TE Lvwg Erkenntnis 2020/11/11 VGW-031/045/634/2020

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Veröffentlicht am 11.11.2020
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Entscheidungsdatum

11.11.2020

Index

90/01 Straßenverkehrsordnung
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

StVO 1960 §4 Abs5
VStG §45 Abs1 Z1

Text

I M N A M E N D E R R E P U B L I K

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch den Richter Mag. Doninger über die Beschwerde der Frau A. B., vertreten durch Rechtsanwältin, gegen das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Wien, Polizeikommissariat C., vom 06.11.2019, GZ: VStV/.../2018, betreffend Verwaltungsübertretungen nach der StVO 1960, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 22.10.2020, zu Recht erkannt:

I. Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben, das Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 VStG eingestellt.

II. Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG hat die Beschwerdeführerin keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten.

III. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig. Soweit damit über die Beschwerde gegen Spruchpunkt 2.) des Straferkenntnisses abgesprochen wurde, ist für die Beschwerdeführerin zudem gemäß § 25a Abs. 4 VwGG eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG überhaupt unzulässig

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

1.) Das angefochtene Straferkenntnis ist gegen die Beschwerdeführerin als Beschuldigte gerichtet und enthält folgenden Spruch:

„1. Datum/Zeit:                    01.10.2018, 08:20 Uhr

Ort:                             Wien, D.-gasse 3B, in Fahrtrichtung

                                 E.-straße bzw. F.-gasse

Betroffenes Fahrzeug:        PKW, Kennzeichen: W-1 (A)

Sie sind mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang gestanden und haben an der Sachverhaltsfeststellung nicht mitgewirkt, da Sie es durch Verlassen der Unfallstelle unmöglich gemacht haben, Ihre körperliche und geistige Verfassung zum Unfallszeitpunkt festzustellen.

Es war nicht möglich Sachverhaltselemente, sowie Angaben zu Ihrer Person als beteiligter Fahrzeuglenker festzustellen.

2. Datum/Zeit:                    01.10.2018, 08:20 Uhr

Ort:                             Wien, D.-gasse 3B, in Fahrtrichtung

                                 E.-straße bzw. F.-gasse

Betroffenes Fahrzeug:        PKW, Kennzeichen: W-1 (A)

Sie sind mit einem Verkehrsunfall mit Sachschaden in ursächlichem Zusammenhang gestanden und haben nicht ohne unnötigen Aufschub die nächste Polizeidienststelle verständigt, obwohl Sie und die Person(en) in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, einander ihre Namen und Anschriften nicht nachgewiesen haben

3. Datum/Zeit:                      01.10.2018, 08:20 Uhr

Ort:                             Wien, D.-gasse 3B, in Fahrtrichtung

                                 E.-straße bzw. F.-gasse

Betroffenes Fahrzeug:        PKW, Kennzeichen: W-1 (A)

Sie sind als Lenker/in des angeführten Fahrzeuges mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang gestanden und haben Ihr Fahrzeug nicht sofort angehalten.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt:

1. § 4 Abs. 1 lit c StVO

2. § 4 Abs. 5 StVO

3. § 4 Abs. 1 lit a StVO

Wegen dieser Verwaltungsübertretung(en) wird (werden) über Sie folgende Strafe(n) verhängt:

Geldstrafe von falls diese uneinbringlich Freiheitsstrafe                 Gemäß

                ist, Ersatzfreiheitsstrafe  von

                von

1. € 150,00           1 Tage(n) 9 Stunde(n)            ---              § 99 Abs. 2 lit. a StVO

                        0 Minute(n)

2. € 200,00           3 Tage(n) 20 Stunde(n)            ---              § 99 Abs. 3 lit. b StVO

                        0 Minute(n)

3. € 150,00           1 Tage(n) 9 Stunde(n)            ---              § 99 Abs. 2 lit. a StVO

                        0 Minute(n)

Weitere Verfügungen (zB Verfallsausspruch, Anrechnung von Vorhaft):

---

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG zu zahlen:

€ 50,00 als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10% der Strafe, jedoch mindestens € 10,00 für jedes Delikt (je ein Tag Freiheitsstrafe wird gleich € 100,00 angerechnet).

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher

€ 550,00“

2.) In der gegen dieses Straferkenntnis rechtzeitig erhobenen Beschwerde moniert die anwaltlich vertretene Beschwerdeführerin zunächst eine mangelhafte Begründung desselben sowie den Umstand, dass die belangte Behörde nicht auf ihre Einwände in ihrer Stellungnahme vom 27.02.2019 eingegangen sei. Dort habe sie nachvollziehbar dargelegt, dass es zwischen ihrem KFZ und jenem der mitbeteiligten Partei weder eine Kollision noch einen Kontakt gegeben habe und sie weder einen Zusammenstoß gespürt, noch ein Anstoßgeräusch wahrgenommen habe. Auch habe ihr zum vermeintlichen Unfallzeitpunkt bzw. nach ordnungsgemäßer Wiederaufnahme der Fahrt weder die mitbeteiligte Partei, noch ein anderer Verkehrsteilnehmer in irgendeiner Weise zu verstehen gegeben, dass es zu einem Kontakt gekommen sei. Auch der Unfallgegner sei weitergefahren, obwohl er, nachdem er behauptet habe, die angebliche Kollision akustisch wahrgenommen zu haben, ebenfalls zum Anhalten gemäß § 4 Abs. 1 lit. a StVO verpflichtet gewesen wäre.

Entgegen dem Vorwurf der belangten Behörde, bei einer besonders engen Stelle kein besonderes Augenmerk darauf gelegt zu haben, dass es zu keiner Kollision komme, habe sie sehr wohl besonderes Augenmerk darauf gelegt, dass es zu keiner Kollision kommt, sei sie doch dem Unfallgegner ausgewichen und habe beim Vorbeifahren auf einen ausreichenden Abstand zu dessen KFZ geachtet. Ihr könne daher nicht vorgeworfen werden, dass sie ihre Aufmerksamkeit nicht der gesamten Gefahrenlage zugewendet habe. Auch seien in der konkreten Situation keine objektiven Umstände vorgelegen, die ihr zu Bewusstsein hätten kommen können bzw. ihr bei gehöriger Aufmerksamkeit zu Bewusstsein hätten kommen müssen, aus denen sie die Möglichkeit eines Unfalles zu erkennen vermocht hätte. Sie sei dem Unfallgegner ja gerade deshalb ausgewichen, um genug Platz für ein unbeschadetes Vorbeifahren zu schaffen.

Entgegen der Aussage des Unfallgegners habe sie nicht zu diesem gesagt, sie wisse, dass sie ihm angefahren sei, aber als Bergauffahrende daran nicht schuld sei. Tatsächlich habe sie weder einen Kontakt gespürt, noch ein Anstoßgeräusch gehört. Mit diesen Sachverhaltsmomenten habe sich die belangte Behörde nicht auseinandergesetzt, was einen erheblichen Verfahrensfehler darstelle. Zudem habe es die belangte Behörde unterlassen, den Sachverhalt amtswegig zu erheben und den für die Erledigung maßgeblichen Sachverhalt vollständig zu ermitteln.

Selbst wenn von dem von der belangten Behörde festgestellten Sachverhalt auszugehen wäre, wäre ihr Verschulden jedenfalls im unteren Bereich anzusiedeln, da keine objektiven Umstände vorgelegen seien, die ihr zu Bewusstsein hätten kommen können bzw. bei gehöriger Aufmerksamkeit zu Bewusstsein hätten kommen müssen, aus denen sie die Möglichkeit eines Unfalles zu erkennen vermocht hätte. Schließlich sei sie dem entgegenkommenden KFZ ausgewichen und habe beim Vorbeifahren auf einen ausreichenden Abstand geachtet. Hätte sie einen Anstoß gespürt oder ein Anstoßgeräusch bemerkt, hätte sie natürlich sofort angehalten. Vor diesem Hintergrund wäre daher jedenfalls mit einer Ermahnung das Auslangen zu finden.

3.) Das vorliegende Verwaltungsstrafverfahren gründet sich auf eine über Aufforderung des Herrn G. H. erstattete Anzeige der Landespolizeidirektion Wien vom 01.10.2018, wonach der Aufforderer H. gemeldet habe, dass er mit seinem Fahrzeug PKW VW …, mit dem Kennzeichen W-2 am 01.10.2018 um 08:20 Uhr in Wien, D.-gasse in Fahrtrichtung F.-gasse gefahren und im Bereich der D.-gasse ONr. 3b in eine Engstelle eingefahren sei. Zeitgleich sei die Unfallgegnerin mit dem Kennzeichen W-1 (Pkw Skoda …) ebenfalls in die Engstelle und zwar in Fahrtrichtung E.-straße eingefahren, als sich plötzlich die beiden Seitenspiegel touchiert hätten, wobei der Seitenspiegel des Aufforderers H. beschädigt worden sei. Dieser habe sein Fahrzeug gewendet und sei der Unfallgegnerin hinterhergefahren. In der E.-straße habe der Aufforderer H. die Unfallgegnerin anhalten können und um das gemeinsame Ausfüllen eines europäischen Unfallberichtes ersucht. Dies sei jedoch abgelehnt worden. Vielmehr habe sich die Unfallgegnerin ohne Mitwirkung am Datenaustausch entfernt.

4.) Über eine entsprechende Aufforderung der belangten Behörde vom 14.11.2018 rechtfertigte sich die nunmehrige Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 03.12.2018 und bestritt darin ausdrücklich, tatbildlich, rechtswidrig und schuldhaft im Sinne der ihr zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen gemäß § 4 Abs. 1 lit. c, 4 Abs. 1 lit. a und 4 Abs. 5 StVO gehandelt zu haben.

5.) Der Aufforderer H. gab am 11.02.2019 als Zeuge befragt vor der belangten Behörde u.a. zu Protokoll, dass eine Durchfahrt durch die Engstelle in der D.-gasse problemlos möglich gewesen wäre. Als er in der Mitte der Engstelle gewesen sei, sei das andere Fahrzeug um die Kurve gekommen, kurz stehen geblieben und habe dann beschleunigt, wobei es zu einem Kontakt mit seinem linken Seitenspiegel gekommen sei. Der Kontakt sei deutlich hörbar gewesen, sein Spiegel habe sich durch den Anstoß von selbst ein- und dann wieder ausgeklappt. Der Anstoß sei leicht gewesen. Die Dame sei dann einfach weitergefahren, was ihn dazu veranlasst habe, sein Fahrzeug zu wenden und ihr nachzufahren. In der E.-straße habe er sie dann anhalten können und gefragt, ob sie wisse, dass sie ihm angefahren sei. Die Dame habe dies bestätigt, allerdings gemeint, dass sie nicht schuld sei, da sie bergauf gefahren sei. Sodann sei sie ausgestiegen und habe sich den Schaden an seinem Fahrzeug angeschaut. Auch habe er sie gefragt, ob sie einen Unfallbericht ausfüllen oder die Kontaktdaten austauschen möchte. Beides habe sie verneint. Er habe heute (11.02.2019) ein Lichtbild vom Schaden an seinem Fahrzeug mitgebracht, worauf derselbe in Form eines Kratzers am linken Seitenspiegel ersichtlich sei.

6.) Zu diesem Beweisergebnis äußerte sich die nunmehrige Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 27.02.2019 und führte insbesondere zum angegebenen Schaden aus, dass sie, nachdem sie der Lenker des gegnerischen Fahrzeuges angehalten habe, ausgestiegen sei und sich den Seitenspiegel seines PKWs angesehen hätte. Dabei hätte sie keinerlei Schaden erkennen können. Dies ergebe sich auch aus dem von ihr vorgelegten Foto. Auf dem dem Zeugenprotokoll beigefügten Foto sei aufgrund der schlechten Qualität überhaupt nichts zu erkennen. Ihr eigener Seitenspiegel und dessen Lackierung sei jedenfalls intakt. Es sei jedenfalls denkbar, dass ein leichtes Anstoßen der beiden Seitenspiegel erfolgt sei, ohne dass dabei ein Sachschaden entstanden sei.

7.) In der Folge erging das vorliegende Straferkenntnis.

8.) In der Rechtssache fand am 22.10.2020 eine öffentliche mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Wien statt, an welcher die Beschwerdeführerin persönlich, deren anwaltliche Vertreterin, sowie Herr G. H. als Zeuge teilnahmen.

Die belangte Behörde hat auf die Teilnahme an der Verhandlung verzichtet.

Die Beschwerdeführerin gab folgende Angaben zu Protokoll:

Hinsichtlich des konkreten Ablaufes des verfahrensgegenständlichen Sachverhaltes verweise ich ebenfalls auf mein bisheriges schriftliches Vorbringen. Ergänzend führe ich aus, dass ich im Begriffe war, im Tatzeitpunkt eines meiner Kinder mit meinem Auto zur Großmutter zu bringen. Zu diesem Zweck musste ich durch die D.-gasse in Richtung Wienfluss fahren. Meiner Erinnerung nach herrschte reges Verkehrsaufkommen, konkret Stop & Go Verkehr. Mir ist der gegenständliche Tatort durchaus gut bekannt; ich wohne in J. und befahre die D.-gasse regelmäßig. Diese Gasse ist im Bereich der ONR 3b tatsächlich sehr eng und musste ich dem Unfallgegner ausweichen, der sein Fahrzeug auf der Gegenfahrbahn zum Stillstand gebracht hatte. Zu diesem Zweck bin ich auch auf den Gehsteig aufgefahren, da für mich klar war, dass ein Passieren ohne zumindest Berührung der Seitenspiegel, nicht möglich gewesen wäre.

Über Vorhalt von drei Aufnahmen aus Google Maps gebe ich an, dass es sich dabei um die gegenständliche Straßenstelle handelt. Nachdem ich dem Unfallgegner ausgewichen bin, bin ich wieder auf die Fahrbahn runtergefahren und konnte problemlos weiterfahren. Dies unter anderem auch deshalb, weil hinter dem Fahrzeug des Unfallgegners keine weiteren Fahrzeuge gestanden sind. Eigentlich hätte ja auch der Unfallgegner zurücksetzen können.

Ich schließe aus, dass ich beim Vorbeifahren am Fahrzeug des Unfallgegners irgendeine akustische oder haptische Wahrnehmung im Zusammenhang mit einem allfälligen Kontakt der Seitenspiegel auf den jeweiligen Fahrerseiten hatte. Ich schließe auch aus, dass sich mein Seitenspiegel ein- und wieder ausgeklappt hat als Folge eines allfälligen Kontaktes. Ich hatte keinen Sichtkontakt mit dem Unfallgegner, da ich mit dem Auslenken über den Gehsteig ziemlich beschäftigt war. Dieser Umstand hat meine Aufmerksamkeit in Anspruch genommen. Ich habe auch keinerlei Wahrnehmung bezüglich einer allfälligen Reaktion des Unfallgegners gehabt, sei es auch nur akustischer Art. Ich meine mich zu erinnern, sämtliche Fenster meines Fahrzeuges geschlossen gehabt zu haben.

Der Unfallgegner ist mir dann offensichtlich nachgefahren und hat mich in der E.-straße bergabfahrend überholt und mich dann mehr oder weniger zum Anhalten genötigt. Für mich war in diesem Moment klar, dass es sich bei dem vor mir stehenden Fahrzeug um jenes handeln muss, dem ich in der D.-gasse ausgewichen bin. Der Unfallgegner stieg dann aus und sagte zu mir, dass „wir da oben angefahren seien“. Ich fragte ihn dann, ob er denn einen Schaden hätte. Diese Frage konnte er nicht beantworten, was mich dazu veranlasste, ihm vorzuschlagen, einen allfälligen Schaden gemeinsam zu begutachten. Der Unfallgegner hat von sich aus keinen konkreten Schaden genannt und letztlich aber gemeint, dass ein solcher nur an den beiden Seitenspiegeln entstanden sein könne. Wir haben dann beide in Frage kommenden Spiegel eingehend betrachtet und habe ich mit meinem Mobiltelefon auch entsprechende Aufnahmen angefertigt, die ich nunmehr vorlege und als Beilagen ./A bis ./C zum Akt genommen werden.

Ich habe auf dem Seitenspiegel des Unfallgegners definitiv keine Beschädigungen erkennen können, insbesondere auch keinen Kratzer oder eine Lackabschürfung. Am ehesten konnte ich noch mit sehr viel Willen einen leichten farblosen Abrieb erkennen können, etwa in der Art, wenn man mit einem Radiergummi über eine glatte Fläche fährt. Auch an meinem Fahrerseitenspiegel war definitiv keine Beschädigung erkennbar. Ich hatte nicht den Eindruck, dass der Unfallgegner selbst einen konkreten Schaden an seinem Spiegel wahrgenommen hat. Er sagte dann auch, dass wir die Sache auch so regeln könnten, dass ich ihm ein bisschen Geld gebe und damit alles erledigt sei. Da ich tatsächlich keinen Schaden erkannt habe, habe ich dieses Ansinnen abgelehnt, was den Unfallgegner dazu veranlasste, mir zu sagen, dass er in diesem Fall Anzeige erstatten müsse. Dies habe ich zur Kenntnis genommen. Ich wurde vom Unfallgegner auch noch gefragt, ob er meine Kennzeichen fotografieren könne, wogegen ich keine Einwände hatte. Auch ich habe sein Kennzeichen fotografiert (Beilage ./A).

Über Vorhalt der Angaben des Zeugen H. im Rahmen seiner zeugenschaftlichen Aussage vor der belangten Behörde am 11.02.2019, wonach ich gesagt hätte, dass ich wisse, dass ich im angefahren sei, daran aber nicht schuld sei, gebe ich an, dass diese Aussage definitiv unrichtig ist. Zum konkreten Ablauf verweise ich auf meine soeben gemachten Angaben.

Ich wurde im Gefolge dieses Sachverhaltes tatsächlich nie von der gegnerischen Haftpflichtversicherung angeschrieben oder aufgefordert, irgendwelche Zahlungen zu leisten. Ich gehe auch davon aus, dass meine Haftpflichtversicherung einen allfälligen Schaden nicht beglichen hat.

Befragt von ihrer anwaltlichen Vertreterin gab die Beschwerdeführerin weiter an:

Ich kann mich nicht erinnern, durch den Unfallgegner zum Vorweisen eines Lichtbildausweises aufgefordert oder dazu ersucht worden zu sein. Ich selbst habe allerdings gleichartiges ebenfalls nicht verlangt. Ich habe lediglich gefragt, ob ich auch sein Kennzeichen fotografieren dürfe.

Der Unfallgegner ist relativ rasch in die verfahrensgegenständliche Engstelle eingefahren, wohingegen ich mich bergauffahrend relativ langsam angenähert habe und, nachdem der Unfallgegner sein Fahrzeug zum Stillstand gebracht hat, demselben über dem Gehsteig ausgewichen bin.

Herr G. H. gab – als Zeuge befragt – folgende Aussage zu Protokoll:

Ich war eben im Begriff, wie jeden Morgen auf meine Dienststelle in der K. zu fahren. Der kürzeste und schnellste Weg führt mich dabei unter anderem durch die D.-gasse. Ich befand mich in einer Kolonne, die auf der Höhe der ONR 3b dann zum Stillstand kam, wobei ich vermute, dass dies deshalb der Fall war, weil die entgegenkommende Beschwerdeführerin den seitlichen Sicherheitsabstand nicht eingehalten hat.

Über Vorhalt von drei Auszügen aus Google Maps mit dem verfahrensgegenständlichen Tatort gebe ich an, dass der Kontakt der Fahrzeuge ziemlich genau auf der Höhe der Garageneinfahrt der ONR 3b stattgefunden hat; an dieser Stelle ist meiner Ansicht nach die D.-gasse am engsten. Das Fahrzeug der Beschwerdeführerin hielt kurz an, wobei in diesem Zeitpunkt beide Außenspiegel noch etwa 10 cm voneinander entfernt waren, allerdings schon überlappend. Die Beschwerdeführerin ist dann wieder angefahren, wobei es zum Kontakt beider Seitenspiegel kam und dann weitergefahren. Aufgrund des Kontaktes der Spiegel ist meiner kurz eingeklappt und wurde dann durch eine Feder wieder in seine ursprüngliche Stellung gezogen. Der Spiegel der Unfallgegnerin hat sich demgegenüber nicht bewegt. Dies habe ich genau beobachtet. Ich habe auch die Lenkerin gesehen, allerdings keinerlei Reaktion ihrerseits auf den Kontakt der Außenspiegel bemerkt. Ob ihr die Sache einfach egal war oder sie einfach den Kontakt nicht wahrgenommen hat, kann ich nicht angeben.

Ich habe mein Fahrzeug dann bei nächster Gelegenheit gewendet und bin der Beschwerdeführerin nachgefahren. Dabei hatte ich immer Sichtkontakt. In diesem Zeitpunkt hatte ich noch nicht nach einem allfälligen Schaden an meinem Spiegel gesehen. In der E.-straße konnte ich mich dann vor das Fahrzeug der Beschwerdeführerin setzen und aufgrund eines Rückstaus vor einer Verkehrsampel zum Anhalten bewegen. Ich stieg aus, klopfte an die Scheibe und fragte sie, ob ihr bewusst sei, dass sie an mein Fahrzeug angefahren sei. Die Beschwerdeführerin hat dies dann bejaht, aber gesagt, dass sie bergauf gefahren sei und aufgrund dessen Vorrang gehabt hätte. In der Folge fragte mich die Beschwerdeführerin dann, ob ich einen Schaden hätte. Dies veranlasste mich zu meinem Außenspiegel zu gehen und diesen zu untersuchen. Dabei habe ich einen Kratzer im Lack festgestellt. Zur Objektivierung dieses Schadens lege ich nunmehr vor 4 Farbfotos meines Außenspiegels, wobei drei davon zu unterschiedlichen Zeitpunkten aufgenommen wurden (Beilagen ./D bis ./G zum Akt) sowie einen Kostenvoranschlag … über einen Reparaturaufwand in Höhe von 175, 97 Euro (wird in Kopie als Beilage ./H zum Akt genommen). Insbesondere auf Beilage ./E und auch ein wenig auf Beilage ./F ist der Kratzer erkennbar. Der Lack ist aufgeraut und kann man dies erspüren, wenn man mit dem Finger drüberfährt. Ich habe von dem Vorfall auch meine Haftpflichtversicherung verständigt, die Reparatur aber noch nicht durchführen lassen.

Ich fahre einen VW … mit dem Baujahr 2006. In diesem Zusammenhang schließe ich aus, dass der von mir eingewendete Schaden schon vor dem Tatzeitpunkt vorhanden war. Dies deshalb, weil der Vorbesitzer des PKW Teile der Motorhaube und die lackierten Teile der Außenspiegel mit einer Folie überklebt hatte, die ich wenige Tage vor dem Tatzeitpunkt selbst entfernt habe. Die Folie hatte eine schwarze Färbung (allenfalls schwarz-Carbon) und nehme ich an, dass dieselbe zu optischen Zwecken diente. Den Kostenvoranschlag laut Beilage ./H habe ich erst am 12.10.2020 erstellen lassen, da ich ursprünglich gar nicht vorgehabt habe, den Spiegel alleine neu lackieren zu lassen und der Farbzustand des Fahrzeuges insgesamt nicht mehr der Beste ist. Es verfügt auf der linken Seite über einen Vandalismusschaden und auf der Motorhaube über einen normalen Lackschaden (Ablösungen).

Ich habe die Beschwerdeführerin in der E.-straße auch gefragt, ob sie einen Unfallbericht ausfüllen wolle und hat sie dies verneint. Auch habe ich gemeint, dass man die Angelegenheit auch anders regeln könne. Alle meine Vorschläge wurden allerdings prompt verneint.

Im Zuge der Anzeigenerstattung habe ich dann einem Beamten ein Bild auf meinem Mobiltelefon gezeigt, auf dem der Kratzer grundsätzlich ganz leicht erkennbar ist. Deshalb habe ich dann auch vor Ort und Stelle noch ein weiteres Bild angefertigt, dass ich als Beilage ./F vorgelegt habe.

Befragt durch die anwaltliche Vertreterin der Beschwerdeführerin gab der Zeuge weiters an:

Die Beschwerdeführerin fuhr im Vorfallszeitpunkt einen dunkelgrünen PKW der Marke Skoda …. Ursprünglich hatte ich nicht vor, den Schaden beheben zu lassen, da der Lack des Polos schon deutliche Altersspuren aufweist und auch schon der von mir oben angegebene Vandalismusschaden vorhanden war. Der Kratzer war nur sehr klein und hätte mir allenfalls auch nur eine Entschuldigung der Beschwerdeführerin gereicht. Die persönlichen Daten der Beschwerdeführerin hätte ich aber in jedem Fall haben wollen und auch gebraucht; nur auf eine Anzeige hätte ich verzichtet.

Ich habe den Schaden bei meiner Versicherung gemeldet und von dieser dann die Auskunft erhalten, dass die Unfallgegnerin bei der L. versichert sei. Dieses Schreiben ist vom 01.10.2018, also noch vom Vorfallstag.

Die Folie ließ sich bei einer Temperatur von 50°C relativ leicht abziehen. Dabei ist jedenfalls auf dem Seitenspiegel kein Schaden entstanden.

Neuerlich befragt vom VH-Leiter gab der Zeuge an:

Ich schließe aus, dass der gegenständlich relevante Schaden allenfalls schon vorhanden war, als ich die Folie vom Seitenspiegel abzog.

Die Vertreterin der Beschwerdeführerin führte ergänzend aus:

Ausschließlich auf Beilage ./E ist irgendetwas erkennbar, das allenfalls ein Kratzer im Lack sein könnte. Auf den Beilagen ./F ./G und /.D ist definitiv nichts erkennbar. Dabei handelt es sich ausnahmslos um Aufnahmen, die im zeitlichen Nahebereich aufgenommen wurden, wohingegen Beilage ./E am 14.10.2020 aufgenommen wurde. Gleiches gilt für den Kostenvoranschlag … (Beilage ./H) der offensichtlich in Reaktion auf die gerichtliche Aufforderung zur Objektivierung des Schadens angefertigt wurde. Der Zeuge konnte darüber hinaus keine Versicherungsmeldung vorlegen, sondern hat nur von einer Verständigung seiner Haftpflichtversicherung über die Person der Unfallgegnerin gesprochen.

Ein Schaden am gegnerischen Fahrzeug ist daher nicht objektiviert bzw. reichen die entsprechenden Beweise nicht aus, um die gegen die Beschwerdeführerin gerichteten Vorwürfe aufrecht zu erhalten. Entgegen den Angaben des Zeugen war und ist der Skoda der Beschwerdeführerin blau und nicht grün oder graugrün oder was auch immer.

Nach Schluss des Beweisverfahrens verzichtete die Beschwerdeführerin auf Schlussausführungen sowie die sofortige Verkündung des Erkenntnisses.

Das Verwaltungsgericht Wien hat erwogen:

9.) Rechtslage

Gemäß § 4 Abs. 1 StVO haben alle Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhange steht,

         a)       wenn sie ein Fahrzeug lenken, sofort anzuhalten,

-------

         c)       an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken.

Gemäß Abs. 5 leg. cit. haben die im Abs. 1 genannten Personen, wenn bei einem Verkehrsunfall nur Sachschaden entstanden ist, die nächste Polizeidienststelle vom Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub zu verständigen. Eine solche Verständigung darf jedoch unterbleiben, wenn die im Abs. 1 genannten Personen oder jene, in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, einander ihren Namen und ihre Anschrift nachgewiesen haben.

Der "Normzweck" des § 4 Abs 5 StVO besteht darin, die Identität des Beteiligten für allfällige Schadenregelungen festzustellen, liegt es doch auf der Hand, dass die Kenntnis des Namens und der Anschrift des am Verkehrsunfall beteiligten gegnerischen Fahrzeuglenkers bei der Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen - gegenüber wem auch immer - maßgebende Bedeutung hat (VwGH 07.07.1989, 89/02/0062, VwGH 20.01.1993, 92/02/0295).

Eine Verständigung der nächsten Sicherheitsdienststelle im Sinne des ersten Satzes des § 4 Abs 5 StVO darf nach dem zweiten Satz der genannten Bestimmung nur unterbleiben, wenn die im § 4 Abs 1 leg cit genannten Personen, oder jene, in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, einander ihren Namen und ihre Anschrift nachgewiesen haben (VwGH 04.03.1992, 92/02/0041, VwGH 20.01.1993, 92/02/0295).

Ist ein Identitätsnachweis nicht erfolgt und liegt eine Verständigungspflicht nach § 4 Abs. 5 StVO vor, hat es auch zu einer amtlichen Aufnahme des Tatbestandes gemäß § 4 Abs. 1 lit. c StVO zu kommen (VwGH vom 29.10.2019, Ra 2019/02/0062).

Wesentliche Voraussetzung für die Verständigungspflicht nach § 4 Abs 5 StVO 1960 ist der tatsächliche Eintritt eines Verkehrsunfalls mit Sachschaden, sowie das Wissen oder fahrlässige Nichtwissen des Täters vom Eintritt eines derartigen Schadens (vgl. VwGH 11.09.1979, ZfVB 1980/4/1233, VwGH 24.10.1984, Zl. 84/02/0038 uva.).

Für einen Schuldspruch wegen Übertretung des § 4 Abs 5 leg. cit. genügt die bloße Möglichkeit einer Verursachung eines Schadens an dem beteiligten Fahrzeug nicht. Vielmehr ist von der Behörde der Beweis für einen Sachschaden zu liefern (VwGH vom 25.02.1983, 83/02/0236).

10.) Nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung und nach weitgehender Ausschöpfung der dem Verwaltungsgericht Wien zur Verfügung gestandenen Beweismittel wird nunmehr als erwiesen erachtet, dass die Beschwerdeführerin zu dem im Straferkenntnis angeführten Zeitpunkt an dem dort genannten Ort ihr Fahrzeug Skoda mit dem Kennzeichen W-1 in Fahrtrichtung E.-straße lenkte und beim Versuch, dem auf der Gegenfahrbahn zum Stillstand gekommenen und vom Aufforderer H. gelenkten PKW VW mit dem Kennzeichen W-2 auszuweichen, mit ihrem fahrerseitigen Seitenspiegel denjenigen des VW leicht streifte, wobei der Seitenspiegel des VW kurz ein- und sodann bauartbedingt sofort wieder in die ursprüngliche Stellung zurückklappte. Der Seitenspiegel der Beschwerdeführerin hat sich demgegenüber nicht bewegt. Das Beweisverfahren hat in diesem Zusammenhang keinen zwingenden Hinweis darauf hervorgebracht, dass der Beschwerdeführerin objektive Umstände (ein Anstoßgeräusch oder Ähnliches) zu Bewusstsein hätten kommen müssen oder bei gehöriger Aufmerksamkeit hätten kommen können, aus denen sie die Möglichkeit eines Verkehrsunfalls mit wenigstens einer Sachbeschädigung zu erkennen vermocht hätte. Vielmehr hat sie glaubwürdig dargelegt, in diesem Moment ihre Aufmerksamkeit voll auf das Ausweichmanöver konzentriert zu haben, zu dessen Ausführung sie auch kurz auf den Gehsteig lenken habe müssen. Unbestritten ist ferner, dass der Anstoß nur von leichter Intensität war und bei nur geringer Geschwindigkeit erfolgt ist.

In der Folge hat der Aufforderer H., ohne seinen Seitenspiegel auf eine allfällige Beschädigung zu überprüfen, sein Fahrzeug gewendet und ist der Beschwerdeführerin bei ständigem Sichtkontakt nachgefahren, um sie letztlich in der E.-straße zum Anhalten zu bewegen und sie mit dem Zusammenstoß in der D.-gasse zu konfrontieren. Erst eine entsprechende Frage der Beschwerdeführerin nach einem allfälligen Schaden veranlasste den Aufforderer H. sodann, seinen Seitenspiegel auf einen Schaden zu überprüfen und einen Kratzer im Lack zu reklamieren.

11.) Unter der Annahme eines bei dem Zusammenstoß in der D.-gasse tatsächlich eingetretenen Sachschadens wären die Beschwerdeführerin und der Unfallgegner H. nunmehr gehalten gewesen, einander ihren Namen und ihre Anschriften nachzuweisen, oder jeweils der Verpflichtung gemäß § 4 Abs. 5 erster Satz StVO nachzukommen, da nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Weigerung eines an einem Verkehrsunfall Beteiligten, das Schadensereignis zur Kenntnis zu nehmen, wenn er ohne selbst von dem Unfall etwas bemerkt zu haben, von jemandem auf das Schadensereignis aufmerksam gemacht worden ist, nicht von der Verpflichtung des § 4 Abs 5 StVO 1960 befreit. Zweck des Identitätsnachweises iSd § 4 Abs 5 letzter Satz StVO 1960 ist es nämlich nicht, an Ort und Stelle festzustellen, ob ein Sachschaden von einem Unfall herrührt, ob die Angaben des am Unfall Beteiligten stimmen und überhaupt das Verschulden an einem Unfall zu klären, sondern nur den am Unfall beteiligten Fahrzeuglenkern die Möglichkeit zu geben, ohne unnötigen Aufwand und Schwierigkeiten klarstellen zu können, mit wem man sich hinsichtlich der Schadensregelung in der Folge auseinanderzusetzen haben wird (vgl. VwGH vom 21.09.1983, 83/03/0033). Ist daher jemand auf seine Beteiligung an einem Unfall, von dessen Eintritt er selbst nichts bemerkt hat, aufmerksam gemacht worden, wurde er/sie nicht von der durch § 4 normierten Verpflichtungen befreit, wenn er/sie lediglich bestreitet, dass sein Verhalten am Unfallort mit dem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang gestanden sei

12.) Die Beschwerdeführerin bestreitet allerdings den Eintritt eines relevanten Sachschadens iSd § 4 Abs. 5 StVO.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt ein relevanter Sachschaden iSd § 4 Abs. 5 StVO nur dann vor, wenn eine Person einer anderen Person einen Vermögensschaden zufügt (VwGH v. 18.12.1979; Zl. 1880/79). Diesfalls lösen auch nur geringfügige Beschädigungen, wie etwa leichte Lackschäden etc, die Verständigungspflicht aus (vgl. VwGH vom 04.10.1973, Zl. 1229/72). Entfernbare Lackspuren, Beschmutzungen oder Gummiabrieb (ohne Lackspuren oder bleibende Verformung der Karosserie) sind grundsätzlich nicht als Sachschäden iSd zitierten Bestimmung zu qualifizieren (VwGH vom 10.01.1984; Zl. 82/02/0022).

Wenngleich der Zeuge H. im Rahmen seiner Aussage durchaus glaubwürdig gewirkt hat, ohne dabei aber die Beschwerdeführerin an Glaubwürdigkeit zu übertreffen, erweist sich zumindest sein Vorbringen zu der an seinem Fahrzeug entstandenen Beschädigung als einigermaßen widersprüchlich. Auffallend ist zunächst, dass der Zeuge H. - ohne überhaupt einen Sachschaden realisiert bzw. nach einem solchen gesehen zu haben - sein Fahrzeug gewendet und der Beschwerdeführerin nachgefahren ist und erst über deren gezielte Frage nach einer allfälligen Beschädigung seinen Außenspiegel begutachtet hat.

Sowohl die Beschwerdeführerin als auch der Unfallgegner H. haben am Anhalteort in der E.-straße mit ihren Mobiltelefonen qualitativ gute Farbbilder der verfahrensgegenständlichen Seitenspiegel gemacht (Beilagen: ./B, ./C und ./G), auf welchen tatsächlich keine Beschädigung(en) erkennbar ist (sind). Darüber hinaus hat der Unfallgegner H. im Zeitpunkt der Erstattung der verfahrensgegenständlichen Anzeige vor der PI M. zwei weitere Aufnahmen seines linken Seitenspiegels angefertigt (Beilagen ./D und ./F), auf welchen im oberen Spiegelgehäuse ein sich minimal von der restlichen roten Oberfläche unterscheidender etwa 4 - 5 cm langer, parallel zur Außenkante verlaufender „Abrieb“ erkennbar ist. Ein ähnlicher Abrieb ist auch auf einer weiteren durch den Unfallgegner H. angefertigten Aufnahme erkennbar (Beilage ./E), die allerdings erst zwei Jahre später am 14.10.2020 gemacht wurde. Wenngleich der Zeuge H. diesen Abrieb zunächst als Kratzer im Lack qualifizierte, hat er diese Behauptung insoweit dahingehend relativiert, dass der Lack lediglich aufgeraut sei, was man erspüren könne, wenn man mit dem Finger darüberfahre.

Bei dem Fahrzeug des Zeugen H. handelt es sich um einen VW … mit dem Baujahr 2006, wobei der Zeuge selbst angab, dass der Farbzustand des Wagens insgesamt nicht mehr der beste sei und auf der linken Fahrzeugseite ein Vandalismusschaden, sowie auf der Motorhaube Lackablösungen vorhanden seien. Der durch den Zeugen H. eingeholte Kostenvoranschlag … vom 12.10.2020 (Beilage ./H) wurde zwei Jahre nach dem gegenständlichen Vorfall erstellt und listet lediglich die Kosten für eine komplette Neulackierung des betroffenen Seitenspiegels auf, ohne aber eine Aussage darüber zu treffen, welcher „Schaden“ vorliegt und ob sich derselbe auch anders beseitigen ließe.

Vor diesem Hintergrund kann aber ein durch den verfahrensgegenständlichen Verkehrsunfall allenfalls verursachter Sachschaden nicht mit der für ein Verwaltungsstrafverfahren gemäß den Bestimmungen des § 4 Abs. 1 lit. a und c bzw. Abs. 5 StVO erforderlichen Sicherheit objektiviert werden, zumal nach den vorliegenden Beweisergebnissen offensichtlich lediglich ein Art Abrieb vorliegt, wie er üblicherweise entsteht, wenn man mit einem Kunststoffteil unter einem gewissen Druck eine lackierte Oberfläche streift. Der Zeuge H. hat offengelassen, ob der Abrieb allenfalls anders als durch eine komplette Neulackierung des Spiegels entfernbar ist und zudem keinen Zweifel daran gelassen, dass der „Kratzer nur sehr klein gewesen sei“ und ihm angesichts des insgesamt schon deutliche Altersspuren aufweisenden Lacks seines Fahrzeuges auch eine Entschuldigung der Beschwerdeführerin gereicht hätte.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Unzulässigkeit der ordentlichen Revision

Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist die (ordentliche) Revision zulässig, wenn eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt, insbesondere weil das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs nicht einheitlich beantwortet wird.

Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung ist dann anzunehmen, wenn die Entscheidung des VwGH von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt. Einer Rechtsfrage kommt grundsätzliche Bedeutung zu, wenn sie über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung besitzt (VwGH 18.06.2014, Ra 2014/01/0029). Trotz fehlender Rechtsprechung des VwGH liegt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor, wenn die Rechtslage eindeutig ist oder bereits durch ein Urteil des EuGH gelöst wurde (VwGH 28.05.2014, Ra 2014/07/0053; 28.02.2014, Ro 2014/16/0010). Die Rechtsfrage muss eine solche sein, durch deren Lösung im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ein Eingriff in subjektive Rechte des Revisionswerbers im Sinne des Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG zumindest möglich ist. Für die Lösung abstrakter Rechtsfragen hingegen ist der VwGH nicht zuständig (VwGH 12.08.2014, Ra 2014/06/0015). Der VwGH ist als Rechtsinstanz tätig, zur Überprüfung der Beweiswürdigung ist er im Allgemeinen nicht berufen. Unter Beachtung dieses Grundsatzes kann der VwGH jedoch prüfen, ob das Verwaltungsgericht im Rahmen seiner Beweiswürdigung alle in Betracht kommenden Umstände vollständig berücksichtigt hat (VwGH 19.05.2014, Ra 2015/19/0091). Da im gegenständlichen Fall eine solche Rechtsfrage nicht vorliegt, war die (ordentliche) Revision nicht zuzulassen.

Schlagworte

Verkehrsunfall; Sachschaden; Anhaltepflicht; Meldepflicht; Mitwirkungspflicht; Identitätsnachweis

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2020:VGW.031.045.634.2020

Zuletzt aktualisiert am

21.01.2021
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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