TE Vwgh Erkenntnis 1997/6/26 95/16/0213

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Veröffentlicht am 26.06.1997
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Index

32/06 Verkehrsteuern;
98/01 Wohnbauförderung;

Norm

GrEStG 1955 §4 Abs1 Z2 lita;
WFG 1968 §2 Abs1;
WFG 1984 §2;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 95/16/0233

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hajicek, über die Beschwerde des Dr. H und der Dr. MW in L, beide vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in L, gegen die Bescheide der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom 8. Juni 1995, Zlen. 158/1-9/Mü-1995 (Erstbeschwerdeführer) und 159/1-9/Mü-1995 (Zweitbeschwerdeführerin), betreffend Grunderwerbsteuer, zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Abgabenerklärung vom 18. Juli 1983 zeigten die Beschwerdeführer den Erwerb der Liegenschaft EZ 23, KG, an. Sie machten Grunderwerbsteuerbefreiung wegen der beabsichtigten Errichtung von Arbeiterwohnstätten geltend. Der mit der Anzeige vorgelegte Kaufvertrag enthielt im Punkt VI die Erklärung, daß die Käufer die Errichtung mehrerer Arbeitwohnstätten beabsichtigten.

Mit Bescheiden vom 11. November 1992 wurde den Beschwerdeführern, ausgehend jeweils von der Hälfte des Kaufpreises, wegen Nichterfüllung des begünstigten Zweckes die Grunderwerbsteuer vorgeschrieben. In ihren dagegen erstatteten Berufungen gaben die Beschwerdeführer an, daß sie innerhalb von acht Jahren "ein Haus" errichtet hätten.

Anläßlich eines am 17. Mai 1993 vom Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern Linz (im folgende: Finanzamt) durchgeführten Lokalaugenscheins wurde folgendes festgestellt:

"Im gegenständlichen Haus befindet sich derzeit eine Wohneinheit, welche das Erdgeschoß und das Obergeschoß umfaßt. Im Erdgeschoß befinden sich keine Schlafräume. Die im Bauplan im Obergeschoß ausgewiesene Wohnküche wird derzeit als Elternschlafzimmer verwendet. Die Anschlüsse befinden sich laut Aussage des Herrn Dr. W unter Putz bzw. unter dem Fußboden und sind daher nicht sichtbar. Die Nutzfläche nach Naturmaßen beträgt im Erdgeschoß 124,32 m2 und im Obergeschoß 129,63 m2. Das Dachgeschoß ist derzeit nicht ausgebaut - Sparren sichtbar. Im Kellergeschoß befinden sich keine wohnlich ausgestatten Räume. Falls später im Obergeschoß für die Tochter der Abgabenpflichtigen eine eigene Wohneinheit eingerichtet wird, wird es sich um eine abgeschlossene und von der Erdgeschoßwohnung getrennte Wohneinheit handeln. .... Das Bezugsdatum laut Meldezettel war der 1. Dezember 1989. Die Benützungsbewilligung wurde am 10. April 1990 erteilt."

Ausgehend von diesen Feststellungen wies das Finanzamt mit Berufungsvorentscheidungen vom 2. Juli 1993 die Berufungen als unbegründet ab. Nach § 2 Z. 3 Wohnbauförderungsgesetz 1984 gelte als Wohnung eine zur ganzjährigen Benützung geeignete, baulich in sich abgeschlossene, normal ausgestattete Wohnung, die mindestens aus Zimmer, KÜCHE (KOCHNISCHE), Vorraum, Klosett und Badegelegenheit besteht. Da im Obergeschoß keine Kochgelegenheit eingerichtet war, könnten die Räume im Obergeschoß auch nicht als eigene Wohneinheit angesehen werden. Es befindet sich im Wohnhaus daher nur eine Wohneinheit, weshalb die Flächen der Räume im Erd- und Obergeschoß zusammenzurechnen war.

In ihrem Vorlageantrag brachten die Beschwerdeführer vor, sie hätten im Erdgeschoß und im Obergeschoß jeweils eine Arbeiterwohnstätte geschaffen. Der im Bauplan als Wohnküche vorgesehene Raum sei zwar derzeit als Küche noch nicht voll eingerichtet, sondern als Schlafzimmer genutzt, allerdings werde im Obergeschoß eine andere Räumlichkeit (im Plan als Abstellraum bezeichnet) als Küche genützt und sie sei mit entsprechenden Anschlüssen ausgestattet. Für die Qualifikation einer Arbeiterwohnstätte sei auch nur eine Kochnische ausreichend. Da auf diesen Raum anläßlich des Lokalaugenscheines nicht eingegangen worden sei, sei die Niederschrift vom 17. Mai 1993 unvollständig. Im übrigen hätte die Behörde den Zustand am 13. Juli 1991 (Ablauf der Achtjahresfrist) ermitteln müssen.

Darauf führte das Finanzamt am 13. Oktober 1993 einen neuerlichen Lokalaugenschein durch. Festgestellt wurde, daß ein Abstellraum im Obergeschoß als Wirtschaftsraum oder Teeküche bezeichnet werden könne. Dort befänden sich die erforderlichen Anschlüsse von Wasser, Strom und Abfluß; es wurden u.a. eine kleine Abwasch, ein kleines Küchenkasterl, eine Kochplatte, ein Mikrowellengerät, ein Regal mit Gläsern und Kaffeegeschirr festgestellt. Laut Aussage des Erstbeschwerdeführers seien beide Geschoße am 13. Juli 1991 fertiggestellt gewesen und es sei auch der gegenständliche Abstellraum mit sämtlichen Anschlüssen versehen und als Teeküche bzw. Wirtschaftsraum eingerichtet und genützt worden.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde den Berufungen keine Folge gegeben. Die belangte Behörde verwies auf den Lokalaugenschein vom 17. Mai 1993, bei dem festgestellt wurde, daß sich im Erdgeschoß kein Schlafzimmer befinde, sondern derzeit die im Obergeschoß befindliche "Wohnküche" als Elternschlafzimmer benützt werde. Es könne daher nicht von zwei abgeschlossenen Wohneinheiten die Rede sein, da zur vollständigen Nutzung der Erdgeschoßwohnung auch die Nutzung eines Raumes des Obergeschoßes erforderlich sei, und zwar zur Deckung des Schlafbedürfnisses. Wenn ein Raum einer an und für sich baulich getrennten Wohneinheit für zum Wohn- oder Schlafzwecke der Bewohner der anderen Wohneinheit genützt wird, könne von mehreren abgeschlossenen Wohneinheiten nicht mehr gesprochen werden.

In ihrer dagegen gerichteten Beschwerde erachten sich die Beschwerdeführer in ihrem Recht verletzt, nicht entgegen den Vorschriften des Grunderwerbsteuergesetzes 1955 Grunderwerbsteuer abführen zu müssen. Sie beantragen die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes, hilfsweise wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Der Bundesminister für Finanzen legte die Verwaltungsakten

und die Gegenschrift der belangten Behörde vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 4 Abs. 1 Z. 2 lit. a des hier anzuwendenden Grunderwerbsteuergesetzes 1995 (im folgenden: GrEStG) ist beim Arbeiterwohnstättenbau der Erwerb eines Grundstückes zur Schaffung von Arbeiterwohnstätten von der Grunderwerbsteuer befreit. Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist die Frage strittig, ob im gegenständlichen Haus zwei Arbeitwohnstätten mit einer Nutzfläche von 124,32 m2 im Erdgeschoß und 129,63 m2 im Obergeschoß oder nur EINE Wohneinheit geschaffen wurde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich im Erkenntnis vom 6. Juli 1979, Zl. 2327/76, mit einem vergleichbaren Sachverhalt befaßt und unter Hinweis auf die Vorjudikatur ausgeführt, daß eine Wohnung nur ein "in sich abgeschlossener" Teil eines Gebäudes sei. Allein die Aufteilung der Räume auf zwei Geschoße bilde an sich noch nicht eine bauliche In-sich-Abgeschlossenheit.

Allerdings haben im vorliegenden Fall die Beschwerdeführer ihre Absicht, zwei Arbeiterwohnstätten zu errichten, schon im Kaufvertrag dargetan. Wenn auch die belangte Behörde nicht den gesamten Bauakt, insbesondere nicht die Baubeschreibung beigeschafft hat, zeigen doch die im Akt befindlichen Pläne, daß die Errichtung zweier abgeschlossener Wohneinheiten beabsichtigt war. Im Erdgeschoß wie im Obergeschoß gelangt man jeweils vom Stiegenhaus durch eine Türe zur Diele, die dann jeweils zu den anderen Wohnräumlichkeiten führt. Damit unterscheidet sich der vorliegende Sachverhalt von jenen des Erkenntnisses vom 18. Jänner 1990, Zl. 86/16/0099, 0100, bei welchem man vom Stiegenhaus zum Flur der Räume im Obergeschoß durch einen Eingang OHNE Türe gelangte.

Von der baulichen Abgeschlossenheit geht offenbar auch die belangte Behörde durch die Qualifikation "einer an und für sich baulich getrennten Wohneinheit aus". Als befreiungsschädlich sah sie aber an, daß die Wohneinheit im Erdgeschoß nicht die die Kriterien einer Arbeiterwohnstätte erfüllende "Wohnung" sei.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausgeführt hat (siehe den Nachweis im Erkenntnis vom 19. Jänner 1994, Zl. 90/16/0163 und 0173, 0174), ist unter einer Wohnung ein (in sich abgeschlossener) Teil eines Gebäudes zu verstehen, der der Befriedigung des Wohnbedürfnisses des Wohnungsinhabers und seiner Familie im weitesten Sinne zu dienen bestimmt ist. Das Wohnbedürfnis umfaßt den Aufenthalt in den Wohnräumen, das Schlafen, das Kochen und Essen, die Möglichkeit der Unterbringung und Aufbewahrung von Kleidung, Wäsche und anderen Habseligkeiten. Die Wohnstätte muß nach ihrer Lage und Größe geeignet sein, einem dauernden Wohnbedürfnis zu dienen; innerhalb des Wohnverbandes muß ein WC enthalten sein.

Die belangte Behörde äußerte sich zur Auffassung des Finanzamtes, im Obergeschoß sei keine Kochgelegenheit vorhanden, nicht. Sie stützt ihre Ansicht, daß die Wohneinheit im Erdgeschoß keine "Wohnung" darstelle, allein darauf, daß der im Plan mit "Eltern" (-schlafzimmer) bezeichneten Raum als Bibliothek genützt wird, sodaß zur Deckung des Schlafbedürfnisses die Räume im Obergeschoß in Anspruch genommen werden müssen.

Der Befreiungstatbestand stellt auf die "Schaffung" und nicht auf die aktuelle Nutzung durch eine bestimmte Einrichtung ab. Entscheidend ist, daß die Räumlichkeiten, die dem begünstigten Zweck dienen, geschaffen werden, also baulich die widmungsgemäßen Merkmale aufweisen. Ein Abstellen auf die Zimmereinrichtung, welche jederzeit veränderbar ist, ist mit dem Begriff der "Schaffung" nicht mehr in Einklang zu bringen. Wurde ein Raum geschaffen, der baubehördlich als Schlafraum gewidmet und somit entsprechend geeignet ist, kann es keine Rolle spielen, ob aktuell sich dort ein Bett befindet oder nicht.

Im übrigen hat die belangte Behörde gar nicht festgestellt, ob sich am 13. Juli 1991 in diesem Raum eine Schlafgelegenheit befunden hat; die Schlußfolgerung, "es ist zu Recht davon auszugehen, daß diese Art der Nutzung seit Bezug des Wohnhauses am 1. Dezember 1989 so gehandhabt wird", ist durch den Akteninhalt nicht gedeckt, weil jene Passage in der Niederschrift vom 13. Oktober 1993 sich nur auf den Abstellraum (Wirtschaftsraum bzw. Teeküche) im Obergeschoß bezieht.

Die rechtliche Schlußfolgerung der Behörde, es könne von zwei abgeschlossenen Wohneinheiten nicht die Rede sein, ist allein aufgrund der festgestellten Inneneinrichtung des als Elternschlafzimmer bezeichneten Raumes nicht gedeckt. Allerdings ist damit noch nicht geklärt, ob im Obergeschoß eine den Kriterien einer Arbeiterwohnstätte entsprechende Wohneinheit besteht. Die belangte Behörde hat es nämlich unterlassen, eine Qualifikation des von ihr als "Wirtschaftsraum oder Teeküche" bezeichneten Raumes dahingehend vorzunehmen, ob er unter Berücksichtigung der für Küchen erforderlichen baulichen Voraussetzungen überhaupt als KÜCHE FÜR DIESE WOHNUNG angesehen werden kann.

Es bestehen insbesondere aufgrund der im Akt befindlichen Fotos erhebliche Zweifel, ob jener 1,2 mal 2,69 m2 große Raum als Küche einer 129,63 m2 großen Wohnung geeignet sein kann. Der in den Fotos ersichtliche Kaltwasserhahn mag für einen Zulauf zu einer Waschmaschine dienlich sein, kann aber neuzeitlichen Anforderungen an eine Küchenausstattung mit zumindest fließendem Kalt- und Warmwasser kaum entsprechen.

Jedenfalls belastete die belangte Behörde dadurch, daß sie eine Feststellung dahingehend unterließ, ob sich auch im Obergeschoß eine "Küche" befindet, ihre Bescheide mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Sie waren daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 lit. b) VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 460/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1995160213.X00

Im RIS seit

03.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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