jemanden durch Täuschung über Tatsachen zu einer Handlung, Duldung oder einer Unterlassung verleitet, die diesen oder einen anderen am Vermögen schädigt.
Auch bloßes Unterlassen der gebotenen Aufklärung, das nicht in ein als aktives Tun fassbares Gesamtverhalten fällt, kann gemäß § 2 StGB den Tatbestand des Betruges begründen. Eine solche Aufklärungspflicht kann auf Rechtsvorschriften beruhen. In Betracht kommen hier v.a. Rechtsvorschriften, welche es Beziehern wiederkehrender Leistungen auferlegen, Änderungen anspruchsbestimmender Tatsachen mitzuteilen, wie bei Krankengeld, Notstandhilfe oder Arbeitslosengeld. Der in concreto herangezogene, eine Meldepflicht auferlegende § 50 Abs. 1 AlVG ist eine solche Rechtsnorm (vgl. zB Kirchbacher/Sadoghi in Höpfel/Ratz, WK2 StGB § 146 [Stand: 1.3.2019, rdb.at] Rz 23 ff. mwN; zur Notstandhilfe vgl. OGH 29.1.2003, 13 Os 105/02).
Auf Grund des im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses enthaltenen Tatvorwurfes, der die Sache des Beschwerdeverfahrens begrenzt, wird nun aber im vorliegenden Fall von der belangten Behörde ein Sachverhalt als erwiesen angenommen, der jedenfalls unter die Bestimmung des § 146 iVm § 2 StGB und damit unter den Tatbestand einer strafbaren Handlung zu subsumieren ist, deren Ahndung der ordentlichen Gerichtsbarkeit obliegt.
Es ist daher im konkreten Fall kein Raum für die Anwendbarkeit des § 71 Abs. 2 AlVG gegeben.
Das angefochtene Straferkenntnis ist daher aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 VStG einzustellen.
Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Wien konnte im vorliegenden Fall gemäß § 44 Abs. 2 VwGVG abgesehen werden, weil bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass das mit der Beschwerde angefochtene Straferkenntnis aufzuheben ist. Auch ist die Durchführung einer Verhandlung von keiner Partei beantragt worden.
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Arbeitslosenversicherung; Leistungen; Anzeige; Arbeitstätigkeit; Betrug; Zusammentreffen von strafbaren Handlungen; DoppelbestrafungsverbotEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2020:VGW.001.086.12274.2020Zuletzt aktualisiert am
21.01.2021