TE Bvwg Erkenntnis 2020/5/12 W282 2228080-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 12.05.2020
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Entscheidungsdatum

12.05.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §57
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3
VwGVG §28 Abs3

Spruch

W282 2228080-1/6E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter Mag. Florian KLICKA, BA als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA.: Serbien, vertreten durch den Verein Menschenechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX :

A)

Der angefochtene Bescheid wird hinsichtlich Spruchpunkt VI. gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG aufgehoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang/Feststellungen

1. Am Abend des XXXX .12.2019 wurde der Beschwerdeführer (BF) von Beamten der Landespolizeidirektion Wien zusammen mit seinem Vater und seiner Mutter dabei beobachtet, als er bei winterlichem Wetter in Wien XXXX vor einem KfZ mit geöffnetem Kofferraum stand, wobei der BF und sein Vater mit neongelben Westen mit der Aufschrift " XXXX " bekleidet waren. Im Inneren des Fahrzeugs (Kofferraum) befanden sich diverse Kübel und Schaufeln sowie verstreuter Kies und Unterlagen über für den Winterdienst zu kontrollierenden Straßenzüge.

2. Der BF, sein Vater und seine Mutter wurden in Folge einer fremdenrechtlichen Kontrolle unterzogen und anschließend in eine Polizeiinspektion in Wien XXXX wegen des Verdachts einer gegen das Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) verstoßenden Erwerbstätigkeit verbracht. Über telefonische Kontaktierung konnte der - lt. Polizeibericht - "Chef" der genannten Personen namens XXXX die Reisepässe des Vaters und der Mutter des BF auf die genannte PI überbringen. Dabei soll dieser angegeben haben, er habe den BF sowie dessen Vater und Mutter gebeten, ihm an diesem Tag mit dem Winterdienst im Bereich der in den vorgefundenen Unterlagen vermerkten Straßenzügen zu helfen. Im Polizeibericht wird weiters festgehalten, dass der BF kaum der deutschen Sprache mächtig ist. In weiterer Folge wurde der BF noch am selben Tag nach dem BFA-VG festgenommen mit seinen Verwandten in das Polizeianhaltezentrum Rossauer Lände überstellt.

3. Am XXXX .12.2019 wurde der BF vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA oder belangte Behörde) niederschriftlich unter Beiziehung eines Dolmetschers einvernommen. Dabei gab er an, am 28.11.2019 eingereist zu sein und bei seinem Cousin in Wien 21 Unterkunft genommen zu haben. Er verfüge in genannter Wohnung über 370 - 380 ? an Barmitteln, hinsichtlich seines Berufs gab er an, er kaufe so wie verkaufe in Serbien Gebrauchtwagen. Seine Familie (seine Lebensgefährtin und sein Kind) hielten sich in Serbien auf. Zur Vorwurf der "Schwarzarbeit" wurden dem BF dabei lediglich zwei Fragen gestellt (Auszug aus der Niederschrift):

Bild kann nicht dargestellt werden

[..]

Weitere Fragen zu den Umständen der Tätigkeit an jenem Abend, vor allem warum ihn seine Mutter und sein Vater bei der Winterdienstaushilfe begleitet haben und zu dem behaupteten Verwandtschaftsverhältnis mit XXXX wurden seitens der belangten Behörde nicht gestellt. Ebenso wenig wurde der BF zu möglichen Familienangehörigen im Bundesgebiet befragt. Auch wurden keine weiteren Zeugen im ggst. Verfahren einvernommen. Der BF wurde schließlich am XXXX .12.2019 aus der Anhaltung entlassen.

4. Mit Bescheid vom XXXX .12.2019 zur im Spruch genannter Zahl wurde dem Beschwerdeführer kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt, eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen, festgestellt, dass seine Abschiebung nach Serbien zulässig sei und keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt (Spruchpunkte I.-IV.). Unter einem wurde einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.) und gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von drei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VI.) Begründend führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Wesentlichen aus, dass der BF bei der "Schwarzarbeit" betreten worden sei und somit sein visumfreier Aufenthalt unrechtmäßig geworden sei. Der BF habe selbst angegeben, dass er in Österreich keiner Beschäftigung nachgehen dürfe. Er habe bei seinem "Schwiegersohn" ungemeldet Unterkunft genommen. Für das Einreiseverbot würden die Tatbestände des § 53 Abs. 2 Z 6 (Besitz der Mittel für den Unterhalt kann nicht nachgewiesen werden) und Z 7 FPG (Betretung bei einer gegen das AuslBG verstoßenden Beschäftigung) herangezogen, weswegen der BF eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellen würde.

5. Am XXXX .12.2019 reiste der BF aus dem Bundesgebiet freiwillig aus.

6. Mit der am XXXX .01.2020 eingelangten Beschwerde erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde gegen den im Spruch genannten Bescheid, jedoch beschränkt auf dessen Spruchpunkt VI. (Einreiseverbot). Dabei brachte er zusammengefasst vor, es sei mehr als nur zweifelhaft, dass im ggst. Fall "Schwarzarbeit" vorliege, da er gemeinsam mit seinem Vater und seiner Mutter im Sinne eines Verwandtschaftsdienstes seinem Schwager ( XXXX ) nur ausgeholfen habe, bei dem er auch Unterkunft genommen habe. Es sei keinerlei Entlohnung vereinbart worden. Eingereist sei der BF mit Vater und Mutter nur um seine erkrankte Schwester zu besuchen. Sein Schwager habe den BF sowie dessen Vater und Mutter, weil er mit dem Winterdienst - den dieser beruflich versehe - überfordert war, ersucht einige Straßenzüge auf Glatteis zu kontrollieren. Weiters lebe eben die Schwester des BF in Österreich, was die Behörde bei der Bemessung des Einreiseverbots nicht beachtet habe. Auch stimme es nicht, dass der BF die Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachweisen konnte, da er angab über ca. 380 Euro zu verfügen. Auch sei der BF deswegen in einer neongelben Schutzweste angetroffen worden, weil er eine Reifenpanne vor der polizeilichen Kontrolle gehabt habe. Der BF sei für niemanden eine Gefahr.

7. Die Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt langten am 29.01.2020 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

9. Es konnte mangels entsprechender Ermittlungen der belangten Behörde nicht festgestellt werden, ob der BF tatsächlich einer nach dem AuslBG zu qualifizierenden unerlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen ist und ob er über ausreichend Barmittel zur Bestreitung seines Unterhalts verfügt hat.

8. Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 04.03.2020 wurde die Rechtssache der Gerichtsabteilung G311 abgenommen und der Gerichtsabteilung W282 neu zugewiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den Verwaltungsakt des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, dort insbesondere in den Polizeibericht (AS 1f), in die Niederschrift der Einvernahme des BF vor dem Bundesamt (AS 21f) sowie in den bekämpften Bescheid und in den Beschwerdeschriftsatz.

Die Feststellungen zur Identität des BF, sowie den relevanten Geschehnissen am XXXX .12.2019 stützen sich auf den Behördenakt und den Polizeibericht (AS 1f). Hierzu ist jedoch anzumerken, dass den Angaben des BF im Rahmen der polizeilichen Einvernahme, die ohne Dolmetscher erfolgte, obwohl die Beamten selbst angeben, dass der BF kaum Deutsch spricht, kein hoher Beweiswert zukommt. Auch erscheint der Schluss, dass XXXX angegeben habe er sei tatsächlich der "Chef" des BF und dessen Vater - gemeint iSe arbeitsrechtlichen Vorgesetzen - kaum überzeugend wirkt. Es wäre auch möglich, dass im Sinne der Angaben des BF in seiner Einvernahme (vgl. Exzerpt in den Feststellungen), dies so zu verstehen ist, dass XXXX seine Verwandten als Verwandtschaftsdienst gebeten habe, ihm unentgeltlich zu helfen. Auch der BF gibt hierzu an, kein Entgelt erhalten zu haben, sondern nur seinem Schwager (Anm.: die Bezeichnung verschiedener Verwandter als "Cousin" ist im Sprach- und Kulturkreis des BF nicht ungewöhnlich) geholfen zu haben. Letztlich kann diese Frage, ebenso wie jene, ob der BF genug Mittel für seinen Unterhalt während seines Aufenthalts zur Verfügung hatte, aufgrund der gravierenden Ermittlungslücken der belangten Behörde nicht geklärt werden (vgl. Punkt 2.3f der rechtlichen Beurteilung). Dabei fällt es schon nicht mehr weiter ins Gewicht, dass das BFA ohne erkennbaren Grund eine Einreise am 30.11.2019 feststellt, wenn der BF mehrmals angab am 28.11.2019 eingereist zu sein. Von der belangten Behörde wurden weiters an den BF auch keine Fragen nach möglichen Familienangehörigen im Bundesgebiet gestellt, obwohl das Bundesamt selbst im angefochtenen Bescheid von einer Unterkunftnahme beim Schwager des BF - somit beim Ehemann seiner Schwester - ausgeht.

Die weiteren Feststellungen ergeben sich aus dem Behördenakt sowie dem bekämpften Bescheid und der Beschwerde.

2. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

2.1. Rechtsgrundlagen:

Der mit "Rückkehrentscheidung" betitelte § 52 FPG lautet wie folgt:

"(1) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich

1. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält oder

2. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde.

(2) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

1. dessen Antrag auf internationalen Schutz wegen Drittstaatsicherheit zurückgewiesen wird,

2. dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

3. ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

4. ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird

und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

(3) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG 2005 zurück- oder abgewiesen wird.

(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

1. nachträglich ein Versagungsgrund gemäß § 60 AsylG 2005 oder § 11 Abs. 1 und 2 NAG eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels entgegengestanden wäre,

1a. nachträglich ein Versagungsgrund eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Einreisetitels entgegengestanden wäre oder eine Voraussetzung gemäß § 31 Abs. 1 wegfällt, die für die erlaubte visumfreie Einreise oder den rechtmäßigen Aufenthalt erforderlich ist,

2. ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 oder 2 NAG erteilt wurde, er der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht und im ersten Jahr seiner Niederlassung mehr als vier Monate keiner erlaubten unselbständigen Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,

3. ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 oder 2 NAG erteilt wurde, er länger als ein Jahr aber kürzer als fünf Jahre im Bundesgebiet niedergelassen ist und während der Dauer eines Jahres nahezu ununterbrochen keiner erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,

4. der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund (§ 11 Abs. 1 und 2 NAG) entgegensteht oder

5. das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, aus Gründen, die ausschließlich vom Drittstaatsangehörigen zu vertreten sind, nicht rechtzeitig erfüllt wurde.

Werden der Behörde nach dem NAG Tatsachen bekannt, die eine Rückkehrentscheidung rechtfertigen, so ist diese verpflichtet dem Bundesamt diese unter Anschluss der relevanten Unterlagen mitzuteilen. Im Fall des Verlängerungsverfahrens gemäß § 24 NAG hat das Bundesamt nur all jene Umstände zu würdigen, die der Drittstaatsangehörige im Rahmen eines solchen Verfahrens bei der Behörde nach dem NAG bereits hätte nachweisen können und müssen.

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes auf Dauer rechtmäßig niedergelassen war und über einen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EU" verfügt, hat das Bundesamt eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 die Annahme rechtfertigen, dass dessen weiterer Aufenthalt eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen würde.

(6) Ist ein nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältiger Drittstaatsangehöriger im Besitz eines Aufenthaltstitels oder einer sonstigen Aufenthaltsberechtigung eines anderen Mitgliedstaates, hat er sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses Staates zu begeben. Dies hat der Drittstaatsangehörige nachzuweisen. Kommt er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach oder ist seine sofortige Ausreise aus dem Bundesgebiet aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich, ist eine Rückkehrentscheidung gemäß Abs. 1 zu erlassen.

(7) Von der Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß Abs. 1 ist abzusehen, wenn ein Fall des § 45 Abs. 1 vorliegt und ein Rückübernahmeabkommen mit jenem Mitgliedstaat besteht, in den der Drittstaatsangehörige zurückgeschoben werden soll.

(8) Die Rückkehrentscheidung wird im Fall des § 16 Abs. 4 BFA-VG oder mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar und verpflichtet den Drittstaatsangehörigen zur unverzüglichen Ausreise in dessen Herkunftsstaat, ein Transitland gemäß unionsrechtlichen oder bilateralen Rückübernahmeabkommen oder anderen Vereinbarungen oder einen anderen Drittstaat, sofern ihm eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht eingeräumt wurde. Liegt ein Fall des § 55a vor, so wird die Rückkehrentscheidung mit dem Ablauf der Frist für die freiwillige Ausreise durchsetzbar. Im Falle einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung ist § 28 Abs. 2 Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 auch dann anzuwenden, wenn er sich zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung nicht mehr im Bundesgebiet aufhält.

(9) Mit der Rückkehrentscheidung ist gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.

(10) Die Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 kann auch über andere als in Abs. 9 festgestellte Staaten erfolgen.

(11) Der Umstand, dass in einem Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung deren Unzulässigkeit gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG festgestellt wurde, hindert nicht daran, im Rahmen eines weiteren Verfahrens zur Erlassung einer solchen Entscheidung neuerlich eine Abwägung gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG vorzunehmen, wenn der Fremde in der Zwischenzeit wieder ein Verhalten gesetzt hat, das die Erlassung einer Rückkehrentscheidung rechtfertigen würde."

§ 53 Abs. 1 u 2 FPG lauten (auszugsweise) wie folgt:

53. (1) Mit einer Rückkehrentscheidung kann vom Bundesamt mit Bescheid ein Einreiseverbot erlassen werden. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten.

(Anm.: Abs. 1a aufgehoben durch BGBl. I Nr. 68/2013)

(2) Ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 ist, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens fünf Jahren zu erlassen. Bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbots hat das Bundesamt das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen mit einzubeziehen und zu berücksichtigen, inwieweit der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Drittstaatsangehörige

1. wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 20 Abs. 2 der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO), BGBl. Nr. 159, iVm § 26 Abs. 3 des Führerscheingesetzes (FSG), BGBl. I Nr. 120/1997, gemäß § 99 Abs. 1, 1 a, 1 b oder 2 StVO, gemäß § 37 Abs. 3 oder 4 FSG, gemäß § 366 Abs. 1 Z 1 der Gewerbeordnung 1994 (GewO), BGBl. Nr. 194, in Bezug auf ein bewilligungspflichtiges, gebundenes Gewerbe, gemäß den §§ 81 oder 82 des SPG, gemäß den §§ 9 oder 14 iVm § 19 des Versammlungsgesetzes 1953, BGBl. Nr. 98, oder wegen einer Übertretung des Grenzkontrollgesetzes, des Meldegesetzes, des Gefahrengutbeförderungsgesetzes oder des Ausländerbeschäftigungsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist;

2. wegen einer Verwaltungsübertretung mit einer Geldstrafe von mindestens 1 000 Euro oder primären Freiheitsstrafe rechtskräftig bestraft wurde;

3. wegen einer Übertretung dieses Bundesgesetzes oder des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist, sofern es sich dabei nicht um eine in Abs. 3 genannte Übertretung handelt;

4. wegen vorsätzlich begangener Finanzvergehen oder wegen vorsätzlich begangener Zuwiderhandlungen gegen devisenrechtliche Vorschriften rechtskräftig bestraft worden ist;

5. wegen eines Verstoßes gegen die Vorschriften, mit denen die Prostitution geregelt ist, rechtskräftig bestraft worden ist;

6. den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag;

7. bei einer Beschäftigung betreten wird, die er nach dem AuslBG nicht ausüben hätte dürfen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige hätte nach den Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes für denselben Dienstgeber eine andere Beschäftigung ausüben dürfen und für die Beschäftigung, bei der der Drittstaatsangehörige betreten wurde, wäre keine Zweckänderung erforderlich oder eine Zweckänderung zulässig gewesen;

[..]

2.2 Zum Beschwerdeumfang ist vorweg festzuhalten, dass die Prüfbefugnis (nicht jedoch die Entscheidungsbefugnis) des Verwaltungsgerichts durch § 27 VwGVG insofern eingeschränkt ist, als es an den Umfang der Anfechtung in der Beschwerde gebunden ist (Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren2 § 27 VwGVG, Rz. 6). Im vorliegenden Fall wird durch die Beschwerde erkennbar lediglich Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides angefochten (Teilanfechtung trennbarerer Spruchpunkte) und in Beschwerde gezogen, weswegen die Prüfbefugnis des Bundesverwaltungsgerichts auf diesen Spruchpunkt beschränkt ist.

2.3. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich:

Gemäß § 2 Abs. 4 Z 1 FPG gilt als Fremder, wer die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzt und gemäß Z 10 leg. cit. als Drittstaatsangehöriger jeder Fremder der nicht EWR-Bürger oder Schweizer Bürger ist.

Der Beschwerdeführer ist aufgrund seiner serbischen Staatsangehörigkeit demnach Fremder iSd § 2 Abs. 4 Z 1 FPG und Drittstaatsangehörige iSd § 2 Abs. 4 Z 10 FPG.

Gemäß § 31 Abs. 1 FPG halten sich Fremde rechtmäßig im Bundesgebiet auf, wenn sie rechtmäßig eingereist sind und während des Aufenthaltes im Bundesgebiet die Befristung oder Bedingungen des Einreisetitels oder des visumfreien Aufenthaltes oder die durch zwischenstaatliche Vereinbarungen, Bundesgesetz oder Verordnung bestimmte Aufenthaltsdauer nicht überschritten haben (Z 1), oder sie auf Grund einer Aufenthaltsberechtigung oder eine Dokumentation des Aufenthaltsrechtes nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz zur Niederlassung oder zum Aufenthalt oder aufgrund einer Verordnung für Vertriebene zum Aufenthalt berechtigt sind (Z 2). Insbesondere darf die Einreise nur zu touristischen Zwecken erfolgen und es darf keiner unerlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen werden.

Das Bundesamt begründete die (unbekämpft gebliebene) Rückkehrentscheidung und auch das darauf basierende (bekämpfte) Einreiseverbot ausschließlich damit, dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers unrechtmäßig geworden sei, weil er der "Schwarzarbeit", also einer nach dem AuslBG nicht erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen sei. Für das Einreiseverbot wurde begründend auch herangezogen, der BF hätte die Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachweisen können.

Diese beiden Umstände werden aber durch die Ermittlungen und Feststellungen der belangten Behörde keineswegs getragen. Das Verwaltungsgericht verkennt nicht, dass unter den Umständen unter denen der BF am XXXX .12.2019 betreten wurde, vorerst einiges dafürsprach, dass der BF einer unerlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen sein könnte. Aufgrund der Einlassung des BF im Rahmen seiner Angaben bei seiner Einvernahme hat die belangte Behörde aber offenbar in Verkennung der Rechtslage jegliche - zweifelsfrei erforderliche -weitere Ermittlungstätigkeit unterlassen:

Nach der Judikatur des VwGH zu § 2 Abs. 2 AuslBG liegt bei einer Tätigkeit die von einem Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet unentgeltlich, kurzfristig und freiwillig für einen Familienangehörigen erbracht werden nicht automatisch eine gegen das AuslBG verstoßende Erwerbstätigkeit vor:

"Eine Tätigkeit im Rahmen und wegen eines Verwandtschaftsverhältnisses zwischen Beschäftiger und Beschäftigten kann als Freundschaftsdienst zählen" (VwGH 25.04.2019, Ra 2019/09/0048).

"Bei Beurteilung, ob in einem konkreten Fall ein dem Reglement des AuslBG unterliegender Gefälligkeitsdienst des (der) Ausländer(s) anzunehmen ist, hat die Behörde eine Würdigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 18. Dezember 2006, Zl. 2005/09/0153, uva). Dabei fallen Gefälligkeitsdienste dann nicht unter den Begriff der bewilligungspflichtigen Beschäftigung im Sinn des § 2 Abs. 2 AuslBG, wenn sie nicht nur kurzfristig, freiwillig und unentgeltlich, sondern auch auf Grund spezifischer Bindungen zwischen den Leistenden und dem Leistungsempfänger erbracht werden. Insgesamt ist auch im Zusammenhang mit der Behauptung bloßer Gefälligkeitsdienste gemäß § 2 Abs. 4 AuslBG vom wahren wirtschaftlichen Gehalt und nicht von der äußeren Erscheinungsform auszugehen. Bei der Beurteilung der Frage, ob im jeweils konkreten Fall ein derartiger Gefälligkeitsdienst anzunehmen ist, trifft die Partei - unabhängig von der grundsätzlichen Verpflichtung der Behörde zur amtswegigen Erforschung des für die Entscheidung notwendigen Sachverhaltes - eine entsprechende Mitwirkungspflicht, zumal es sich bei den zur Beantwortung der Frage, ob ein Freundschafts- oder Gefälligkeitsdienst vorliegt, erforderlichen Umständen um solche handelt, die zumeist der Privatsphäre der Partei zuzuordnen sind und der Behörde nicht ohne Weiteres zur Kenntnis gelangen. Es ist daher in diesen Fällen hauptsächlich Sache der Partei, entsprechend konkrete Behauptungen aufzustellen und Beweise anzubieten (vgl. das hg. Erkenntnis vom 9. Oktober 2006, Zl. 2005/09/0089). (VwGH 04.10.2012, 2012/09/0010).

Eben jene vom VwGH angeführten Kriterien brachte der BF in seiner Einvernahme sinngemäß vor, da er angab, gemeinsam mit seinen Eltern lediglich seinem Schwager ("Cousin") unentgeltlich und kurzfristig ausgeholfen zu haben und auch versucht zu haben, dies den einschreitenden Beamten der LPD Wien mitzuteilen. Es ist anzunehmen, dass dieser Versuch an der Sprachbarriere und der Tatsache gescheitert ist, dass die Beamten der LPD Wien den BF ohne Dolmetscher befragten.

Die belangte Behörde hat jedoch trotz dieser klaren Hinweise bzw. Behauptungen im Hinblick auf einen möglichen - vom AuslBG nicht erfassten - Gefälligkeitsdienst des BF sämtliche weiteren Ermittlungen hierzu unterlassen und ging einfach weiter vom "äußeren Erscheinungsbild" aus. Dabei wäre hiermit für das BFA kein großer Aufwand verbunden gewesen, da die Angaben des BF allem voran durch zeugenschaftliche Einvernahme des XXXX - unter strafrechtlich bewehrter Wahrheitspflicht - leicht bestätigt oder auch wiederlegt hätten werden können und dessen ladungsfähige Meldeadresse aus dem Polizeibericht hervorging. Auch wurde im ggst. Fall der Vater und die Mutter des BF, die mit dem BF gemeinsam aufgegriffen wurden, nicht zu den Umständen der Tätigkeit am XXXX .12.2019 befragt, obwohl diese lt. Behördenakt ebenfalls im Polizeianhaltezentrum Rossauer Lände angehalten wurden. Dies wäre schon deshalb angezeigt gewesen, da die Umstände der Betretung des BF an jenem Tag in Wien XXXX alles andere als typisch für das Vorliegen von "Schwarzarbeit" sind. Es ist nämlich eher als ungewöhnlich zu bezeichnen, dass sich Fremde wie der BF tatsächlich in Begleitung ihrer Eltern zur Ausführung einer "Schwarzarbeit" ins Bundesgebiet begeben. Auch aus diesem Grund ist ein möglicher Verwandtschafts- bzw. Gefälligkeitsdienst des BF für seinen Schwager durchaus plausibel. Die belangte Behörde hat sich daher mit der prima facie nicht unplausiblen Verantwortung des BF, die eine gegen das AuslBG verstoßende Tätigkeit ausschließen könnte, nicht weiter beschäftigt und schon aus diesem Grund ihren Bescheid mit einer gravierenden Ermittlungslücke belastet, als sie auf weitere Ermittlungen in diese Richtung gänzlich verzichtet hat.

Selbiges gilt auch für die Frage, ob der BF die Mittel zu seinem Unterhalt nachweisen konnte. Der BF gab von sich aus bei der Einvernahme an, über 370 bis 380 ? an Barmittel - aufbewahrt in der Wohnung des Schwagers - zu verfügen. Auch hier hat die Behörde dem BF, der sich zum Zeitpunkt der Einvernahme im Stande der Festnahme nach dem BFA-VG befand, keinerlei realistische Möglichkeit des Nachweises dieser Mittel gegeben. Die Kriterien des § 53 Abs. 2 Z 6 FPG erfordern es jedenfalls nicht, dass ein Fremder die (Bar-)Mittel zu seinem Unterhalt permanent mit sich führen muss, zumal dies ein erhebliches Sicherheitsrisiko für den Fremden bedeuten würde. Der BF hat aber, indem er angab, er bewahre die Barmittel in der Wohnung des Schwagers auf, von sich aus ein plausibles Beweisanbot für ausreichende Unterhaltsmittel erbracht, dass ebenfalls von der belangten Behörde nicht weiter überprüft wurde. Selbige Überprüfung wäre zB im Rahmen einer Wohnsitzüberprüfung durch die Polizei mit dem BF problemlos möglich gewesen, dies wurde aber ebenfalls unterlasen.

Letztlich hat es die belangte Behörde auch unterlassen, ein mögliches Privat- und Familienleben iSd Art. 8 EMRK des BF korrekt zu ermitteln, da ihm lediglich die Frage gestellt wurde, wie sein Familienstand sei. Das Bundesamt stellte dem BF bei seiner Einvernahme keine weiteren Fragen nach möglichen Familienangehörigen im Bundesgebiet und traf daher auch im angefochtenen Bescheid die tatsachenwidrige Feststellung, der BF habe außer seinem Cousin keinerlei Familienangehörige im Inland, obwohl das BFA an anderer Stelle selbst davon ausgeht, der BF habe bei seinem Schwager, also dem Gatten seiner Schwester im Bundesgebiet Unterkunft genommen.

2.4 Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Nach § 28 Abs. 2 leg. cit. hat über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen und die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

Das Modell der Aufhebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG, allerdings mit dem Unterschied, dass die Notwendigkeit der Durchführung einer mündlichen Verhandlung nach § 28 Abs. 3 VwGVG nicht erforderlich ist (Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren 2013, § 28 VwGVG, Anm. 11.)

§ 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG bildet damit die Rechtsgrundlage für eine kassatorische Entscheidung des Verwaltungsgerichtes, wenn "die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen" hat. Aus der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu der vergleichbaren Bestimmung des § 66 Abs. 2 AVG ergibt sich, dass nur Mängel der Sachverhaltsfeststellung d.h. im Tatsachenbereich zur Behebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit berechtigen (vgl. VwGH 19.11.2009, 2008/07/0168).

Der Verwaltungsgerichtshof hat mit den Erkenntnissen vom 21.11.2002, Zl. 2002/20/0315 und Zl. 2000/20/0084, grundsätzliche Ausführungen zur Anwendbarkeit des § 66 Abs. 2 AVG im Asylverfahren im Allgemeinen und durch den Unabhängigen Bundesasylsenat im Besonderen getätigt. Dabei hat er im letztgenannten insbesondere ausgeführt: "Bei der Abwägung der für und gegen eine Entscheidung gemäß § 66 Abs. 2 AVG sprechenden Gesichtspunkte muss nämlich auch berücksichtigt werden, dass das Asylverfahren nicht nur möglichst kurz sein soll. Zur Sicherung seiner Qualität hat der Gesetzgeber einen Instanzenzug vorgesehen, der zur belangten Behörde und somit zu einer gerichtsähnlichen, unparteilichen und unabhängigen Instanz als besonderem Garanten eines fairen Asylverfahrens führt (vgl. bereits das Erkenntnis vom 16. April 2002, Zl. 99/20/0430). Die der belangten Behörde in dieser Funktion schon nach der Verfassung zukommende Rolle einer obersten Berufungsbehörde (Art. 129c 1 B-VG) wird aber ausgehöhlt und die Einräumung eines Instanzenzuges zur bloßen Formsache degradiert, wenn sich das Asylverfahren einem eininstanzlichen Verfahren vor der Berufungsbehörde nähert, weil es das Bundesasylamt ablehnt, auf das Vorbringen sachgerecht einzugehen und brauchbare Ermittlungsergebnisse in Bezug auf die Verhältnisse im Herkunftsstaat in das Verfahren einzuführen. Diese über die Unvollständigkeit der Einvernahme hinausgehenden Mängel des erstinstanzlichen Verfahrens sprechen auch bei Bedachtnahme auf die mögliche Verlängerung des Gesamtverfahrens unter dem Gesichtspunkt, dass eine ernsthafte Prüfung des Antrages nicht erst bei der "obersten Berufungsbehörde" beginnen und zugleich - abgesehen von der im Sachverhalt beschränkten Kontrolle der letztinstanzlichen Entscheidung durch den Verwaltungsgerichtshof - bei derselben Behörde enden soll, für die mit der Amtsbeschwerde bekämpfte Entscheidung."

In seinem Erkenntnis vom 26.06.2014, Zl. Ro 2014/03/0063-4 hat der Verwaltungsgerichtshof zuletzt in Hinblick auf die nach § 28 Abs. 3 VwGVG bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit ausgesprochen, dass prinzipiell eine meritorische Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte bestehe und von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen beziehungsweise besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden könne. Diesbezüglich führte er aus, dass eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen insbesondere dann in Betracht komme, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gelte, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden.

Der Verwaltungsgerichtshof judiziert in mittlerweile ständiger Rechtsprechung, dass das Verwaltungsgericht prinzipiell nicht nur die gegen einen verwaltungsbehördlichen Bescheid eingebrachte Beschwerde, sondern auch die Angelegenheit zu erledigen hat, die von der Verwaltungsbehörde zu entscheiden war (vgl. VwGH 30.01.2019, Ra 2018/03/0131, mwN). Eine Auslegung des § 27 VwGVG dahingehend, dass die Prüfbefugnis der Verwaltungsgerichte stark eingeschränkt zu verstehen wäre, ist demnach unzutreffend (vgl. VwGH 09.09.2015, Ra 2015/03/0019, mit Hinweis auf VwGH 17.12.2014, Ro 2014/03/0066). Allerdings stellt die "Sache" des bekämpften Bescheides den äußersten Rahmen für die Prüfbefugnis des Verwaltungsgerichts dar. "Sache" des Beschwerdeverfahrens vor dem Verwaltungsgericht ist jene Angelegenheit, die den Inhalt des Spruchs der vor dem Verwaltungsgericht belangten Verwaltungsbehörde gebildet hat (vgl. VwGH 17.10.2019, Ro 2019/18/0005, mwN). Jedenfalls durch die Anträge in der Beschwerde nicht beschränkt wird die Entscheidungsbefugnis des Verwaltungsgerichts iSe meritorischen Entscheidung oder einer Aufhebung und Zurückverweisung, soweit die Voraussetzungen dafür vorliegen (VwGH 27.01.2015, Ra 2014/22/0087).

2.5 Im vorliegenden Fall hätte das Bundesamt die in Punkt 2.3 erörtere Einlassung des BF weiter überprüfen müssen und die die Entscheidung tragende Frage des tatsächlichen Vorliegens oder Nicht-Vorliegens einer gegen das AuslBG verstoßenden Tätigkeit des BF ermitteln müssen. Das BFA unterließ trotz klarer und letztlich auch grundsätzlich nicht unplausibler Angaben des BF im Hinblick auf einen Gefälligkeitsdienst an seinem Schwager jegliche Ermittlungen zu dieser Frage. Auch wurde dem BF vom Bundesamt keinerlei realistische Möglichkeit eingeräumt die Mittel zur Bestreitung seines Unterhalts nachzuweisen, obwohl dieser angab, in seiner Unterkunft über entsprechende Barmittel zu verfügen. Darüber hinaus ignorierte das Bundesamt -trotz eigener gegenteiliger Feststellung zur Unterkunftnahme beim Schwager des BF - die Tatsache, dass der BF Familienangehörige im Bundesgebiet hat, die bei der Bemessung eines Einreiseverbots aus Gründen des Art. 8 EMRK zu berücksichtigen sind.

Da das Bundesamt den Sachverhalt somit gegenständlich nicht ordnungsgemäß ermittelt hat, ist auf der Grundlage des bisherigen Beweisverfahrens die rechtliche Beurteilung des Sachverhalts nicht möglich; dieser ist vielmehr in wesentlichen Teilen erheblich ergänzungsbedürftig. Die Voraussetzungen für eine Sachentscheidung durch das Gericht liegen in einer Gesamtschau somit nicht vor, weil es weder zu einer Kostenersparnis noch zu einer Verfahrensbeschleunigung führt, wenn das erkennende Gericht die notwendigen Erhebungen selbst vornimmt, zumal das Bundesamt - wie bereits ausgeführt - nur ansatzweise ermittelt hat und zu dem entscheidungswesentlichen Faktum des Gefälligkeitsdienstes überhaupt keine erkennbaren Ermittlungen getätigt hat. Es liegt auch nicht im Sinne des Gesetzes, wenn das Bundesverwaltungsgericht erstmals den entscheidungswesentlichen Sachverhalt ermittelt und beurteilt, sodass es seine umfassende Kontrollbefugnis nicht wahrnehmen kann. Eine ernsthafte Prüfung des Sachverhaltes soll nicht erst beim Bundesverwaltungsgericht beginnen und - bis auf die eingeschränkte Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts - zugleich enden.

Der angefochtene Bescheid ist somit gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt zurückzuverweisen. Das Bundesamt wird im fortgesetzten Verfahren die in Punkt 2.3 erörterten Ermittlungen und Feststellungen zum möglichen Vorliegen oder Nicht-Vorliegen eines Gefälligkeitsdienstes iSd AuslBG und zur Frage welche Barmittel dem BF tatsächlich zur Verfügung standen zu treffen haben. Ergibt sich daraus erneut ein Grund zur Verhängung eines Einreiseverbot, wird das im Hinblick auf den Aufenthalt der Schwester des BF im Bundesgebiet zweifelsfrei vorhandene Privat- und Familienleben iSd Art. 8 EMRK bei der Bemessung eines etwaigen Einreiseverbots zu berücksichtigen sein.

2.6 Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Da auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist, konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG die Durchführung einer mündlichen Verhandlung entfallen.

Zu B)

Zur Unzulässigkeit der Revision:

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

In der Beschwerde findet sich kein schlüssiger Hinweis auf das Bestehen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren und sind solche auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegeben. Die Entscheidung folgt der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung Ermittlungspflicht individuelle Verhältnisse Kassation mangelnde Sachverhaltsfeststellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W282.2228080.1.00

Im RIS seit

21.01.2021

Zuletzt aktualisiert am

21.01.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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