TE Bvwg Erkenntnis 2020/6/8 L515 2184201-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 08.06.2020
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Entscheidungsdatum

08.06.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs2
AsylG 2005 §57
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §53
FPG §55
VwGVG §28 Abs1

Spruch

L515 2184201-1/39E

L515 2184201-2/16E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. H. LEITNER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , StA der Republik Armenien, vertreten durch RA Dr. Helmut BLUM, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.12.2017, Zl. XXXX und vom 14.06.2018, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 28.05.2020 zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerden werden gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG, Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz), BGBl I 33/2013 idgF, §§ 7 Abs. 1, 8 Abs. 1, § 57 AsylG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

Ansonsten wird der Beschwerde gem. § 28 Abs. 1 VwGVG stattgegeben und gem. § 9 BFA-VG festgestellt, dass die Rückkehrentscheidung gem. § 10 AsylG, § 52 FPG auf Dauer (§ 9 Abs. 3 BFA-VG) unzulässig ist.

XXXX , geb. am XXXX , StA der Republik Armenien, vertreten durch RA Dr. Helmut BLUM wird gem. §§ 54, 55 Abs. 1 AsylG eine „Aufenthaltsberechtigung Plus“ für die Dauer von 12 Monaten beginnend mit dem Ausstellungsdatum erteilt.

Die Spruchpunkte IV und V des angefochtenen Bescheides vom 13.12.2017 werden gemäß § § 28 Abs. 1 VwGVG, Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz), BGBl I 33/2013 idgF ersatzlos aufgehoben.

Der Bescheid vom 14.06.2018, Zl. XXXX wird gem § 28 Abs. 1 VwGVG, Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz), BGBl I 33/2013 idgF zur Gänze ersatzlos aufgehoben.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang

I.1. Die beschwerdeführende Partei (in weiterer Folge als „bP“ bezeichnet) ist Staatsangehöriger der Republik Armenien und reiste illegal in das Bundesgebiet ein.

I.2. Am 28.12.2000 hat die Mutter der bP als gesetzliche Vertreterin für die bP einen Asylantrag gem. §§ 10, 11, AsylG 1997 gestellt, wobei sie angab, dass die bP den Namen XXXX führe, aus Armenien stamme und am XXXX geboren sei.

I.3. Am 25.04.2001 wurde die Mutter der bP als gesetzliche Vertreterin vor dem Bundesasylamt niederschriftlich befragt. Dabei wurde der am 28.12.2000 eingebrachte Asylantrag der bP in einen Asylerstreckungsantrag in Bezug auf den Vater der bP umgewandelt.

I.4. Mit Bescheid vom 26.02.2002 wurde der Asylerstreckungsantrag gemäß § 10 iVm § 11 Abs 1 Asylgesetz 1997, BGBl I 1997/76 (AsylG), idgF abgewiesen.

I.5. Gegen diese abweisende Entscheidung richtete die bP durch ihre Mutter fristgerecht das Rechtsmittel der Berufung, heute Beschwerde, an den UBAS, heute BVwG. Dieser Berufung wurde am 10.07.2007 stattgegeben und der bP der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

I.6. Die bP wurde zwischen 2010 und 2014 wegen folgender Strafrechtsdelikte verurteilt:

I.6.1. Die bP wurde vom LG XXXX unter der Zahl XXXX vom 12.04.2010 wegen der §§ 15, 127, 128 Abs. 1/4, 129/1, 130 (3. u. 4. Fall), 134/1, 229/1 StGB und § 50 Abs. 1/1 WaffG. rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von achtzehn Monaten, davon fünfzehn Monate bedingter Freiheitsstrafe, verurteilt.

I.6.2. Zudem wurde die bP vom BG XXXX unter der Zahl XXXX vom 13.04.2011 wegen des § 127 StGB rechtskräftig zu einer bedingten Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt.

I.6.3. Im Jahr 2012 wurde die bP vom BG XXXX unter der Zahl XXXX vom 02.03.2012 wegen der §§ 83 und 125 StGB rechtskräftig zu einer bedingten Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt.

I.6.4. Im Jahr 2014 wurde die bP vom LG XXXX unter der Zahl XXXX vom 14.02.2014 wegen der §§ 83/1, 84/1, §§ 15, 288 (1 u. 4), 12 2. Fall StGB, § 83/1 StGB rechtskräftig zu einer Strafe von zehn Monaten unbedingter Freiheitsstrafe verurteilt.

I.7. Am 22.11.2016 wurde die bP im Zuge der mündlichen Verhandlung betreffend das Asylverfahren der Gattin der bP, als Zeuge einvernommen. Hierbei gab die bP an, mit ihrer Gattin, welche die bP über die Mutter kennengelernt habe, verheiratet zu sein und ein gemeinsames Kind zu haben. Mit der Gattin spreche die bP Armenisch bzw. Deutsch. Die bP gab dabei weiters an, staatenlos und anerkannter Flüchtling in Österreich zu sein. Seit 04.11. sei die bP zudem arbeitslos.

I.8. Am 29.08.2017 wurde ein Asyl-Aberkennungsverfahren gem. § 7 Abs. 1, Z 1 AsylG 2005 eingeleitet.

I.9. Am 05.09.2017 wurde die bP von dem zur Entscheidung berufenen Organwalter des BFA niederschriftlich einvernommen.

I.9.1. Zusammengefasst gab die bP an, dass sie zu den von ihr verübten Taten stehe, sie jedoch nicht mehr ändern könne. Sie wäre damals noch jung gewesen und habe keine Verantwortung gegenüber einer Familie gehabt, was sich nun geändert habe. Daher versuche die bP auch, seit 2014 auf den geraden Weg zu kommen.

I.9.2. Konkret wurden die wesentlichen Teile dieser Einvernahme wie folgt protokolliert:

„…

Meine Muttersprache ist Armenisch. Ich beherrsche die Deutsche Sprache aber ausreichend und ich bin damit einverstanden, dass die Einvernahme in dieser Sprache durchgeführt wird.

LA: Sie werden ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Sie im Fall von Verständigungsschwierigkeiten oder Verständnisproblemen jederzeit rückfragen können.

LA: Es ist beabsichtigt Ihnen den Status als anerkannter Flüchtling abzuerkennen, da sie massiv straffällig wurden. Bitte nehmen sie dazu Stellung.

AW: Ich weiß was ich getan habe und stehe dazu, aber ich kann es nicht ändern. Ich habe seit 2014 versucht auf den geraden Weg zu kommen, ich bin verheiratet, habe ein Kind und gehe arbeiten. Ich war damals noch jung und hatte keine Verantwortung einer Familie gegenüber. Jetzt muss ich arbeiten, da ich meine Familie ernähren muss.

LA: Wovon leben sie gegenwärtig.

AW: Ich gehe einer Beschäftigung als Abdichtungstechniker nach.

LA: Sind Sie Mitglied in Vereinen?

AW: Nein, aber ich war einmal bei der Feuerwehr. Mir fällt gerade ein, dass ich auch angemeldetes Mitglied in einem Fußballverein bin, ich spiele aber nicht mehr.

LA: Was würde einer Abschiebung nach Armenien entgegenstehen?

AW: Dorthin gehe ich nicht zurück. Ich kenne auch die Kultur dort nicht, ich kann auch nicht lesen und schreiben.

LA: Haben Sie Verwandte in Österreich?

AW: Meine Eltern, zwei Schwestern, sowie meine Gattin und meinen Sohn. Ich habe in Armenien keine Verwandten, abgesehen von meinen Großeltern. Meine Eltern und meine Geschwister sind seit 2007 österreichische Staatsbürger.

LA: Sind Sie aktuell in ärztlicher Behandlung?

AW: Nein. Ich muss aber einmal im Jahr zur Kontrolle, da ich ab der Lende Wirbelsäule einen künstlichen Ersatz habe. Außerdem hole ich mir jeden zweiten Monat eine Injektion gegen die Schmerzen.

LA: Wie ist Ihr Familienstand?

AW: Ich bin standesamtlich verheiratet.

LA: Welche Staatsbürgerschaft haben Sie?

AW: Ich bin Staatenlos.

LA: Welcher Volksgruppe gehören Sie an?

AW: Armenier.

LA: Welcher Religionsgruppe gehören Sie an?

AW: Armenisch apostolisch.

LA: Haben Sie Familienangehörige im Herkunftsstaat?

AW: Nur meine Großeltern, die sind aber schon alt.

Ich arbeite in Österreich Vollzeit als Abdichtungstechniker. Ich habe in Österreich meine Familie und meine Geschwister, sowie meine Eltern. Ich verfüge über einen österreichischen Führerschein, ich ging in Österreich zur Schule und habe die Pflichtschule, sowie die Berufsschule besucht.

LA: Möchten Sie etwas ergänzen?

AW: Es fällt mir gerade nichts ein. Im Übrigen ist das jetzt eine Überraschung.

…“

I.10. Mit Bescheid des BFA vom 13.12.2017, Zl. XXXX , wurde der bP gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 der ihr zuerkannte Status eines Asylberechtigten aberkannt und gem. § 7 Abs. 4 AsylG festgestellt, dass der bP die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukomme (Spruchpunkt I). Gem. § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG wurde der bP der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Armenien nicht zugesprochen (Spruchpunkt II). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 4 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die bP eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 3 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung nach Armenien gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III). Weiters wurde festgestellt, dass gem. § 55 Abs. 1 bis 3 die Frist für die freiwillige Ausreise 2 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV).

I.10.1. Begründend führte das BFA in Bezug auf die Aberkennung des Status des Asylberechtigten aus, dass durch die rechtskräftigen strafrechtlichen Verurteilungen der bP, wie sie im Verfahrensgang aufgelistet worden sind, der § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG verwirklicht sei, welcher zwingend eine Asylaberkennung vorsehe. Die bP habe durch die Begehung dieser Straftaten ein besonders schweres Verbrechen verübt und sei überdies eine Gefahr für die Gemeinschaft. Begründet wurde diese Annahme ua. mit dem Umstand, dass die „wiederkehrenden, ausgeführten, sowie von der Intensität her steigernde und zunehmend immer gewalttätigeren Tatverübungen“ die Feststellung rechtfertigen würden, dass die bP abermals straffällig werden werde und dadurch eine Gefahr für die Gemeinschaft darstelle. Zudem wurde die bP nicht nur wegen der Begehung einer strafbaren Handlung gegen Leib und Leben (mehrfache Körperverletzung und schwere Körperverletzung), sondern auch wegen des Verbrechens des teil versuchten, teil vollendeten gewerbsmäßig schweren Diebstahl durch Einbruch begangen, welches in der verwirklichten Form mit einer Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren bedroht ist, rechtskräftig verurteilt. Es seien insgesamt die Voraussetzungen des § 7 Abs 1 Z 1 AsylG, nämlich die rechtskräftige Verurteilung aufgrund eines besonders schweren Verbrechens, die Gemeingefährlichkeit und das Überwiegen der öffentlichen Interessen erfüllt.

I.10.2. In Bezug auf die erlassene Rückkehrentscheidung ging die Behörde davon aus, dass bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK das öffentliche Interesse im Vergleich zu dem der bP überwiegen würde und die Rückkehrentscheidung daher zulässig sei.

I.11. Gegen den genannten Bescheid wurde mit im Akt ersichtlichen Schriftsatz vom 15.01.2018, eingelangt am 17.01.2018, innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben.

Im Wesentlichen wurde vorgebracht, dass die Voraussetzungen zur Aberkennung des Status eines Asylberechtigten nicht vorliegen, zumal die seitens der bP begangenen Straftaten den Tatbestand des besonders schweren Verbrechens nicht erfüllen. Ebenso stelle die bP keine Gefahr für die Gemeinschaft dar bzw. ging die bB irrig von einer negativen Zukunftsprognose aus. Darüber hinaus stelle die Rückkehrentscheidung einen unzulässigen Eingriff in das durch Art. 8 EMRK geschützte Privat-und Familienleben dar.

Zudem wurden ein Schreiben des Bewährungshelfers, eine Arbeitsbestätigung der Firma […], eine Bestätigung Therapiebeitrag (Psychotherapie), ein Schreiben der Abdichtungstechnik […] sowie ein Therapeutenbrief vorgelegt.

I.12.1. Mit Erkenntnis vom 12.04.2018, GZ. L515 2184201-1/3E wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde der bP gegen den am 13.12.2017 erlassenen Bescheid als unbegründet ab und sprach aus, dass eine Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

I.12.2. Zur Begründung führte das BVwG im Rahmen der rechtlichen Beurteilung im Wesentlichen aus, dass die Begehung eines besonders schweren Verbrechens zu bejahen sei und bereits durch die im Rahmen des Urteils des zuständigen LGs vom 12.04.2010 begangenen Delikte in ihrer Gesamtheit verwirklicht sei. Der von der bP begangene schwere gewerbsmäßige Diebstahl sei in der hier vorliegenden qualifizierten Form mit einer Höchststrafe von bis zu 10 Jahren Freiheitsstrafe bedroht und befinde sich diese Höchststrafe auf einem ähnlich hohen Niveau wie die typisch als schwere Verbrechen genannten Tatbestände wie etwa Raub. Wenn man davon ausgehe, dass sich der soziale Unwert einer Straftat in der festgelegten Strafdrohung widerspiegele, würde der soziale Unwert der von der bP verwirklichten Straftaten jenem eines besonders schweren Verbrechens entsprechen. Zudem handle es sich bei der Verletzung des Hausrechts bzw. dem Eindringen in den unmittelbaren privaten Wohnbereich bzw. dem Eingriff in die körperliche Unversehrtheit um besonders massive Eingriffe in qualifiziert schützenswerte Rechtsgüter, weil hier der zentralste Lebensbereich eines Menschen massiv verletzt werde, was wiederum zu einer besonderen Verunsicherung in der Gesellschaft führe.

Im zuletzt ergangenen Urteil vom 14.02.2014 wegen schwerer Körperverletzung, Körperverletzung und versuchter Anstiftung zur falschen Beweisaussage habe das zuständige Gericht keinen Milderungsgrund mehr erkannt, jedoch die Erschwernisgründe des Zusammentreffens von drei Vergehen, der zwei einschlägigen Vorstrafen und der Begehung innerhalb von drei offenen Probezeiten angenommen. Zudem sei die bP im Urteil als völlig uneinsichtig bezeichnet worden.

Die bP habe durch ihr Verhalten eine sowohl abstrakt als auch im konkreten Einzelfall besonders schwerwiegende Tat begangen, wodurch der Begriff des besonders schweren Verbrechens verwirklicht worden sei.

Zudem sei die bP als gemeingefährlich zu bezeichnen, da sie in verschiedenste Rechtsgüter verschiedener Menschen und der Allgemeinheit eingegriffen habe. Auch zeige die Art der begangenen Straftaten, dass in der bP ein erhebliches Gewaltpotential und Aggression stecke und sie über erhebliche kriminelle Energie verfügen würde. Aufgrund der von der bP verwirklichten Straftaten bzw. ihrem Verhalten könne keine positive Zukunftsprognose getroffen werden.

I.13. Am 14.06.2018 erließ das BFA einen Bescheid, Zl. XXXX , mit welchem sie aussprach, dass der bP gemäß §§ 57 AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt werde (Spruchpunkt I). Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die bP eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung nach Armenien gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II und III). Weiters wurde festgestellt, dass gem. § 55 Abs. 1 bis 3 die Frist für die freiwillige Ausreise 2 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt IV). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG wurde gegen die bP ein auf die Dauer von 5 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt V).

Begründend führte die Behörde in Bezug auf das erlassene Einreiseverbot aus, dass durch die von der bP begangenen Straftaten der § 53 Abs. 3 Z 1 FPG verwirklicht und die Rückkehrentscheidung daher mit einem Einreiseverbot zu verbinden sei.

I.14. Mit Beschluss vom 27.06.2018, E 2087/2018-6, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der Beschwerde der bP mit der Begründung, dass spezifische verfassungsrechtliche Fragen nicht aufgekommen sind, ab.

I.15. Gegen den am 14.06.2018 ergangenen Bescheid erhob die bP mit Schriftsatz vom 17.07.2018, eingelangt am 19.07.2018, fristgerecht Beschwerde. Im Wesentlichen wurde vorgebracht, dass die belangte Behörde vor der Bescheiderlassung kein Ermittlungsverfahren durchgeführt habe und die bP auch nicht einvernommen wurde. Es würden hinreichende berücksichtigungswürdige Gründe vorliegen, welche die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach den § 55 – 57 AsylG rechtfertigen würden. Weiters sei die Erlassung eines 5-jährigen Einreiseverbotes weder den Umständen des gegenständlichen Falles angemessen noch sachlich gerechtfertigt.

Im Übrigen sei das Verfahren zur Aberkennung des Asylstatus der bP noch nicht rechtskräftig abgeschlossen.

I.16. Mit Beschluss vom 16.10.2018, GZ. Ra 2018/19/0522-5, gab der VwGH dem Antrag der bP auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Revision statt.

I.17. Mit Erkenntnis vom 29.08.2019, Ra 2018/19/0522-7 hob der Verwaltungsgerichtshof das angefochtene Erkenntnis des BVwG vom 12.04.2018 wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes auf und führte hierzu aus:

„…

7 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

8 In der Revision wird zur Begründung ihrer Zulässigkeit im Wesentlichen vorgebracht, dass kein einziges der dem Revisionswerber angelasteten Delikte per se ein schweres Verbrechen sei. Schon die verhängten Strafen zeigten, dass die Strafgerichte von keinem großen Unrechtsgehalt und keiner schweren Schuld seinerseits ausgegangen seien. Im Lichte der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes könne im vorliegenden Fall nicht von der Begehung besonders schwerer Verbrechen im Sinn des § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 ausgegangen werden. Bei Berücksichtigung der eingebrachten positiven Einschätzung seines Bewährungshelfers sei keinesfalls von der Begehung schwerer Verbrechen und der Annahme der Gemeingefährlichkeit durch den Revisionswerber auszugehen. Die rechtliche Beurteilung des Bundesverwaltungsgerichtes verstoße daher gegen näher genannte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Hinzu komme, dass sich der der letzten Verurteilung zu Grunde liegende Sachverhalt bereits im Jahr 2013 ereignet habe. In einem Zeitraum von vier Jahren sei gegen den Revisionswerber kein Asylaberkennungsverfahren wegen Begehung eines besonders schweren Verbrechens und wegen "Gemeingefährlichkeit" eingeleitet worden. Es stelle sich daher die Frage, ob von einem Asylaberkennungsgrund aus den genannten Gründen ausgegangen werden könne, wenn die Straftaten bereits mehr als vier Jahre zurückliegen würden, der anerkannte Flüchtling in der Zwischenzeit ein unauffälliges und normgetreues Verhalten an den Tag gelegt habe, einer geregelten Arbeit nachgehe, eine Familie gegründet habe und auch seine Kernfamilie mit österreichischer Staatsbürgerschaft bestens eingebunden sei. 9 Die Revision ist zulässig. Sie erweist sich auch als begründet.

10 Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 ist der Status des Asylberechtigten einem Fremden von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn ein Asylausschlussgrund nach § 6 AsylG 2005 vorliegt.

§ 6 AsylG 2005 (samt Überschrift) lautet:

"Ausschluss von der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten

§ 6. (1) Ein Fremder ist von der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten ausgeschlossen, wenn

1. und so lange er Schutz gemäß Art. 1 Abschnitt D der Genfer Flüchtlingskonvention genießt;

2. einer der in Art. 1 Abschnitt F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Ausschlussgründe vorliegt;

3. aus stichhaltigen Gründen angenommen werden kann, dass der Fremde eine Gefahr für die Sicherheit der Republik Österreich darstellt, oder

4. er von einem inländischen Gericht wegen eines besonders schweren Verbrechens rechtskräftig verurteilt worden ist und wegen dieses strafbaren Verhaltens eine Gefahr für die Gemeinschaft bedeutet. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB, BGBl. Nr. 60/1974, entspricht.

(2) Wenn ein Ausschlussgrund nach Abs. 1 vorliegt, kann der Antrag auf internationalen Schutz in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ohne weitere Prüfung abgewiesen werden. § 8 gilt."

11 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes müssen für die Anwendung des § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 kumulativ vier Voraussetzungen erfüllt sein, damit ein Flüchtling trotz drohender Verfolgung in den Herkunftsstaat verbracht werden darf. Er muss (erstens) ein besonders schweres Verbrechen verübt haben, dafür (zweitens) rechtskräftig verurteilt worden, (drittens) gemeingefährlich sein und (viertens) müssen die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung seine Interessen am Weiterbestehen des Schutzes durch den Zufluchtsstaat überwiegen (vgl. VwGH 18.10.2018, Ra 2017/19/0109, mwN).

12 Zur Frage, ob im vorliegenden Fall ein besonders schweres Verbrechen vorliegt, stellte das BVwG unter anderem fest, dass der Revisionswerber wegen gewerbsmäßig schweren und durch Einbruch begangenen Diebstahls (§ 130 dritter und vierter Fall StGB idF BGBl. I Nr. 134/2002), also einem Delikt, das mit einer Freiheitsstrafe von bis zu zehn Jahren zu bestrafen ist, rechtskräftig verurteilt worden sei.

13 § 17 StGB bestimmt, dass Verbrechen vorsätzliche Handlungen sind, die mit lebenslanger oder zumindest mehr als dreijähriger Freiheitsstrafe bedroht sind. Damit ergibt sich zunächst, dass eine Tat nach § 130 dritter und vierter Fall StGB aus strafrechtlicher Sicht als Verbrechen im Sinn des § 17 StGB einzustufen ist.

14 Mit der Einteilung in Verbrechen und Vergehen trifft § 17 Strafgesetzbuch eine grundsätzliche Unterscheidung der Straftaten, durch die das besondere Gewicht der als Verbrechen geltenden Straftaten ihrer Art nach betont werden soll. Über die Bezeichnung dieser Straftaten hinaus - mit "Verbrechen" wird schon rein sprachlich ein höherer Unwert konnotiert - bringt die Anknüpfung an ein Mindestmaß der Strafdrohung von mehr als dreijähriger oder lebenslanger Freiheitsstrafe sowie die Einschränkung auf Vorsatztaten zum Ausdruck, dass es sich um solche handelt, denen ein besonders hoher Unrechtsgehalt innewohnt (vgl. VwGH 5.4.2018, Ra 2017/19/0531, mwN).

15 Im Fall des § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 ist allerdings zudem gefordert, dass ein "besonders schweres" Verbrechen vorliegen muss.

16 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fallen unter den Begriff des "besonders schweren Verbrechens" nur Straftaten, die objektiv besonders wichtige Rechtsgüter verletzen. Typischerweise schwere Verbrechen sind etwa Tötungsdelikte, Vergewaltigung, Kindesmisshandlung, Brandstiftung, Drogenhandel, bewaffneter Raub und dergleichen (vgl. VwGH 25.10.2018, Ra 2018/20/0360, sowie nochmals VwGH Ra 2017/19/0531, mwN). 17 Der Verwaltungsgerichtshof hat aber auch bereits festgehalten, dass es sich dabei um eine demonstrative und daher keineswegs abschließende Aufzählung von Delikten in Zusammenhang mit Art. 33 Abs. 2 GFK handelt (vgl. erneut VwGH Ra 2017/19/0109, mit Verweis auf VwGH 3.12.2002, 99/01/0449).

Insofern ist das Delikt des gewerbsmäßig schweren und durch Einbruch begangenen Diebstahls (§ 130 dritter und vierter Fall StGB) nicht grundsätzlich vom Begriff des "besonders schweren Verbrechens" ausgeschlossen.

18 Ebenso hat der Verwaltungsgerichtshof schon zum Ausdruck gebracht, dass auch im Fall einer Vielzahl einschlägiger rechtskräftiger Verurteilungen und insofern verhängter, beträchtlicher und überwiegend unbedingter Freiheitsstrafen, verwirklichte Delikte in einer Gesamtbetrachtung als "besonders schweres Verbrechen" qualifiziert werden können (vgl. VwGH 23.9.2009, 2006/01/0626; 18.10.2018, Ra 2017/19/0109). 19 In der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wird allerdings auch betont, dass es auf die Strafdrohung allein bei der Beurteilung, ob ein "besonderes schweres Verbrechen" vorliegt, nicht ankommt (vgl. VwGH 6.10.1999, 99/01/0288, sowie zuletzt VwGH Ra 2018/20/0360).

So genügt es demnach nicht, wenn ein abstrakt als "schwer" einzustufendes Delikt verübt worden ist. Die Tat muss sich im konkreten Einzelfall als objektiv und subjektiv besonders schwerwiegend erweisen, wobei unter anderem auf Milderungsgründe Bedacht zu nehmen ist (vgl. erneut VwGH 99/01/0288). Bei der Beurteilung, ob ein "besonders schweres Verbrechen" vorliegt, ist daher eine konkrete fallbezogene Prüfung vorzunehmen und sind insbesondere die Tatumstände zu berücksichtigen (VwGH 23.9.2009, 2006/01/0626). Lediglich in gravierenden Fällen schwerer Verbrechen erweist sich bereits ohne umfassende Prüfung der einzelnen Tatumstände eine eindeutige Wertung als schweres Verbrechen mit negativer Zukunftsprognose als zulässig (vgl. etwa in Zusammenhang mit der Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren wegen des Verbrechens des versuchten Mordes:

VwGH 14.2.2018, Ra 2017/18/0419, mwN).

20 Diesen Anforderungen wird das angefochtene Erkenntnis nicht gerecht:

21 Das BVwG ging davon aus, dass im vorliegenden Fall schon die Verurteilung wegen gewerbsmäßig schweren und durch Einbruch begangenen Diebstahls (vgl. das Urteil vom 12. April 2010) "in ihrer Gesamtheit an sich den Tatbestand eines besonders schweren Verbrechens" erfülle, bzw. dass durch das "Gesamtverhalten (des Revisionswerbers) in strafrechtlicher Hinsicht" dieser Tatbestand verwirklicht sei. Das BVwG verwies darauf, dass der gewerbsmäßig schwere Diebstahl mit einer Höchststrafe von bis zu zehn Jahren bedroht sei. Das Delikt finde sich somit hinsichtlich der Höhe der Strafdrohung in einer Reihe mit den typischen schweren Verbrechen wieder. Gerade bei der Verletzung des Hausrechts, dem Eindringen in den unmittelbaren privaten Wohnbereich bzw. dem Eingriff in die körperliche Unversehrtheit handle es sich - so das BVwG - um besonders massive Eingriffe in qualifiziert schützenswerte Rechtsgüter.

22 Das BVwG übersieht dabei, dass es bei der Beurteilung, ob ein "besonderes schweres Verbrechen" vorliegt, nicht allein auf die Strafdrohung ankommt. Es hätte vielmehr eine konkrete fallbezogene Prüfung vornehmen und insbesondere die Tatumstände berücksichtigen müssen, die der Strafbemessung hinsichtlich der Verurteilung wegen des Verbrechens des gewerbsmäßig schweren und durch Einbruch begangenen Diebstahls, also des Delikts, das das BVwG als besonders schweres Verbrechen qualifiziert, und der weiteren Verurteilungen wegen verschiedener Vergehen zu Grunde lagen.

23 Das BVwG verweist zwar allgemein auf den hohen sozialen Unwert eines durch Einbruch begangenen Diebstahls und den damit verbundenen massiven Eingriff in besonders schützenswerte Rechtsgüter. Feststellungen zu den konkreten Tatumständen sind dem angefochtenen Erkenntnis jedoch nicht zu entnehmen. Es werden lediglich die Vormerkungen (mit den betreffenden Tatbeständen und den verhängten Strafen) aus dem Strafregister wiedergegeben. Auch die vom Strafgericht herangezogenen Milderungsgründe zählt das BVwG bloß auf, ohne sie erkennbar in die Beurteilung einfließen zu lassen.

24 Soweit das Bundesverwaltungsgericht den Tatbestand des besonders schweren Verbrechens (auch) durch das "Gesamtverhalten (des Revisionswerbers) in strafrechtlicher Hinsicht" verwirklicht sieht, übersieht es, dass in jenen Fällen, in denen es der Verwaltungsgerichtshof als zulässig erachtete, auf Grund einer Vielzahl einschlägiger strafrechtlicher Verurteilungen Delikte in einer Gesamtbetrachtung als besonders schweres Verbrechen zu qualifizieren (vgl. Rn. 18), beträchtliche und überwiegend unbedingte Freiheitsstrafen verhängt worden waren. Das trifft im vorliegenden Fall nicht zu.

25 Wenn das BVwG offenbar meint, (auch) die Verurteilung vom 14. Februar 2014 begründe auf Grund der Schwere und des sozialen Unwerts der begangenen Delikte (schwere Körperverletzung, Körperverletzung und Anstiftung zur falschen Beweisaussage vor einem Gericht) schon für sich genommen den Tatbestand des besonders schweren Verbrechens, so verkennt es, dass die genannten Delikte keine Verbrechen im Sinn des § 17 StGB sind. 26 Die Revision erweist sich aber auch in Bezug auf die vom BVwG bejahte Gemeingefährlichkeit des Revisionswerbers als begründet:

27 Im vorliegenden Fall kann nicht davon ausgegangen werden, dass die vom BVwG vorgenommene Gefährdungsprognose auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat das Verwaltungsgericht neben der Durchführung aller zur Klarstellung des Sachverhaltes erforderlichen Beweise auch die Pflicht, auf das Parteivorbringen, soweit es für die Feststellung des Sachverhaltes von Bedeutung sein kann, einzugehen. Das Verwaltungsgericht darf sich über erhebliche Behauptungen und Beweisanträge nicht ohne Ermittlungen und ohne Begründung hinwegsetzen (vgl. VwGH 25.6.2019, Ra 2018/19/0459, mwN).

28 Fallbezogen rügt der Revisionswerber zu Recht, das BVwG habe das Schreiben der Bewährungshelferin, nach welchem auf Grund des Lebenswandels des Revisionswerbers - darunter die Eheschließung, die Geburt des Sohnes sowie ein Arbeitsverhältnis in ungekündigter Stellung seit Juni 2016 - eine klar positive Zukunftsprognose zu stellen sei, keiner Würdigung unterzogen. Zudem setzte sich das BVwG nicht mit dem in der Beschwerde vorgelegten Therapeutenbrief und der darin attestierten deutlichen Besserung fehlgeleiteter Aggressivität und deren Bewältigung auseinander, obwohl es sich in seiner rechtlichen Beurteilung maßgeblich auf ein erhebliches Gewaltpotential und Aggression des Revisionswerbers stützte.

29 Demnach wurden vom Revisionswerber im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht unmaßgebliche Umstände ins Treffen geführt, auf die in der im Rahmen der Gefährdungsprognose vorzunehmenden Gesamtbetrachtung hätte Bedacht genommen werden müssen.

30 Im Übrigen hat der Verwaltungsgerichtshof wiederholt darauf hingewiesen, dass bei der Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks im Rahmen einer mündlichen Verhandlung sowohl in Bezug auf die Gefährdungsprognose als auch in Bezug auf die nach Art. 8 EMRK relevanten Umstände besondere Bedeutung zukommt. Das gilt sinngemäß auch für die einzelfallbezogene Erstellung einer Gefährdungsprognose hinsichtlich des Erfordernisses der Gemeingefährlichkeit im Sinn des § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 (vgl. VwGH 5.12.2017, Ra 2016/01/0166).

Von einem geklärten Sachverhalt im Sinne des § 21 Abs. 7 BFA-VG kann insofern im Allgemeinen nur in eindeutigen Fällen ausgegangen werden, bei denen bei Berücksichtigung aller zu Gunsten des Fremden sprechenden Fakten auch dann für ihn kein günstigeres Ergebnis zu erwarten ist, wenn sich das Verwaltungsgericht von ihm einen persönlichen Eindruck verschafft (vgl. VwGH 6.11.2018, Ra 2018/18/0203, mwN).

31 Ein derart "eindeutiger Fall" liegt hier bereits auf Grund der mangelhaften Begründung in Zusammenhang mit der Gefährdungsprognose nicht vor, sodass auch die Ansicht des BVwG, der Richter habe sich einen persönlichen Eindruck vom Revisionswerber auf Grund dessen Zeugenaussage im Verfahren seiner Ehegattin verschaffen können, nicht zu überzeugen vermag. Das BVwG hätte somit nicht von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung absehen dürfen.

32 Das angefochtene Erkenntnis ist aus den dargelegten Gründen sowohl mit inhaltlicher als auch mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet. Es war daher auf Grund der prävalierenden unter Rn. 24 und 25 aufgezeigten inhaltlichen Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

…“

I.18. Da sich im weiteren Verfahren herausstelle, dass die Asylakte der Eltern zwischenzeitig skartiert wurden, ersuchte das ho. Gericht mit Schreiben vom 20.11.2019 die Eltern bzw. insbesondere den Vater der bP um Auskunftserteilung. Insbesondere wurden die Fluchtgründe bezüglich des den Vater der bP betreffenden damaligen Asylverfahrens erfragt.

I.19.1. In der Anfragebeantwortung vom 13.12.2019, eingelangt am 16.12.2019, führte der Rechtsvertreter der bP zusammengefasst aus, dass die Eltern der bP nach Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft von der zuständigen Bezirkshauptmannschaft erfahren haben, dass ihre Asylunterlagen nicht mehr relevant seien und sie die Unterlagen daher vernichtet haben. Da seit der Asylantragstellung bereits mehr als 20 Jahre vergangen sind, würden die Eltern der bP daher keine genauen Erinnerungen mehr an die Geschehnisse in Armenien haben und könne der Vater der bP daher auch keine konkreten Angaben bezüglich seiner Fluchtgründe mehr machen.

Ihre Wohnung in Armenien hätten sie damals verlassen und würden nicht wissen, was mit ihr seither passiert ist, in Armenien würden sie über kein Vermögen oder Liegenschaften besitzen. Verwandte oder Bekannte in Armenien hätte die ganze Familie keine mehr.

Die Mutter der bP sei mit der ältesten Tochter 2017 ein einziges Mal in Armenien gewesen um am Begräbnis des Großvaters der bP teilzunehmen. Die bP selbst sei seit der Flucht niemals in Armenien gewesen, dies sei viel zu gefährlich.

I.19.2. im Rahmen des Aktenstudiums konnte lediglich festgestellt werden, dass die bP im Rahmen einer in der Vergangenheit stattgefundenen psychiatrischen Behandlung angab, dass der Vater in Armenien ein bekannter Journalist und deshalb beträchtlichen Repressalien ausgesetzt gewesen wäre.

I.20. Mit Schreiben vom 03.02.2020 stellte das ho. Gericht eine Anfrage bezüglich der Situation der Familie der bP in Armenien an einen Vertrauensanwalt in Armenien, dessen Antwort am 09.03.2020 einlangte. In dieser führte er aus, dass in der ehemaligen Wohnung der bP nun eine andere Person lebe, allerdings die Eltern der bP in dieser Wohnung einmal registriert waren. Die Nachbarn würden die Familie der bP allerdings nicht kennen, da sie erst später in diese Gegend gezogen seien. Bezüglich der Frage, ob der Vater der bP in Armenien bekannt sei, führte der Vertrauensanwalt aus, dass er nach gründlicher Recherche keine Person unter dem Namen des Vaters gefunden habe, welche ein berühmter Journalist in Armenien gewesen sei und konnten im fraglichen Zeitraum auch keine Repressalien gegen einen Journalisten, welcher den Namen des Vaters der bP führte, verifiziert werden.

I.21. Mit der Ladung vom 19.02.2020 zur mündlichen Verhandlung, wurde der bP aufgetragen, die in dem Schreiben konkret gestellten Fragen zu beantworten.

I.22. Mit Schreiben vom 09.03.2020, eingelangt am 10.03.2020, führte die bP über ihren Rechtsvertreter im Wesentlichen zur Beantwortung der Fragen Folgendes aus:

Gegen die Rückkehr der bP nach Armenien würden mehrere Gründe sprechen. Zum einen sei die bP im Alter von neun Jahren nach Österreich gekommen und sei der armenischen Sprache weder mündlich noch schriftlich mächtig. Zudem sei die bP auch in Österreich sozialisiert und habe kein soziales Netz im Herkunftsstaat. Die Verfolgungsgründe des Vaters würden immer noch vorliegen und diese Feinde des Vaters seien als Feinde des Sohnes zu betrachten. In Armenien sei die bP seit der Flucht auch kein einziges Mal gewesen. Auch müsste die bP im Falle einer Rückkehr zum Militärdienst antreten und würde dort auf den gesundheitlichen Zustand der bP keine Rücksicht genommen werden. Die bP dürfe aufgrund einer Wirbelsäulenoperation nicht schwer heben und sei diesbezüglich auch noch in Behandlung.

Bezüglich der Fluchtgründe der Eltern könne die bP keine Angaben machen, da sie damals zu jung war und mit den Eltern auch aufgrund der traumatischen Erfahrungen nie darüber gesprochen worden sei.

In Österreich habe die bP 4 Jahre Hauptschule und das Polytechnische Jahr absolviert. Seine Lehre als Einzelhandelskaufmann habe er aufgrund der Folgen eines Unfalls nicht abschließen können. Derzeit arbeite die bP als Dach-Spengler und Abdichtungstechniker –wovon er auch lebe- und habe auch das Zertifikat als Dachdecker absolviert. Früher sei die bP bei der Freiwilligen Feuerwehr gewesen und habe während der Schulzeit ehrenamtlich in einem Altersheim geholfen. Zudem habe sie bei einem Fußballverein gespielt.

Verwaltungsübertretungen würden im üblichen Umfang vorliegen, ein Betretungs- oder Näherungsverbot sei nie ausgesprochen worden und ob gegen sie ein Waffenverbot bestehe, wisse die bP nicht. Die Bewährungshilfe habe vor zwei Jahren geendet.

I.23. Für den 28.05.2020 lud das erkennende Gericht die Verfahrensparteien zu einer mündlichen Beschwerdeverhandlung. Der wesentliche Verlauf der Verhandlung wird wie folgt wiedergegeben:

„…

Gemeinsame Befragung der P:

RI: Wie geht es Ihnen gesundheitlich (sowohl in psychischer als auch in physischer Hinsicht [die Begriffe werden mit der P abgeklärt, sodass ihr diese geläufig sind]): Sind sie insbesondere in ärztlicher Behandlung, befinden Sie sich in Therapie, nehmen Sie Medikamente ein?

P1: Zurzeit nehme ich Antidepressiva und Schlaftabletten. Darüber hinaus leide ich unter einem Wirbelsäulenleiden. Eigentlich habe ich keine Wirbelsäule, sondern Biozement. Ich muss zur regelmäßigen Kontrolle und nehme regelmäßig Schmerzmittel.

P2: Ich habe keine Krankenversicherung und ich weiß es nicht, ob ich gesund bin oder nicht. Wir können uns derzeit keinen Arzt leisten. Ich habe ein Schilddrüsenproblem, dafür habe ich ein privates Rezept. Unser Sohn ist mit dem Vater mitversichert und er ist gesund.

RI: Sie wurden bereits beim BFA zu ihren privaten und familiären Verhältnissen befragt (P2) und haben im Verfahren auch von sich aus entsprechende Unterlagen vorgelegt.

Wollen Sie ihre Angaben zu Ihrem Gesundheitszustand vor der belangten Behörde oder im bisherigen Beschwerdeverfahren, inklusive der von Ihnen abgegebenen Stellungnahmen ergänzen?

P: Es passt alles.

RV legt vor: Nachweis über berufliche Qualifikation betr. P1, vom 19.02.2020, 2 Gehaltszettel

RV: Die P2 wollte die C1 Prüfung ablegen aber wegen Corona konnte sie das bis heute nicht machen.

P2: Ich mache gerade den Führerschein.

P1: Es gibt ein Zertifikat darüber, dass ich zertifizierter Abdichtungsmeister bin. Wegen der Covid-19 bedingten Schließungen habe ich keine Bestätigung bekommen.

RI: Sind Sie selbsterhaltungsfähig (Frage wird erklärt)?

P: Ja. Unser Sohn geht in den Kindergarten.

RI: Haben Sie noch zu jemanden in ihrem Herkunftsstaat Kontakt?

P: Nein.

P2: Auch zu den Eltern nicht.

P1: Bis 2018 hatten wir Kontakt zum Großvater aber dieser ist leider verstorben und somit haben wir keine Kontakte mehr.

Einzelne Befragung der P

Befragung der P1

RI: Ihnen wurde der Status eines Asylberechtigten aberkannt und wurde im angefochtenen Bescheid die Entscheidung begründet. Wie treten Sie den Argumenten der belangten Behörde entgegen?

P: Jeder von uns machte mal Blödsinn und lernt daraus. Ich war jung und blöd und habe das Leben anders gesehen und geführt. Ich bereue meine gemachten Taten aber ich kann es nicht mehr ändern. Das wichtigste ist, dass ich mein Leben in den Griff bekommen habe und mich integriert habe, soweit ich es konnte. Jeder von uns macht einmal einen Blödsinn. Wenn man jung ist, dann denke man nicht so real. Die Verantwortung bekommt man später und vor allem, wenn man ein Kind hat.

RI: Was würde Sie in Ihrem Herkunftsstaat konkret erwarten?

P: Armenien ist ein großer Punkt. Ich kann die Sprache nicht sprechen oder lesen. Ich kann mich daher dort nicht zurechtfinden, überhaupt in meinem Alter. Wir sind geflüchtet, wegen der politischen Probleme von meinem Vater, da ich sehr klein war, ist das sehr in meinem Kopf geblieben. Ich erinnere mich heute noch genau daran und dass die Kugeln links und rechts neben unserem Auto flogen. Sie wollten uns umbringen. Sie wollten das Kind meines Vaters umbringen und die Rache ausüben. Das würden sie erreichen, wenn ich zurückkehre. Sobald ich in Armenine bin, gibt es keine Überlebenschance für mich. Sie wissen genau wer ich bin und wer mein Vater ist und wenn sie mich nicht umbringen, dann würden sie mich zumindest foltern. Ich habe dort nicht womit ich was anfangen kann, kein Haus oder Wohnung oder Zertifikate. Mit 29 Jahren wo ausgesetzt zu werden, das ist kein Neubeginn, sondern eher Mord. Bei uns ist es so, dass jeder junge Mann das Bundesheer machen muss. In Armenien hat man 2 Jahre Pflicht. Wenn die Leute mitbekommen, dass man im Ausland war, dann geht es bei der Rückkehr nur ums Geld. Sobald ich am Flughafen ankomme, werde ich sofort festgenommen und wahrscheinlich 3 Wochen ins Gefängnis gesetzt und dann muss ich zum Wehrdienst. Ich müsste an die Grenze, weil meine Eltern in Europa sind und sie dafür zahlen müssten, damit ich woanders hinkomme. Alle glauben, dass die Leute in Europa viel Geld haben und sie können sich nicht vorstellen, dass das Leben oft schwieriger ist als woanders. Ich weiß nicht wie es in Armenien zugeht, ich bin seit ich 8 Jahre alt bin in Österreich, bin hier in die Schule gegangen.

RI: Wissen Sie, warum Ihrem Vater seinerzeit Asyl gewährt wurde?

P: Soweit ich es weiß, er war Journalist. Ich war damals noch klein. Ich erinnere mich, dass mein Vater zu uns gekommen ist und uns zur Oma brachte. Eine Zeit lang später waren wir bei unserer Wohnung und es war alles zerstört. Die Alpträume habe ich nur davon, wie wir von Autos gerammt wurden und auf uns geschossen wurde. Es war oft so, dass mich Leute aus der Schule wegnehmen wollten, die Lehrer ließen das aber nicht zu. Mein Vater holte mich dann von der Schule ab und am Schulgelände fingen die Schießereien an. Das holt mich ständig wieder ein. Ich habe sehr lange gebraucht. 2012 -2015 habe ich eine Therapie durchgeführt, um es abschließen zu können, es war aber umsonst.

RI: Seit wann hat Ihre Familie die österreichische Staatsbürgerschaft?

P: Ich habe zwei Geschwister. Sie haben die österr. Staatsbürgerschaft seit 2006 oder 2007.

RI: Ihnen wurden Feststellungen zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in Ihrem Herkunftsstaat zur Kenntnis gebracht. Armenien ist ein sicherer Herkunftsstaat iSd § 19 BFA-VG, für den der Grundsatz der normativen Vergewisserung der Sicherheit gilt (Begriff wird erklärt) Wollen Sie sich hierzu äußern?

P: Ich könnte mich äußern, wenn ich ein Bild von dem Land hätte. Als Tourist kann man überall annehmen, dass es wo sicher ist. Ich kann es aber nicht sagen. Ich habe nur das Negative von meiner Kindheit. Wenn es dort sicher wäre, warum flüchten die Leute dann?

RI: Haben Sie in Armenien Verwandte?

P: Hatte ich. Mein Großvater ist gestorben. Meine Großmutter ist dort, aber wir wissen nicht, wo sie sich gegenwärtig aufhält, wahrscheinlich ist sie in Russland.

RI: Haben Sie zu jemanden in Armenien Kontakt?

P: Nein. Ich habe dort niemanden.

RI: Haben Ihre Eltern/Geschwister zu jemanden in Armenien Kontakt oder verfügen sie dort über Eigentum?

P: Eigentum auf keinem Fall. Meine Schwester ist in New York, sie arbeitet im Büro, habe selten Kontakt. Die andere Schwester ist in Wien, der Kontakt ist da, aber über das Leben in Armenien wird nicht gesprochen.

RI: Wollen Sie sich weitergehend zu den Gründen ihres Kindes äußern?

P: Er ist mein Sohn. Ich versuche ihn so zu integrieren, wie ich es mache. Die deutsche Sprache ist mir sehr wichtig. Ich kann besser Deutsch als Armenisch. Mein Ziel ist es, dass mein Sohn nicht die Schwierigkeiten hat, die ich am Anfang hatte. Er spricht Deutsch, Englisch, Armenisch und teilweise auch Russisch und das mit 3 Jahren.

RI Erörtert den Strafregisterauszug, sowie die dem ho. Gericht bekannten Verwaltungsstrafen in Bezug auf die P.

P: Wenn ich es ändern könnte, würde ich die Zeit zurückdrehen, aber leider kann ich das nicht. Es tut mir leid, dass das alles passiert ist.

RI: In welcher Sprache kommunizierten Sie mit Ihrer Gattin, als Sie diese kennenlernten?

P: Ich kann schon Armenisch sprechen aber es gibt viele Wörter, die ich nicht kann. Aber wir konnten uns unterhalten. Wenn es um Details geht, dann verstehe ich nicht alles.

RI fragt RV, ob er Fragen an die P hat.

RV bringt vor: Aus meiner Sicht, ist eine Asylaberkennung, wegen geänderter Verhältnisse in Armenien, rechtlich nicht zulässig. Dies deshalb, da die P1 im Wege der Asylerstreckung nach seinen Eltern, Asyl erlangt hat und den Eltern mittlerweile die österr. Staatsbürgerschaft verliehen wurde. Da den Eltern der Asylstatus nicht mehr aberkannt werden kann, müsste das auch für die P1 gelten.

Befragung der Zeugen in Anwesenheit der P

Befragung des Zeugen Z1:

RI: Haben Sie in Armenien Verwandte?

Z: Nein.

RI: Haben Sie zu jemanden in Armenien Kontakt?

Z: Nein.

RI: Verfügen Sie in Armenien über Eigentum?

Z: Ich hatte welches, aber ich weiß nicht was damit passierte, als ich nach Österreich gekommen bin.

RI: Wann waren Sie das letzte Mal in Armenien?

Z: Seit meiner Ausreise nicht mehr.

RI: Was wurde aus Ihrer Wohnung in Jerewan?

Z: Ich weiß es nicht, was damit passiert ist. Vor 10 Jahren kamen Bekannte aus Armenien nach Österreich, die haben mir erzählt, dass bereits andere Personen in dieser Wohnung leben.

RI: Aus welchen Gründen haben Sie damals in Österreich Asyl erhalten?

Z: Ich war ein großer Politiker in Jerewan.

RI: Waren Sie für eine Partei tätig?

Z: Ja, ich war Mitglied der Partei 20. Jahrhundert Assoziation.

RI: Gibt es diese Partei noch?

Z: Nein. Es ist schon lange her, dass diese aufgelöst wurde und viele Leute sind gestorben und viele wurden, so wie ich, vernichtet. Viele Leute sind geflüchtet, so wie ich. Das war vor 23 Jahren.

RI: Was würde Sie aktuell in Armenien erwarten?

P: Keiner kann für mein Leben haften, ich weiß nicht was mich dort erwartet und ob ich eine Sicherheit habe, egal wer an der Macht ist.

RI: Sagt Ihnen Frau XXXX etwas?

Z: Nein.

RI: Diese Frau wohnt jetzt in Ihrer Wohnung.

Z: Ich kenne sie nicht.

RI: Ihr Sohn gab damals befragt an, dass Sie in Armenien Journalist waren?

Z: Ja, das stimmt.

RI: Politiker und Journalist sind aber nicht dasselbe.

Z: Spielt das eine Rolle?

RI: Ist das tatsächlich Ihre Antwort?

RV: Erklären Sie bitte, ob Sie Journalist oder Politiker waren.

Z: Sowohl als auch.

RI: In welchem Medium haben Sie Ihre journalistische Tätigkeit ausgeübt, wo wurden Ihre Arbeiten veröffentlicht?

Z: In der Zeitung „ XXXX “.

RI erörtert die Anfragebeantwortung des Vertrauensanwaltes in Armenien, übergibt eine anonymisierte Version den Parteien und erörtert das Qualifikationsprofil des Vertrauensanwaltes.

Z: Vor 25 oder 26 Jahren habe ich mein Studium 2 Monate absolviert gehabt und bin in die Politik gegangen. Wie soll ich in dieser Zeit sehr berühmt geworden sein?

RI fragt die Parteien, ob sie Fragen an den Zeugen haben:

P1: Keine Fragen.

P2: Keine Fragen.

RV: Haben Sie Probleme bekommen, wegen Ihrer Journalisten oder politischen Tätigkeit oder wegen beider Tätigkeiten?

Z: Ich darf hier nicht öffentlich über meine Vergangenheit reden, das könnte ich nur, mit Ihnen unter vier Augen machen. Diese Geschichte hat für mich vor 20 Jahren geendet. Jetzt wollen Sie das fortsetzen?

Z an RI: Welches Problem haben Sie mit mir, dass Sie mein Verfahren aufrollen?

RV: Ich möchte Ihrer Familie nur helfen. Was führte zu Ihren Problemen, allgemein gehalten?

Z: Ich verstehe was Sie meinen. Mein Problem war hauptsächlich wegen der politischen und nicht wegen meiner journalistischen Tätigkeit. Wir wollten einen Regierungswechsel.

RV: Das heißt es war eine oppositionelle Partei, die gegen die damalige, regierende Partei, aufgetreten ist?

Z: Ja.

RV: Welche Funktion haben Sie in dieser Partei gehabt?

Z: Ich war Mitglied der Partei. Es ging sich nicht darum, dass wir Funktionen aufteilen. Arkady Vardayan war der Leiter der Partei.

RV: Es ist davon auszugehen, dass die Asylbehörde im damaligen Asylverfahren des Zeugen, genau geprüft hat, ob Fluchtgründe im Sinne der GFK vorliegen. Die Asylbehörde ist zu dem Ergebnis gelangt, dass solche Ausgründe vorliegen und hat dem Zeugen Asyl gewährt. Diese Ermittlungsergebnisse des BAA können nicht, durch die vom Vorsitzenden der heutigen Verhandlung, angesprochenen Ermittlungen, eines Vertrauensanwaltes aus Armenien, mehr als 20 Jahre nach den Vorfällen, entkräftet werden.

RI: Haben Sie damals vom BAA Asyl bekommen oder vom UBAS?

Z: Vom BAA habe ich einen negativen Bescheid bekommen und in zweiter Instanz bekam ich Asyl.

Befragung der Zeugin Z2:

RI: Haben Sie in Armenien Verwandte?

Z: Nein. Meine Mutter lebt noch aber ich weiß nicht wo sie ist. Seit dem Tod meines Vaters habe ich keinen Kontakt.

RI: Haben Sie zu jemanden in Armenien Kontakt?

Z: Nein.

RI: Verfügen Sie in Armenien über Eigentum?

Z: Nein. Wir hatten welches aber das hat alles mein Vater gehabt.

RI: Wann waren Sie das letzte Mal in Armenien?

Z: Beim Begräbnis meines Vaters, am 04.01.2018.

RI: Aus welchen Gründen haben Sie damals in Österreich Asyl erhalten?

Z: Ich habe Asyl auf Erstreckung meines Gatten erhalten.

RI: Sagt Ihnen Frau XXXX etwas?

Z: Nein.

RI fragt die Parteien, ob sie Fragen an den Zeugen haben:

P1: Nein.

P2: Nein.

RV: Nein.

RI fragt RV, ob sie weitere Fragen an die P haben.

RI fragt den RV um seine Stellungnahmen zu dieser Beurteilung.

RV: Ich verweise auf das bisherige Vorbringen und die eingebrachten Schriftsätze.

RI fragt die P, ob sie noch etwas Ergänzendes vorbringen wollen; dies wird verneint.

…“

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

II.1.1. Die beschwerdeführende Partei

Die bP ist Staatsbürger der Republik Armenien.

Bei der beschwerdeführenden Partei handelt es sich um einen im Herkunftsstaat der Mehrheitsethnie angehörigen Armenier, welcher aus einem überwiegend von Armeniern bewohnten Gebiet stammt.

Die Identität der bP wurde von der bB als gegeben angenommen.

Die bP erlitt aufgrund eines Unfalls im Jahr 2008 mehrere Wirbelkörperfrakturen der Lendenwirbelsäule und benötigt aufgrund dieser Verletzungen wegen rezidivierender Schmerzen immer wieder Medikamente. Zudem leidet die bP laut eigenen Angaben an einer exogenen Depression und Schlafstörung und wurden ihr deshalb ebenfalls Medikamente verschrieben.

Die beschwerdeführende Partei ist ein arbeitsfähiger, nicht invalider Mann mit einer –wenn auch auf niedrigerem Niveau als in Österreich– gesicherten Existenzgrundlage in Armenien.

Im Strafregister der Republik Österreich scheinen in Bezug auf die bP folgende Vormerkungen auf:

„ …

01) LG XXXX vom 12.04.2010 RK 16.04.2010

PAR 15 127 128 ABS 1/4 129/1 130 (3.4. FALL) PAR 134/1 229/1 StGB

PAR 50 ABS 1/1 WaffG

Freiheitsstrafe 18 Monate, davon Freiheitsstrafe 15 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre

Junge(r) Erwachsene(r)

Vollzugsdatum 16.04.2010

zu LG XXXX RK 16.04.2010

Unbedingter Teil der Freiheitsstrafe vollzogen am 16.04.2010

LG XXXX vom 16.04.2010

zu LG XXXX RK 16.04.2010

Nachträgliche Anordnung der Bewährungshilfe

LG XXXX vom 21.01.2011

zu LG XXXX RK 16.04.2010

Probezeit des bedingten Strafteils verlängert auf insgesamt 5 Jahre

LG XXXX vom 03.05.2012

zu LG XXXX RK 16.04.2010

(Teil der) Freiheitsstrafe nachgesehen, endgültig

Vollzugsdatum 16.04.2010

LG XXXX vom 06.09.2016

02) BG XXXX vom 13.04.2011 RK 18.04.2011

PAR 127 StGB

Datum der (letzten) Tat 01.12.2010

Freiheitsstrafe 3 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre

Junge(r) Erwachsene(r)

Vollzugsdatum 18.04.2011

zu BG XXXX RK 18.04.2011

Probezeit verlängert auf insgesamt 5 Jahre

BG XXXX vom 02.03.2012

zu BG XXXX RK 18.04.2011

(Teil der) Freiheitsstrafe nachgesehen, endgültig

Vollzugsdatum 18.04.2011

BG XXXX vom 28.04.2016

03) BG XXXX vom 02.03.2012 RK 06.03.2012

§ 125 StGB

§ 83 (1) StGB

Datum der (letzten) Tat 14.12.2011

Freiheitsstrafe 3 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre

Geldstrafe von 200 Tags zu je 4,00 EUR (800,00 EUR) im NEF 100 Tage Ersatzfreiheitsstrafe

Anordnung der Bewährungshilfe

Junge(r) Erwachsene(r)

zu BG XXXX RK 06.03.2012

U

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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